Anordnung des (Europa-)Rechtsbruchs
In diesen Tagen richten sich die Augen der Republik auf die Grenze zu Österreich. Nicht weil dort immer mehr Asylsuchende ins Land kämen, die Zahlen sind kontinuierlich gesunken. Sondern weil sich möglicherweise an dieser Grenze entscheidet, ob in Europa nach Jahrzehnten der Integration nun ein Prozess der Auflösung beginnt. Es geht um Detailfragen des Asylrechts – und es geht um die großen Fragen Europas. In dieser angespannten Lage irritiert eine Anweisung an die Bundespolizei vom 19. Juni 2018: An allen Binnengrenzen mit vorübergehend eingeführten Grenzkontrollen sollen Personen mit Einreiseverbot ohne Verfahren zurückgewiesen werden. Ab sofort, und – anders als bisher – unabhängig davon, ob ein Schutzersuchen vorliegt. Diese Anweisung an die Bundespolizei ordnet den Bruch von Europarecht an.
Unzulässigkeit von Zurückschiebungen und Zurückweisungen
Aus welchen diversen Gründen die Zurückschiebung oder Zurückweisung von Schutzsuchenden an der innereuropäischen Grenze unzulässig ist, wurde in der vergangenen Woche viel diskutiert. Unter anderem auf diesem Blog finden sich Erläuterungen zur Unzulässigkeit nach Europa- und Völkerrecht (für Diskussionen zur Rolle der Genfer Flüchtlingskonvention siehe hier), sowie unter dem Grundgesetz. Das Deutsche Institut für Menschenrechte hält eine umfassende Übersicht bereit. Auf dem Flüchtlingsforschungsblog wurden in diesem Zusammenhang die strengen Voraussetzungen von Grenzkontrollen dargestellt. Die Liste der Gründe, weshalb Horst Seehofers Forderungen und so auch der jetzige Erlass im Widerspruch zum Recht stehen, ist lang. Sehr kurz zusammengefasst enthält das Europarecht spezifische verfahrensrechtliche Anforderungen, die eine Betrachtung des Einzelfalls und damit effektiven Flüchtlingsschutz sicherstellen sollen.
Die deutschen Normen unterliegen europarechtlichem Anwendungsvorrang (eine umfassende Ausarbeitung des wissenschaftlichen Dienstes dazu findet sich hier). Konkret handelt es sich bei den fraglichen deutschen Normen um §§ 18 und 71 Abs. 6 AsylG, sowie die §§ 15 und 57 Abs. 2 AufenthG zur Einreiseverweigerung, Zurückweisung und Zurückschiebung im Falle der (versuchten) Einreise aus einem sicheren Drittstaat. Jegliche Situationen an der Grenze sind also mit Blick auf Europarecht zu beurteilen. Je nach Personengruppe ist das anwendbare Recht durch die Rückführungsrichtlinie (zu deren Bedeutung im gegenwärtigen Streit auch hier) gerahmt, oder – im Falle eines Schutzgesuches – durch die Dublin-III-Verordnung (Dublin-VO) geregelt.
Ausführlich besprochen wurde bereits die Frage, weshalb ein Blick in die Fingerabdrucksdatei Eurodac bei der Grenzkontrolle nicht ausreicht. Die Dublin-VO sieht vor, dass vor dem eigentlichen Asylverfahren festgestellt wird, welcher Staat für das Verfahren zuständig ist – das so genannte Dublinverfahren. Dieses lässt sich nicht durch einen Blick in die Fingerabdruckdatei ersetzen, welche anzeigt, ob eine Person in einem anderen Staat registriert wurde oder ein Verfahren durchlaufen hat. Eurodac-Treffer sind ein Indiz für die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaats – mehr nicht. Es bestehen vorrangige Zuständigkeitsregeln, so dass der Staat der Registrierung nicht unbedingt auch zuständig ist. Vor allem aber muss in jedem Fall vor einer Rückführung in einen anderen Mitgliedstaat sichergestellt sein, dass dort tatsächlich die Grundrechte der Schutzsuchenden gewahrt werden. Dass vor allem letzteres zu einer Krise der Verantwortungsteilung im Flüchtlingsschutz in der EU geführt hat, sollte Anlass sein, gemeinsam daran zu arbeiten, dass angemessene Verfahren und Lebensbedingungen für Asylsuchende überall gewährleistet sind. Es sollte nicht Anlass sein, die bestehenden Regelungen zu umgehen und so das Gemeinsame Europäische Asylsystem allmählich aufzugeben.
Der Blick in Eurodac reicht also nicht. Es lässt sich im Übrigen auch fragen, ob der Zugriff auf die Daten zum Zwecke einer europarechtswidrigen Zurückweisung überhaupt zulässig wäre. Denn die gemeinsame europäische Datei dient gerade der Durchführung des Dublinverfahrens (siehe Erwägungsgrund 1 und Art. 1 der Eurodac-Verordnung), nicht dessen Umgehung.
Aber es heißt doch „Einreiseverbot“?
Die neue Anweisung an die Bundespolizei betriff den speziellen Fall der Zurückweisung von Personen, für welche nach § 11 Abs. 1 AufenthG ein Einreiseverbot besteht. Betroffen sind also Personen, die bereits ein asyl- oder aufenthaltsrechtliches Verfahren durchlaufen haben und von Deutschland ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben wurden. Dass es rechtswidrig sein soll, diese Personen zurückzuweisen, mag zunächst widersprüchlich klingen – es heißt doch „Einreiseverbot“.
Es ist jedoch wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass die neue Anweisung in der Praxis besonders „Dublin-Rückkehrer“ betrifft, also Personen, deren Asylantrag in Deutschland zuvor wegen festgestellter Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates formal abgelehnt und noch nicht inhaltlich geprüft worden war. Während im Moment der ersten Entscheidung Deutschlands über die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates noch keine menschenrechtlichen Bedenken bestanden, kann sich die Lage mittlerweile geändert haben. Das ist kein rein hypothetisches Szenario, da die Lebensbedingungen für Schutzsuchende in vielen europäischen Staaten miserabel sind und die menschenrechtliche Bewertung oftmals eine Grenz- und Prognoseentscheidung ist. Es müssen daher alle Gründe berücksichtigt werden, die nach einer erfolgten Überstellung entstanden sind (dazu auch der EuGH im Fall Hasan gegen Deutschland). Eine pauschale Zurückschiebung bzw. Zurückweisung aller Asylsuchenden mit Einreiseverbot widerspricht dieser gebotenen Einzelfallprüfung. Der Erlass des Bundesinnenministeriums stellt sich insofern gegen geltendes Recht. Und er ist ein dramatischer Bruch mit den Verfahrensgarantien, welche das Europäische Recht nicht ohne Grund enthält.
Kein Flüchtlingsschutz ohne Verfahrensgarantien
Wir können die Garantie des tatsächlichen Zugangs zu einem Verfahren für Asylsuchende betrachten wie die Verfahrensgarantien im Strafrecht: In vielen Fällen mögen sie übertrieben wirken. In manchen Fällen mögen sie sogar unseren Sympathien widersprechen. Aber sie gelten gerade ohne Anschauung der Person, ohne Einschränkung nach gefühlter Notwendigkeit, sie gelten um die grundlegenden Rechte von Menschen abzusichern. Ebenso wie die Verfahrensgarantien im Strafrecht nicht davon abhängen, ob die Angeklagte letztlich unschuldig ist, so sind die Verfahrensgarantien im Flüchtlingsrecht nicht nur dann wesentlich, wenn die betreffende Person am Ende einen einwandfreien Asylanspruch hat. Die inhaltliche Garantie des Schutzes von Flüchtenden würde zum Lippenbekenntnis, wäre sie nicht eingebettet in Verfahrensgarantien, die sicherstellen, dass dieser Schutz niemandem vorenthalten wird. Ein Missachtung dieser Garantien gefährdet nicht nur die jeweiligen Rechte der Schutzsuchenden, sie nagt auch an den Grundpfeilern des europäischen Asylsystems und an den menschenrechtlichen Grundlagen der Europäischen Union.
Der Erlass des Bundesinnenministeriums missachtet europäisches Recht, aber er verkennt vor allem diese Zusammenhänge. Statt an den Problemen des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems, welches zum Schutz von Personen geschaffen wurde, zu arbeiten, lässt er sich von den Problemen dazu verleiten, eben diesen Schutz zu gefährden und auszuhebeln. Er verkennt die Natur der Krise: es ist eine Krise der Verantwortungsteilung im Flüchtlingsschutz – und die Schutzsuchenden sind ihre Leidtragenden. Daran etwas zu ändern, wäre die Aufgabe. Der Erlass hingegen marschiert in die völlig falsche Richtung.
Klartext: Die hier vertretene Rechtsmeinung sieht vor, dass Terroristen, Islamisten, Mitglieder des IS trotz Kenntnis dessen, dass diese Terroristen … sind, ins Land gelassen werden müssen, falls diese das Sesam-öffne-dich-Wort “Asyl” sagen können.
http://archive.is/0WpT6
Na dann ist ja alles paletti.
“Der Erlass des Bundesinnenministeriums stellt sich insofern gegen geltendes Recht.”
Nämlich welches? In dem Abschnitt, in dem Sie das behaupten, wird keine einzige Norm genannt, gegen die verstoßen werden könnte.
Nichts leichter als das (was auch der Grund sein dürfte, warum die Autorinnen darauf verzichtet haben): Art. 1 Dublin-III-VO erklärt die VO zur maßgeblichen Vorschrift im Hinblick auf das Zuständigkeitsfeststellungsverfahren und Art. 288 AEUV regelt die unmittelbare Geltung von solchen Verordnungen. § 18 IV AsylG enthält einen expliziten einfachgesetzlichen Vorrang von Unionsrecht, für § 18 AsylG und § 15 AufenthG gilt zudem der in ständiger Rechtsprechung des BVerfG aus Art. 23 I 2 GG abgeleitete Anwendungsvorrang von Unionsrecht.
Wenn Sie weitere Fragen haben, beantworte ich diese gerne.
“Es ist jedoch wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass die neue Anweisung in der Praxis besonders „Dublin-Rückkehrer“ betrifft, also Personen, deren Asylantrag in Deutschland zuvor wegen festgestellter Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates formal abgelehnt und noch nicht inhaltlich geprüft worden war. Während im Moment der ersten Entscheidung Deutschlands über die Zuständigkeit eines anderen Mitgliedstaates noch keine menschenrechtlichen Bedenken bestanden, kann sich die Lage mittlerweile geändert haben.”
Wenn das so richtig ist, dann kann der Antragsteller oder die Antragstellerin sofort nach der Bescheidung einen neuen Antrag stellen. Denn es könnten ja neue Umstände eingetreten sein. Ob dem so ist, ist dann erst einmal neu zu prüfen. Und wenn das erfolgt ist und eine Entscheidung getroffen wurde, kann man sofort einen neuen Antrag stellen. Und so hat man einen endlosen Kreislauf geschaffen, der ein faktsich dauerhaftes Aufenthaltsrecht in Deutschland verschafft – einfach jeden Tag einen neuen Antrag vom Abrissblock reißen und fertig.
Ob das so richtig ist, erscheint mir doch zweifelhaft. Mag so sein – vielleicht ist dem Gesetzgeber ein Lapsus unterlaufen. Aber diese These bedarf m. E. doch einer näheren Begründung.
Bis sich ein Land endlich bequemt, den Asylanspruch einmal materiellrechtlich zu prüfen. Denn genau darum geht es bei den diesbezüglichen europarechtlichen Regelungen: Ein Zuständigkeitsbillard auf Kosten der Schutzsuchenden zu vermeiden. Erforderlichenfalls muss der betreffende Staat die Zuständigkeit dann qua Selbsteintrittsrecht an sich ziehen (wenn er nicht ohnehin zuvor auf anderer Grundlage selbst zuständig geworden ist).
Die neuen Asylanträge der Asylbewerber sind im Allgemeinen entweder als Folge- (§71 AsylG: zumindest in dem von Ihnen beschriebenen Fall des “Abrissblocks”) oder Zweitanträge (§71a AsylG; zumeist im Rahmen der wiedereinreisenden “Dublin-Fälle”) mit den dort beschriebenen prozeduralen Verfahrenshindernissen und den dort beschriebenen Erleichterungen bezüglich der Abschiebungsvoraussetzungen einzuordnen.
Ganz so dramatisch (“Abrissblock”) ist es also nicht, im Jahr 2017 gab es “nur” 24.366 Folgeanträge (s. BAMF in Zahlen 2017 – Modul Asyl, S. 13). Das BAMF entscheidet in der Regel relativ schnell über den Folge-/Zweitantrag. So waren Ende 2017 nur 5.479 Folgeanträge anhängig (s. BAMF, S. 43).
Einen “Drittantrag” oder “Folgefolgeantrag” gibt es meines Wissens nach nicht. Hier lass ich mich aber gerne eines besseren belehren.
Die Autorinnen beziehen sich u.a. auf den Wissenschaftlichen Dienst des Bundestages und begründen damit ihre These von der „Anordnung des (Europa-)Rechtsbruchs. Derr Wissenschaftliche Dienst stellt aber in diesem Zusammenhang fest:
„Antragsteller können, im Falle einer Anwendung der Dublin-III-Verordnung, nur in den Staat zurückgeschickt werden, der für die Prüfung ihres Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist, und nur der dementsprechend zuständige Staat ist nach der Dublin-III-Verordnung zur Rücknahme von Drittstaatsangehörigen und Antragstellern verpflichtet. Flüchtlinge und subsidiär Schutzberechtigte können auf der Grundlage von bilateralen Rückübernahmeabkommen in die Staaten überstellt bzw. zurückgewiesen und -geschoben werden, die ihnen diesen Status zuerkannt haben.“
Daraus ist nicht ersichtlich, dass die Anweisung des Innenministers an die Bundespolizei einen Rechtsbruch darstellt. Ganz im Gegenteil: „Antragsteller können, im Falle einer Anwendung der Dublin-III-Verordnung, nur in den Staat zurückgeschickt werden, der für die Prüfung ihres Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist.“
Was aber doch wohl heißt, dass ein an der österreichisch-deutschen Grenze einreisender Asylsuchender nur dann zurückgewiesen (also die Einreise verweigert werden könnte), wenn Österreich zuständig ist oder Schutz gewährt hat, nicht wenn das ein anderer Mitgliedstaat wäre. Oder wie stellen Sie sich vor, dass ein Asylsuchender von der Grenze gleich nach Griechenland oder Italien “zurückgewiesen” wird?
Der Europäische Gerichtshof (EuGH) hat in einem Grundsatz-Urteil die geltenden EU-Asylregeln bestätigt, wonach das Land, in dem ein Flüchtling zuerst EU-Boden betritt, für dessen Asylverfahren zuständig ist.
Es reicht doch völlig, den illegalen Migranten nach Österreich zurückzuweisen.
Das ist nur die Grundregel, von der es einen ganze Haufen ausnahmen gibt. Diese müssen geprüft werden.
“Unbegrenzte Toleranz führt zum Verschwinden von Toleranz. Wenn wir unbegrenzte Toleranz auf jene erweitern, die intolerant sind, wenn wir nicht darauf vorbereitet sind eine tolerante Gesellschaft gegen den Angriff der Intoleranten zu verteidigen, dann werden die Toleranten zerstört und mit ihnen die Toleranz.”
– Karl Popper, The Open Society and Its Enemies, 1945
Jetzt sollte auch noch das Essay „Repressive Toleranz“ von Herbert Marcuse erwähnt werden. Was für den einen ein Rückschritt ist, ist für den anderen ein Fortschritt und umgekehrt.
Stimmt, deswegen gilt damals wie heute: Kein Fußbreit den Faschisten! Aber was hat das konkret mit der obigen rechtlichen Erläuterung zu tun?
Es ist natürlich eigentlich nicht die Aufgabe der Verfasserinnen hier politische Lösungen abzuarbeiten. Aber es fällt schon auf, dass der Text am Anfang viele Verweise enthält und am Schluss gar keine. Da würden ein paar Details und Ideen sicherlich helfen und auch der Glaubwürdigkeit dienen. Auch wenn es nur lose Hinweise wären.
Denn sonst liest sich der Text eigentlich auch nicht nur wie eine Analyse der Instrumente der Krise, sondern auch wie eine Bedienungsanleitung dazu. Für naive Laien (wie mich) wirken viele der aufgezählten Begriffe und Rechtsfiguren letztendlich wie die perfekten Zutaten für einen gewaltigen Cocktail an moral hazard. Ein Cocktail voller Versuchungen für andere, die ebenfalls Verantwortung tragen sollten, diese abzuladen – auch indem sie Hässliches tun. Und auch voller Versuchungen Schutzbedürftigkeit anzumelden, wenn man doch eigentlich Annehmlichkeit sucht.
Natürlich liegt die Krux hier gerade im Umstand, dass man eigentlich diejenigen treffen müsste, die sich an der Verantwortungsteilung nicht angemessen beteiligen und nicht diejenigen, die Schutz suchen (und brauchen). Man kann aber auch ein dichtes Netz aus Paragrafen, Vorschriften, Auslegungen und Garantien (und Weltanschauungen) weben, das aus dem Bedrohten etwas Bedrohliches macht – vielleicht auch nur, weil Dritte sich abwenden oder profitieren. Dann befördert man u.U. auch nicht unbedingt die politischen Kräfte, die in der Lage sind, die Verantwortung angemessen zu verteilen. Wer einen gordischen Knoten hat, der muss sich nicht wundern, wenn ein Schwert kommt.
[Dieser Kommentar enthielt eine ganz außerordentliche Widerlichkeit und wurde deshalb gelöscht; außerdem hat sich bei der Gelegenheit herausgestellt, dass “Brandenburger” die ganze Zeit schon unter einer nicht existierenden Emailadresse kommentiert. Da sich eine Reihe anderer Kommentare auf seine beziehen, lasse ich sie in diesem Fall stehen. Künftige Kommentare von “Brandenburger” werden aber nicht mehr auf dem Verfassungsblog erscheinen. D.Red.]
“… dazu auch der EuGH im Fall Hasan gegen Deutschland”
Auf diesem Urteil basiert die gesamte Argumentation des Blogbeitrags gegen die Abweisung von Personen an der Grenze, für die ein Einreseverbot gilt.
Dieses EuGH-Urteil befasst sich indessen nicht mit Fällen der Abweisung an der Grenze! Sondern es beurteilt allein einen Fall der Überstellung eines bereits wieder eingereisten Antragstellers eines Wiederaufnahmeantrags in den ersten Mitgliedstaat. Weshalb dann aber dieses EuGH-Urteil auch auf Fälle der Abweisung an der Grenze gelten soll – das wird mit keiner Silbe auch nur problematisiert.
Bereits dies zeigt, dass der Bolgbeitrag grundlegenden Regeln juristischen Argumentierens nicht genügt.
Auch die folgende Aussage ist in dieser Allgemeinheit falsch und mit dem Wortlaut der Dublin-III-VO unvereinbar:
“Die Dublin-VO sieht vor, dass vor dem eigentlichen Asylverfahren festgestellt wird, welcher Staat für das Verfahren zuständig ist – das so genannte Dublinverfahren. Dieses lässt sich nicht durch einen Blick in die Fingerabdruckdatei ersetzen, welche anzeigt, ob eine Person in einem anderen Staat registriert wurde oder ein Verfahren durchlaufen hat.”
Diese Argumentation krankt an einem “Sprung”. Sie “überspringt” die Frage, welcher Staat für das so genannte Dublinverfahren zuständig ist, weil sie stillschwiegend unterstellt, dass dafür nur Deutschland zuständig sein könne, wenn an seiner Grenze ein Asylgesuch gestellt werde. Das ist aber unzutreffend und falsch. Art. 20 Abs. 1 Dublin-III-VO enthält eine Zuständigkeitsregelung für das so genannte Dublinverfahren. Zuständig ist danach der Staat, in dem ERSTMALS ein Antrag gestellt wird. Nach Maßgabe der Dublin-VO trifft dies aber regelmäßig auf Deutschland nicht zu, jedenfalls dann nicht, wenn sich die anderen Mitgliedstaaten rechtmäßig verhalten, worauf Deutschaland grundsätzlich vertrauen darf. Mehrfache sukzessive Antragstellungen in verschiedenen Staaten sind unzulässig.
Zitat: “Unter anderem auf diesem Blog finden sich Erläuterungen zur Unzulässigkeit nach Europa- und Völkerrecht (für Diskussionen zur Rolle der Genfer Flüchtlingskonvention siehe hier),” Wobei im Zitat “hier” auf einen Artikel mit der Überschrift “Das Flüchtlingsrecht steht einer Änderung der Asylpolitik nicht entgegen” verlinkt, welcher mit dem Fazit endet “Nach dem hier ausgebreiteten Verständnis der GFK steht diese einer Zurückweisung von Migranten und Asylsuchenden an den deutschen Landgrenzen nicht entgegen.”
Ausserdem steht die Anordnung deutschem Recht nicht entgegen. Ganz im Gegenteil stellt die Anordnung deutsches Recht wieder her. Die Anordnung allein kann also gar kein Rechtsbruch sein. Wenn schon, dann bricht deutsches Recht irgendein ein anderes Recht. Welches Recht soll angeblich gebrochen werden – Dublin-III-Verordnung? Wo bitte schreibt die Dublin-III-Verordnung vor, dass abgelehnten Asylbewerbern unmittelbar die Einreise wieder zu gestatten ist? Falls dies doch der Fall sein sollte, warum wird dann ein Asylverfahren überhaupt durchgeführt? Wäre es nicht einfacher, allen, welche um Asyl ersuchen, Aufenthaltserlaubnis und freie Bewegungsfreiheit innerhalb der EU zu erteilen? Wozu der Aufwand mit Abschiebungen, wenn diese praktisch nichts bewirken müssen? Warum sieht die Dublin-III-Verordnung die Überstellung eines Asylbewerbers in einen anderen Mitgliedsstaat vor, wenn es allein in der Entscheidung des Asylbewerbers liegt, in den überstellten Mitgliedsstaat zu verbleiben oder gleich wieder in das Land einzureisen, aus welches er soeben überstellt worden ist?
Auf LTO gefundener Kommentar von “Besorgter Bürger”, der mir richtig erscheint:
„Ein Rechtsbruch ist es, wenn sich Flüchtlinge, die […] hier bereits abgewiesen wurden, einreisen wollen. Die Zurückweisung solcher Personen ist das einzig legitime Antwort eines Rechtsstaates.“