28 March 2011

Statistisch diskriminiert

Frauen verdienen weniger als Männer. Das weiß jeder. Da hab ich schon vor 20 Jahren Schulaufsätze drüber geschrieben. Das ist so ein alter Hut, dass es schon für Nostalgiefilme taugt wie jener mit dem sagenhaft bescheuerten Titel “We want Sex”, in dem Engländerinnen mit komischen Frisuren für Equal Pay streiken. In den 60er Jahren war das. Bald ein halbes Jahrhundert her.

Ein alter Hut ist das deswegen, weil niemand bisher ein Weg eingefallen ist, daran etwas zu ändern. Jetzt könnte aber Bewegung in die Sache kommen: Morgen verhandelt der US Supreme Court über die womöglich gigantischste Sammelklage aller Zeiten. Sie richtet sich gegen den US-Supermarktgiganten Walmart, wo der Klage zufolge zwar 2/3 der Arbeitsstunden von Frauen geleistet, aber nur 14% der Filialmanager weiblichen Geschlechts sind.

100.000 unterbezahlte Kassiererinnen

Wenn eine einzelne Walmart-Kassiererin sich über Diskriminierung beschweren wollte, hätte sie einen schweren Stand: Wie soll sie beweisen, dass sie mehr verdient hätte, wäre sie ein Mann? Sie ist keiner. Wenn der Arbeitgeber sagt, sie sei halt nicht gut genug gewesen für eine Beförderung, was soll sie ihm entgegenhalten?

Bei einer Sammelklage liegt die Sache aber anders. Da klagt die einzelne Kassiererin nicht nur für sich selbst, sondern für alle, die das gleiche Recht wie sie geltend machen können und wollen.

Und wenn das, wie im Walmart-Fall, ein paar Hunderttausend sind, dann kann man da schon das eine oder andere ablesen: Eine unterbezahlte Kassiererin ist eine Gemeinheit. Hunderttausend unterbezahlte Kassiererinnen ist eine gesetzwidrige Diskriminierung.

Die Frage ist nur, ob der Supreme Court eine solche statistische Beweisführung zulassen wird.

Vor allem aber scheint die Frage zu sein, ob er nicht die Gelegenheit ergreifen wird, das Instrument der Sammelklage generell drastisch zurückzustutzen. Gut möglich, dass die fünf konservativen Herren Roberts, Alito, Thomas, Scalia und Kennedy, die “Citizens-United Five“, dieser Versuchung, Corporate America vor diesen irre teuren und lästigen Bürgerrechtsklagen zu beschützen, erliegen werden.

In der Minderheit wären in diesem Falle… ein Mann und drei Frauen.

Update: Mehr dazu hier. Und hier (“The SC’s most important case this year”)

Foto: Paul Swansen, Flickr Creative Commons


7 Comments

  1. Andreas Moser Mon 28 Mar 2011 at 17:45 - Reply

    Dabei sind Frauen (statistisch) selbst daran schuld, daß sie weniger verdienen, weil sie (1) andere Prioritäten im Leben haben und (2) Männer nach deren Einkommen auswählen und Männer so dazu zwingen, immer mehr zu verdienen: http://andreasmoser.wordpress.com/2011/02/19/gender-pay-gap/

  2. Individualist Mon 28 Mar 2011 at 19:27 - Reply

    Zulassung des statistischen “Beweises” wäre ein schwerer Schlag gegen das Recht. Der Mensch ist individueller Rechtsträger und nicht ein nach willkürlichen Kriterien (Geschlecht, Hautfarbe, Herkunft …) bestimmtes Kollektiv.

  3. Jens Tue 29 Mar 2011 at 08:52 - Reply

    “Bei einer Sammelklage liegt die Sache aber anders. Da klagt die einzelne Kassiererin nicht nur für sich selbst, sondern für alle, die das gleiche Recht wie sie geltend machen können und wollen.”

    Eher für alle, die kein Opt-out gemacht haben …

  4. kery Tue 29 Mar 2011 at 17:57 - Reply

    Frauen sind weniger wert.

    heißt das-nichts anderes.

    Viele Männer finden das gut-sie haben das Gefühl, es wertet sie auf.

    Unterm Strich verliert bei ungerechtigkeiten woe und wo auch immer- die ganze menschheit.

  5. xRatio Tue 29 Mar 2011 at 23:47 - Reply

    Frauen, Wirtschaft und Politik
    Der Kommissar geht um-Was hat uns eigentlich das Frauenwahlrecht gebracht?
    von André F. Lichtschlag
    http://ef-magazin.de/media/assets/pdf/ef076-screen.pdf#page10

    Der wegen Art. 3 III GG grob verfassungswidrige Weibersozialismus ruiniert inzwischen die ganze westliche Welt.

  6. xRatio Wed 30 Mar 2011 at 00:03 - Reply

    Intellektueller Abgrund in der Quotendiskussion
    von Carlos A. Gebauer
    http://ef-magazin.de/2011/02/23/2870-make-love-not-law–intellektueller-abgrund-in-der-quotendiskussion

    Viel mehr ist zum Thema nicht zu sagen.

    Gebauer Jg. 1964, ist übrigens Rechtsanwalt und regelmäßiger Kolumnist der Zeitschrift eigentümlich frei.

  7. calypso Thu 31 Mar 2011 at 18:06 - Reply

    Was ich nie verstanden habe, ist, warum sich diese Statistiken nie mit meiner eigenen Erfahrung im HR-Bereich mehrerer mittelständischer IT-Firmen decken. Stets waren und sind hier die Unterschiede zwischen den Geschlechtern (mit gleicher Bildung, etwa gleicher Berufserfahrung) weniger groß als innerhalb der Geschlechter.
    Ich würde wirklich gerne mal eine Firma sehen, die einem Mann und einer Frau in der gleichen Position stark unterschiedliche Gehälter zahlen!

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