Mit Europarecht gegen die amerikanischen und britischen Abhöraktionen? Teil 2: GCHQ
Neben der amerikanischen NSA, aber wohl teilweise in Absprache und Zusammenarbeit mit den USA, sammelt offenbar auch der britische technische Nachrichtendienst Government Communications Headquarters (GCHQ) in großem Stil flächendeckend und anlasslos Verbindungsdaten und Kommunikationsinhalte aus allen Formen moderner Telekommunikation. Bekannt geworden sind insbesondere die Aktivitäten unter dem Projektnamen Tempora durch Veröffentlichungen der Washington Post und des Guardian nach Informationen durch vormals für die NSA tätigen Edward Snowden. Es geht dabei zuvörderst um das Ausleiten von Daten aus den Datenkabeln die auf britischem Hoheitsgebiet oder auf dem Meeresboden verlaufen.
Anders als bei den USA erscheint hier der Konnex zum Europarecht nicht sonderlich fernliegend. Großbritannien ist seit 1973 Mitglied der EWG bzw. heute der EU. Die verdeckte, systematische, großflächige und anlasslose Sammlung von personenbezogenen Daten von Unionsbürgern durch einen Mitgliedstaat berührt Garantien, wie sie in Art. 8 Charta der Grundrechte sowie in Art. 16 AEUV und im geltenden Sekundärrecht niedergelegt sind, siehe zu letzterem nur die Datenschutz-Richtlinien 95/46/EG und 2002/58/EG. Dass hier Kerngewährleistungen des Unionsrechts berührt sind ergibt sich bereits aus folgender Testfrage: Würde man einen Beitrittskandidaten in die EU aufnehmen, der einen solchen Datenstaubsauger wie die GCHQ betreibt? Die Antwort ist ziemlich klar: Nein. Die Mitgliedschaft in der EU setzt das Einhalten bestimmter Grundrechtsschutz- und Rechtsstaatsstandards voraus (Kopenhagener Kriterien).
Für die bereits beigetretenen Staaten, die aktuellen 28 Mitgliedstaaten, darunter Großbritannien, kann man das Einhalten der Rechtsstaats- und Grundrechtsstandards des Art. 2 EUV mit einem Verfahren nach Art. 7 EUV erzwingen. Das ist das größte rechtliche Kaliber, die Folgen reichen bis zum Entzug von Stimmrechten. Der Mechanismus hat sich aber bisher als wenig effektiv erwiesen, vielleicht weil die erforderlichen Quoren doch zu hoch sind und sicherlich der politische Wille für den Einsatz des Instruments bisher gefehlt hat, der Fall Ungarn zeigt dies ganz deutlich.
Wendet man sich konkreten Datenschutzgewährleistungen zu, wie sie in Art. 8 GRCh, 16 AEUV sowie im Sekundärrecht niedergelegt sind, dann stößt man durchgehend auf das Problem, dass all diese Gewährleistungen nicht ohne weiteres die Mitgliedstaaten binden. Die Probleme beginnen mit der Bereichsausnahme der Datenschutz-Richtlinie. Wörtlich heißt es in Art. 3 Abs. 2 Datenschutz-Richtlinie 95/46/EG zum Anwendungsbereich (Hervorhebung hinzugefügt):
Diese Richtlinie findet keine Anwendung auf die Verarbeitung personenbezogener Daten,
– die für die Ausübung von Tätigkeiten erfolgt, die nicht in den Anwendungsbereich des Gemeinschaftsrechts fallen, beispielsweise Tätigkeiten gemäß den Titeln V und VI des Vertrags über die Europäische Union, und auf keinen Fall auf Verarbeitungen betreffend die öffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung, die Sicherheit des Staates (einschließlich seines wirtschaftlichen Wohls, wenn die Verarbeitung die Sicherheit des Staates berührt) und die Tätigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich;
– (…)
Siehe auch den Erwägungsgrund 43 zur Richtlinie:
„Die Mitgliedstaaten können Beschränkungen des Auskunfts- und Informationsrechts sowie bestimmter Pflichten des für die Verarbeitung Verantwortlichen vorsehen, soweit dies beispielsweise für die Sicherheit des Staates, die Landesverteidigung, die öffentliche Sicherheit, für zwingende wirtschaftliche oder finanzielle Interessen eines Mitgliedstaats oder der Union oder für die Ermittlung und Verfolgung von Straftaten oder von Verstößen gegen Standesregeln bei reglementierten Berufen erforderlich ist. Als Ausnahmen und Beschränkungen sind Kontroll-, Überwachungs- und Ordnungsfunktionen zu nennen, die in den drei letztgenannten Bereichen in bezug auf öffentliche Sicherheit, wirtschaftliches oder finanzielles Interesse und Strafverfolgung erforderlich sind. Die Erwähnung der Aufgaben in diesen drei Bereichen läßt die Zulässigkeit von Ausnahmen und Einschränkungen aus Gründen der Sicherheit des Staates und der Landesverteidigung unberührt.
Und schließlich Art. 13 Abs. 1 der Richtlinie zu Ausnahmen und Einschränkungen (Hervorhebungen hinzugefügt):
Die Mitgliedstaaten können Rechtsvorschriften erlassen, die die Pflichten und Rechte gemäß Artikel 6 Absatz 1, Artikel 10, Artikel 11 Absatz 1, Artikel 12 und Artikel 21 beschränken, sofern eine solche Beschränkung notwendig ist für
a) die Sicherheit des Staates;
b) die Landesverteidigung;
c) die öffentliche Sicherheit;
d) die Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten oder Verstößen gegen die berufsständischen Regeln bei reglementierten Berufen;
e) ein wichtiges wirtschaftliches oder finanzielles Interesse eines Mitgliedstaats oder der Europäischen Union einschließlich Währungs-, Haushalts- und Steuerangelegenheiten;
f) Kontroll-, Überwachungs- und Ordnungsfunktionen, die dauernd oder zeitweise mit der Ausübung öffentlicher Gewalt für die unter den Buchstaben c), d) und e) genannten Zwecke verbunden sind;
g) den Schutz der betroffenen Person und der Rechte und Freiheiten anderer Personen.
In der englischen Sprachfassung der Richtlinie sind die einschlägigen Stichworte: „public security“, „State security“, „defence“ , „important economic or financial interests“, „economic well-being of the State“. Die Rechtsgrundlagen für die elektronischen Abhörprogramme in Großbritannien enthalten genau die gleichen Stichworte. In Art. 8 (4) und (5) i.V.m. Art. 5 (3) RIPA (Regulation of Investigatory Powers Act) von 2000: „interests of national security“, „purpose of preventing or detecting serious crime“, „purpose of safeguarding the economic well-being of the United Kingdom“, (…)
Es scheint also, dass man mit dem Sekundärrecht nicht weiter kommt. Wie sieht es mit dem Primärrecht, dem Vertragsrecht aus?
In Betracht kommen die primärrechtlichen Garantien zum Datenschutz in der Grundrechte-Charta und Art. 16 AEUV, daneben das Grundrecht auf effektiven Grundrechtsschutz (Art. 47 GRCh, dazu jüngst EuGH in der Rs. C-300/11, ZZ, vom 4. Juni 2013).
Diese Garantien können gegenüber Mitgliedstaaten indessen nur dann geltend gemacht werden, wenn der Anwendungsbereich des Unionsrechts eröffnet ist. Dies gilt auch für den etwas ferner liegenden Art. 18 AEUV, der von einer NGO Privacy International in einer Klage in Großbritannien vorgebracht wird.
Selbst wenn es gelingt, den Anwendungsbereich des Unionsrechts zu begründen, so begegnet man wiederum dem rechtlichen Einwand, die Programme dienten der nationalen Sicherheit. Dazu führt nämlich Art. 4 Abs. 2 EUV Folgendes aus (Hervorhebung hinzugefügt):
Die Union achtet die Gleichheit der Mitgliedstaaten vor den Verträgen und ihre jeweilige nationale Identität […]. Sie achtet die grundlegenden Funktionen des Staates, insbesondere die Wahrung der territorialen Unversehrtheit, die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und den Schutz der nationalen Sicherheit. Insbesondere die nationale Sicherheit fällt weiterhin in die alleinige Verantwortung der einzelnen Mitgliedstaaten.
Auf Ebene des Primärrechts, also auf der gleichen Rangstufe wie Art. 16 AEUV oder die Charta, wird nationale Sicherheit damit schlicht aus dem Europarecht herausgenommen.
Damit ergibt sich als Zwischenbefund , dass das Europarecht nicht weiter zu helfen scheint. Das Europarecht kommt offenbar schlicht nicht an die hier in Rede stehenden Vorgänge heran.
Kann das schon alles sein?
Nein. Schon mit Blick darauf, dass man kaum gegenüber den USA strikte Beachtung von Datenschutzstandards einfordern kann und gleichzeitig einen Mitgliedstaat unbehelligt lässt, muss das britische Handeln auf den Prüfstand des Unionsrechts.
Letztlich ist die europarechtliche Frage, die sich hier stellt, auch nicht schwer zu identifizieren. Es geht um eine Abwägung. Auf der einen Seite stehen die Gewährleistungen des Europarechts, seien es die grundrechtlichen Gehalte zum Datenschutz und der Privatsphäre oder die grundfreiheitlichen Gewährleistungen von Warenverkehrsfreiheit oder Dienstleistungsfreiheit. Auf der anderen Seite stehen mitgliedstaatliche Belange, die als Bereichsausnahme oder Rechtfertigungselemente daherkommen und sich auf nationale Sicherheit oder – allgemeiner – öffentliche Sicherheit berufen.
Am Beispiel der Auslegung der Bereichsausnahme in Art. 3 Abs. 2 der Datenschutz-Richtlinie lässt sich illustrieren, worum es geht. Nach Art. 3 Abs. 2 bezieht sich die Richtlinie „auf keinen Fall auf Verarbeitungen betreffend die öffentliche Sicherheit, die Landesverteidigung, die Sicherheit des Staates (einschließlich seines wirtschaftlichen Wohls, wenn die Verarbeitung die Sicherheit des Staates berührt) und die Tätigkeiten des Staates im strafrechtlichen Bereich; […]“.
Gestattet dies wirklich eine anlasslose flächendeckende Datenerhebung? Zu bedenken ist dabei Folgendes: Die Richtlinie stammt aus dem Jahre 1995, also aus einer Zeit, in der schon technisch eine derartig flächendeckende Datenerhebung, wie sie jetzt in Rede steht, nicht in Sicht war. Zudem sind Ausnahmen von den Gewährleistungen des Unionsrechts grundsätzlich eng auszulegen. Deswegen wird man wohl doch einen konkreten Anlass, vielleicht sogar einen konkreten Angriff verlangen müssen, um die Ausnahme als gegeben ansehen zu können. Die Ausnahme kann in dieser Logik eigentlich auch nur Behörden der nationalen Sicherheit zugute kommen. Sie kann demnach also keine Anwendung finden, wenn private Telekommunikations-Unternehmen für den Staat aktiv werden. Art. 3 Abs. 2 ist danach kein Freibrief für anlasslose flächendeckende Datenerhebung. Und auch Art. 4 Abs. 2 EUV wird in diesem Sinne eng auszulegen sein und im Ergebnis eine anlasslose flächendeckende Datenerhebung durch einen Mitgliedstaat nicht ermöglichen können.
Der EuGH wird letztlich die Institution sein, die letztverbindlich über die Reichweite und Auslegung der Ausnahmen von den Gewährleistungen des Unionsrechts im vorliegenden Kontext befindet. Der EuGH lässt sich vom Argument der nationalen Sicherheit nur mäßig beeindrucken und überprüft entsprechende Argumente. Es genügt also nicht, als Mitgliedstaat schlicht in allgemeiner Form und unüberprüfbar auf angebliche Belange der nationalen Sicherheit zu verweisen, siehe dazu etwa EuGH in der Rs. C-300/11, ZZ, vom 4. Juni 2013, Rn. 38:
„Außerdem ist es zwar Sache der Mitgliedstaaten, die geeigneten Maßnahmen zur Gewährleistung ihrer inneren und äußeren Sicherheit zu ergreifen, doch kann der Umstand, dass eine Entscheidung die Sicherheit des Staates betrifft, für sich allein genommen nicht zur Unanwendbarkeit des Rechts der Union führen.“
Es kommt letztlich auf eine Güterabwägung im Rahmen einer Verhältnismäßigkeitsprüfung an. Es werden demnach die Argumente der nationalen Sicherheit oder öffentlichen Sicherheit durch den EuGH allesamt unter dem Aspekt der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes überprüft.
Wenn die Bereichsausnahmen des Europarechts aber nicht greifen, weil die britischen Maßnahmen zu breit, unbestimmt und ungezielt sind, dann kommen sämtliche Gewährleistungen des Sekundärrechts und des Primärrechts in den Blick.
Zu nennen sind dabei auch die Grundfreiheiten des Binnenmarktes, konkret die Warenverkehrs- oder die Dienstleistungsfreiheit. Die Grundfreiheiten im EU-Binnenmarkt handeln zwar im Kern von einer Marktzugangslogik. Und alleine das Absaugen von Daten hindert nicht die grenzüberschreitende Dienstleistung, die über das Internet abgewickelt wird, oder den Internetversandhandel. Diese ökonomischen Aktivitäten, so lässt sich argumentieren, bleiben weiterhin möglich. Allerdings enthält das Unionsrecht mit einem Beschränkungsverbot eine Gewährleistungsdimension, die schon seit längerem vom Marktzugangsparadigma abgekoppelt ist. In Betracht kommen hier wahrscheinlich am ehesten konkrete Fälle aus dem Bereich des Internetversandhandels und der Internetdienstleistungen.
Auch die Unionsbürgerschaft ist immer mehr vom Marktzugangsparadigma abgekoppelt. Aber dies wird man vorliegend nicht sinnvoll einsetzen können, es sei denn, man wollte die Datenschutzfrage im Kernbereich der Unionsbürgerschaft verorten.
Wenn das Argument nationale Sicherheit/öffentliche Sicherheit geklärt ist, dann werden vor allem die materiellen Gewährleistungen des europäischen Datenschutzrechts namentlich in der Grundrechte-Charta eine Rolle spielen können. Zwar bestehen jenseits des Argumentes von der Sperrwirkung der nationalen oder öffentlichen Sicherheit noch immer zwei Anfragen zur Anwendbarkeit der Charta, diese sind indessen wie folgt im Sinne des Grundrechtsschutzes der Unionsbürger zu beantworten.
Erstens: Das britische sogenannte Opt-out aus der Charta spielt vorliegend keine Rolle, das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des einschlägigen Protokolls zum Vertrag von Lissabon, weil es genau besehen gar kein Opt-out gibt. Zweitens: Bei der Frage der Bindung der Mitgliedstaaten an die EU-Grundrechte – diese gelten vorrangig für die Unionsorgane – versperrt Art. 51 GRCh die Bindung eines Mitgliedstaats an die europäischen Grundrechte nicht, dies bestätigt die EuGH-Entscheidung in der Rs. Åkerberg Fransson, die im Sinne eines möglichst umfassenden Grundrechtsschutzes für die Unionsbürger eine restriktive Auslegung von Art. 51 GRCh und ein weites Verständnis von „Anwendungsbereich des Unionsrechts“ verfolgt. Es ist bedauerlich, dass der Erste Senat des BVerfG ausgerechnet in seiner Entscheidung zur Antiterrordatei vom April 2013, also in einem Kontext, der auch zur Rechtfertigung der NSA- und GCHQ-Maßnahmen vorgebracht wird, die Anwendbarkeit der Charta verneint und übrigens auch gleich ungefragt und nur begrenzt zuständig (wenn entscheidungserheblich muss eine solche Frage dem EuGH vorgelegt werden) die Bereichsausnahme des Art. 3 Datenschutz-Richtlinie (dazu bereits oben) interpretiert. Diese Argumentation wird sicherlich von den GCHQ-Juristen dankbar aufgenommen werden. Und dem BVerfG möchte man im vorliegenden Kontext die Einsicht wünschen, dass die aktuellsten und größten Bedrohungen für individuelle und kollektive Selbstbestimmung in Deutschland – was man als Kern der Souveränitätsargumente ernst nehmen kann – nicht vom EuGH oder der EZB ausgehen.
Die Frage, ob anlassloses flächendeckendes Ausspähen von Daten von Unionsbürgern im „Anwendungsbereich des Unionsrechts“ liegt oder nicht wird sich bei der geplanten EU-Datenschutzgrundverordnung ebenfalls stellen, weil dies das Kriterium für die Anwendbarkeit der Verordnung sein wird (Art. 2).
Die prozessualen Perspektiven zur Klärung dieser Fragen sind ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Großbritannien vor dem EuGH, sowie vielleicht auch eine Vorlage an den EuGH aus einem Mitgliedstaat. Es gibt Hinweise, dass man in der Europäischen Kommission ein Vertragsverletzungsverfahren in Erwägung zieht. Wie auch im NSA-Kontext stellt sich aber die Frage, ob von einer am Ende ihres Mandats befindlichen Kommission mit einem Kommissions-Präsidenten, der die Vorstellung einer weiteren Amtszeit noch nicht aufgegeben hat, ein derartiger Schritt gegen einen großen Mitgliedstaat wirklich zu erwarten ist.
Von den Mitgliedstaaten wird man in Sachen Vertragsverletzungsverfahren aus verschiedenen Gründen wenig erwarten können. Die Bundesrepublik hat aus integrationspolitischen Gründen noch nie ein Vertragsverletzungsverfahren gegen einen anderen Mitgliedstaat eingeleitet, daher wird dies auch im Hinblick auf Großbritannien jedenfalls nicht freiwillig passieren.
Es ist aber nicht nur die traditionelle Linie, gegen andere Mitgliedstaaten nicht den EuGH anzurufen, die eine Zurückhaltung der Bundesregierung im Vorgehen gegen Großbritannien erklären würde. Hier kommt abschließend ein Aspekt in den Blick, der in der deutschen Diskussion vielfach ausgeblendet wird. Gerade aus anderen Mitgliedstaaten wird die Rolle des BND in der NSA-GCHQ-Angelegenheit durchaus kritisch gesehen. Die Nähe der USA bei der Gründung des BND wird dabei in Erinnerung gerufen. Daneben muss gefragt werden, ob die Geheimdienste womöglich einen munteren Informationsringtausch betreiben, bei dem jeweils das, was man zu Hause aus rechtlichen Gründen bei den eigenen Bürgern nicht ausforschen darf, dann eben auf der Grundlage mehr oder weniger ebenbürtiger Gegenseitigkeit von einem anderen Geheimdienst zur Verfügung gestellt wird.
Auch an dieser Stelle sind wahrscheinlich auf nationaler Ebene, auch und gerade in Deutschland, rechtliche Klarstellungen erforderlich. Insbesondere die „strategische Fernmeldeüberwachung“, ein Relikt aus dem Kalten Krieg auf Grundlage der §§ 5 und 8 des Gesetzes zur Beschränkung des Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnisses (G 10), gehört eineinhalb Jahrzehnte nach der letzten Äußerung des BVerfG dazu auf den verfassungsrechtlichen Prüfstand. Auch die Zivilgesellschaft kann die Dinge hier in Bewegung bringen, wie das Beispiel Polen zeigt.
Zugleich wird man auch sehen müssen, dass andere Mitgliedstaaten, namentlich diejenigen, die unmittelbarer als Deutschland in ihrer jüngeren Vergangenheit Terroranschlägen ausgesetzt waren, die verfassungsrechtliche Abwägung zwischen Sicherheit und Grundrechten anders treffen als Deutschland mit einer seit 1949 gewachsenen und im wesentlichen nicht unter Druck geratenen Grundrechtskultur. Mit dem Hinweis auf kulturelle Unterschiede, sozusagen Verfassungsfolklore, kann es aber nicht sein Bewenden haben, wenn bei Grundrechtsbeeinträchtigungen Ländergrenzen keine Rolle mehr spielen. Wenn es Deutschland als größtem und einflussreichsten Mitgliedstaat der EU gelungen ist, den meisten anderen Mitgliedstaaten die deutsche Schuldenbremse als deutsche verfassungsrechtliche Errungenschaft vorzugeben, dann sollte dies doch erst recht möglich sein für einen grundrechtlich konzipierten hohen Datenschutzstandard und ein entsprechendes Übermaßverbot, was staatliche Eingriffe eingeht. Natürlich kann es nicht darum gehen, sicherheits- und nachrichtendienstliche Tätigkeiten zu verbieten oder unmöglich zu machen, sondern darum, ihre Tätigkeit rechtlich, vor allem grundrechtlich, einzuhegen. Und damit hat Deutschland, ohne dass fortbestehende Defizite hier übersehen werden dürfen, aus den bekannten traurigen historischen Gründen einen großen Bestand an weitergebenswerter Erfahrung.
Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es unabhängig von der rechtlichen Verortung im Europarecht im einzelnen, auch unabhängig von europarechtsdogmatischen Einordnungen als Bereichsausnahmen, Rechtfertigungen, zwingende Erfordernisse usf., um eine grundsätzliche Abwägung zwischen dem Argument der nationalen und der inneren Sicherheit einerseits und den Freiheitsgewährleistungen des Unionsrechts andererseits geht. Diese Frage wird man klären müssen.
Ich habe am Wochenende mit einem Anwalt reden müssen, der dachte, Ö-Recht sei “reine Laberei”. Am Ende des Gesprächs war er zumindest neugierig geworden und wollte dem Fach eine Chance geben. Jetzt lese ich hier:
“Zusammenfassend ist festzuhalten, dass es unabhängig von der rechtlichen Verortung im Europarecht im einzelnen, auch unabhängig von europarechtsdogmatischen Einordnungen als Bereichsausnahmen, Rechtfertigungen, zwingende Erfordernisse usf., um eine grundsätzliche Abwägung zwischen dem Argument der nationalen und der inneren Sicherheit einerseits und den Freiheitsgewährleistungen des Unionsrechts andererseits geht. Diese Frage wird man klären müssen.”
Das Recht klärt diese Frage also nicht?! Sondern das macht wer? Wer ist “man”? Der “Diskurs der Gerechten”?
Schöne Grüsse an Ihren Anwalt, ist wohl schon länger her gewesen mit der Ausbildung im Öffentlichen Recht bei ihm oder ihr: Abwägungsfragen wie sie hier angesprochen sind kann man in aller Regel gerade nicht abstrakt entscheiden (“nationale Sicherheit hat immer Vorrang”), sondern letztlich nur konkret. Wer? Hier der EuGH. Geht um Europarecht.
Das Europarecht klärt die Frage also nicht. Sondern der EuGH. Habe ich das richtig verstanden?
Den erwähnten Gedanken des Binnenmarkts halte ich für die vielversprechendste Grundlage eines unionsrechtlichen Tätigwerdens. Hier hat das EuGH-Urteil (Rs. C-301/06, Irland ./. Kommission u. a., insb. Rn. 68 ff.) zur Rechtsgrundlage der Richtlinie über die Vorratsspeicherung von Daten gezeigt, wie leicht Maßnahmen zum Schutz der nationalen Sicherheit über den Umweg national unterschiedlicher “wirtschaftliche(r) Auswirkungen für die Diensteanbieter” zum Gegenstand der Binnenmarktpolitik gemacht werden können (m. E. völlig verfehlt).
Im geltenden Europarecht ist weder konkret von “NSA” noch von “GCHQ” die Rede. Damit ist nicht gesagt, dass Europarecht hier keine Vorgaben macht. Das ist eine Frage der Auslegung des Europarechts. Für diese Auslegung ist der EuGH letztentscheidend zuständig. Artikel 344 (ex-Artikel 292 EGV): “Die Mitgliedstaaten verpflichten sich, Streitigkeiten über die Auslegung oder Anwendung der Verträge nicht anders als hierin vorgesehen zu regeln.” In den Verträgen ist vorgesehen, dass der EuGH das Unionsrecht auslegt.
@ AX:
Ich meine schon, dass über die Dassonville-Formel oder über die Frage, ob nicht die staatlichen bzw. staatlich veranlassten Maßnahmen privater Telekommunikationsunternehmen in GB die Ausübung einer Grundfreiheit behindern oder weniger attraktiv machen, diese Maßnahmen auf den Radarschirm des Unionsrechts gelangen können. Aber ich weiss, dass andere Europarechtler das anders sehen.
@Franz Mayer: Ich freue mich, dass Sie auf die Nachfrage eingehen! Aber Ihre Antwort ist ausweichend: NSA und GCHQ müssen im Europarecht natürlich nicht erwähnt werden, um rechtliche Anforderungen an beide ermitteln zu können (Herr Müller wird im StGB auch nicht genannt, gleichwohl wird er ggf. “als Mörder” verurteilt). Wenn Sie wollen, dass der EuGH das Unionsrecht auslegt, muss der Gerichtshof dasselbe tun, was Sie in Ihrer Stellungnahme versucht haben – auslegen. Wenn Ihr Befund zutreffend ist, dass das Europarecht die Frage nicht klärt, wird der EuGH genau dies feststellen müssen, das Europarecht wird uns also nicht vor dem GCHQ schützen. Ihr Text klingt aber so, als ob Sie sagen wollen: Das Europarecht klärt die Frage nicht. Der EuGH entscheidet trotzdem (!), wo die Grenzen geheimdienstlicher Befugnisse liegen.
Glauben Sie im Ernst, die “Herren der Verträge” sähen das auch so?
Und – nota bene – Die Briten, die schon den Fiskalpakt nicht unterschrieben haben, sollen “deutsche” (Sie sprechen für B90/Grüne?) Datenschutzvorstellungen übernehmen, weil?
Der EuGH kann feststellen, dass die Berufung auf die nationale Sicherheit alleine nicht ausreicht, sondern kann die Reichweite entsprechender Bereichsausnahmen bzw. von Rechtfertigungsgründen ausmessen. Und dann kann sich ergeben, dass GB das Europarecht verletzt. Was dann passiert, hängt vom Verfahren ab (Vertragsverletzungsverfahren, Vorlageverfahren).
Ein neues Wort: “ausmessen”! Also “misst” der EuGH das Europarecht aus, an den Stellen, wo dieses Recht keine Vorgaben macht? (wenn ja: Was wird dann gemessen?)? Vielleicht antworten Sie mit einem “Ja” oder einem “Nein”.
Nochmals: Sie meinen, der britische Geheimdienst lässt sich von seiner Tätigkeit abbringen, wenn der EuGH etwas “ausmisst”, von dem Sie sagen, dass da (noch) keine Vorgaben sind?
Lieber Aufmerksamer Leser,
ich verstehe Sie nicht. Im anderen Thread erklären Sie, alles lasse sich begründen, und wer das nicht einsehe, lebe erkenntnistheoretisch hinterm Mond. Aber im Europarecht gibt es die einzige richtige Norminterpretation? Lebt das Europarecht auf dem Pluto oder so?
@Gerd Gosman: Im “anderen Thread” ging es um die Prognose im Zusammenhang mit DNA-Anordnung; die lässt sich immer begründen (Prognose ist nicht “Norm”). “Hier” geht es um einen Staatsrechtslehrer, der sagt, das Europarecht enthalte die Vorgabe nicht, der EuGH könne sie aber machen bzw. ausmessen (Vorgabe ist “Norm”).
@Mayer – zwei Fragen: Worin bestehen die Hinweise auf ein von der Kommission beabsichtigtes oder auch nur erwogenes Vertragsverletzungsverfahren? Gibt es auch Hinweise, wie die Bundesregierung sich dazu verhalten wird?
@ “aufmerksamer Leser”: Meine Güte, Sie sind aber streng. Ersetzen Sie meinetwegen ‘ausmessen’ durch ein anderes Wort Ihrer Wahl. Gibt es nicht auch ein Blog für Stilkritik? Hier geht es doch um andere Fragen. Ich habe im übrigen den Eindruck, dass Sie gar keine echte Verständnis- oder sonstige Nachfrage mehr an mich haben, sondern Ihre Meinung ohnehin schon feststeht, dann sagen Sie es doch auch so.
@Rensen: Es gibt Medienmeldungen dazu und mehr oder weniger öffentliche Äußerungen. Deutschland äussert sich regelmässig in jedem wichtigen Vertragsverletzungsverfahren, alle Mitgliedstaaten sind da äusserungsberechtigt – daher wird es interessant sein zu beobachten, ob und wie Deutschland sich in einem möglichen Vertragsverletzungsverfahren gegen GB äussert. Aber nochmals: Gut möglich dass die Angelegenheit auch durch ein Vorlageverfahren an den EuGH herangetragen wird. Und nicht auszuschliessen, dass die KOM aus politischen Gründen einknickt.
@Franz Mayer: Man sollte streng in der Sache sein. Nicht Personen gegenüber. Ich habe aber den Eindruck, dass Sie gar nicht wirklich über die Sache sprechen wollen, sondern nur soweit, dass Sie feststellen können, dass alles “kompliziert” ist, um dann den Ball dem EuGH zuzuspielen. Das ist doch nur ein Gericht, nicht der “Dorfälteste”, der hier unsere Probleme zu lösen hätte.
Das ist mir jetzt zu psychologisierend.
Nochmal in kurzen Worten: Das Europarecht hat über die europäischen Grundrechte und die Grundfreiheiten des Binnenmarktes eine Werte-, Freiheits- und Gleichheitsdimension. Damit sind die britischen Maßnahmen nicht vereinbar. Was immer man im Europarecht an Ausnahmen für nationale, innere, öffentliche Sicherheit anführen mag, gleich ob der konkrete Europarechtsverstoss im Richtlinienrecht, der Unionstreue, bei den Grundrechten oder den Grundfreiheiten verortet wird: flächendeckende anlasslose Grundrechtseingriffe gehen über jedes Maß und in der europäischen Rechtsgemeinschaft nicht an. Verbindlich feststellen kann dies nur der EuGH, und der Weg dahin sollte über die Hüterin der Verträge und des supranationalen Gemeinwohls, die Europäische Kommission, führen. Von den Mitgliedstaaten ist hier nicht viel zu erwarten, nicht zuletzt weil möglicherweise auch andere Dienste – möglicherweise auch der deutsche BND – Dinge tun, die rechtliche Grenzen überschreiten.
Stellt der EuGH eine Verletzung des Europarechts fest, dann gibt es verschiedene Durchsetzungszenarien. Bei Vertragsverletzungsverfahren gibt es die Möglichkeit von Zwangsgeldern. Vorlageverfahren funktionieren über die Durchsetzungsmechanismen des jeweiligen nationalen Rechts.
GB kann sich den Bindungen natürlich entziehen durch Austritt. Derzeit ein sehr fernliegendes Szenario, aber im Hinblick auf die EMRK gibt es eine entsprechende Diskussion. Dann würde GB in Sachen Binnenmarkt und auch Datenschutz – vorbehaltlich der Regelungen eines Austrittsabkommens – behandelt wie ein Drittstaat. Wie die USA, dazu Teil 1 meines Beitrages. Für GB in der Gesamtbetrachtung politisch und ökomisch wahrscheinlich kein Gewinn. Deswegen ist die Option, dass man in GB zumindest auf der Ebene der Gesetzestexte europarechtlichen Anforderungen Folge leistet, nicht unrealistisch. Vielleicht ändert man den RIPA ein bisschen, schafft Rechtsbehelfe.
Eine andere Frage ist dann, was danach die Geheimdienste in GB – und anderswo – auf der faktischen Ebene (weiter) treiben. Spätestens hier kommen wir an Grauzonen und Grenzen des Rechts, die in Sachen Geheimdienste auch in gefestigten demokratischen Verfassungsstaaten vielfach noch bestehen. Auch in Deutschland. Hier hat man doch auch nach 1949 noch etliche Jahre gebraucht, bis man den Gesetzesvorbehalt für den BND entdeckt hat.
Aber dann geht es zumindest darum, diese Grenzen kontinuierlich zugunsten von Rechts- und Verfassungsbindung zu verschieben und die Grauzonen auszuleuchten. Und da hat Deutschland mit seiner leidvollen Geheimdienstgeschichte unter verschiedenen Regimen im 20. Jahrhundert nun einmal auch eine besondere, schwer bestreitbare Legitimation, voran zu gehen.
Vor dem Hintergrund all dessen hat auch die gesamte Diskussion um Rechtsbindung für sich genommen schon einen Eigenwert, unabhängig davon, wie ernst die GCHQ Juristen nimmt. Ich sehe hier gar keinen Anlass zur freiwilligen Vorab-Selbstverzwergung des Rechts. —
Die Debatte ist interessant und ich finde es schön, dass Professor Mayer hier im Dialog “mitspielt”. Mir scheint der wesentliche Unterschied in dem letzten Beitrag plastisch geworden sein. Die Mayersche Lösung scheint zu sein, ohne konkrete normative Rechtsfolgenanordnung (“gleich ob der konkrete Europarechtsverstoss im Richtlinienrecht, der Unionstreue, bei den Grundrechten oder den Grundfreiheiten “) dennoch rechtliche Folgen aus einer inneren Logik des Unionsrechts ableiten zu können (bspw. indem man sie aus Werten extrapoliert, dem Gesamtsystem unterschiebt oder der Idee des Naturrechts Überzeugung abgewinnt ect.). Das ist natürlich eine sehr sympathische Idee, weil man missliebige Zustände (sei es die Verfassungsentwicklungen in Ungarn oder die Geheimdienstarbeit in Großbritannien) zum Anlass nimmt, nach “Lösungen” im (Europa)Recht (warum nicht Vereinte Nationen) zu suchen. Aufmerksamer Leser meint dagegen, dass man nicht etwas herausholen kann, was nicht da ist. Das führt dann nicht zwingend zu den gewünschten Ergebnissen, lässt aber immerhin Ideen wie Gewaltenteilung und Demokratie intakt, weil es mit der Prämisse arbeitet, dass sich nicht alles aus jedem ableiten lässt. Die EU kann bei Fragen der nationalen Sicherheit nur mit Watte werfen, weil man ihr kein Schwert in die Hand gegeben hat…
@mayer: Das bedeutet, wie wir alle wissen, nur sehr wenig ohne anhaltende öffentliche Aufmerksamkeit.
@Franz Mayer: „Mit Europarecht gegen die amerikanischen und britischen Abhöraktionen?“. Ihre umfangreiche, differenzierte Beschreibung der diese Frage initiierten Sachverhalte verdient öffentliche Anerkennung.
Sicher waren Sie zwar nicht zuständig (hatten nicht die Kompetenz dafür), die “nationale Sicherheit aus dem Europarecht” herauszunehmen.
Aber als Wissenschaftler von Europarecht sind Sie nicht nur zuständig, Fragen dazu zu beantworten. So zum Beispiel die von „Aufmerksamer Leser“.
Obwohl oder gerade weil alles “kompliziert” ist, kann Ihre Schlussfolgerung als Wissenschaftler aus der Beschreibung des Komplizierten nicht darauf beschränkt werden, andere (hier der EUGH) müssten verbindlich entscheiden, wie Europarecht zu verstehen (auszulegen) und anzuwenden ist.
Warum nicht Sie mit einer wissenschaftlichen Auslegung?
Dem EUGH wurde zwar dafür die Kompetenz (die Zuständigkeit) zugeordnet. Aber die Fähigkeit (Kompetenz), verstehen und wissen zu können, was die Vertragsschließenden einheitlich (z.B. mit Europarecht) gemeint und gewollt hatten, eine solche Kompetenz kann auch dem EUGH nicht zugeordnet werden.
Jedenfalls haben sie nicht gewollt und wollen es auch heute nicht, dass andere bestimmen, was sie gemeint und gewollt haben und wollen.
Ja, Professor Franz Meyer: „Hier geht es doch um andere Fragen.“ Aber für ihr Verstehen und Beantworten stehen nicht beliebige Worte zur Auswahl, mit denen gleiches Begreifen zum Ausdruck käme. Wissen zu wollen, was zum Beispiel unter „ausmessen“ zu begreifen ist, hat also nichts mit Stilkritik zu tun.
Und ein Wissenschaftler sollte es ist nicht beim Bedauern belassen, dass “der Erste Senat des BVerfG ausgerechnet in seiner Entscheidung zur Antiterrordatei vom April 2013, also in einem Kontext, der auch zur Rechtfertigung der NSA- und GCHQ-Maßnahmen vorgebracht wird, die Anwendbarkeit der Charta verneint . . .“
Eine öffentliche wissenschaftliche Auseinandersetzung gehört auch zu der Wissenschaft, die „Europarecht“ zum Gegenstand hat.
@Aufmerksamer Leser & Blickensdörfer: Ich glaube, ich bin wirklich nicht verdächtig, die Positionen von Herrn Prof. Mayer zu teilen, und das gilt insbesondere hinsichtich seiner Bewertung der verfassungsgerichtlichen Entscheidungen. Daran hat sich überhaupt nichts geändert.
Ich muss aber feststellen, dass einige der letzten Kommentare nach ihrer Schärfe lediglich polemische Erwiderungen zulassen und so absehbar zu reiner Polemik führen werden. Das Ende einer solchen Debatte ist nur allzu vorhersehbar. Deshalb: Sollten wir nicht unnötige Polemik unterlassen? Gilt das nicht erst recht für solche Kommentatoren, die sich nicht ihres Klarnamens bedienen? Mir jedenfalls reicht es jetzt!
@Hartmut Rensen: Schopenhauer war Polemiker. Ich denke, der hätte den Blog bereichert. Persönliche Angriffe, etwa Teilnehmer (oder Autoren) als Troll zu bezeichnen, müssen (natürlich) unterbleiben. Aber in der Sache sollte man doch möglichst präzise sein. Direkte Fragen und direkte Antworten muss doch niemand krumm nehmen?
@Aufmerksamer Leser: Müssen muss man wenig, sicher aber präszise sein. Können kann man nicht alles, sicher aber Blogbeiträge böswillig auslegen. Fest steht allerdings auch, dass das zwar geradezu “diebische Freude”(MS) bereiten mag, aber doch von der Sache weg und hin zu bloßer Schärfe führt.
Schopenhauer? Na, dann runter mit dem Visier!
@Aufmerksamer Leser: Lieber Herr Rensen. Ich erinnere daran, dass ich es war, der Sie weiland vor Herrn Prof. Mayer in Schutz nahm, der Sie der Trollerei bezichtigte. Nun heißt es “Rensen schützt den Mayer”? Ich möchte wirklich ernsthaft versichern, dass meinerseits weder “Böswilligkeit” noch Freude im Sinne von § 242 StGB vorliegt. Herr Mayer hat sich auch nicht dahingehend eingelassen. Lassen wir doch daher die Kirche vielleicht vorerst im Dorf?
Die Sachfrage, um die wir hier streiten, ist doch letztlich, ob die Rechtsfortbildungskompetenz des EuGH sich darauf erstrecken kann, den Geheimdiensten in Europa mal zu zeigen, wer Koch und wer Kellner ist. Ich bin da eher timide. Herr Mayer sagt – wenn ich Ihn richtig verstehe – , wo eine Lücke, da ein Rechtsfortbilder.
P.S. Schopenhauer und “runter mit dem Visier”? Das war eine Lanze für Polemik. Hätte ich Theobald Tiger sagen sollen?
@Aufmerksamer Leser:
1. a) Zur Vorgeschichte: Fraktionen also? Na, und ich habe gedacht, es gehe stets nuuuuuuuuuuuuuuuuuuur um die Sache. Aber bitteschön: Danke, war in der Tat sehr hilfreich. Weiteres folgt daraus allerdings nicht.
b) “Theobald Tiger”? Sehr schön, ich hatte eher an “tricky dick” gedacht und werde also – wie andere auch – weiterraten müssen.
2. Wird der EuGH zur Rechtsfortbildung schreiten? Wie hat sich der EuGH denn in der Vergangenheit verhalten und wie haben sich andere Gerichte verhalten, wenn sich die Gelegenheit bot?
3. Ob das maßgebende Unionsrecht das hergibt? Eben deshalb ja Rechtsfortbildung, die ja ganz gelegentlich sehr überraschen kann.
4. Ob der EuGH Anträge bzw. Vorlagen erhält, die ihm die Gelegenheit bieten werden, halte ich aber für sehr zweifelhaft. Wie soll ein Antrag aussehen, der hinreichend konkret begründet ist, um dem EuGH überhaupt eine Prüfung zu gestatten? Wie sollen Anträge und Vorbringen in einem fachgerichtlichen Verfahren aussehen, um nicht nur eine Prüfung, sondern auch eine Vorlage zu erwirken? Was wissen wir in belegbarer Form über die für ein Gericht nicht nachprüfbaren Unterlagen Snowdens und einige Recherchen von Historikern (Überwachtes Deutschland) und Journalisten (Der geheime Krieg) hinaus?
@Hartmut Rensen: Kein Fraktionszwang. Ich habe lediglich gesagt: Es geht nieeeeeeeeeeeeeee gegen Personen. Der Rest: Ich stimme Mayer zu, dass das Unionsrecht nichts hergibt. Ich stimme ihm nicht zu, soweit er annimmt, diese (!) Lücke könnte durch Rechtsfortbildung geschlossen werden. Wie sagte der Zweite Senat so schön zum EuGH: Rechtsfortbildung darf Du machen, aber treibe es nicht zu bunt!
Wäre mal so manche Vorlesung bei Ihnnen verlaufen, sie hätten nur noch Ö-Rechtler.