17 December 2012

Alain Supiot über Sozialstaat, Globalisierung und Solidarität

In seiner Antrittsvorlesung im Collège de France skizzierte der Arbeits- und Sozialrechtler  Alain Supiot, Direktor des Institut d’études avancées in Nantes, unlängst seine Forschungsfragen für die kommenden Jahre und entwickelte Überlegungen zur politischen Gestaltung der Globalisierung durch Recht weiter, die er in seiner vielbeachteten kleinen Denkschrift “Der Geist von Philadelphia” (2011) entfaltet hat.

Supiot, der seine rechtswissenschaftlichen Forschungen mit Erkenntnissen aus Soziologie, Anthropologie und politischer Philosophie anreichert und als Experte für europäisches und internationales Arbeitsrecht stets über die Grenzen des Nationalstaats hinausdenkt, ruft in seinem nachhörenswerten Vortrag einmal mehr leidenschaftlich zu politischem und ökonomischem Umdenken auf – und zur Einsicht in die Fragilität des prekär gewordenen Sozialstaats und seiner rechtlichen Strukturen. In einem kurzen historischen Rückblick erinnert er an Althusius, Bismarck, Hugo Sinzheimer und Léon Duguit als Vordenker des europäischen Sozialstaats.

Dass sich Globalisierung gestalten und buchstäblich “meistern” lässt, unterstreicht er mit dem Begriff der “Mondialisation”, den die französische Sprache als Alternative zur “Globalisierung” in ihrem Begriffsreservoir bereitstellt. Ob sich dadurch aber die von Supiot konstatierte Ablösung einer Herrschaft der Gesetze durch die Herrschaft nackter Zahlen (die er etwa im ESM-Vertrag diagnostiziert) aufhalten lässt? Lohnend ist jedenfalls, mit dem französischen Rechtswissenschaftler neu über Solidarität und ihre Bedeutung in entgrenzten Märkten und pluralen Gesellschaften nachzudenken. Dass das Collège de France nach dem Völkerrechtler René-Jean Dupuy und der Strafrechtlerin und Rechtsvergleicherin Mireille Délmas-Marty nun einen transnational und transdisziplinär denkenden und schreibenden Arbeits- und Sozialrechtler auf seinen juristischen Lehrstuhl berufen hat, sollte dazu ermutigen.

UPDATE

Rainer Maria Kiesow war übrigens persönlich vor Ort und hätte sich vom Vortragenden “ein wenig mehr Feuer oder ein wenig mehr Eis” gewünscht. Nachzulesen sind seine Impressionen hier.In seiner Antrittsvorlesung im Collège de France skizzierte der Arbeits- und Sozialrechtler  Alain Supiot, Direktor des Institut d’études avancées in Nantes, unlängst seine Forschungsfragen für die kommenden Jahre und entwickelte Überlegungen zur politischen Gestaltung der Globalisierung durch Recht weiter, die er in seiner vielbeachteten kleinen Denkschrift “Der Geist von Philadelphia” (2011) entfaltet hat.

Supiot, der seine rechtswissenschaftlichen Forschungen mit Erkenntnissen aus Soziologie, Anthropologie und politischer Philosophie anreichert und als Experte für europäisches und internationales Arbeitsrecht stets über die Grenzen des Nationalstaats hinausdenkt, ruft in seinem nachhörenswerten Vortrag einmal mehr leidenschaftlich zu politischem und ökonomischem Umdenken auf – und zur Einsicht in die Fragilität des prekär gewordenen Sozialstaats und seiner rechtlichen Strukturen. In einem kurzen historischen Rückblick erinnert er an Althusius, Bismarck, Hugo Sinzheimer und Léon Duguit als Vordenker des europäischen Sozialstaats.

Dass sich Globalisierung gestalten und buchstäblich “meistern” lässt, unterstreicht er mit dem Begriff der “Mondialisation”, den die französische Sprache als Alternative zur “Globalisierung” in ihrem Begriffsreservoir bereitstellt. Ob sich dadurch aber die von Supiot konstatierte Ablösung einer Herrschaft der Gesetze durch die Herrschaft nackter Zahlen (die er etwa im ESM-Vertrag diagnostiziert) aufhalten lässt? Lohnend ist jedenfalls, mit dem französischen Rechtswissenschaftler neu über Solidarität und ihre Bedeutung in entgrenzten Märkten und pluralen Gesellschaften nachzudenken. Dass das Collège de France nach dem Völkerrechtler René-Jean Dupuy und der Strafrechtlerin und Rechtsvergleicherin Mireille Délmas-Marty nun einen transnational und transdisziplinär denkenden und schreibenden Arbeits- und Sozialrechtler auf seinen juristischen Lehrstuhl berufen hat, sollte dazu ermutigen.


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