06 August 2009

Sektierer scheitern mit Angriff auf Sexualunterricht

Karlsruhe hat eine in jeder Hinsicht schonende Entscheidung zum Konflikt zwischen staatlichem Erziehungsauftrag und privater Glaubensfreiheit gefällt.

Die 3. Kammer des Ersten Senats hat eine Verfassungsbeschwerde von baptistischen Eltern aus Ostwestfalen gegen ein Amtsgerichtsurteil nicht zur Entscheidung angenommen. Das Amtsgericht Paderborn hatte die Eltern wegen Verletzung der Schulpflicht zu einem Bußgeld von 80 € verurteilt. Die Eltern hatten ihre Kinder an einzelnen Tagen nicht in die Schule gelassen. Sie störten sich zum einen an einem Theaterprojekt “Mein Körper gehört mir”, das zur Sensibilisierung gegen sexuellen Missbrauch aufgeführt wurde – in den Augen der Baptisten der schamlose Versuch, die Kinder in Richtung sexueller Freizügigkeit zu indoktrinieren. Der andere Tag war Karneval – für die Sektierer ein katholischer Feiertag der hemmungslosen Ausschweifung.

Die Eltern haben durchaus das Recht, darüber zu wachen, welchen weltanschaulichen und religiösen Einflüssen ihre Kinder ausgesetzt sind – und der Staat muss tolerant und neutral bleiben und darf die Kinder nicht indoktrinieren. Das Bundesverfassungsgericht stützt sich dabei auf das seinerzeit so umstrittene Kruzifixurteil von 1995.

Im Fall der Baptisten kann das Gericht aber einen solchen Konflikt gar nicht erkennen:

Die Bewertung der Beschwerdeführer, das Theaterprojekt „Mein Körper gehört mir“ basiere auf einer absolut einseitigen „emanzipatorischen“ Sexualerziehung, die Kindern suggeriere, sie könnten Sex allein abhängig von ihren Gefühlen haben und hätten dabei weder Gottes Gebote noch die der Eltern zu beachten, haben sich die Fachgerichte aus nachvollziehbaren und vertretbaren Gründen nicht zueigen gemacht. Die Behauptung der Beschwerdeführer, das Theaterprojekt spreche Kindern eine „freie Sexualität“ zu oder stelle gar eine „Erziehung der Kinder zur Pädophilie“ dar, findet in dem vom Amtsgericht festgestellten Sachverhalt und in dem vorgelegten Text des sogenannten „Körpersongs“ keinerlei Stütze.

Und was Karneval betrifft:

Dass Karneval beziehungsweise Fastnacht kein katholisches Kirchenfest ist und in der Art und Weise der Begehung als bloßes Brauchtum heutzutage der früher etwa vorhandenen religiösen Bezüge weitgehend entkleidet ist, kann als allgemein bekannt vorausgesetzt werden.

Mit anderen Worten: Macht euch mal locker.

Das gefällt mir ausgesprochen gut. Man muss nicht jedem, der sich nach dem Kreuz seht, den Gefallen tun, ihn auch dranzunageln.


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