07 August 2020

Augen auf bei der Wahl des Tanzpartners

Private Sicherheitsdienste im staatlichen Einsatz und der Tanz mit dem Coronavirus

Glücklicherweise ist Deutschland im Vergleich zu vielen anderen Ländern bislang relativ gut durch die Corona-Pandemie gekommen. Dies ist in vielen Bereichen auf staatlich verordnete Schutzmaßnahmen zurückzuführen, mit denen – entsprechend der zweiten Phase der Strategie „Hammer und Tanz“ – nun flexibel auf das Infektionsgeschehen reagiert werden soll. Doch je länger die Fallzahlen auf einem verhaltenen Niveau bleiben und je stärker die Menschen sich an die Infektionsgefahr gewöhnen, desto schwieriger ist es, die Maßnahmen gegen die weitere Verbreitung des Virus umzusetzen. Rechtlich problematische Situationen können vor allem dann entstehen, wenn der Staat nicht ausreichend eigene Kräfte zur Verfügung hat, um Schutzmaßnahmen durchzusetzen. Können private Sicherheitsdienste in solchen Situationen helfen und zum Tanz gebeten werden?

Insbesondere in ländlich geprägten Urlaubsregionen verfügen Polizei und Ordnungsamt häufig nicht über genug Bedienstete, um Verhaltensregeln wie das Tragen einer Atemschutzmaske auf der notwendigen breiten Basis im öffentlichen Raum durchzusetzen. In der Praxis haben manche Kommunen deshalb begonnen, private Sicherheitsdienste zu engagieren (z.B. Potsdam oder das schleswig-holsteinische Büsum). Zu welchen konkreten Tätigkeiten die privaten Sicherheitsdienste beauftragt werden, unterscheidet sich stark. Die Kommunen sprechen z.B. unspezifisch von Kontrollen, dem Einleiten von Anzeigen und Verfahren, der Begleitung von kommunalen Bediensteten, aber auch Platzverweise („Menschenansammlungen zu verhindern“) und Identitätsfeststellungen stehen im Raum.

Mitunter bleibt der Einsatz privater Sicherheitsdienste sogar in bedenklicher Weise noch weitergehend im Unklaren. Die Stadt Potsdam verweigerte einer auf das brandenburgische Akteneinsichts- und Informationszugangsgesetz gestützten Anfrage nicht nur die Übermittlung des zugrundeliegenden Vertrags (in gegebenenfalls geschwärzter Fassung) und der Handlungsanweisungen für den Sicherheitsdienst, sondern sogar die Benennung des Unternehmensnamens. Konkrete Gründe dafür sind kaum ersichtlich, so dass sich die Frage stellt, ob hier lediglich Bad Governance betrieben wird. Die Weigerung ermöglicht es der Kommune jedenfalls, auf Zeit zu spielen, Unklarheiten für den praktischen Alltag zu erzeugen und im Zweifel ein etwaiges Fehlverhalten als ungewollten Einzelfall einzuordnen.

Private Sicherheitsdienste im öffentlichen Raum

Eine inhaltliche Grenze für die Beauftragung privater Sicherheitsdienste findet sich in Art. 33 Abs. 4 GG: Danach ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen (vgl. insgesamt zu privaten Sicherheitsdiensten im Auftrag von Trägern öffentlicher Gewalt hier). Wann dieser Funktionsvorbehalt im Einzelnen eingreift, ist in Rechtsprechung und Literatur umstritten, doch wird man zumindest die klassische Eingriffsverwaltung als erfasst ansehen können. Private Sicherheitsdienste im Auftrag eines Trägers öffentlicher Gewalt sind deshalb nicht dazu befugt, im öffentlichem Raum die Befolgung von Corona-Schutzmaßnahmen selbständig durchzusetzen. Die Befugnisse entsprechen damit denen sog. City-Streifen oder von Sicherheitsdiensten im Auftrag eines Business Improvement Districts (BID). Das OLG Frankfurt hat diesen Komplex erst Anfang des Jahres erneut für die Überwachung des ruhenden Verkehrs durch ein privates Sicherheitsunternehmen in überzeugender Art und Weise aufgearbeitet. 

In manchen Bundesländern besteht die Möglichkeit, sog. Hilfspolizeibeamte zu bestellen und dies war auch in der erwähnten Entscheidung für das OLG Frankfurt zu berücksichtigen (vgl. § 99 HSOG, vgl. auch § 76 BremPolG§ 95 NPOG§ 95 POG RhPf§ 83 SOG LSA sowie § 63 BPolG). Die Befugnisse von Hilfspolizeibeamten entsprechen grundsätzlich denen von Polizeivollzugsbeamten. Diese Möglichkeit erfasst vor allem Personen, die schon Bedienstete von Trägern öffentlicher Gewalt sind, doch können auch sonstige Dritte bestellt werden. Regelmäßig sind jedoch die zulässigen Tätigkeitsbereiche für Hilfspolizeibeamte gesetzlich bestimmt und Eingriffe, wie sie mit den Corona-Schutzmaßnahmen verbunden sind, werden nicht erfasst. Für private Sicherheitsdienste müsste das Modell der Hilfspolizeibeamten ohnehin skeptisch betrachtet werden, weil deren gewöhnliche Ausbildung typischerweise einen Umfang aufweist (vgl. Anlage 2 der BewachV), der bezweifeln lässt, ob sie nach hinreichenden rechtsstaatlichen Maßstäben öffentliche Gewalt ausüben könnten.

Eine Möglichkeit zum Einsatz privater Sicherheitsdienste könnte sich über eine Beleihung ergeben, doch ist kein gesetzlicher Beleihungstatbestand ersichtlich. Für den Einsatz als Verwaltungshelfer bedarf es einer solchen gesetzlichen Regelung hingegen nicht. So wäre etwa möglich, dass sie kommunale Bedienstete begleiten und unterstützen, weil diese dann alle maßgeblichen Entscheidungen treffen können. Für eine Einordnung als Verwaltungshelfer dürfte es hingegen nicht ausreichen, wenn die kommunalen Bediensteten nicht vor Ort sind und der Kontakt zu diesen nur über Telefon oder Funk besteht. Im Falle von Corona-Schutzmaßnahmen kann es maßgeblich auf die tatsächlichen Umstände vor Ort ankommen und leider ist es auch nicht ausgeschlossen, dass schon der bloße Hinweis auf Verhaltensregeln zu einer Eskalation mit den Angesprochenen führt und weitere Herausforderungen bereitet. Unter diesen Umständen spricht vieles dafür, dass ein Träger öffentlicher Gewalt, der nur über Kommunikationsmittel zugeschaltet ist, nicht mehr Herr des Verfahrens ist und seine Entscheidungsbefugnis verliert. Stattdessen geht die Zuständigkeit in der Sache auf die Privaten über und es kommt zu einer unzulässigen faktischen Beleihung.

Privaten Sicherheitsdiensten im öffentlichen Raum, die selbständig agieren, bleiben damit nur die Jedermann-Rechte aus z.B. §§ 32 ff. StGB oder § 127 StPO. Daneben ist es für private Sicherheitsdienste möglich, Anzeigen bei der zuständigen Behörde zu erstatten, wenn Corona-Schutzmaßnahmen nicht eingehalten werden. Da es dafür aber regelmäßig der Identität bedarf und private Sicherheitsdienste nicht befugt sind, diese festzustellen, wird auch diese Möglichkeit nur geringe praktische Relevanz haben. Erwecken sie hingegen durch ihr Auftreten oder eine staatlich wirkende Uniformierung den Eindruck, zur Ausübung hoheitlicher Befugnisse berechtigt zu sein, kann dies sogar strafbar sein. Dies wiederum kann zu Notwehrrechten der Bürgerinnen und Bürger führen, was unter dem Eindruck vorhandener Renitenz bei manchen gesellschaftlichen Gruppen kaum wünschenswert ist.

Öffentliche Sachen, Hausrecht und Deutsche Bahn

Werden private Sicherheitsdienste zur Durchsetzung von Corona-Schutzmaßnahmen im Zusammenhang mit einer öffentlichen Sache im Verwaltungsgebrauch, etwa einem Dienstgebäude, beauftragt, erscheint eine andere Beurteilung möglich. In einem solchen Fall könnte man argumentieren, dass die Ausübung des Hausrechts der Erfüllung einer anderen Verwaltungsaufgabe dient, das Hausrecht hierfür nur eine unterstützende Funktion aufweist und die Eingriffsbefugnis deshalb nicht prägend für die Verwaltungsaufgabe ist (vgl. Pieper in Schmidt-Bleibtreu/Hofmann/Henneke, GG, Art. 33 Rn. 109). Im Übrigen wird in diesen Fällen ohnehin eine Einordnung als Verwaltungshelfer möglich sein. Ob dieses Relativieren der Eingriffsbefugnis aufgrund eines privatrechtlichen Hausrechts aber auch im Rahmen öffentlicher Sachen möglich ist, die nicht dem internen Verwaltungsgebrauch dienen, sondern wie kommunale Sport- oder Spielplätze dem externen Zivilgebrauch gewidmet sind, erscheint fraglich, weil dann das öffentlich-rechtliche Nutzungsverhältnis regelmäßig Vorrang genießen wird.

Wiederum anders ist die Situation zu bewerten, wenn private Sicherheitsdienste im Zusammenhang mit einer privatisierten Verwaltungsaufgabe tätig werden. Ein Aufgabenträger, der eine private Rechtsform aufweist, wird nicht öffentlich-rechtlich tätig (mit Ausnahme einer Beleihung), so dass es nicht um die Ausübung hoheitlicher Befugnisse geht und der Einsatz privater Sicherheitsdienste jedenfalls nicht mit Art. 33 Abs. 4 GG in Konflikt gerät. Relevant wird dies z.B. für die Deutsche Bahn AG. Diese hatte es in der Vergangenheit abgelehnt, in ihren Zügen die Einhaltung von Corona-Schutzmaßnahmen zu kontrollieren und durchzusetzen, obwohl sie mit der DB Sicherheit GmbH über einen eigenen Sicherheitsdienst verfügt. In solchen Konstellationen kann aber sogar eine Pflicht bestehen, einen privaten Sicherheitsdienst einzusetzen. Denn für öffentliche Unternehmen wie die Deutsche Bahn AG und ihre Tochterunternehmen, die zu 100 % im Staatseigentum stehen, besteht nach wie vor eine Grundrechtsbindung. Auch wenn es in der Praxis tatsächlich verschiedene Schwierigkeiten bereiten kann, in der Bahn eine Maskenpflicht durchzusetzen (z.B. drohende Verspätungen oder Zuständigkeit für Bußgeldregeln und deren örtlicher Anwendungsbereich), war die Deutsche Bahn gleichwohl zumindest aufgrund des Art. 2 Abs. 2 GG verpflichtet, die Einhaltung von Corona-Schutzmaßnahmen zu gewährleisten (vgl. auch § 4 Abs. 2 EVO) und hierfür gegebenenfalls auf ihren eigenen privaten Sicherheitsdienst zurückzugreifen. Die Änderung der bahneigenen Hausordnung oder Beförderungsbedingungen war hierfür nicht notwendig, weil die vollständig im Staatseigentum stehende Bahn nicht sehenden Auges die gesundheitsgefährdenden Verstöße gegen Corona-Schutzmaßnahmen in ihren Zügen hätte ignorieren dürfen. Dass der Bundesverkehrsminister dies unlängst von der Deutschen Bahn eingefordert hat, ist verdienstvoll, hätte aber eigentlich nicht notwendig sein sollen.

Fazit

Das Bedürfnis nach Unterstützung bei der flächendeckenden Durchsetzung von Corona-Schutzmaßnahmen, das viele Kommunen derzeit verspüren werden, ist nachvollziehbar und verständlich. Dass allerdings gerade private Sicherheitsdienste eine pauschale Lösung bieten, muss bezweifelt werden.


Leave A Comment

WRITE A COMMENT

1. We welcome your comments but you do so as our guest. Please note that we will exercise our property rights to make sure that Verfassungsblog remains a safe and attractive place for everyone. Your comment will not appear immediately but will be moderated by us. Just as with posts, we make a choice. That means not all submitted comments will be published.

2. We expect comments to be matter-of-fact, on-topic and free of sarcasm, innuendo and ad personam arguments.

3. Racist, sexist and otherwise discriminatory comments will not be published.

4. Comments under pseudonym are allowed but a valid email address is obligatory. The use of more than one pseudonym is not allowed.




Explore posts related to this:
Coronavirus, Private Sicherheitsdienste, Schutzmaßnahmen


Other posts about this region:
Deutschland