Ach, Obama …
Vor vier Jahren sprach ich am Tag nach der Präsidentschaftswahl in New York mit einigen amerikanischen Völkerrechtlern.
Vor der Wahl hatte sich Barack Obama 2008 deutlich zum Völkerrecht bekannt: Die Verbreitung und Einhaltung seiner Normen liege im Interesse amerikanischer Politik. Auf Nachfrage der American Society of International Law hatte Obama die Bedeutung der Genfer Konventionen betont, die als fundamentale Garantien auch im Kampf gegen den Terrorismus uneingeschränkt Anwendung finden müssten: „Wenn wir unsere eigenen Standards erhöhen, bringen wir nicht nur unsere Verbündeten wieder an unsere Seite – wir festigen auch unsere Position in der Welt und unsere moralische Autorität.“
Doch würde sich nach dem Ende der dunklen Bush-Ära nun tatsächlich alles ändern? Würden in Guantánamo endlich die Lichter ausgehen? Würden die flagranten Völkerrechtsverstöße der Bush-Regierung geahndet?
José Alvarez warnte mich damals vor zu hohen Erwartungen an die neue Rolle des internationalen Rechts in der amerikanischen Außenpolitik. Vor allem, was die Aufarbeitung der vorausgegangenen Völkerrechtsverstöße anging: „In der amerikanischen Geschichte gibt es eine tief verankerte Kultur des Vergessens, vom Unabhängigkeitskrieg über den Bürgerkrieg bis zu Vietnam: immer wieder führte die Amnesie von Politik und Gesellschaft faktisch zur Amnestie derer, die das Recht verletzt hatten.“
Alvarez hat mit seiner Skepsis recht behalten. In Washington führen die Pragmatiker das Wort, wenn auch im Zeichen eines neuen Multilateralismus.
Was würde wohl Thomas Franck dazu sagen, der sich am Tag nach der Präsidentschaftswahl 2008 sofort nach Washington aufmachte, um Obama und sein Team zu beraten? Morgens saßen wir noch in seinem Büro an der NYU, und seine Freude über den “lawyer’s lawyer”, der nun ins Weiße Haus einziehen würde, war überschwenglich. Der in Berlin geborene Doyen der liberalen amerikanischen Völkerrechtswissenschaft war damals schon von der schweren Krankheit gezeichnet, die ihm nur noch wenige Monate Lebenszeit lassen sollte. Sein Enthusiasmus, seine Freude über die Wahl des neuen Präsidenten sind mir so unvergesslich wie seine Zuversicht, dass das Völkerrecht in den USA nun bessere Zeiten erleben würde.
The best is yet to come? Let’s see.
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UPDATE: Auf Opinio Juris hat sich Deborah Pearlstein Gedanken gemacht über die Ankündigung “A decade of war is ending” in Obamas Rede nach dem Wahlsieg. Zwar liess der Präsident offen, welche Kriege genau er meint und ob neben dem Militäreinsatz in Afghanistan nun auch der “Krieg gegen den Terror” seinem Ende entgegen gehen soll. Implikationen für das Verhältnis von Freiheit, Sicherheit und Recht dürfte seine Ankündigung aber in jedem Fall haben. Lesenswert.
Foto: An American flag flies over the detention facility at Guantanamo. By Larisa Epatko (flickr, Creative Commons 2.0)