15 November 2016

Die ‚Anderen‘ an den Tisch holen: Ein Vorschlag für ein inklusiveres Südtirol

Südtirol (auf Italienisch Alto Adige) war bis zu seiner Annexion durch Italien am Ende des ersten Weltkriegs Teil Österreich-Ungarns. Nach einem langen und vielschichtigen Konflikt zwischen der deutschsprachigen und der italienischsprachigen Bevölkerung, in dem es unter anderem zur Unterdrückung durch die italienischen Faschisten, der unzureichenden Umsetzung eines Autonomiestatus, als auch gewaltsamen Unruhen kam, führte das zweite Autonomiestatut von 1972 erfolgreich Territorialautonomie und Machtteilung zwischen den drei offiziellen Sprachgruppen (Deutsch, Italienisch und Ladinisch) ein.

In einem vorhergehenden Beitrag erläuterten wir, dass in Südtirol seit Kurzem ein partizipativ -demokratischer Prozess zur Überarbeitung des Autonomiestatuts stattfindet. Unser Hauptargument war, dass der Autonomiekonvent zwar keine neue Art von konkordanzdemokratischen Verhandlungen darstellt, aber seine Existenz und auch die Schwierigkeiten, die mit ihm einhergehen, das Konflikttransformationspotenzial von Südtirols Autonomiemodell bezeugen kann.

Mit diesem Beitrag wollen wir dazu anregen, auf diesen Erfolg aufzubauen und Südtirols liberal-demokratische Legitimität mit einer Abänderung des Autonomiemodells zu untermauern, in dem ‚anders Erklärende‘ – die Bezeichnung der Provinz für Bürger, die sich keiner Sprachgruppe angehörig fühlen, bzw. sich nur einer der drei offiziellen Sprachgruppen zuordnen. – im Proporz berücksichtigt werden. Konkret schlagen wir vor, die Vorbehaltsklausel für die Landeshauptmannstellvertreterposten so anzupassen, dass auch ein ‚ anders Erklärender‘ einen von ihnen besetzen kann.

Die vorgeschlagenen Änderungen würden für Südtirol den Ãœbergang von einem ‚corporate model‘ der Konkordanzdemokratie zu liberaler Konkordanzdemokratie bedeuten – was Südtirol zur Folge offener und demokratischer machen würde, ohne die notwendigen Schutzmechanismen, die wesentlich für die Konflikttransformation waren, zu gefährden – wobei diese Änderungen nur in Kraft treten würden, wenn sie dem Willen der Bürger Südtirols entsprächen.

Konkordanzdemokratie – ‚Corporate‘ und ‚liberal‘

Konkordanzdemokratie bezeichnet ein System, das Institutionen und Maßnahmen zur Machtteilung zwischen zwei oder mehreren Gruppen eines gesellschaftlich gespaltenen Gebiets einrichtet. Konkordanzdemokratie ist entweder ‚corporate‘ oder ‚liberal‘. In einem ‚corporate‘ Modell werden die Gruppen, die sich die Macht teilen, in dem Friedensabkommen oder der Verfassung, die das Modell etabliert, genannt. In Belgien zum Beispiel muss die Bundesregierung zu gleichen Teilen aus Flamen und Wallonen bestehen.

Das liberale Modell hingegen gibt nur Richtlinien für die Machtteilung vor. Diese werden in der Folge demokratisch ausgestaltet. Nordirland zum Beispiel wendet zur Bestimmung der verhältnismäßigen Verteilung der Regierungsposten die mathematische D’Hondt-Methode basierend auf der Anzahl der Mandate, die die einzelnen Parteien gewinnen, an – ungeachtet ihrer Gruppenzugehörigkeit.

Allison McCulloch legte unlängst dar, dass fünf der derzeitig zwölf bestehenden Konkordanzdemokratien dem ‚corporate model‘ folgen, drei dem liberalen (und nur eines laut Design) und vier Systeme gemischte Eigenschaften aufweisen. Sie erklärt, dass ‚corporate‘ und gemischte Modelle häufiger auftreten, da solche

„settlements are negotiated at the very point at which group identities are the most politically salient and polarised. Under conditions of insecurity, groups and their representatives are unlikely to settle for anything other than a strong guarantee of their share of power, regardless of electoral prospects.“

[[Konflikt]beilegungen genau dann verhandelt werden, wenn Gruppenidentitäten die größte politische Wichtigkeit zugesprochen wird und ihre Polarisierung am stärksten ist. In ungewissen Gegebenheiten ist es unwahrscheinlich, dass die Gruppen und ihre Vertreter irgendetwas anderes als eine sichere Gewährleistung ihrer Machtanteile akzeptieren würden, ungeachtet zukünftiger Wahlen.]

Dennoch bevorzugen die meisten ihrer Befürworter die Konkordanzdemokratie in ihrer liberalen Version. Wie John McGarry und Brendan O’Leary überzeugend argumentieren, sind liberale Ausgestaltungen vorzuziehen, da

„national identities in pluri-national places are not permanently fixed, and not everyone adheres to them—or with equal intensity if they do. A liberal consociation should treat as equally as possible those individuals who subscribe to rival national identities, to no national identity, to nested national identities, or have other salient public identities which cross-cut national lines.“

[Nationale Identitäten in pluri-nationalen Gebieten nicht dauerhaft gegeben sind und nicht jeder ihnen anhängt, bzw. nicht mit gleicher Intensität. In einer liberalen Konkordanzdemokratie sollten Bürger, die sich einer konkurrierenden Identität zugehörig fühlen, keiner Identität zugehörig fühlen, oder einer gemischten Identität zugehörig fühlen gleich behandeln, oder es sollte andere geeignete öffentliche Identitäten geben, die ethnische Grenzen überwinden.]

Kurzum, liberale Konkordanzdemokratie sucht die Balance zwischen dem Pragmatismus der formalen Machtteilung auf geteiltem Gebiet und den liberal-demokratischen Grundsätzen der Freiheit und Gleichberechtigung.

Ein Vorschlag für Südtirol

Südtirols konkordanzdemokratische Maßnahmen sind ‚corporate‘: Die Machtteilung bezieht sich auf die drei offiziellen Sprachgruppen (Deutsch, Italienisch und Ladinisch) durch eine Mischung von vorbehaltenen und verhältnismäßig zugeteilten politischen Posten und öffentlichen Stellen. Diese Aufteilung lässt sich im Hinblick auf das Machtgefälle und die Antipathien zwischen der deutschsprachigen und der italienischsprachigen Bevölkerung in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts erklären, als das derzeitige Autonomiestatut ausgehandelt wurde.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Wie wir in unserem vorhergehenden Beitrag schreiben, ist Südtirol zwar noch immer geteilt, aber das Misstrauen, dass das Verhältnis der deutschsprachigen und italienischsprachigen Bevölkerung charakterisierte, ist für die meisten Vergangenheit. Diese Stabilität bietet Südtirol die Möglichkeit, durch die Einführung einiger liberaler Maßnahmen, zum Übergang von einem ‚corporate model‘ hin zu einem gemischten Modell. Wir sind der Meinung, dass den ‚ anders Erklärenden ‘, eine Kategorie, die vor 25 Jahren der Sprachgruppenzugehörigkeitserklärung hinzugefügt wurde, politische Bedeutung zu geben, derzeitig die beste Gelegenheit hierzu böte.

Das Autonomiestatut erfordert unter anderem die verhältnismäßige Berücksichtigung der drei offiziellen Südtiroler Sprachgruppen in der Landesregierung, Gemeindeausschuss und für öffentliche Posten.

Die Landesregierung besteht aus dem Landeshauptmann, seinen zwei Stellvertretern und einer variierenden Anzahl von Landesräten (momentan fünf), die durch den Landtag per Mehrheitsentschluss gewählt werden. Der Landeshauptmann kann aus jeglicher Sprachgruppe stammen, aber einer seiner Stellvertreter muss der deutschen und der andere der italienischen Sprachgruppe angehören. Die Regierung als Ganze muss das Verhältnis der offiziellen Sprachgruppen im Landtag widerspiegeln, mit der Ausnahme, dass ein Vertreter der ladinischen Sprachgruppe aufgenommen werden kann, auch wenn dies eine Abweichung vom Proporz darstellen würde.

Auch Gemeindeausschüsse müssen dem Sprachgruppenverhältnis in den Gemeinderäten entsprechen. Die obersten Positionen dieser Ebene bekleiden der Bürgermeister und sein Stellvertreter. In Gemeinden mit mehr als 13.000 Einwohnern (derzeit sechs), muss der stellvertretende Bürgermeister der zweitstärksten im Gemeinderat vertretenen Sprachgruppe zugehören.

Die verhältnismäßige Verteilung der Regierungsposten wurde erstmals bei der Landtagswahl 1973 angewandt, wobei die Kandidaten ihre Sprachgruppenzugehörigkeit bekannt geben mussten. Die verhältnismäßige Verteilung der öffentlichen Stellen wurde 1976 gemeinsam mit der Maßnahme, dass alle in Südtirol ansässigen Bürger sich ab 1981 alle zehn Jahre in einer Volkszählung einer der drei offiziellen Sprachgruppen zuordnen, eingeführt.

Eine Vereinigung gemischtsprachlicher Familien (sowohl Migranten, als auch Familien, in denen mindestens zwei der offiziellen Sprachen gesprochen werden) hat die Rechtsmäßigkeit der Zugehörigkeitserklärung mit der Begründung angefochten, dass sie Bürger, die sich mit keiner oder mehr als einer der Sprachgruppen identifizieren, diskriminiere.

Der italienische Consiglio di Stato (Staatsrat) entschied 1984, dass es von den Einwohnern Südtirols zwar verlangt werden kann ihre Sprachgruppenzugehörigkeit zu erklären, um die Umsetzung des Autonomiestatuts zu erleichtern. Allerdings kann nicht verlangt werden, dass sie eine Falscherklärung abgeben. Eine Person, die sich keiner zugehörig fühle, muss also eine andere Wahlmöglichkeit bekommen.

Die Provinz führte daraufhin bei der Volkszählung 1991 die zusätzliche Kategorie ’anders Erklärende‘ ein, unter der Voraussetzung, dass jene, die diese Kategorie wählen, sich zu einer der drei offiziellen Sprachgruppen nur ‚zuordnen‘, um die institutionelle Funktion der Erklärung aufrecht zu erhalten. Hieraus resultiert, dass die Kategorie ’anders Erklärende ‘ nur symbolischen Wert hat und keinerlei praktischen Effekt, was ein Grund dafür sein könnte, dass nur so wenig Bürger diese Option wählen und ihre Anzahl mit der Zeit zurückging: 2,30% (10.095) in 1991, 2,24% (9.587) in 2001 und 1,68% (7.625) in 2011.

Allerdings erklärten 3,6% der Befragten in einer Studie von 2014 ihre Zugehörigkeit zu ‚Anderen‘ (zweimal so viele wie noch in der Volkszählung drei Jahre zuvor) und die Identifizierung mit Kategorien, die nicht direkt in Verbindung zu den offiziellen Sprachengruppen stehen, stach hervor: 17,2% Europäer und 11,3% Weltbürger (wobei wichtig ist zu beachten, dass Befragte mehr als eine Antwort wählen konnten). Darüber hinaus hat Einwanderung in Südtirol innerhalb der letzten 20 Jahre erheblich zugenommen. 8,9% der Bevölkerung ist im Ausland geboren.

In Anbetracht dieser Fakten, schlagen wir vor, die verhältnismäßige Verteilung der Regierungsposten so abzuändern, dass sie ’anders Erklärende‘ einbezieht und die Landeshauptmannstellvertreterposten (derzeitig jeweils ein Deutschsprachiger und ein Italienischsprachiger) stattdessen Vertretern der zwei stärksten offiziellen Kategorien im Landtag, ähnlich dem kommunalen Modell für den stellvertretenden Bürgermeister, vorzubehalten.

Dies bedeutet, dass Landesregierung und Gemeindeausschuss ’anders Erklärende‘ verhältnismäßig zu Landtag und Gemeinderäten berücksichtigen müssten, und es bestünde die Möglichkeit für Vertreter jeder der vier Kategorien (Deutsch, Italienisch, Ladinisch und ’anders Erklärende ‘) einen der Landeshauptmannstellvertreter zu stellen. Mit diesen Änderungsvorschlägen beabsichtigen wir die liberal-demokratische Stärkung der politischen Repräsentation in Südtirol.

Konkordanzdemokratie ist eine pragmatische Antwort auf Gegebenheiten in denen Mehrheitsdemokratie die Institutionalisierung der Dominanz einer Gruppe über andere bedeuten würde. In vielen dieser Fälle muss Machtteilung zwischen bestimmten Bevölkerungsgruppen des Gebiets garantiert werden, um Stabilität zu erreichen. Unter dieser Voraussetzung wird liberale Demokratie jedoch eingeschränkt, was soweit wie möglich vermieden werden sollte.

Die Einführung von ’anders Erklärenden‘ als politisch relevante Kategorie wäre eine Möglichkeit zur Befähigung von Menschen, die sich mit keiner oder mehr als einer der offiziellen Sprachgruppen identifizieren, ohne die Stabilität, die die Konkordanzdemokratie gebracht hat, zu gefährden. Die Tatsache, dass jeder sich ‚Anderen‘ zuordnen kann, würde die liberal-demokratische Legitimität des Systems signifikant stärken.

Welche Auswirkungen hätte dieser Vorschlag auf Südtirols Autonomie?

Es ist wichtig zu betonen, dass die vorgeschlagenen Änderungen den in der Autonomie verankerten Minderheitenschutz fast vollständig aufrechterhalten und nur die Landes- und Gemeinderegierungen beträfen. Eine detaillierte Ausführung dieser Schutzmaßnahmen im Autonomiestatut ist an dieser Stelle nicht möglich, aber wir benennen sie kurz um unsere Absichten zu verdeutlichen (für eine Übersicht empfehlen wir die Autonomy Arrangements in the WorldWebseite).

Die Verteilung der Sitze in der 6er-Kommission, einer intergouvernementalen und sprachgruppenübergreifenden Institution zur Umsetzung des Autonomiestatuts, bliebe in Anbetracht der Tatsache, dass die Südtiroler Autonomie grundsätzlich ein Abkommen zwischen einer nationalen Minderheit (deutschsprachige Bevölkerung Südtirols) und der nationalen Mehrheit (italienischsprachige Bevölkerung Gesamtitaliens) ist, unverändert. Die proportionale Anstellung der Sprachgruppen im öffentlichen Dienst bliebe ebenfalls gleich. Der Schutz der öffentlichen Kultur aller drei Sprachgruppen wäre aufgrund des Mehrsprachigkeitgebots in der öffentlichen Verwaltung gewährleistet, während kulturelle Autonomie durch Finanzierung proportional zur Sprachgruppenzugehörigkeit gefördert wird.

Auch ’anders Erklärende‘ wären weiterhin daran gebunden, in den Volkszählungen anonym sich ‚ zu einer der drei offiziellen Sprachgruppen zuzuordnen und eine persönliche Erklärung abzugeben, um sich z.B. für Stellen im öffentlichen Dienst zu bewerben. Sie wären allerdings nicht dazu verpflichtet, die Zugehörigkeit zu einer Sprachgruppe zu erklären, um ihr passives Wahlrecht auszuüben, hingegen aber schon, wenn es um das ‘Anfechtungsrecht‘ nach Sprachgruppe geht.

Dieses Recht erlaubt es jeder der drei Sprachgruppen einen Gesetzesentwurf, Punkte des Haushaltplans, oder Verwaltungsverordnungen anzufechten, die sie als diskriminierend gegenüber ihrer Gruppe erachtet. ’Anders Erklärende ‘ könnten weiterhin eine Anfechtung initiieren, solange sie ihre ‚Zuordnung zu einer der Sprachgruppen erklärt haben, der letztendliche Beschluss zur Anfechtung durch eine Mehrheitsentscheidung unter den Abgeordneten der Sprachgruppe bliebe aber den Vertretern der Sprachgruppe vorbehalten, die sich ausschließlich für sie erklärt haben. Anders gesagt wäre es ‚Anderen‘ möglich Anfechtungen für die Sprachgruppe, der sie sich zugeordnet haben, zu initiieren, solche jedoch nicht zu blockieren.

Die Gründe hierfür sind klarer als die Details: auch ‚Andere‘ jedweder politischen Gesinnung können Interesse an dem Schutz einer bestimmten öffentlichen Kultur haben, gleichzeitig sollte das Anfechtungsrecht aber jene bevorzugen, die sich einer der drei offiziellen Sprachgruppen, auf deren Schutz das System ausgelegt ist, zuordnen.

Nichts des bisher genannten soll implizieren, dass wir der Meinung sind, dass unsere Vorschläge die einzigen Änderungen sein sollten. Wir sind jedoch der Meinung, dass sie zu diesem Zeitpunkt den Rahmen des politisch Möglichen füllen. Unser Ziel ist es Südtirol liberal-demokratisch zu stärken, mit dem Wissen dass dies weitreichendere Änderungen nach sich ziehen kann, sollte dies dem Wunsch der Südtiroler Bevölkerung entsprechen.

Es ist schwer zu sagen, wie die Ergebnisse der Landtagswahlen 2013 ausgegangen wären, wären die vorgeschlagenen Änderungen in Kraft gewesen. Wir wissen nicht, wie viele Landtagsabgeordnete ‚anders‘ sind, da nur die Zugehörigkeitserklärung veröffentlicht wird. Möglicherweise träfen sowohl Politiker als auch Wähler andere Entscheidungen, sollte ‚Andere‘ wirkliche Bedeutung erlangen. Auch muss man sich nicht selber ‚Anderen‘ zuordnen, um eine ihrer Parteien oder einen ihrer Kandidaten zu wählen.

In Nordirland, wo ‚Andere‘ seit dem Good Friday Agreement von 1998 eine wichtige Alternative zu ‚Nationalist‘ und ‚Unionist‘ darstellt, wählen die Bürger immer noch hauptsächlich entlang ethno-nationaler Linien. ‚Andere‘ haben noch nie mehr als 10% der Wählerstimmen erhalten und haben zu keinem Zeitpunkt mehr als zwei der zehn Regierungsposten besetzt. Dies ist in gespaltenen Gebieten zu erwarten, aber die Einführung der Kategorie ‚Anderer‘ würde es dem System erlauben, auf politische und soziale Veränderungen im Laufe der Zeit zu reagieren.

Auch wenn es keinen praktischen Effekt haben sollte, gibt es gute Gründe, diesen Vorschlag anzunehmen.

Erstens, eine liberalere Herangehensweise an Konkordanzdemokratie in Südtirol wäre hilfreich in der Bewältigung einer der größten Kritikpunkte des Konzeptes an sich, nämlich, dass es die gesellschaftliche Trennung, an die es sich eigentlich richtet, weiter untermauert.

Zweitens, die Schaffung einer belangreichen Kategorie ’anders Erklärende ‘ könnte dazu führen, dass ein größeres Spektrum politischer Perspektiven in Landes- und Gemeinderegierungen Eingang findet.

Schließlich würde Südtirol mit den Änderungsvorschlägen internationalen Menschenrechtsstandards besser entsprechen. Dies ist auch eine zweckmäßige Abwägung, betrachtet man die Entscheidungen des Europäischen Menschenrechtsgerichtshofs, dass manche der ‚corporate‘-Maßnahmen in Bosnien-Herzegowina unzulässig diskriminierend sind (Sejdić und Finci v. BiH, und Pilav v. BiH; siehe McCrudden und O’Leary 2013 für die problematischen Begleiterscheinungen solcher Entscheidungen für Machtteilungsübereinkommen).

Schlussfolgerungen

Der Vorschlag zur Abänderung des Autonomiestatuts eignet sich gut für den heutigen Südtiroler Kontext. Dieser Kontext hat sich seit den 1972 erheblich geändert und die Gelegenheit ist günstig, um auf diese Fortschritte aufzubauen und Südtirols Demokratie zu stärken. Verglichen mit Nordirland, wo ‚Andere‘ bereits Zugang zu Regierungsposten haben und Bosnien-Herzegowina, wo der Ausschluss von ‚Anderen‘ erhebliche internationale Kritik hervorgerufen hat, ist die Südtiroler Gesellschaft bei weitem weniger gespalten.

Darüber hinaus ist der Vorschlag einfach umzusetzen. In Südtiroler Regierungen koalieren Sprachgruppen, nicht Parteien, was bedeutet, dass eine einzelne Partei die Landesregierung bilden kann, wenn die Zugehörigkeitserklärungen ihrer Regierungsmitglieder das Verhältnis der Zugehörigkeitskategorien im Landtag repräsentiert. Der größte Vorteil unseres Vorschlags ist jedoch, dass er nur in Kraft tritt, wenn ’anders Erklärende‘ Wahlerfolge erzielen und es so den Willen der Bevölkerung widerspiegelt.

Dieser Beitrag ist zuerst in englischer Sprache auf dem Democratic Audit Blog der London School of Economics erschienen. Er spiegelt die Ansichten der Autoren wieder, nicht die von EURAC.

 


One Comment

  1. Paule Wed 16 Nov 2016 at 22:46 - Reply

    “Es ist wichtig zu betonen, dass die vorgeschlagenen Änderungen den in der Autonomie verankerten Minderheitenschutz fast vollständig aufrechterhalten und nur die Landes- und Gemeinderegierungen beträfen.”

    Stimmt um den Rest kümmert sich dann Rom!
    Teile bis Du endlich beherrscht wirst!

    Es lebe die globale Elite!
    oder
    Alle Macht den Palästen der Globalisten!

    Manchmal hilft es mit den Tirolern zu sprechen!

    z.B. https://www.suedtirolnews.it/politik/verfassungsreferendum-grosse-bedenken-bei-svp-altmandataren

    Man lese die Kommentare.

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