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14 April 2014

Tiere im Recht – ein neues Rechtsgebiet in Europa?

Tierrecht – was ist das überhaupt? Als deutscher Jurist denkt man bei Tieren im Recht vermutlich als erstes an die Tierhalterhaftung oder auch an Mängelgewährleistung beim Kauf eines Tieres. § 90 a BGB mag noch geläufiger als Art. 20 a GG sein, der Tiere von Verfassungs wegen schützt. Aber selten hat man sich an den Universitäten aus rechtswissenschaftlicher Perspektive mit Tieren befasst. Sollte sich das nun ändern?

Das sollte es in der Tat, und zu diesem Zweck kamen am 4. und 5. April an der juristischen Fakultät der Universität Basel Rechtswissenschaftlerinnen und Rechtswissenschaftler und Vertreterinnen anderer Disziplinen zur ersten jährlichen europäischen Tierrechtskonferenz zusammen. Ein breiter interdisziplinärer Ansatz versprach den Animal Turn in the Law aufzugreifen.

Am Anfang stand dabei die rechtsphilosophische Frage, wie sich das Thema Tiere im Recht zu der seit einigen Dekaden bestehenden Tierrechtefrage der Tierethikdiskussion verhält. Gibt es eine Mensch-Tier-Grenze? Wie betrachten wir eigentlich andere Tiere? Auf der Konferenz wurden einige Antworten im ersten von vier Panels gegeben.

Die Mensch-Tier-Grenze wurde von Keith Jensen bio-psychologisch anhand von Vergleichversuchen zwischen bestimmten Fähigkeiten von Schimpansen und Kindern des homo sapiens betrachtet. Dabei stellte Jensen fest, dass es bei Schimpansen keine erhebliche Aufregung erzeugte, wenn einer dritten Person eine Sache weggenommen wurde, wohingegen dies bei menschlichen Kindern Unbehagen hervorrief. Die Verwerflichkeit von third-party-theft könnte also im Vergleich zu Diebstahl, der am eigenen Leib spürbar ist, eine moralische Speziesgrenze darstellen. Dass moralisches Denken bei anderen Menschenaffen vorkommt, zeigte bereits Frans de Waals Forschung.

Philosophisch näherten sich Markus Wild und Hans Johann Glock der Grenzfrage zwischen Tier und Mensch, wobei Wild eher von der Grundannahme ausging, Menschen seien Tiere, wohingegen Glock grundsätzlich nach Unterschieden, dem Anderen im Sinne eines Othering, suchte. Schließlich brachte im ersten Panel Bernd Ladwig seine politologische Sichtweise mit ein, der gemeinsam mit Peter Niesen im März erst eine Konferenz an der Universität Hamburg zu Animal Politics veranstaltet hatte. Aktuell wird in der politischen Wissenschaft – einen absoluten Paradigmenwechsel einläutend – Sue Donaldson und Will Kymlicka`s Zoopolis diskutiert, welches meiner Meinung nach unbedingt in die Rechtswissenschaft einwirken sollte.

Auch die Fragen, ob Tiere im Rahmen der Globalisierung besonderen Schutzes bedürfen (Panel 2) und ob aus emanzipations-historischer Sicht Tiere die neuen Frauen sind (Panel 3) wurden aufgeworfen. Im Rahmen einer postfeministischen und multikulturalistischen Herangehensweise könnte man die Forderung nach einer Besserstellung und Besserbehandlung von Tieren im Recht historisch in eine Reihe mit der Sklavenbefreiung, Frauenbewegung und der Entwicklung zentraler Menschenrechte stellen. Auf diese möglichen Parallelen hatte die Konferenzgastgeberin Anne Peters bereits im Juli 2012 mit ihrem Vortrag an der Universität Zürich zu „Liberté, Egalité, Animalité“ aufmerksam gemacht.

Schließlich wurde man im Panel 4 mit einigen herausragenden Rechtsfällen, in denen Tiere eine Rolle spielten, bekannt gemacht. Die Schweizer Rechtsprofessorin Margot Michel brachte der Hörerschaft zwei Fälle des Bundesgerichts zu den Grenzen von Tierversuchen näher. Sie stellte die Würde der Kreatur der Eidgenössischen Bundesverfassung dar, was im internationalen Vergleich wirklich einzigartig ist. Die Würde der Kreatur wird seit 1992 (seit 2000 an dieser Stelle) in Artikel 120 Abs. 2 S. 2 der eidgenössischen Bundesverfassung unter der Regelung der Gentechnikforschung im Außerhumanbereich geschützt. Eine solche Ausweitung des Würdebegriffs auf andere Mitgeschöpfe wäre in Deutschland wohl wegen des besonderen Gehalts des ersten Artikels des Grundgesetzes um ein vielfaches schwieriger vorstellbar als in der Schweiz. Das schweizerische Bundesgericht verlieh der kreatürlichen Würde nun im Jahr 2009 in zwei Entscheidungen Konturen, die bestimmte Tierversuche als übermäßige Instrumentalisierung und damit als einen Würdeverstoß qualifizierten. Mit Blick auf die deutschen Makakenversuche in Bremen, die im Februar 2014 vom Bundesverwaltungsgericht für zulässig erachtet wurden, wäre eine rechtsvergleichende Untersuchung mit Sicherheit vielversprechend.

Der Richter am Europäischen Menschenrechtsgerichtshof Paulo Pinto de Albuquerque fasste die Rechtsprechung des Gerichtshofs am Beispiel einiger Fälle mit Tier-Relevanz zusammen und meinte, Tiere wären in Europa recht gut und legislativ intensiv geschützt. Dies mag man mit Blick auf die Praxis der Tiernutzung und Tiertötung in Millionenhöhe bestreiten. Aber Gesetze gibt es. Eigentlich. Eine lebhafte Diskussion über den Sinn und die Auswirkung der europäischen Regelungsdichte des Tiere betreffenden Rechts blieb an dieser Stelle aus, auch wenn mit Sicherheit einige der Anwesenden genau diese Frage im Kopf hatten. Lediglich eine Anknüpfung an die im zweiten Panel angesprochenen Globalisierungsfragen, insbesondere, dass man die Folgen der europäischen Nutztierhaltung global betrachten müsse, erschien kurzzeitig.

Anschaulich war die Darstellung des Tilikum Cases von Kathy Hessler, die an der Lewis and Clark Law School in Portland Tierrecht lehrt – des weltweit einzigen LLM-Studiengangs dazu.

Der Fall jedoch ist traurig. Tilikum, ein Orca, der 1983 seiner Mutter auf hoher See im Alter von zwei Jahren entrissen wurde, ist Teil einer Delphinshow in Florida, und tötete bereits drei Menschen in seiner Umgebung – sprich Trainer. In Freiheit töten Orcas – entgegen ihrer irreführendenen Bezeichnung als Killerwale – keine Menschen.

Einige menschliche Repräsentanten (Next Friends) hatten Tilikum und vier andere Orcas nun 2012 gegen deren Besitzer, Sea World Inc., vertreten und eine Klage in deren Namen angestrengt. Sie hatten versucht, vor Gericht einen Verstoß gegen das dreizehnte Amendment der US Verfassung feststellen zu lassen, das Sklaverei verbietet. Dass eine Klage im Namen von Orcas wahrscheinlich mangels Rechtsfähigkeit abgelehnt würde, war den Klägerinnen klar; wie der Richter die Unzulässigkeit begründen würde dagegen hochspannend:

Even though Plaintiffs lack standing to bring a Thirteenth Amendment claim, that is not to say that animals have no legal rights; as there are many state and federal statutes affording redress to Plaintiffs, including, in some instances, criminal statutes that ‘punish those who violate statutory duties that protect animals.’ Cetacean, 386 F.3d at 1175. While the goal of Next Friends in seeking to protect the welfare of orcas is laudable, the Thirteenth Amendment affords no relief to Plaintiffs. In sum, the court dismisses the action with prejudice for lack of subject matter jurisdiction.

Warum Tilikum nicht wieder in Freiheit leben darf und wie seine Besitzer, Sea World Inc. mit ihm und den Aspekten seiner Gefangenschaft und seines Widerstandes umgingen, sollte man unbedingt in Blackfish im Kino ansehen. Eine Warnung natürlich: Für schwache Nerven ist das Tierthema nichts!

Dennoch – oder gerade weil es an der Zeit ist, nicht mehr wegzusehen – war diese Tierrechtskonferenz ein Muss in Europa und sollten Tiere jedenfalls für die nächsten Jahre auf die Agenda der Jurisprudenz gesetzt  werden.On 4 and 5 April 2014 the first European Annual Animal Law Conference took place in Basel´s law faculty, Switzerland. But what is it, the Animal Turn?

German lawyers may think of animals only when they are dealing with an an animal torts case or when an animal is the object of a sales contract. Few may even think of Article 20 a of the German Basic Law, which protects animals as well as the environment in general. But these legal experts are a rare species. So, what could it be that lawyers were doing and discussing at this conference?

First of all the programme told to expect interdisciplinary perspectives and new directions in animal law. The speakers came from all over the world, some from the United States and Canada, some from Europe and some from the German speaking countries in Europe. Interdisciplinary Perspectives meant: Animal ethics within philosophy, psychology, political science, social sciences and the law. As the speakers came from different disciplines, also the audience was mixed, laypersons and experts of different fields, sharing the interest in animal matters. Actually, the focus of the conference might have attracted more legal practitioners and other representatives of Europe`s jurisprudence.

The first panel involved the human animal boundary from a biological – philosophical approach, the second panel concerned global animal law, the third panel was called “Are animals the New Women?” and the fourth panel finally discussed ground-breaking cases in animal law. From my perspective as German attorney at law and animal law PhD student, the last panel was the most interesting.

Prof. Margot Michel from the University of Bern, Switzerland presented two Federal Supreme Court`s Decisions on Animal Testing (BGE 135 II 384 No. 4.6.1. and 405 No. 4.3.4), Prof. Paulo Pinto de Albuquerque from the European Court of Human Rights talked about Human Rights and animals, and from the United States Prof. Steven Wise and Prof. Kathy Hessler from the Lewis and Clark Law School, Portland, presented cases. At first glance, this fourth panel was a half European, half US-American panel on case law. But at a closer look, comparing both approaches showed that not only the common law experts pursued a normative approach, while the European speakers avoided any political hint.

Margot Michel considered and explained both Court decisions from 2009 as placing limits on the instrumentaliation of animals through the concept of dignity for living beings in Swiss law. Under Article 120 paragraph 2 sentence 2 of the Swiss Federal Constitution, the dignity of living beings (creatures), is protected for scientific purposes in the field of genetic engineering.

Paulo Pinto de Albuquerque drew a line from European Union legislation concerning animals in science and agriculture to the decisions of the European Court of Human Rights applying various provisions of the European Convention of Human Rights and its protocols. He presented, inter alia, Hermann versus Germany, the case on hunting of June 2012. In this judgement, the Grand Chamber found that a German real estate owner was not obliged to tolerate hunting on his property which he morally opposed. The obligation to do so under German law violated the right to property under Article 1 para. 2 Protocol No. 1 to the Convention. Prof. Albuquerque showed that many constitutions in the world protected animals in general, as Brazil, Angola, Switzerland, Germany and Luxembourg do, for example. He also mentioned that under Article 9 of the European Convention of Human Rights the liberty of conscience is protected, and that a so called “tierfreundliche Weltanschauung” was accepted by the Court.

Steven Wise presented his nonhuman-personhood-project (further details follow in E. Theuer`s blog-part).

Kathy Hessler presented the Tilikum Case and non-legal matters with regard to the orca whale Tilikum. Some of the readers here may know the movie Blackfish, which was shown not only in movie theatres in the United States, but also in Germany. If not: Go there! It is a sad story about an orca who is born in 1983, imprisoned in a Sea World dolphinarium in Florida and who has killed three human beings. In Tilikum et al. vs. Sea World Inc. some legal experts tried to file a suit in the name of Tilikum and other four orcas. The court was asked to confirm that slavery still existed in the US – in the form of Sea World`s orca shows – and this was prohibited by the 13th Amendment of the Constitution. The lawyers representing Tilikum knew they would fail by suing in the name of whales, but were interested in the way the court would justify the dismissal of their complaint. Finally, the judge acknowledged the idea but constituted missing subject matter jurisdiction:

Even though Plaintiffs lack standing to bring a Thirteenth Amendment claim, that is not to say that animals have no legal rights; as there are many state and federal statutes affording redress to Plaintiffs, including, in some instances, criminal statutes that ‘punish those who violate statutory duties that protect animals.’ Cetacean, 386 F.3d at 1175. While the goal of Next Friends in seeking to protect the welfare of orcas is laudable, the Thirteenth Amendment affords no relief to Plaintiffs. In sum, the court dismisses the action with prejudice for lack of subject matter jurisdiction.

This final case in the fourth panel demonstrated the differences between different legal systems: In a common law approach, the objective was to find one court which would accept a non-human mammal as a plaintiff. The civil law approach wanted to identify animal rights in legislation. The case also raised the question whether and which political action is necessary to improve the living conditions of animals beyond a legal expert discussion.

In the end, it became clear that there is a strong need for political action based on a thorough knowledge about philosophical arguments and biological facts – for a better treatment of other animals in life and law. Similar conferences should all be placed on the agenda of legal scholars for the years to come.


One Comment

  1. Martin Fri 8 Dec 2017 at 21:13 - Reply

    Hallo Amy.

    Ich bins Martin.
    Du kennst mich aus deiener Jugend.

    Bin ab und zu vorbei gekommen
    um dir Frohsinn zu Verbreiten.

    MGF. Moe

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