15 August 2010

Das neue britische Wahlrecht wäre in Deutschland verfassungswidrig

In an equal democracy (…), the majority of the people, through their representatives, will outvote and prevail over the minority and their representatives. But does it follow that the minority should have no representatives at all? Because the majority ought to prevail over the minority, must the majority have all the votes, the minority none? Is it necessary that the minority should not even be heard? In a really equal democracy, every or any section would be represented, not disproportionately, but proportionately.

Das schrieb John Stuart Mill 1861 über das klassische britische Mehrheitswahlrecht. Das beruht bekanntlich auf dem Gedanken, dass in jedem Wahlkreis der Kandidat ins Parlament einzieht, der von allen Kandidaten am meisten Stimmen erhält. Auch wenn nur ein Fünftel der Wähler ihn gewählt haben, gewinnt er das Mandat, solange nur alle anderen Kandidaten noch weniger Stimmen haben.

Dieses Wahlsystem, bei allem Respekt für die Wiege der Demokratie in Europa, ist ein anachronistisches undemokratisches Ärgernis und gehört reformiert. Und genau das hat die LibDem-Torie-Koalition auch vor: Das neue Wahlrecht soll dafür sorgen, dass die Stimmen der Zweit- und Drittplazierten usw. nicht länger unter den Tisch fallen und das Mandat möglichst an den geht, der tatsächlich am meisten Unterstützung in seinem Wahlkreis erfährt.

Das ist verfassungspolitisch alles sehr schön. Aber verfassungsrechtlich ist der Befund dieser: Das alte System mit all seinen Fehlern wäre in Deutschland unter dem Grundgesetz möglich, zulässig und erlaubt; das hat das Bundesverfassungsgericht in keiner seiner Wahlrechts-Entscheidungen versäumt zu betonen.

Das neue System, das die von Nick Clegg (Foto) angeführten Liberal-Democrats durchsetzen wollen, um endlich nicht mehr auf einen Bruchteil ihrer tatsächlichen Stärke heruntermajorisiert zu werden – dieses neue System dagegen wäre, wenn mich nicht alles täuscht, in Deutschland verfassungswidrig.

Alice verliert, wenn sie gewinnt

Das von LibDem favorisierte System heißt “Alternative Vote”. Unter Wahlrechts-Experten, unter denen sich auch viele Mathematiker herumtreiben und die vielleicht deshalb dazu neigen, ihre Modelle mit seltsamen Namen zu belegen, wird es auch “Instant Runoff” genannt. Dieses System läuft darauf hinaus, dass die Wähler nicht nur ihren Lieblings-Kandidaten ankreuzen, sondern auch ihren Zweit-Liebling, ihren Dritt-Liebling usw., kurz: dass sie die Kandidatenliste in eine persönliche Hitparade ordnen.

Wenn einer der Kandidaten für mehr als die Hälfte die erste Wahl ist, dann wird er Abgeorndeter. Wenn dagegen keiner eine so klare Mehrheit erreicht, dann wird zunächst der Kandidat mit den wenigsten Stimmen aus dem Rennen genommen. Dann kommt es darauf an, wen dessen Wähler auf Nr. 2 gesetzt haben: Wenn jetzt einer der Kandidaten zusammengenommen auf über 50% kommt, ist er Sieger. Wenn nicht, wird das Spiel wiederholt – solange, bis einer eine absolute Mehrheit hat und somit mit Fug und Recht für sich das Mandat in Anspruch nehmen kann, den jeweiligen Wahlkreis im Parlament zu vertreten.

Das System hat den Vorzug, dass es wie eine logische Fortentwicklung des klassischen Mehrheitswahlrechts erscheint. Und den Briten weiterhin ermöglicht, sich von den schlampigen kontinentalen Verhältniswahl-Verhältnissen abzugrenzen.

Es gibt auch Praxisbeispiele: Die Australier wählen seit 1918 so ihr Parlament. Auch die Oskar-Verleihungen funktionieren nach diesem Muster.

Der Haken daran ist – und hier kommen die Mathematiker ins Spiel – dass in diesem System relativ geringfügige Verschiebungen in den persönlichen Hitparaden der Wähler zu dramatisch unterschiedlichen Ergebnissen führen können. Damit nicht genug: Es ist möglich, dass ein Kandidat verliert, wenn ein Teil der Wähler ihn auf Platz 1 ranken – und gewonnen hätte, wenn sie ihn auf Platz 2 gerankt hätten.

Im Guardian fand sich vor ein paar Wochen ein Rechenbeispiel, das diesen Effekt belegt:

For instance, suppose 21 voters are voting for three candidates: Alice, Bob and Charlie. Eight voters rank the candidates Alice 1, Bob 2, Charlie 3; two rank them Bob 1, Alice 2, Charlie 3; five rank them Bob 1, Charlie 2, Alice 3; and six rank them Charlie 1, Alice 2, Bob 3. Since Charlie has the fewest first-place votes, he is eliminated, and those six votes now have Alice in first place, so she wins 14 to 7.

But suppose the vote were slightly different, and the two voters who put Bob first had instead ranked Alice top (Alice 1, Bob 2, Charlie 3). Now Bob, with only five first-place votes, is eliminated and those five rankings then have Charlie in first place, so Charlie wins 11 to 10. Moving Alice up in a few rankings converts her from a winner to a loser, because in doing so there is a change in which candidate is eliminated.

Negatives Stimmgewicht

Das kommt uns bekannt vor, oder? Vor zwei Jahren hat das Bundesverfassungsgericht Teile des Bundeswahlgesetzes für verfassungswidrig erklärt, weil es Konstellationen zuließ, in denen man einer Partei, der man seine Stimme gab, gerade damit schadete – die Nachwahl in Sachsen, wir erinnern uns.

Mit einem solchen “negativen Stimmgewicht” haben wir es auch im Rechenbeispiel aus dem Guardian zu tun. Man kann einem Kandidaten dadurch schaden, dass man ihn auf Platz 1 rankt, und dadurch nützen, dass man ihm jemand anderes vorzieht.

Das BVerfG sagt dazu folgendes:

Ein Berechnungsverfahren, das dazu führt, dass eine Wählerstimme für eine Partei eine Wirkung gegen diese Partei hat, widerspricht aber Sinn und Zweck einer demokratischen Wahl.

Und das gilt keineswegs nur für Wahlsysteme des Verhältniswahlrechts:

Die Erfolgschancengleichheit erlaubt zwar, dass – wie zum Beispiel im Mehrheitswahlrecht – Stimmen nicht gewertet werden, nicht aber, dass einer Wahlstimme neben der Chance, zum beabsichtigten Erfolg beizutragen, auch die Gefahr, dem eigenen Wahlziel zu schaden, innewohnt.

Außerdem verletzt das negative Stimmgewicht den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Wahl, weil der Wähler nicht erkennen kann, wie sich seine Stimmabgabe auswirkt.

Punkte vergeben statt Kreuzchen machen

Was tun? In dem besagten Guardian-Artikel wird ein Ausweg vorgeschlagen, der das Problem des negativen Stimmgewichts vermeidet: Approval Voting.

Dabei werden die Kandidaten nicht gerankt, sondern sozusagen benotet. Sie bekommen von den Wählern Punkte. Man kann  auch einfach sagen: Jeder Wähler hat 100 Stimmen, und die kann er auf so viele Kandidaten verteilen, wie er will. Wer in einem Wahlkreis am besten abschneidet, hat gewonnen.

Das System ist einfach, transparent, gerecht und effizient. Es ist auch nicht so, dass es keine Erfahrung damit gibt. Denn es wird sowieso schon allenthalben praktiziert: Restaurants, Weine, Bücher, Musik – wo immer man herausfinden will, was die Leute am liebsten haben, wird instinktiv nach diesem System gegriffen, zumal im Zeitalter des Internet.

Nur bei Politikern nicht.

Immerhin wählen offenbar sowohl die American Statistical Association als auch die Mathematical Association of America auf diese Weise ihre Vorstände. Das ist doch schon mal eine klare Ansage: Was die Experten für sich selber für gut befinden, das kann so schlecht nicht sein.

Aber es gibt kein einziges Land, das nach diesem System seine politische Führung wählt. Warum eigentlich? Was macht die politische Wahl so besonders, dass wir im Regelfall nicht einmal auf die Idee kommen, die Präferenzen der Bevölkerung hier auf die gleiche Weise zu messen wie überall woanders auch?

Ideen und Anmerkungen willkommen.

Update: Wer sich fragt, wie die deutschen Mathematiker ihr Präsidium wählen, findet die Antwort hier.


9 Comments

  1. GlobalDemocrat Sun 15 Aug 2010 at 15:06 - Reply

    Schön dass Sie aus dem Urlaub zurück sind!

    Das Thema ist ja auch für Deutschland relevant: zunehmende Zersplitterung der Parteienlandschaft…

  2. Muriel Sun 15 Aug 2010 at 15:16 - Reply

    “…weil der Wähler nicht erkennen kann, wie sich seine Stimmabgabe auswirkt.”
    Diese Art der Argumentation zum Wahlrecht finde ich immer ein bisschen merkwürdig, weil es statistisch gesehen nun einmal eine Tatsache ist, dass die Stimme jedes einzelnen Wählers sich (wenn es nicht gerade um einen Klassensprecher geht) praktisch überhaupt nicht auswirkt. Insofern schmunzle ich auch immer ein bisschen, wenn Leute davon reden, sie würden taktisch oder sonstwie wählen…
    Das Approval Voting klingt jetzt erst einmal auch für mich am sinnvollsten, zumal es angenehm einfach ist und für jeden verständlich sein dürfte.

  3. Skl8em Sun 15 Aug 2010 at 16:02 - Reply

    Mich verwundert es immer wenn man Run Off Voting oder andere wegen des Taktierens oder des nicht verstehen der Wirkung abspricht und dann noch schlimmere wahlformate anbietet.

    Bei dem Punkte verteilen ist das noch viel schlimmer. Soll ich alle Punkte auf eine Person sammeln oder entlang meines Lagers gleichmässig verteilen? Im ersten Fall verwirke ich die meine Stimme falls die meisten ähnliche Kandidaten präferieren, im zweiten fall hat meine Stimme viel weniger Wirkung als die die Ihre stimmen bündeln. Das verteilen von Punkten wirkt für mich eher wie eine riesige Tombola als einer Wahl.

    Wenn man schon die Mathematiker zu Rate zieht, dann könnte mann auch schauen was sie empfehlen: Die zwei mit Abstand besten Verfahren sind die Schulze Methode und Single Transferable Voting. In beiden Fällen ist das Verfahren zwar schwieriger zu verstehen, aber die Wirkung der Stimme ist ganz klar. Insofern ist es sogar besser als die aktuelle Systeme zB in Kommunalwahlen, wo niemand recht versteht, ab wann wer eine Sitz oder eine Fraktion bekommt und wem ich mit welcher stimme wie helfen kann.

  4. Dietrich Herrmann Sun 15 Aug 2010 at 19:49 - Reply

    Zunächst noch mal auch von mir Kompliment zu den verdienten Lorbeeren.

    Ihr Beitrag über das Wahlrecht berührt aus meiner Perspektive (mindestens) zwei verschiedene Perspektiven:
    – was ist/was wäre verfassungsrechtlich bzw. verfassungsgerichtlich zulässig in Deutschland?

    – was ist politisch und praktisch sinnvoll?

    Verfassungsrechtliche Bedenken gegenüber dem Mehrheitswahlrecht sehe ich überhaupt nicht; es ist eher eine sophistische Spielerei zu spekulieren, ob die eine oder andere Spielart eines Vorzugswahlrechts, wie es derzeit im UK debattiert wird, mit der bundesverfassungsGERICHTlichen Dogmatik vereinbar wäre. Diese in sich keineswegs geschlossene und widerspruchsfreie Dogmatik ist nur verständlich vor dem jeweiligen rechts- und politisch-gesellschaftlich-kulturellen Hintergrund. Wenn man sich überlegt, welche Skurrilitäten in den Wahlrechten des Bundes und der Länder stehen – davon nicht wenige mit dem Segen von Bundesverfassungsgericht oder Landesverfassungsgerichten – (hierzu umfangreich die verdienstreichen Darstellungen der Kollegen bei wahlrecht.de), man denke etwa an den Unsinn der “unechten Teilortswahl” in Baden-Württemberg, oder auch an das Grundprinzip der Überhangmandate bei Bundestagswahlen (gebilligt durch eine m.E. falsche Entscheidung des BVerfG von 1997 – da diese mit 4:4 fiel, entfaltet sie mindestens formal keine Bindungswirkung, de facto aber leider doch), dann kann man getrost das Spekulieren lassen.
    Wenn der politische Druck zur Einführung eine bestimmten Regelung entsprechend ist, die kontrollierende Richterbank “richtig” besetzt ist und die spezifische Problematik des Wahlrechts nicht weithin bekannt, dann wird das Gericht sich zurück halten. Ich glaube, dass der letzte Erfolg in Sachen “negatives Stimmgewicht” ohne die Erfahrung der Dresdner Nachwahl 2005 nicht vorstellbar gewesen wäre, weil dieses Phänomen nur wenigen Experten wie bei wahlrecht.de verständlich gewesen wäre (die hatten ja schon zuvor darauf hingewiesen).

    Ad 2:
    Auch wenn es vermutlich “gerechter” ist mit Punkten statt mit Stimmen zu wählen (als examiniertem Mathematiker leuchten mir die Argumente der Kollegen ein), bin ich dennoch skeptisch: es ist vermutlich einfach zu komplex – welche Wählerin, welcher Wähler möchte bzw. vermag solche (nur als Beispiel) 100 Punkte angemessen zu vergeben; viele selbst hoch gebildete Menschen (ich könnte da peinliche Stories erzählen) haben ja jetzt schon mit den zwei Stimmen bei der Bundestagswahl und deren möglichen Wirkungen enorme Probleme, von den Feinheiten des jeweiligen Kommunalwahlrechts in den Ländern mal ganz zu schweigen. Im Grunde neigen wir einfach strukturierten Menschen nach einer möglichst einfachen Wahl – und da reicht eine Stimme. Ich gebe zu, das klingt etwas desillusioniert, ist aber von meiner persönlichen Wahrnehmung als aktiver Teilnehmer wie als Beobachter des politischen Prozesses getragen.

  5. chi Sun 15 Aug 2010 at 21:12 - Reply

    Zwei Anmerkungen:

    1. Die (angedeutete) Darstellung des Approval voting scheint mir nicht richtig. Es klingt, als würde man dabei eine feste Anzahl von Stimmen (oder Punkten, Namen sind Schall und Rauch) beliebig auf eine Menge von Kandidaten aufteilen – also wie im Kommunalwahlrecht mit Kumulieren und Panaschieren, nur ohne Beschränkung. Das ist dann aber kein Approval voting, denn wie der verlinkte Wikipedia-Artikel sagt: “Each voter … may give each candidate at most one vote.”

    2. Wie der Name „instant run-off“ schon sagt, handelt es sich dabei im Prinzip um eine Serie von Stichwahlen, die zur Vereinfachung in einem Rutsch abgehandelt werden.
    Man vergleiche das mit den vielerorts üblichen zweistufigen Bürgermeisterwahlen: Erst wird einmal gewählt, und wenn kein Kandidat eine absolute Mehrheit erreicht hat, gibt es eine Stichwahl zwischen dem erst- und dem zweitplazierten. Dieses Verfahren hat genau die gleichen Probleme wie instant run-off, scheint aber verfassungsgerichtlich akzeptiert zu sein.

  6. Wilko Zicht Sun 15 Aug 2010 at 21:50 - Reply

    Das Urteil des BVerfG zum negativen Stimmgewicht leidet etwas daran, dass das Gericht sich keinerlei Mühe macht, das beim Bundestagswahlrecht auftretende Phänomen in ein Verhältnis zu setzen mit anderen (in der Fachwelt) bekannten Wahlrechtsparadoxien. Das negative Stimmgewicht bei Bundestagswahlen ist nämlich sehr viel leichter vorhersehbar als beispielsweise der beschriebene Monotoniefehler beim Instant Runoff Voting (AKA Alternative Voting) und trat bei jeder Bundestagswahl seit 1980 auf, meist in mehreren Bundesländern.

    Ich glaube daher nicht, dass das Bundesverfassungsgericht auch die vergleichsweise seltene Monotonieverletzung des Instant Runoff Voting für verfassungswidrig erklären würde. Anderenfalls wären übrigens alle deutschen Kommunalwahlgesetze (außer NRW, Sachsen und Baden-Württemberg) hinsichtlich der Direktwahl von Bürgermeistern verfassungswidrig. Denn die hier übliche absolute Mehrheitswahl mit Stichwahl ist genauso wenig monoton wie das Instant Runoff Voting. Das Beispiel aus dem Guardian-Artikel lässt sich 1:1 auf die absolute Mehrheitswahl mit Stichwahl übertragen.

    Beim Approval Voting wird die größere Freiheit von Paradoxien damit erkauft, dass man dem Wähler Differenzierungsmöglichkeiten bei der Stimmabgabe nimmt: Ich kann bei jedem Kandidaten nur zwischen Ankreuzen und Nicht-Ankreuzen wählen und nicht mehr zwischen meinem Lieblingskandidaten und einem für mich so gerade eben noch akzeptablen Kandidaten unterscheiden. Ein Punkteverfahren, wie Sie es beschreiben (und wie man es beispielsweise vom Eurovision Song Contest kennt), ist hingegen kein Approval Voting, sondern läuft eher auf eine sog. Borda-Wahl hinaus.

    Für ein Single Transferable Vote (in Mehrmandatswahlkreisen) oder gar für ein Condorcet-Verfahren wie die Schulze-Methode ist m. E. die Zeit noch nicht reif. Angesichts der aktuellen Bestrebungen in einigen Bundesländern, die Stichwahl bei Bürgermeister-Direktwahlen abzuschaffen oder wieder einzuführen, wäre aber jetzt die Zeit gekommen, das Instant Runoff Voting ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Man vermeidet damit einen zweiten Wahlgang, aber auch die Ungerechtigkeiten einer relativen Mehrheitswahl. Sofern mehr als zwei Kandidaten nach den Erstpräferenzen Siegchancen haben, führt IRV zudem zu gerechteren Ergebnissen als die absolute Mehrheitswahl mit Stichwahl. Und dabei ist IRV, also die absolute Mehrheitswahl mit Alternativstimmgebung, von der Stimmgebung her weiß Gott nicht komplizierter als so maches Kommunalwahlrecht mit Kumulieren und Panaschieren.

  7. Dante Mon 16 Aug 2010 at 09:45 - Reply

    Egal was man befürwortet, man sollte darauf achten, dass es mit vertretbaren Aufwand transparent auszählbar ist.

    Bei der von Ihnen favorisierten 100 Punkte-Regelung (bei der es sich nach den Kommentaren wohl nicht um Approval-Voting handelt), ist das m.E. nicht gegeben.

    Ohne Computerunterstüzung ist es meines Erachtens gar nicht mit vertretbarem Aufwand auszählbar. Auch wenn die vom Wähler eingesetzten Werte von den Wahlhelfern in ein Computerprogramm eingegeben werden, wäre der Aufwand enorm.

    Die Einführung des Systems würde daher unweigerlich zu elektronischen Wahlsystemen führen, die auch mit Papertrail oder ähnlichem nicht sinnvoll zu kontrollieren wären, weil der Aufwand des Nachzählens einfach zu groß wäre.

    Schon unter diesem Gesichtspunkt scheidet das Wahlverfahren für mich aus.

  8. Thomas Mon 18 Oct 2010 at 09:37 - Reply

    Das kann man auch anders sehen. Ein alternativer Text zu dem Alterative Vote ist hier:
    http://social.videogameszone.de/wahlsysteme/2010/05/29/hallo-welt

    Es ist zu bedenken, dass die Konstellation des Bundesverfassungsgerichts alle paar Jahre wechselt. Gleichzeitig verändert sich allmählich der Geist der Zeit, die Konfiguration des politischen Systems (Parteiensystem,…) und auch die Mentalität der Richter. chließlich leben sie in dem sich verändernden Geist der Zeit. Neue Richter verkörpern neue Vorstellungen und damit ändern sich auch Urteile der Richter.
    Auch der inverse Erfolgswert wurde nicht im ersten Versuch von den Verfassungsrichtern anerkannt. Erst nach der Nachwahl in Dresden geschah dies.

    Außerdem muss ich mich hier stark von der Position von Herrn Zicht distanzieren: Es gibt zwei Perspektiven, wie man die Paradoxien betrachten kann. Aus demokratietheoretischer Sicht gebe ich Ihnen Recht, aber aus funktionalistischer Perspektive ist dem nicht so. Die Auswirkungen der Paradoxien umfassen meist ein Mandat. Und diese Dinge hätten auch mit Ausnahmeregelungen geändert werden können. Auch der inverse Erfolgswert hat enen äußerst geringen Spielraum, der noch viel schwerer instrumentalisierbar ist (s. zu der Thematik Strohmeier). Daher überwiegt für mich in beiden Fällen die Perspektive der Funktionalität. Lieber sollen sich Politiker mit wichtigeren Problemen beschäftigen als mit der falschen Vergabe einzelner Mandate, deren falsche Vergabe nur mit hypothetisch existierenden Vergleichswahlausgängen ermittelt werden können!

  9. […] Mehrheitswahlrecht in Großbritannien für undemokratisch und anachronistisch halte, habe ich früher schon mal […]

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