23 September 2009

Kann ein Plebiszit verfassungswidrig sein?

Die Antwort scheint ganz einfach: Klar kann es. Nach deutschem Verfassungsdenken ist ein per Volksabstimmung in Kraft gesetztes Gesetz auch nur ein Gesetz und hat sich am Maßstab der Verfassung messen zu lassen.

Anderenorts ist das keineswegs so selbstverständlich.

Die Antwort scheint ganz einfach: Klar kann es. Nach deutschem Verfassungsdenken ist ein per Volksabstimmung in Kraft gesetztes Gesetz auch nur ein Gesetz und hat sich am Maßstab der Verfassung messen zu lassen.

Anderenorts ist das keineswegs so selbstverständlich. In Spanien wird der Verfassungsgerichtshof demnächst über das katalanische Autonomiestatut zu entscheiden haben (der fantastische Comparative Constitutions Blog hat mich darauf gebracht). Das Statut war von den Katalanen in einer Volksabstimmung in Kraft gesetzt worden, genauer gesagt von 48% der Katalanen, so hoch war die Wahlbeteiligung. Davon stimmten 73% mit Ja.

In Spanien gibt es jetzt eine heiße Diskussion, schreibt Victor Ferreres Comella im CCB, ob das überhaupt geht – dass ein Gericht ein vom Volk als Souverän selbst beschlossenes Gesetz über den Haufen kegelt. Das ist erstmal nichts anderes als die direktdemokratisch zugespitzte Version der Debatte, die die Amerikaner über Marbury vs. Madison (und wir im Parlamentarischen Rat über Art. 20 III) hatten: Ob Volk oder Volksvertretung, ein demokratietheoretisches Problem ist die verfassungsgerichtliche Legislativkontrolle in jedem Fall.

Aber der Fall zeigt auch die Grenzen der Demokratietheorie: Was heißt im Fall der Katalanen überhaupt Souverän? Sind sie ja gerade nicht. Und selbst wenn: Maßstab ist ja hier die spanische Verfassung. Wie kann es sein, dass ein paar Zigtausend ethnisch miteinander verbundene Leute in einer Ecke des Landes über etwas abstimmen, und das Ergebnis soll dann vor jeder verfassungsgerichtlichen Kontrolle immun sein? Wie fair ist das gegenüber den restlichen Spaniern, die überhaupt nicht gefragt wurden? Dazu kommt die Frage, ob 73 Prozent von 48 Prozent der Katalanen tatsächlich die katalanische Volkssouveränität (wenn es sie gäbe) ausüben…

Das erinnert ein bisschen an die Waldschlösschenbrücken-Entscheidung des BVerfG, wo sich die Richter dem Bann des Plebiszits auch nicht restlos entziehen konnten: Da kann dann schon die Abstimmung einer Handvoll Dresdner die ganze Welt um ihr Kulturerbe bringen dürfen, um der angeblichen höheren demokratischen Weihen solcher Volksabstimmungen willen…

In Frankreich hat der Court Constitutionel die Volksgesetzgebung tatsächlich von der gerichtlichen Kontrolle ausgenommen.

Der Fall scheint mir ein weiteres Beispiel für die Zwiespältigkeit des Konzepts der Volkssouveränität zu sein.In Spanien wird der Verfassungsgerichtshof demnächst über das katalanische Autonomiestatut zu entscheiden haben (der fantastische Comparative Constitutions Blog hat mich darauf gebracht). Das Statut war von den Katalanen in einer Volksabstimmung in Kraft gesetzt worden, genauer gesagt von 48% der Katalanen, so hoch war die Wahlbeteiligung. Davon stimmten 73% mit Ja.

In Spanien gibt es jetzt eine heiße Diskussion, schreibt Victor Ferreres Comella im CCB, ob das überhaupt geht – dass ein Gericht ein vom Volk als Souverän selbst beschlossenes Gesetz über den Haufen kegelt. Das ist erstmal nichts anderes als die direktdemokratisch zugespitzte Version der Debatte, die die Amerikaner über Marbury vs. Madison (und wir im Parlamentarischen Rat über Art. 20 III) hatten: Ob Volk oder Volksvertretung, ein demokratietheoretisches Problem ist die verfassungsgerichtliche Legislativkontrolle in jedem Fall.

Aber der Fall zeigt auch die Grenzen der Demokratietheorie: Was heißt im Fall der Katalanen überhaupt Souverän? Sind sie ja gerade nicht. Und selbst wenn: Maßstab ist ja hier die spanische Verfassung. Wie kann es sein, dass ein paar Zigtausend ethnisch miteinander verbundene Leute in einer Ecke des Landes über etwas abstimmen, und das Ergebnis soll dann vor jeder verfassungsgerichtlichen Kontrolle immun sein? Wie fair ist das gegenüber den restlichen Spaniern, die überhaupt nicht gefragt wurden? Dazu kommt die Frage, ob 73 Prozent von 48 Prozent der Katalanen tatsächlich die katalanische Volkssouveränität (wenn es sie gäbe) ausüben…

Das erinnert ein bisschen an die Waldschlösschenbrücken-Entscheidung des BVerfG, wo sich die Richter dem Bann des Plebiszits auch nicht restlos entziehen konnten: Da kann dann schon die Abstimmung einer Handvoll Dresdner die ganze Welt um ihr Kulturerbe bringen dürfen, um der angeblichen höheren demokratischen Weihen solcher Volksabstimmungen willen…

In Frankreich hat der Court Constitutionel die Volksgesetzgebung tatsächlich von der gerichtlichen Kontrolle ausgenommen.

Der Fall scheint mir ein weiteres Beispiel für die Zwiespältigkeit des Konzepts der Volkssouveränität zu sein.


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