Attacke im Ärzteblatt: Bekommt der Whistleblower Ärger?
Mein Blogpost über einen Artikel im Ärzteblatt, wonach eine Verfassungsrichterin in der überfüllten Notaufnahme auf privilegierte Behandlung bestanden haben soll, hat eine Menge Kommentare provoziert. Zu meiner Verwunderung sieht ein erheblicher Teil davon das Problem mehr beim Autor dieses Artikels als bei seinem Gegenstand. Hat er sich nur wichtig gemacht? Hat er seine Schweigepflicht verletzt? Und überhaupt, wieso herrschen in seiner Notaufnahme solche unterirdischen Zustände?
In einem Kommentar heißt es, dass das Klinikum Karlsruhe dem Autor – Leiter der Inneren in der Notaufnahme – fristlos gekündigt hat, und zwar auf “Druck von oben”. Einstweilen ist das nur ein Gerücht.
Ich habe beim Klinikum Karlsruhe nachgefragt. Dort heißt es, man wolle nichts sagen, weil man gerade eine Pressemitteilung vorbereite. Somit sieht offenbar das Klinikum Bedarf, in irgendeiner Form öffentlich Stellung zu beziehen, soviel kann man schon mal sagen.
Ich habe auch versucht, den Autor Harald Proske zu erreichen, aber bisher erfolglos. Ich habe ihn um Rückruf gebeten. In der Klinik heißt es, er sei “im Urlaub”.
Solange ich mit keiner betroffenen Seite gesprochen habe, will ich mich weiter mit Bewertungen und Spekulationen zurückhalten. Ich werde aber diesen Artikel im Laufe des Tages aktualisieren, sobald ich neue Erkenntnisse habe. Ich bin sehr gespannt, wie sich das entwickelt.
Update 11:50 Uhr:
Das Klinikum bedauert laut einer auf ihrer Website veröffentlichten Erklärung den Vorfall und bittet alle Beteiligten um Entschuldigung, will aber “zum Schutz derselben und der beteiligten Institutionen” von weiterer Kommentierung absehen.
Das lässt erstens jenseits aller Kommentierung die faktische Frage offen, ob denn nun Herrn Proske gekündigt wurde oder nicht. Die Behauptung ist in der Welt, und da sie das durch einen Kommentar hier auf dem Blog ist, habe ich ein sehr intensives Interesse daran, zu klären, ob sie zutrifft oder nicht. Dazu habe ich noch mal bei der Klinik angerufen, man hat mir einen Rückruf versprochen.
Worüber ich zweitens grüble, ist, wen genau die Klinik mit ihrer No-Comment-Kommunikation schützen will, und wovor. Den Autor davor, dass weiterer Reputationsschaden entsteht, den man ihm auf die Rechnung setzen müsste? Die Richterin, das BVerfG und sich selbst vor weiterer peinlicher Publicity? Die Wartenden in der Notaufnahme davor, sich fruchtlos aufregen zu müssen über etwas, was sie sowieso nicht ändern können?
Wenn die Klinik in dem Artikel ein Problem mit der ärztlichen Schweigepflicht sieht, warum sagt sie es dann nicht?
Nun, wie klug die Klinik ihre PR-Strategie wählt, ist in diesem Fall wahrhaftig the least of my worries…
Update 12.15 Uhr:
Den versprochenen Rückruf der Klinik habe ich erhalten. Die Ansage ist, dass man “über Personalentscheidungen nichts kommunizieren” wolle – aber vielleicht ändere sich das noch, wir sollten am Montag noch mal telefonieren.
Update 12:35 Uhr:
Jetzt ruft mich die Klinik noch mal an und lässt mir vom Geschäftsführer Prof. Dr. Martin Hansis ausrichten, dass der Autor des Artikels Herr Proske “nach wie vor Mitarbeiter des Klinikums” ist.
Also schon mal keine fristlose Kündigung. Alles weitere ist nach wie vor offen.
Update 13:30 Uhr:
Heute ist in dem Karlsruher Lokalblatt “Badische Neueste Nachrichten” ein Artikel dazu erschienen, den ich mir gerade angesehen habe.
Darin heißt es, die fristlose Kündigung sei zunächst ausgesprochen, dann aber zurückgenommen worden. Womit das auch geklärt wäre.
Ich warte ja immer noch auf die Stellungnahme des BVerfG bzw. der betroffenen Richterin. Einstweilen will ich aber schon mal einen Eindruck äußern.
Mir scheint, hier hat ein Arzt, der unter schwierigsten Bedingungen an vorderster Front des Gesundheitssystems kämpft, sich bemüht, das Richtige zu tun. Er hat dem Druck der Dame, zu ihren Gunsten seine anderen Patienten hintanzustellen, standgehalten. Dann hat er erkennen müssen, dass seine Vorgesetzen ihn im Stich lassen. Also ist er an die Öffentlichkeit gegangen.
Hat er damit die ärztliche Schweigepflicht verletzt? Vermutlich ja. Muss er dafür mit Ärger rechnen? Auf jeden Fall.
Trotzdem erwarte ich von der Klinik und ihrem Geschäftsführer, dass sie zu den Zuständen in ihrer Notaufnahme und ihren Vorstellungen, wer in welcher Reihenfolge dort Behandlung erwarten kann, Stellung bezieht.
Und was die Richterin betrifft, so sehe ich schon ein, dass es Gründe gibt, jemanden in dieser Position nicht stundenlang im Wartesaal herumsitzen, sondern ihn lieber in dieser Zeit seine Arbeit tun zu lassen. Aber wenn das BVerfG findet, dass seine Mitglieder jederzeit sofort Zugang zu ärztlicher Behandlung benötigen, dann soll es halt einen Betriebsarzt einstellen. Wenn eine Richterin dagegen die Notaufnahme in Anspruch nimmt, hat sie sich mit den dort vorgefundenen Bedingungen zu arrangieren wie jeder andere Patient auch.
Das, ich wiederhole mich, kann nur eine vorläufige Einschätzung sein, da ich nach wie vor nicht weiß, wie sich der Vorgang aus Perspektive der Richterin abgespielt hat. Aber solange keiner mit mir redet, versuche ich mir halt auf Basis der vorliegenden Informationen ein Bild zu machen.
Update 14:30:
Jetzt ist es doch ganz schnell gegangen mit der Stellungnahme des BVerfG. Und siehe da, aus der Perspektive sieht die Geschichte ganz anders aus.
“Die im Artikel des Ärzteblatts (vermutlich) angesprochene Richterin befindet sich derzeit in ihrem Sommerurlaub. Ihren Besuch im Klinikum Karlsruhe schildert sie wie folgt: Im vergangenen Winter ist sie während der Mittagspause der Senatsberatungen gestürzt und hat sich eine schwere Handverletzung zugezogen, die einige Tage später operiert wurde. Sie begab sich – begleitet von einer Richterkollegin und von einem Fahrer – zur Erstversorgung in das Klinikum Karlsruhe. In der Notaufnahme wurde sie lediglich am Empfang vorstellig, wo ihr mitgeteilt wurde, sie müsse sich auf eine längere Wartezeit einstellen. Da die Senatsberatungen am Nachmittag fortgesetzt werden sollten, hat sie den ihr bekannten Chefarzt der Radiologie kontaktiert und sich dann direkt in die Ambulanzen der Radiologie und der Handchirurgie begeben. Sie hat in keiner Weise auf eine bevorzugte Behandlung in der Notaufnahme gedrängt. Dem Autor des Artikels ist sie an diesem Tag nicht begegnet und wurde auch nicht von ihm behandelt. Inzwischen ist ein Brief beim Bundesverfassungsgericht eingegangen, in dem der Autor des Artikels um Entschuldigung bitten lässt.”
Erkenntnisbringend ist die aktuelle Meldung der Klinik auf ihrer Homepage nicht gerade:
16. August 2013
Wirbel um Bericht im Ärzteblatt
Aktuelle Stellungnahme zur Publikation “Gleicher als die anderen” im ÄBl. Heft 29-30 vom 22.07.2013 von Harald Proske
Das Klinikum bedauert den Vorfall außerordentlich und bittet alle Betroffenen um Entschuldigung, möchte zum Schutz derselben und der beteiligten Institutionen jedoch bis auf Weiteres von weiteren Kommentierungen der Angelegenheit absehen.
In jeder Beziehung: Starkes Stück! (mal unterstellt, dass ist alles so gewesen, wie es jetzt ausschaut.) Ich hoffe, es wird bekannt, welche der fünf Verfassungsrichterinnen da das Gleichbehandlungsgebot privat ganz anders handhabt, als es das Gericht üblicherweise tut. Umgekehrt müssen sich die verantwortlichen Ärzte fragen lassen, wieso bei Ihnen offenbar Dutzende mehr oder weniger schwer Kranker und Verletzter in der Notaufnahme offenbar häufiger, wenn nicht gar ständig dahinvegetieren, bis jemand Zeit für die Behandlung hat. In meinen Augen auch klar auch: Die Berichterstattung ist ein Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht. Aber dafür bin ich in diesem Fall ausgesprochen dankbar.
Sicher ist wohl lediglich, daß die Schweigepflicht verletzt wurde. Ich frage mich allerdings, wie sich ein Arzt, der von seinem Vorgesetzten angewiesen wird einen Patienten bevorzugt zu behandeln und beispielsweise deswegen einen Notfall später versorgen soll, verhalten soll. Wenn an der Geschichte was dran ist, ist das öffentliche Interesse jedenfalls enorm. Wie das BVerfG das wohl sieht ? Ich würde mich freuen, wenn die angesprochene Richterin zum Artikel Stellung bezieht. Alles andere wird einen üblen Nachgeschmack hinterlassen !
Die Verwunderung einiger Beiträge über den Zustand der Notaufnahme verwundern mich doch sehr. Ich habe mit einem gebrochenen Handgelenk fast drei Stunden in einer Notaufnahme gewartet und kenne das aus meinem Bekanntenkreis auch nicht anders. Das kann man sicherlich kritisieren, aber solange es so ist, sollte es hübsch der Reihe und natürlich nach Dringlichkeit gehen. Ich finde es persönlich schon fraglich, ob man seine Sekretärin oder einen anderen “Vertreter” vorschicken kann.
Die Klinik schützt ihre Mitarbeiter. So ist der im Kommentar erwähnte Maulkorb, wohl eher eine Erinnerung an das StGB, auch für eine Oberschwester Hildegard , die die Geschichte möglicherweise bestätigen oder korrigieren will. Aufklären wird die Klinik den Sachverhalt sicher nicht können.
Für mich stellt sich die Frage, ob hier nicht die ärztlichen Schweigepflicht zu andere Pflichten des Arztes konkurriert. Mit anderen Worten: Ist er nicht in diesem Fall zu einem Bruch anderer ärztlicher Pflichten genötigt worden und wenn ja, wie schwer wiegen diese im Vergleich? Es hätte ja ein anderer Patient durch die dadurch unnötigerweise entstandene längere Wartezeit auch Schaden nehmen können.
Ich finde es auf jeden sinnvoll, daß er es öffentlich gemacht hat und habe Respekt, daß er dieses Risiko auf sich genommen hat.
Je mehr ich drüber nachdenke, desto wahrscheinlicher will mir scheinen: Der Arzt wusste genau, was er da tut. Die Schweigepflicht ist ja für Ärzte nicht irgendeine Formalie hinten links im Kleingedruckten. Nicht nur er, sondern alle Kollegen haben sich schwarz geärgert über die Verfassungsrichterin. Da hat er als Leiter entschieden: Ich nehme den Ärger auf mich & publizier das…
Komisch eigentlich: Ein bisschen Radio, Lokalzeitung, ein paar Blogs. Das ist für die Geschichte eindeutig zu wenig Berichterstattung, finde ich. Wo bleiben denn Spiegel & Co.?
Die Darstellungen unterscheiden sich, aber ist der Sachverhalt wirklich “ganz anders”. Bemerkenswert ist natürlich, daß der Autor des Artikels anscheinend überhaupt nicht mit der Richterin gesprochen hat. Und es war nicht die Sekretärin sondern eine Kollegin, welche die Richterin begleitete. Leider sagt das BVerfG nichts hinsichtlich der im Arikel gemachten Aussage, daß zunächst nur anonym eine hochrangige Persönlichkeit angekündigt worden ist. Obwohl gerade dieses Procedere die Ursache eines Missverständnisses gewesen sein könnte.
Wurde die Richterin nun bevorzugt behandelt ? Aber sicher. Sie wollte wegen der Senatsberatungen keine längere Wartezeit hinnehmen und hat deshalb den ihr bekannten Chefarzt der Radiologie kontaktiert, sodaß sie sich sogleich in die Ambulanz der Handchirurgie begeben konnte. Ansonsten hätte sie vermutlich drei Stunden gewartet und wäre dann dorthin geleitet worden.
Hat sie auf eine bevorzugte Behandlung gedrängt ? Ich kann mir schwerlich vorstellen, daß sie das nicht getan hat. Sie hat den Chefarzt kontaktiert, nachdem sie die Info über die Wartezeit erhalten hatte. Es erscheint mir doch sehr wahrscheinlich, daß sie vor diesem Anruf in der Notaufnahme auf die “Beratungen” hingewiesen hat und ihre berufliche Stellung hingewiesen hat.
Ich kann das auch gut nachvollziehen. Wem macht es schon Spass mit Schmerzen und Termindruck in der Notaufnahme herumzusitzen. Da hätte ich auch den mir bekannten Chefarzt der Radiologie kontaktiert. Schließlich wäre gar nichts passiert, wenn sie die Notaufnahme überhaupt nicht aufgesucht und direkt den Chefarzt kontaktiert hätte.
Andererseits: Wenn ich in der Notaufnahme warten würde und dann würde ich den Sachverhalt so miterleben wie ihn das BVerfG schildert, würde ich mich ungleich behandelt fühlen.
Man sieht an diesem Fall, weshalb man erst recherchieren muss, bevor man Texte schreibt. Insbesondere dann, wenn man sich als quasi Augenzeuge ausgeben will. Ich freue mich schon auf den Volltext der Entschuldigung im Deutschen Ärzteblatt. Die haben ja jetzt ihre ganz eigenen “Hitler-Tagebücher”. Peinlich für ein Fachblatt.
Wenn es sich so zugetragen hat wie in der Pressemitteilung des BVG veröffentlicht verstehe ich nicht warum die unbekannte hochgestellte Patientin in der ZNA des Klinikums anonym bleiben wollte und auch nicht den Grund für die Eile angab. Wenn die Verletzung so schlimm gewesen wäre hätte sie vermutlich nicht lange warten müssen. Aber so gab es genügend andere Patienten denen es schlechter ging und die vermutlich schon längere Wartezeiten hinter sich hatten. Von denen haben garantiert etliche versucht sich mit dem Hinweis auf berufliche oder familiäre Unabkömmlichkeit vorzudrängen. Ihr ist es als Einziger über diesen Chefarzt gelungen, sich vorzudrängeln. Da sind wir doch wieder beim Thema der Gleichbehandlung. Wie soll das Klinikpersonal wissen ,wie wichtig sie ist, wenn Sie keine Personalien angeben will? Und wenn jemand krank ist, dann muß er eben seiner Senatsberatung so lange fernbleiben bis es ihm wieder besser geht. Damit kann sonst jeder kommen. Vermutlich hat der Autor des Artikels im Ärzteblatt einen Maulkorb verpasst bekommen und kann sich nicht mehr rechtfertigen. Andere Patienten mußten vielleicht etwas länger auf das Röntgen oder die handchirurgische Versorgung warten. Die Pressemitteilung des BVG erscheint mir sehr einseitig.
Zur Schweigepflicht: weder die Diagnose noch ein Name sind angegeben. Ein Finger kann aus vielerlei Gründen anschwellen oder schmerzen. Einmal heisst es “Sie”. Damit kann eine Frau gemeint sein oder aber die anonyme Person. Offenbar fühlte sich jemand angesprochen, sonst hätte er oder sie sich nicht bei der Klinikleitung beschwert.
Zur Organisation einer Notaufnahme: die von den Kostenträgern zur Verfügung gestellten finanziellen Mittel sind so knapp bemessen, daß keine Klinik rund um die Uhr massenhaft Personal bereitstellen kann. Das Personal ist ausgelaugt, tut was es kann und wird dafür auch noch angegriffen. Dazu suchen viele Patienten, die problemlos ambulant in einer Praxis versorgt werden könnten, eine Notaufnahme auf , weil sie gerade Zeit haben und nicht auf einen Termin beim niedergelassenen Arzt warten wollen.
Nun ja. Wirklich falsch war ja offensichtlich nicht, was im Aerzteblatt stand.
@max: Langsam werden die Kommentare hier zu einer Spielwiese für Verschwörungstheoretiker. Vielleicht schreibst Du noch eine eigene Bewertung, um die Gemüter wieder zu beruhigen? Die Überschrift mit “Whistleblower” ist ja auch etwas missverständlich nach Lage der Dinge.
Mich würde jetzt aber schon noch interessieren, ob der Arzt sich für eine Falschdarstellung im Ärzteblatt-Artikel entschuldigt hat oder lediglich für die unzureichende Anonymisierung, die eine Identifikation der Richterin zumindest an Ihrem Arbeitsplatz ermöglicht hat. In letzterem Fall stünde dann immernoch Wort gegen Wort und da ist das eine per se auch nicht wertvoller als das andere.
Es ist auch heute noch völlig normal, dass man als Patient stundenlang rumsitzt. Und das im Zeitalter des Mobiltelefons! Einfach eine Nummer hinterlassen und in die Krankenhauscafeteria gehen, das ist der typischen Khs-Organisation nicht möglich. Auch nicht, dass man vielleicht vorher anrufen kann und dann ganz kurzfristig einen “Nottermin” erhält.
Und ja, liebe Ärzte: es liegt natürlich daran, dass man Notfälle nicht planen kann. Der Patient jedenfalls. Ihr jedoch, ihr könntet es, denn die Gesetze der Statistik sagen mir, dass ein hinreichend großes Klinikum sehr wohl den ungefähren Strom an Notfällen vorhersagen kann.
Schließlich geht das auch überall sonst: so kann ein Stromversorger den Strombedarf vorhersagen, ein Callcenter das Anrufaufkommen, ein Restaurant das Gästeaufkommen und die Bahn das Fahrgastaufkommen – sorry, letztes Beispiel stimmt nicht, die können es auch nicht.
Es gehört nur ein Wille zur Organisation im Interesse der Patienten (=Kunden) dazu. Und genau der fehlt den meisten Ärzten und Kliniken.
Zum Schluss habe ich bestes Verständnis dafür, dass eine Bundesverfassungsrichterin keinen Bock hat, drei Stunden in der Notaufnahme zu warten. Hätte ich auch nicht. Denn ich halte ihre und meine Zeit für zu wertvoll, um rumzusitzen. Wenn andere Patienten das für sich anders sehen, sollen sie doch rumsitzen wie die Schafe. Oder eben auch protestieren. Damit die Krankenhäuser es endlich lernen.
Nennen Sie eine solche Vorgehensweise tatsächlich “Protest”?
@Fry:
Man sieht dass Sie keinerlei Ahnung vom Ablauf einer Notaufnahme und vom deutschen Gesundheitssystem haben! hier ein paar Fakten:
– Das Aufkommen der Notfälle schwankt extrem und ist eben auch statistisch nicht verläßlich planbar
– Die Anzahl der behandelten Patienten steigt jährlich um bis zu 10%
– weit über 50% der Patienten sind eben keine Notfallpatienten, viele haben bereits seit Tagen/Wochen Beschwerden
– bei Notarzteinsätzen ist die Anzahl der eigentlich nicht gerechtfertigten Alarmierungen über 80% – mit steigender Tendenz
– die ambulante Versorgung der Patienten wird zunehmend schlechter, Stichwort Budgetierung, Wartezeiten beim Facharzt über 6 Monate
– der Ärztemangel in Deutschland wird immer spürbarer, jede 10. Stelle ist unbesetzt, ca. 10.000 insgesamt
– 24 Std Schichten sind noch immer vielerorts die Regel, bis zu 10 pro Monat
– in einigen Kliniken auch im Landkreis Karlsruhe geht es nicht mehr um die Wartezeit sondern darum den Betrieb noch irgendwie aufrecht zu halten, bei teilweise 70% unbesetzten Stellen, bei der DB kann man am Bahnhof einfach vorbeifahren, das ist bei einer Notaufnahme anders
– in Ostdeutschland können beispielsweise von 3 Notarztstandorten regelhaft nur noch einer besetzt werden, mangels Notärzte, mit entsprechend längeren Anfahrtszeiten und schlechterer Vers
– deutsche öffentliche Kliniken sind massiv unterfinanziert
– in den letzten Jahrzehnten wurde das deutsche Gesundheitssystem durch Zig-Tausende unbezhalte überwiegend ärztliche Überstunden quersubventioniert, diese Zeiten sind vorbei und nahezu alle öffentliche Kliniken mit Versorgungsauftrag machen Verlust
– abschließend sei erwähnt dass die ZNA im Klinikum KA als team tagtäglich einen super job macht, insbesondere bei der Versorgung der schwer und schwerst kranken Patienten – hier gibt es keine Wartezeit!
Nachtag:
Neben dem Ärztemangel gerät Deutschland in einen noch viel dramatischeren Pflegekräftemangel.
PricewatherhouseCoopers (PwC) hat in der Studie „112 – und niemand hilft“ berechnet: Wenn Deutschland das augenblickliche Versorgungsniveau aufrechterhält, bleiben danach im Jahr 2020 rund 33.000 Arzt-Vollzeitstellen unbesetzt, 2030 sind bereits 76.000 Vollzeitstellen vakant, das entspricht einem Bundesdurchschnitt von 23,7 Prozent der Stellen. Bis zum Jahr 2030 fehlen laut der Studie 106.000 Ärzte.
Auch der Pflegenotstand wird sich laut der Studie weiter verschärfen. 2020 fehlen danach 212.000 Pflegekräfte, im Jahr 2030 328.000. Besonders dramatisch werde die Situation in der Altenpflege: Hier bleiben 2030 rund 33 Prozent der Stellen unbesetzt. Insgesamt fehlen bis 2030 575.000 Pflegekräfte.” (Zitat: aerzteblatt.de 5.10.12)
@antifry: Mit falschen Anschuldigungen gegen Patienten und Verstößen gegen die Verschwiegenheit trägt man also zur Behebung des zukünftigen Pflegenotstands in der Geriatrie bei?
Interessieren würde mich das Verhalten der Richterin in der Notaufnahme. Die Darstellung von Proske scheint mir auch nach der Stellungnahme des BVerfG glaubwürdig zu sein. Laut Christian Rath in der taz (http://www.taz.de/Gleichheit-vor-dem-Arzt/!122039/) ist “der Kern des Geschehens wohl nicht erfunden”.
Ergo: Die Stellungnahme des BVerfG, wonach die Richterin “in keiner Weise auf eine bevorzugte Behandlung in der Notaufnahme gedrängt habe” wäre also falsch und das Verhalten der Richterin damit doppelt beschämend.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Du, Max, weiterhin am Ball bleiben könntest.
Fakt ist:
Das Verhalten war unangemessen, die Begleiter_innen waren z.B.
mit Hinweis auf ihre Stellung nicht bereit bei der Anmeldung der Notaufnahme den Namen der Patientin zu nennen.
Die Patientin wurde dann, nach ihrem Kontakt zum Chefarzt der Radiologie und der Handchirugie, wieder in der Notaufnahme
(jetzt vorbei an der Warteliste) final versorgt.
Der Spiegel berichtet online:
http://www.spiegel.de/panorama/bundesverfassungsgericht-richterin-soll-sich-in-klinik-vorgedraengelt-haben-a-917356.html
Weiß aber leider auch nicht mehr & nichts genaues.
Fakt 2 ist:
Nach dem Bericht im Ärzteblatt wurde dem Klinikumsgeschäftsführer von interessierter Seite, ausserhalb des Klinikums und der Stadtverwaltung, Druck gemacht.
Reaktion: fristlose Kündigung des Oberarztes durch den Geschäftsführer.
Nach dem Aufgreifen des Falls in diesem und anderen blogs, und einem daraufhin ersten Interesse der Medien, begann eine intensive Diskussion im Klinikum und der Stadtverwaltung.
Ergebnis: Zurücknahme der fristlosen Kündigung und geringere Sanktionen für den Oberarzt.
@Max: Bitte sag Du den aufgeregten Kindern hier, dass alles wieder gut ist. Du bist die einzige Autorität, die das wieder einfangen kann. Du hast es auch versprochen: “Das, ich wiederhole mich, kann nur eine vorläufige Einschätzung sein, da ich nach wie vor nicht weiß, wie sich der Vorgang aus Perspektive der Richterin abgespielt hat.”
hmmm … ich wurde durch meine Frau – die in der Notaufnahme im Klinikum KA arbeitet auf den Artikel aufmerksam gemacht und bin durch Google hier gelandet … interessante Beiträge Kommentare.
1.
Als Erstes möchte ich für die Mitarbeiter des Klinikums hier eine Lanze brechen, da diese unter den ihnen gegebenen Umständen einen Top-Job machen … Hochachtung vor soviel Engagement
2.
bewundere ich den Mut des Arztes dies so zu publizieren und sich dieser Kritik + evvtl. Repressalien auszusetzen … Hochachtung
3.
Finde ich ein solches Selbstverständnis sowie diese Menschenverachtung, der dem Leser aus dem Beitrag von Fry entgegenspricht einen schlag ins Gesicht derer, die in Ihrer Not sich anstellen und warten, auch wenn sie Schmerzen haben + Hilfe benötigen.
4.
ja, ich weiß, es gibt auch bei manchen Ärzten 2 Wartezimmer und und und … aber, was mich sehr nachdenklich stimmt, ist die Tatsache, dass jemand, der über unsere Gesetze wacht für sich genau diese regeln der Allgemeinheit umgehen möchte … für mich ist die Berlusconi in Karlsruhe … und solche Menschen entscheiden über Gesetze, die für uns gelten sollen … für mich ist dies ein Compliance-Verstoß par excellence und ich weiß nicht, wohin dies führt, wenn Menschen mit einem derartigen Selbstverständnis in einer derart exponierten Position sind und mit dieser Macht ausgestattet werden, eine Position, die absolute Integrität verlangt.
Jemand, der sich selbst über andere stellt – und genau dies ist hier geschehen – darf m.E. nicht ein solches Amt bekleiden.
In jedem großen Unternehmen wird man beim kleinsten Compliance-Verstoß unnachgiebig geandet, deswegen kann dies nur eine einzige Reaktion des BVfG auf diese Verhaltensweise geben.
… nur die unwesentliche Meinung eines Lesers, der Italien liebt aber Berlusconi und die von ihm für sich verbogene Rechtswelt nicht in Deutschlanfd wiederfinden möchte.
… Nachtrag:
Generll werden echte Notfälle, die kritisch sind und einer schnellen behandlung benötigen immer vorgezogen, egal, wie lang die Warteschlange ist … und das ist gut so.
Auch ich bin mit meiner Mutter, die 24 Stunden zuvor einen Schlaganfall erlitten hat in der Notaufnahme in Karlsruhe gesessen und habe auf die Behandlung gewartet, bis wir dran waren, denn nach 24 Stunden war es kein Notfall mehr … und ich bedanke mich nachträglich für die damalige sehr gute Behandlung in der Notaufnahme.