Wozu überhaupt noch ein Bundespräsident?
Horst Köhler ist der erste Bundespräsident, der vor Ende seiner Amtszeit zurücktritt. In krisenhaften Zeiten wie diesen verlässt uns das Staatsoberhaupt. Lässt uns allein. Kopf- und führungslos.
Ist das schlimm?
Für Horst Köhler ist das schlimm.
Ich muss gestehen, als er anfing und ich ihn das erste Mal leibhaftig reden hörte, bei irgendeinem Parteitag in NRW, den ich damals fürs Handelsblatt coverte, da war ich ganz begeistert von ihm. Dann kamen lange, lange Jahre, während derer ich von Horst Köhler kein einziges Wort vernommen habe, das mich auch nur interessiert hätte, geschweige denn begeistert.
Jetzt tritt er zurück, weil ihm seine Äußerungen zu Afghanistan in einer Weise um die Ohren gehauen wurden, die der “Würde des Amtes” nicht ziemen. Sein Statement, Deutschland müsse sich mit militärischen Mitteln “freie Handelswege” freischießen können, sei missverstanden worden; er habe doch nur die Piraten in Somalia gemeint. Das mag alles sein. Aber einen Bundespräsidenten, der so unpolitisch ist, solche Missverständnisse auszulösen, der so wenig mitdenkt, was sein Volk mit seinen Worten wohl anfangen könnte, einen solchen Bundespräsidenten können wir uns gar nicht leisten.
Für Staatsunterhaupt Angela Merkel ist das sicher auch nicht toll. Aber das muss auch nicht meine Sorge sein.
Und für uns?
Die Institution des Bundespräsidenten kommt aus einer Zeit, wo die Monarchie noch eine ernsthafte staatsorganisatorische Option war. Wo man sich den Staat nicht ohne Spitze denken konnte, ohne hierarchischen Schlusstein in der Staatspyramide und Hüter der Verfassung im Schmitt’schen Sinne.
Das ist längst nicht mehr so. Wo es in Europa noch Monarchien gibt, da dienen sie eher dem Fremdenverkehr und als Promi-Zuchtstall denn zu politischen Zwecken. Die Macht ist im Kanzleramt. Der Hüter der Verfassung sitzt längst in Karlsruhe, mit Zustimmungsraten ausgestattet, von denen der Bundespräsident nur träumen kann.
Natürlich gab es Bundespräsidenten, die bedeutend waren für unser Land. Theodor Heuss, Gustav Heinemann, Richard von Weizsäcker. Bedeutend waren sie, weil und soweit sie un-staatsoberhäuptisch waren – Heuss als schwäbelnder Gelehrter mit Brummbass und guter Laune, Heinemann mit seinem “ich liebe nicht Deutschland, ich liebe meine Frau”, Weizsäcker mit seiner Rede zum 8. Mai 1985. Alle haben dazu beigetragen, dass das Land republikanischer wurde. Sie haben ihr Staatsoberhauptstum zur Relativierung ihres Staatsoberhauptstums eingesetzt, und darin hatte ihr Staatsoberhauptstum Bedeutung und Funktion.
Vielleicht täusche ich mich, aber mir scheint, heute würden wir eigentlich ohne Staatsoberhaupt ganz gut klarkommen. Deutschland braucht keinen Bundes-Papa mehr, zu dem es aufschauen kann und in dessen altersweise Hände es seine Geschicke legt. Fürs nationale Wirgefühl gibt es Lena und Löw, und für kluge Reden allerhand Bischöfe und Zeit-Herausgeber und Habermase. Und einen, der den Leuten die Orden anheftet, werden wir ja wohl auch noch finden.
Vielleicht reiht sich so Horst Köhler ex negativo doch noch in die Reihe der großen Bundespräsidenten ein: als der, der uns klar gemacht hat, dass wir eigentlich gar keine brauchen.
Was wird mit den NRW-Stimmen?
Jetzt tritt nach Art. 54 IV GG innerhalb von 30 Tagen die Bundesversammlung zusammen und wählt einen neuen.
Was ist mit den NRW-Stimmen in der Bundesversammlung? NRW hat noch gar keinen Landtag.
Nach § 2 II BundesversammlungsG ist in diesem Fall vorgesehen, dass der Ältestenrat die Mitglieder wählt. Und wenn das auch nicht geht? Dann sieht’s so aus:
(2) … Kommt eine rechtzeitige Wahl nicht zustande, so bleiben die auf das Land entfallenden Sitze unbesetzt.
Dann hat das größte deutsche Bundesland bei der Wahl des Staatsoberhaupts keine Stimme. Das wäre ja auch mal was.
Einstweilen jedenfalls führt als amtierender Bundesratspräsident der Bürgermeister von Bremen kommissarisch die Amtsgeschäfte, dieser Dingens, wie heißt er noch gleich. Ist eigentlich auch egal.
“Horst Köhler ist der erste Bundespräsident, der vor Ende seiner Amtszeit zurücktritt. ”
Lübke?
Lena kann ja (Passives Wahlrecht) leider noch nicht gewählt werden. Umso gemeiner, dass Horst Lübke ihr mit seinem peinlichen Rücktritt die Postberichterstattung klaut.
In der Bundesversammlung hat Schwarz Gelb übrigens eine Mehrheit von 23 Sitzen. Es sollte also kein Problem sein, einen neuen Staatsnotar binnen 30 Tagen zu wählen.
Ich finde die Position des Bundespräsidents immer noch wichtig. Vielleicht mag Köhler in seiner zweiten Amtszeit reichlich glücklos gewesen sein. Ja, er war auch immer irgendwie zu spät dran, hat sich zu seinem Kernthema kaum nachhaltend geäußert und hat sich oftmals von der politischen Presse in Berlin treiben lassen bzw. wurde nur auf Zuruf aktiv.
Trotzdem darf man nicht vergessen, dass mit Köhler gerade ein Präsident seinen Abschied nimmt, der 2mal dem Parlament ein Gesetz nicht durchgehen hat lassen. Er hatte auch eine große Distanz zur Regierung und ist vor allem nicht als Regierungssprecher aufgetreten wie manche Präsidenten vor ihm.
Der BP steht dem politischen System in Deutschland vor und genau diese Stellung ist so einzigartig. Er darf Dinge kritisieren, die andere nicht kritisieren können, er arbeitet unabhängig von der Regierung und ist trotzdem am Machtapparat. Er kann Dinge als politisch-moralische Instanz sehen und äußern, die die Politiker im Berliner Schützengraben nicht sehen und äußern können.
Die Tatsache, dass Köhler gerade wegen seiner Herkunft und Lebenslaufs so beliebt war, nämlich als kleiner Finanzbeamter, der sich hochgedient hatte, nicht aus dem üblichen Politikersumpf stammt und auch etwas schüchtern und unerfahren ist, dafür aber grundauf ehrlich.
Es wird nicht leicht sein, ihn zu ersetzen.
Ich hoffe zudem, dass die Wahl diesmal auch ernst gemeint ist. Also, dass zB die SPD nicht wieder ihre Protestkandidatin, sondern einen ernstzunehmende Kandidaten aufstellen wird. Vielleicht wird es dann noch etwas interessanter.
Mir faellt grad ein: warum nicht di fabio nominieren? Das waere doch mal echt eine elegante loesung fuer so allerhand probleme…
“warum nicht di fabio nominieren?”
Zu sehr Jurist?
Außerdem ist die Nominierung eines amtierenden BVerfG-Richters bereits ein seltsames Politikum und schadet sicherlich dem Amte mehr als es nützt. Wie sollte er im Falle seiner Nichtwahl weiter sein Amt in Karlsruhe ausüben?
Och, das ist alles loesbar. Jurist: di fabio bemueht sich doch sehr, und mit erfolg, sich als staatsdenker zu profilieren. Merkel koennte die konservativen in der cdu zufriedenstellen. Nach dem koch-ruecktritt nicht zu verachten. Und wenn die mehrheit fuer ihn steht, muesste er halt vor der bundesversammlung als bverfhg-richter zuruevktreten, dann ist das auch kein problem mehr.
Nein, im ernst mal, das hat was, oder?
der anschluss an die kaiserzeit ist in der tat nicht zwingend. die vom kaiser herrührende homogenität früherer zeiten bricht sich ja häufig mit der realität, wenn man z.b. an gutachterkriege denkt.
allerdings findet doch auch das “kluge reden” in der öffentlichkeit kaum noch statt, in den medien fehlt es spätestens seit sabine christiansens vorabendparlament. “Berlin Mitte” und PR sanktionieren de facto den intellektuellen tiefgang. ich als staatsbürger finde das lächerlich. es gibt null intellektualität, stattdessen bloß meinungsmache, begeistert angeschoben von teilen der presse (spiegel, bild, usw.) (positiv u.a.: zdf, dasdossier.de ). die demokratische repräsentation, eingeschlossen die _glaubhafte_ inszenierung des politikers als gewöhnlichem bürger, ist in einer tiefen krise, das entsprechende ethos flackert zwar hier und da noch auf, spielt aber nur noch am rand eine rolle. so ist es leider. wer etwas bewegen will, der muss heute wohl teil irgendwelcher netzwerke sein.
von daher kann ein bundespräsident schon eine positive wirkung haben, wenn er bereit ist, öffentlichen debatten anzuschieben, den gesellschaftlichen gedankenaustausch zu intensivieren. es gibt so vieles, worüber man mal reden sollte:: die einheit ist kaum verdaut, ja, integration ist ein thema, die globalisierung, große technische umbrüche. was soll deutschland zusammenhalten? eine lebendige demokratie kann verfassungsorgane vertragen, die für mehr fluss von ideen und konzepten sorgen.
wieso hat NRW keinen Landtag, der ist gewählt und tritt am 08.06.2010 zu konstituierenden Sitzung zusammen. wir haben dann vielleicht noch keine neue Landesregeierung, aber einen Landtag. aber bitte: Bin Strafrechtler :-)
Wenn jetzt Stefan Raab Bundespräsident wird, gibt´s wenigstens eine neue Nationalhymne!
Ich fand die populistische Art von Köhler, die Anbiederung ans gemeine Volk mit der Vermeidung jeglicher Intellektualität und der Politikerschelte (die kommt immer gut an!) ziemlich daneben. Daher ist es auch kein Verlust, wenn er nicht mehr im Amt ist. Für die Bürger hatte er meist nur Gemeinplätze (mehr Bildung, mehr Zusammenhalt, böße Banker whatever) übrig, und wer immer sagt was alle hören wollen, ist natürlich beliebt.
Glückwunsch, Herr Steinbeis. Endlich stößt mal einer diese Diskussion an. Es liegt doch auf der Hand, dass der BP mit viel zu wenig Kompetenzen ausgestattet ist, um eine ernsthafte Rolle im Staat spielen zu können. Es sei hier nur die leidige Frage der materiellen Prüfungskompentenz erwähnt. Wieso also leistet sich Deutschland dennoch den Luxus eines BP? Ganz einfach: Es sind, wie sie richtig geschrieben haben, ausschließlich historisch bedingte Gründe.
Und das Ende vom Lied? Es wird keins geben. Sie glauben doch nicht wirklich, dass es ein Parlamentarier einer der großen Volksparteien wagen wird, an die Abschaffung des BP auch nur ansatzweise zu denken.
[…] Wozu überhaupt noch ein Bundespräsident? (Politik) […]
“warum nicht di fabio nominieren”
also ich denke auch, dass wenn einer bundespräsident werden sollte, dann di fabio.
1. damit mal diese lena und stefan raab-diskussion endet, di fabio ist sehr charismatisch (trotz seines Juristen-Daseins),
und damit würde deutschland nach außen endlich einmal einen ganz guten eindruck machen
2. wenn hier jemand richtig das amt des bundespräsidenten ausüben könnte, dann er.
denn gerade di fabio kennt sich juristisch am besten aus. er war in der vergangenheit schon öfter dafür, das amt des präsidenten zu stärken. und er würde dabei wenigstens sicherlich nicht gegen die verfassung verstoßen.
3. eine gewisse macht besitzt der bundespräsident schon, er hat sie in den letzten jahren nur nicht richtig ausgeübt.
Lübke ist lediglich zehn wochen vor dem regulären ende zurückgetreten.
[…] Westermayer spricht Köhler für seinen Rücktritt Respekt aus und spekuliert über das Weitere. Max Steinbeis findet, Horst Köhler hat gezeigt, dass wir eigentlich gar keinen Bundespräsidenten b…. Auch der Spiegelfechter findet den Bundespräsidenten austauschbar. Thomas Knüwer analysiert die […]
Momentan wird wohl Ursula v.d.L. und Norbert Lammert als beste Kandidaten gehandelt. Schäuble wird zwar auch genannt, aber doch immer mit sehr viel Zweifeln verbunden.
Das ist schon eine sehr interessante Entwicklung. Gut, bei Lammert wäre das kein großer Wechsel; von Bundestagspräsident zum Bundespräsident, da muss man wohl seinen Politikstil kaum verändert.
Aber dass Ursula von der Leyen jetzt alles irgendwie macht, Familienministerin, Gesundheitsminister, Arbeitsministerin, Talkshowspitzenreiterin… sehr befremdlich. Da werden wohl weniger die fachlichen als die politischen bzw. PR-Fähigkeiten als maßgebliches Kriterium genommen; Parteisoldatentum natürlich ebenfalls.
Nach dem “Debakel” von Horst Köhler als BP bezweifel ich jetzt auch , dass ein Nichtpolitiker oder ein Außenseiter ernsthaft als Kandidat auch nur in Erwägung gezogen wird. Damit kann man sich wohl auch Di Fabio abschminken.
ich finde wir könnten auch die ganzen politiker zu 90%reduzieren,uns wird ja sowieso alles aus brüssel vorgeschrieben,also wozu noch so viele politiker?
Das Amt des Bundespräsidenten sollte abgeschafft werden. Die jetzige Diskussion, dass die politischen Parteien auf jeden Fall diesmal einen Politiker (natürlich aus Ihren Reihen)und keinen parteilosen haben wollen, sagt doch alles:
Einfach einen gefügigen Parteifreund mit zusätzlichem Gehalt und 200 000€ Pension ausstatten, der bitteschön den Präsidenten spielt. Die ganze Geschichte kostet Unsummen, die wie alles andere natürlich vom Volk aufgebracht werden müssen, in der ganzen Spardiskussion wird niemals davon die Rede sein, dass bei der politischen Kaste und deren Previlegien irgendetwas eingespart wird.
Wir steuern immer mehr auf ein totales Zweiklassen-System zu: Oben die Politiker und Ihre Gönner auf Gegenseitigkeit, die garnicht wissen, wie ein normal Sterblicher zurecht kommen muss, und unten der Rest, der alles zahlt, den unnützen Krieg, die Spekulanten, die 1000 überflüssigen Krankenkassen mit all Ihren spitzenverdienenden Vorständen usw. usw.
Ein Präsident ist genauso überflüssig wie ein Königshaus, weg damit!
Herr Köhler, war ein in meinen Augen sehr guter Bundespräsident. Nicht durch seine Person, wurde dieses hohe Amt beschädigt, sondern durch das Versagen der Republik.
Wir sollten uns die Frage stellen, welchen Stellenwert dieses Amt erfüllen soll ? Sind es nicht die Beispiele aus den Nachbarländern wie etwa Dänemark oder Holland, das gerade mit seinem Königinnentag ein Beispiel dafür gibt, wie dieses Amt sein sollte. Wir sollten ersnthaft darüber nachdenken dieses Amt an S.K.K. H Georg Friedrich Prinz von Preussen anzutragen oder an S.K.H. Herzog Carl von Würtenberg. Es würde dem Amt eine Aufwertung verschaffen, und es dem Parteiengeschacher entziehen. Er stünde über den Parteien, und hätte eine Grosse Aussenpolitische Wirkung. warum wagen wir nicht den Schritt hin zu einer Parlamentarischen Monarchie, was sich seit Jahrzehnten in den Skandinavischen Ländern längst bewährt hat. Er käme uns auch billiger als ein auf Jahre befristeter Bundespräsident. Aber solange wir Angst vor der Geschichte haben, wird sich auch nichts ändern.
MUT IST NICHT DIE ABWESEHEIT VON ANGST, SONDERN NUR DIE GEWISSHEIT, DASS ES ETWAS WICHTIGERES GIBT, FÜR DAS SICH EINZUSETZEN ES LOHNT.
DESHALB EIN KLARES BEKENNTNIS ZUR MONARCHIE !
http://taz.de/1/debatte/sonntazstreit/artikel/1/ein-gruessonkel-fuer-30-millionen/
Nun ja, Herr Steinbeis. Dass man Köhler falsch verstehen wollte und die Empörungsmaschinerie bei den entsprechenden Reizwörtern mit einem zur Routine gewordenen Heulton angesprungen ist, sollte man auch nicht verschweigen. Köhlers Äußerungen hätten eine inhaltliche Auseinandersetzung verdient – aber Debatten werden heutzutage immer gleich durch Totschlagvorwürfe im Keim erstickt. Dies trägt wesentlich zum politischen und gesellschaftlichen Stillstand bei. Mit der politischen Korrektheit haben wir schon längst wieder ein Dogma, das den ewigen Wahrheiten diverser Religionen in nichts nachsteht.
Ansonsten: Volle Zustimmung. Das Amt des Bundespräsidenten ist überflüssig. Obwohl: Gaucks Kandidatur hat mir ein breites Lächeln auf die Lippen gezaubert. Wenn SPD und Grüne nicht derart unfähig wären, könnten sie aus der Ablehnung dieses Bewerbers durch die Linke sowie die sog. bürgerliche Koalition Kapital schlagen.
@Obiter Dictum:
a) wieso ist Köhler, gemessen an seinem tatsächlich gegebenen Interview, falsch verstanden worden? Selbst wenn er alles ganz anders gemeint hat – können wir uns einen Bundespräsidenten leisten, der sich derart missverständlich äußert und dann auch noch, schwupps, zurücktritt, wenn jemand das nicht so toll findet?
b) wieso Empörungsmaschinerie, wenn diese erst mit Tagen Verspätung ansprang?
c) wieso inhaltliche Auseinandersetzung? Köhler ist zurückgetreten, weil sich ein paar Leute mit seinen Äußerungen inhaltlich auseinandersetzten.
d) wieso Unfähigkeit von Grünen und SPD? Wenn sich hier jemand böse einen einfängt, dann die Linke und die Union.
1. In gewisser Weise ist der BP (wie übrigens das BVerfG) ein Surrogat für unerfüllte Wünsche und Erwartungen an die agierende Politik. Die Erwartungen an die Politik sind freilich oftmals völlig überzogen, mindestens unrealistisch, so dass nur eine überhöhte Übertragung der Erwartungen an Institutionen wie Bundespräsident und Bundesverfassungsgericht ist. Indes würden BP und BVerfG zwangsläufig scheitern, wollten sie stärker ins Alltagsgeschäft der Politik einsteigen – einzelne Ausbrüche von Amtsinhabern haben dies nachdrücklich bewiesen.
2. Abschaffen? Was ist damit gewonnen? Wenig (der Etat des Bundespräsidialamtes ist zu vernachlässigen). Anererseits: Auch Köhler, selbst wenn man ihn unter den schwächeren Präsidenten kategorisieren wollte (in der Rückschau eine Generation später sieht das manchmal anders aus), hatte seine starken Phasen, etwa als er einzelne Gesetze der großen Koalition nicht unterschrieb – Gesetze, die zwar auch durch’s BVerfG hätten gestoppt werden können, doch eben erst mit erheblicher Verzögerung, da während der Großen Koalition bis 2009 (und vor der letzten Grundgesetzänderung) die Opposition keinen Zugriff auf das Instrument der abstrakten Normenkontrolle hatte.
3. Di Fabio als Präsident? Selten eine solche Schnapsidee gehört. Der ist nicht nur gescheit, ja meinetwegen sogar brillant, er will aber auch allen zeigen, dass er gescheiter ist als sie, und damit ist er als Integrationsfigur völlig ungeeignet (Sein gegenwärtiges Amt wäre nicht das Problem – Herzog war auch als amtierender BVerfG-Richter (sogar Gerichtspräsident) Kandidat für die Villa Hammerschmidt). Von der Persönlichkeit her wären da Leute wie Voßkuhle (für 2015 oder 2020 vielleicht ein Thema?), selbst der nicht unbedingt temperamentvolle Papier wesentlich geeigneter.
4. Welches Persönlichkeitsprofil ist für BP ideal? Köhler sollte ja gerade eine Kontrastfolie zur Politik darstellen – daher schien er 2004 so attraktiv. Aber er fremdelte eben doch lange mit dem Amt, was sicher nicht allein mit seiner vorangegangenen beruflichen Karriere zu tun hat. Integrationsfähigkeit ist sicherlich eine gewichtige Fähigkeit, die mindestens Heuss, Weizsäcker und Rau mitbrachten, mit Abstrichen auch Scheel; die Fähigkeit, mit der intellektuellen Rede Anstöße zu geben, würde ich neben Weizsäcker auch Heinemann zubilligen – Rau und Herzog waren da schon schwächer, von den anderen ganz zu schweigen. An die Präsidenten “politische” Erwartungen zu haben, halte ich für völlig verfehlt.
5. Welches Verfahren zur Auswahl der Präsidentenkandidaten ist geeignet? Da befinden wir uns womöglich in einer Umbruchsphase: In der Vergangenheit reichte es, dass einzelne Führungsfiguren aus den Parteien Kandidaten auskasperten – der vermeintliche Misserfolg mit Köhler hat dieses Verfahren, das über Jahrzehnte (freilich in einer anderen medialen Umwelt) funktioniert hatte, jedoch in Misskredit gebracht – es kann sein, dass genau dieses Verfahren Wulffs Chancen auf die Präsidentschaft erheblich mindert – wir werden noch sehen, wie viel gerade die Internet-Community in den nächsten drei Wochen auf die Beine stellen wird (Kreative Aktionen vielfältigster Art, nicht nur Verknüpfung der Gauck-Begeisterung mit der Fußball-Begeisterung – da werden wir noch manches erleben): Merkel und die Parteispitzen der Koalition werden Mühe haben zu erklären, dass Wulff eben NICHT der ausgekungelte Kandidat derer VON DA OBEN ist und ein guter, ja besserer Bürgerpräsident sein kann als Gauck. Für Merkel ist es jetzt fast eine No-Win-Situation: Wenn Wulff mit Druck auf Abgeordnete und Delegierte doch gewählt wird, ist der Koalition der Zorn des (durch Sparpaket ohnehin gereizten) Volkes sicher, wird Gauck gewählt, kann sie gleich abdanken. Die Präsidentenwahl wird somit ein bisschen zum Symbol für das Oben gegen Unten. In Merkels Haut möchte ich momentan nicht stecken.
Der Zapfenstreich hat die rückblickende Diskussion vielleicht und hoffentlich beendet, und er lässt auf Besserung hoffen. Prospektiv dürfen wir gespannt sein, was der 30. Juni bringt. Merkel/Wulff: Ist das kollusives Zusammenwirken oder dreiste Instrumentalisierung? Für letzteres sprechen Wulffs mögliche Ambitionen, die nun entsorgt sein dürften, vgl. http://www.lto.de/de/html/nachrichten/717/Merkels-staatsrechtlicher-Grund-fC3BCr-Wulff/.
[…] Wozu überhaupt noch ein Bundespräsident? | Verfassungsblog […]
[…] die grundsätzliche Frage, die Max Steinbeis stellt: Wozu überhaupt noch ein Bundespräsident? Die Institution des Bundespräsidenten kommt aus einer Zeit, wo die Monarchie noch eine […]
Ich finde es schade, dass die Parteien sich nicht auf einen Kandidaten – ich meine damit Herrn Gauck – haben einigen können. Er ist im Volk bedeutend beliebter als Herr Wulff. Aber vielleicht gibt es ja eine Überraschung. Die anderen Kandidaten haben jedenfalls keine Chance!
http://bundespolitik-deutschland.suite101.de/article.cfm/14-bundesversammlung-waehlt-neuen-bundespraesidenten
Wozu einen Bundespräsident? Er hat nichts zu sagen, nichts zu bestimmen, schüttelt paar Hände in seinem Schloß, kassiert einen Haufen Geld. Ich finde es eine Frechheit dem Steuerzahler gegenüber.