Schacht Konrad: Kein Endlager-Urteil aus Karlsruhe
Kommt mal runter. Und habt euch doch nicht immer so mit euren nachfolgenden Generationen. So lässt sich cum grano salis die soeben veröffentlichte Entscheidung des BVerfG zur Atommüllendlagerung zusammenfassen.
Die 3. Kammer des Ersten Senats hat die Verfassungsbeschwerde eines Landwirts gegen den Planfeststellungsbeschluss zum Schacht Konrad (darf man das, auf diese Seite verlinken?) nicht zur Entscheidung angenommen: Die Verfassungsrechtsfragen seien alle geklärt, und außerdem habe die Klage keine Aussicht auf Erfolg.
Auch das Argument, dass die Abfälle nicht rückholbar und die Lagerung nicht reversibel ist, lässt das Gericht, jedenfalls soweit es um schwach radioaktive Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung geht, nicht gelten. Es existiere kein
grundrechtlich geschützter Anspruch des einzelnen Bürgers darauf (…), dass der Gesetzgeber nur „reversible“ Entscheidungen beziehungsweise nur Entscheidungen mit „reversiblen Folgen“ trifft,
heißt es in dem Beschluss.
Abgesehen davon zielt das Konzept der nicht-rückholbaren Endlagerung ausweislich des vom Oberverwaltungsgericht zitierten Berichts (…) gerade darauf ab, insbesondere nachfolgenden Generationen durch die Sicherstellung der wartungsfreien Endlagerung keine unzumutbaren „Erblasten“ aufzuerlegen und die Sicherheit der Endlagerung unabhängig von längerfristigen gesellschaftlichen Entwicklungen zu gewährleisten.
Artikel 20a GG (“Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen…”) hält die Kammer nicht für einschlägig. Die Debatte, ob das Grundgesetz zum “Nachweltschutz” verpflichtet, ist ihr auch egal. Denn jedenfalls geht die Nachwelt, was immer ihr Schlimmes passieren mag, den Kläger und seine Grundrechtsposition nichts an:
Denn jedenfalls betreffen die Fragen, die die hier beschwerdegegenständliche Endlagerung radioaktiver Abfälle mit vernachlässigbarer Wärmeentwicklung im Hinblick auf die Langzeitsicherheit aufwirft, der Sache nach erst in der (fernen) Zukunft aktuell werdende Szenarien, die keinen Bezug zu einer gegenwärtigen Betroffenheit des Beschwerdeführers in einem eigenen verfassungsbeschwerdefähigen Recht (vgl. Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, § 90 Abs. 1 BVerfGG) erkennen lassen.
Die Kammer versäumt dabei nicht, der Klägeranwältin Wiltrud Rülle-Hengesbach noch tüchtig eins mitzugeben:
Es erscheint bereits zweifelhaft, ob das trotz anwaltlicher Vertretung des Beschwerdeführers insgesamt schwer nachvollziehbare Beschwerdevorbringen dem Begründungserfordernis nach § 23 Abs. 1 Satz 2, § 92 BVerfGG genügt.
Wie überhaupt die Kammer mit der konkreten Verfassungsbeschwerde höchst unzufrieden zu sein scheint. Dass das OVG findet, der Kläger könne als Individuum keinen atomrechtlichen Schutz vor Terrorangriffen per Flugzeugabsturz geltend machen, sei fragwürdig und komme als Grundrechtsverstoß durchaus in Betracht, sagt die Kammer fast bedauernd – aber leider sei insoweit der Rechtsweg nicht ausgeschöpft, weil dieser Punkt beim Gang zum BVerwG zu erwähnen verabsäumt wurde. Einzuleuchten scheint der Kammer auch der Gedanke, der Kläger sei als Bio-Bauer durch die Endlagerstätte unter seinen Feldern in seiner wirtschaftlichen Existenz bedroht, weil seine Produkte dann nicht mehr absetzbar seien: Aber dazu habe er in seinen instanzgerichtlichen Klagen leider viel zu wenig ausgeführt.
In einem Punkt hätte sich das Verfahren im Prinzip verfassungsrechtlich tatsächlich für ein grundsätzliches Wort geeignet, und dass ihr die Gelegenheit dazu entgeht, scheint der Kammer ebenfalls zu missfallen: Es geht um den bislang verfassungsgerichtlich unüberprüften Standpunkt des Bundesverwaltungsgerichts, dass die atomrechtliche Risikoeinschätzung allein Sache der Exekutive ist und den Gerichten im Prinzip nur noch eine Vertretbarkeitsprüfung zusteht.
Diese Rechtsprechung ist im Schrifttum teils auf Zustimmung (…), teils auf Kritik (…) gestoßen. Das Bundesverfassungsgericht hat über ihre Vereinbarkeit mit dem Anspruch auf effektiven Rechtsschutz gemäß Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG bislang nicht entschieden.
Und kann es auch diesmal nicht, erstens weil nix dazu vorgetragen und zweitens weil das OVG sich mit den Einwänden gegen die Risikoeinschätzung so oder so ganz brav auseinandergesetzt habe.
Schade.