26 January 2011

Altersgrenze für Notare: Keine Überprüfung in Luxemburg

Notare müssen mit 70 aufhören. So will es die Bundesnotarordnung.

Bekanntlich ist der Job nicht so anstrengend, dass man ihn nicht auch als rüstiger 75-Jähriger noch gut ausüben könnte. Altersdiskriminierung ist europarechtlich verboten. Und dafür, dass die Mitgliedsstaaten sich daran halten, sorgt der EuGH.

Der muss aber erst mal rankommen an die Fälle. Das geht aber nicht, wenn die nationalen Gerichte nicht vorlegen.

Ein betroffener Notar, vertreten von dem aus der ADG-Debatte bekannten Kölner Arbeitsrechtsprofessor Gregor Thüsing, hatte dagegen geklagt, weil er die Altersgrenze für verfassungs- und europarechtswidrig hielt. Im März hatte der BGH ihn abschlägig beschieden: Die Altersgrenze gehe in Ordnung, da auch als subjektive Berufswahlbeschränkung mit Art. 12 vereinbar. Argument: Die Älteren müssen aus Gründen der geordneten Rechtspflege den Jüngeren Platz machen, damit sie nicht den Markt verstopfen und dann, wenn sie dann alle doch in Rente gehen, nur lauter unerfahrene Grünschnäbel sich auf dem Notariatsmarkt tummeln.

Das ist alles recht und schön und wäre drüben am Schlossbezirk (in Karlsruhe, hätte ich fast geschrieben…) wohl im Zweifel auch nicht anders gesehen worden.

Aber was ist mit dem Europarecht? Warum hat der BGH den Fall nicht nach Luxemburg geschickt?

Kühn, aber nicht zu kühn

Weil, so der BGH, die EU-Antidiskriminierungs-Richtlinie nicht auf das Berufsrecht der Notare anwendbar sei. Und selbst wenn doch, dann sei sie mit ihr und mit dem primärrechtlichen Diskriminierungsverbot vereinbar. Und alles dies sei derart offensichtlich und ohne vernünftigen Zweifel der Fall, dass sich eine Vorlage an den EuGH erübrige.

Das, würde ich mal so aus dem Bauch heraus sagen, ist eine kühne Behauptung.

Das Bundesverfassungsgericht jedenfalls, und hiermit komme ich zum aktuellen Anlass dieses Posts, findet die Behauptung nicht kühn genug, um daraus auf einen Verstoß gegen den gesetzlichen Richter (Art. 101 I 2 GG) zu schlussfolgern.

Mit den bekannten kaugummiartig dehnbaren Kriterien, die das BVerfG für die Vorlagepflicht von Instanzgerichten und Art. 101 I 2 GG entwickelt hat, kommt die 2. Kammer des Ersten Senats zu dem Schluss, dass die Linie des BGH vertretbar sei.

Ich verstehe nicht genug vom europäischen Antidiskriminierungsrecht, um das wirklich beurteilen zu können. Da gab es dieses Urteil Domnica Petersen vor einem Jahr, das scheint eher für den Standpunkt des BGH zu sprechen. Weiß da jemand mehr?

Foto: Hamed Parham, Flickr Creative Commons


3 Comments

  1. step21 Wed 26 Jan 2011 at 23:45 - Reply

    Also mir als unwissendem Studenten wurde erst im letzten halben Jahr noch beigebracht, das es wirklich _sehr_ klar sein muss um das so auszuschliessen. Deswegen würde ich auch sagen das die Behauptung durchaus kühn ist. Wenn ich mich recht erinnere sind zulässige Beispiele zum Beispiel wenn es genau die gleiche Entscheidung schon gab (anscheinend nicht sonst hätte sich der BGH ja darauf beziehen können/müssen) oder aber der EU Rechtstext keine andere Auslegung zulässt, also ‘klar’ ist, aber da sind die Anforderungen sehr hoch, z.B. müssten dann eig. auch alle Sprachvarianten überprüft werden. Die entsprechende Entscheidung weiß ich aber gerade schon nicht mehr auswendig.

  2. Hendrik Hiwi Thu 27 Jan 2011 at 09:05 - Reply

    Nur eine kurze Anmerkung zu den angeblich “bekannten kaugummiartig dehnbaren Kriterien”:

    BVerfG, Beschl. der 2. Kammer des Ersten Senats vom 30.8.2010 – 1 BvR 1631/08 -, juris Rn. 49: “Nach der ständigen Kammerrechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts hat das Fachgericht Gründe anzugeben, die zeigen, ob es sich hinsichtlich des europäischen Rechts ausreichend kundig gemacht hat, und die so dem Bundesverfassungsgericht eine Kontrolle am Maßstab des Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG ermöglichen (vgl. BVerfGK 8, 401 ; 10, 19 ; BVerfG, Beschluss der 2. Kammer des Ersten Senats vom 9. Januar 2001 – 1 BvR 1036/99 -, NJW 2001, S. 1267 ; Beschlüsse der 3. Kammer des Ersten Senats vom 14. Mai 2007 – 1 BvR 2036/05 -, NVwZ 2007, S. 942 , vom 20. Februar 2008 – 1 BvR 2722/06 -, NVwZ 2008, S. 780 und vom 25. Februar 2010, a.a.O.).”

    Das BVerfG hat den recht schwierigigen Willkürmaßstab nicht nur materiell iS. einer Vertretbarkeitsprüfung (Gibt es methodisch vertretbares Argument für die Auffassung des Fachgerichts?), sondern auch formal iS. einer Bergründungspflicht zu konkretisieren. Von “bekannten kaugummiartigten Kriterien” kann man jedenfalls danach kaum mehr sprechen.

    Anschliussfrage: Wie steht es danach mit der betreffenden BGH-Entscheidung?

  3. […] Argument mit der Vorlagepflicht sticht, wie hier schon öfter kritisiert, vor allem beim Zweiten Senat nur selten: Das Recht auf den gesetzlichen Richter verletzt ein […]

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