BVerfG verhandelt zu Vorratsdatenspeicherung
Am 15. Dezember wird der Erste Senat über die Vorratsdatenspeicherung verhandeln. Das Verfahren ist in zweierlei Hinsicht extrem spannend: Zum einen natürlich, weil es um eine grundlegende Weichenstellung zur informationellen Selbstbestimmung und zur Freiheit überhaupt geht.
Zum anderen aber, weil sich hier dem Gericht eine Gelegenheit bietet, sein Verhältnis zum EuGH zu klären: Die Vorratsdatenspeicherung beruht auf einer EG-Richtlinie, und zwar einer ziemlich zweifelhaften – sie verkleidet sich als Binnenmarkts-Maßnahme. Die Beschwerdeführer schlagen vor, dem EuGH die Frage vorzulegen, ob die Richtlinie kompetenz- und grundrechtemäßig dem Gemeinschaftsrecht entspricht. Dazu gab es zwar schon eine Vorlage aus Irland, aber die war so lückenhaft formuliert, dass sich der EuGH außerstande sah, einzuschreiten. Grund genug also, es erneut zu versuchen.
Wenn der Erste Senat diesem Vorschlag folgt, dann wäre das eine Revolution. Dann wäre dem Lissabon-Urteil mit einem Schlag der Zahn gezogen. Bisher hatte sich Karlsruhe noch nie bereit gefunden, die Oberhoheit des EuGH in europa-(verfassungs-)rechtlichen Fragen zu akzeptieren.
Wenn er ihm umgekehrt nicht folgt und die Richtlinie zur Vorratsdatenspeicherung selbst als Überschreitung des Kompetenzrahmens der Gemeinschaft kippt, dann wäre das genauso eine Revolution. Dann wäre der Lissabon-Urteils-Ernstfall da, ein handfester europäischer Verfassungskonflikt: Kommission und EuGH könnten nicht hinnehmen, dass ein nationales Gericht Gemeinschaftsrecht für unanwendbar erklärt und müssten mit Vertragsverletzungsverfahren reagieren.
Ich bin sehr gespannt, wie der Erste Senat (mal unterstellt, er findet die Vorratsdatenspeicherung nicht einfach prima) aus diesem Dilemma herausfindet.