Beck to History
Ja, der Beck-Verlag hat sich bewegt. In der jüngsten, der 77. Auflage des „Palandt“ befindet sich unter der Rubrik „Verzeichnis der ausgeschiedenen Bearbeiter“ ein Eintrag zu „Otto Palandt (∗ 1. Mai 1877 – † 3. Dezember 1951)“, in dem erstmals im Kommentar selbst und nicht nur in anderen Verlagspublikationen auf die nationalsozialistischen Verstrickungen des ersten Herausgebers des Beck’schen Kurzkommentars zum BGB hingewiesen wird. Der Verlag vermerkt zudem, dass Otto Palandt nie auch nur einen einzigen Paragraphen des Palandt kommentiert, dafür aber in Vorwort und Einleitung des Kommentars dessen Interpretation im Sinne des Nationalsozialismus propagiert hatte. Zu weiteren „Informationen, Hintergründen und den vielzähligen diesbezüglichen Publikationen des Verlags“ verweist der Verlag C.H. Beck oHG auf die Homepage des Kommentars. Hier werden nun unter dem Reiter „Otto Palandt“ mehr als 60 Texte aufgelistet, darunter Publikationen des Verlags zur Debatte zur Person Otto Palandt sowie zu seiner Biographie, zur Geschichte und Bezeichnung des Kommentars sowie zur Rolle des Rechts und der Justiz im Nationalsozialismus.
Keine Umbenennung
Was will man mehr? Wie anders sollte ein Verlag verdeutlichen, dass er sich, wie der Beck-Verlag auf der Palandt-Homepage schreibt „seiner Verantwortung zu Geschichte und Titel des Werks sehr bewusst“ ist? – Ganz einfach: durch einen weiteren Schritt der Distanzierung vom nationalsozialistisch eingefärbten Erstherausgeber. So zumindest fordert es die mutige, vorwiegend studentische Initiative „Palandt umbenennen“. Die Referenz auf Palandt im Deckblatt des Beck’schen Kurzkommentars solle im Zuge einer Umbenennung endlich verschwinden. Als Namensgeber schlägt die Initiative u.a. Otto Liebmann vor, den jüdischen Verleger, der die Deutsche Juristenzeitung herausgegeben und die Reihe „Kurzkommentare“ begründet hatte, seinen Verlag aber im Zuge der Machtergreifung der Nationalsozialisten an den Beck-Verlag veräußern musste (ausf. Begründung bei van de Loo, JZ 2017, 827 ff.).
Der Beck-Verlag hat sich gegen eine solche Umbenennung entschieden und stattdessen den u.a. von Martin Rath geäußerten Vorschlag aufgegriffen, der sich für „eine Art historischen ‚Stolperstein‘“ im Kommentar stark gemacht hatte. Das solle zur kritischen Geschichtsreflexion anregen: „Wir halten“, schreibt der Verlag „am Titel ‚Palandt‘ bewusst fest, nicht zuletzt damit die Geschichte der Entstehung des Werks präsent bleibt und auch in Zukunft Anlass zur Reflexion bietet“.
Ganz ähnlich hatte Michael Stolleis einst Initiativen verschiedener Fachschaften, den Maunz/Dürig wegen der Verstrickungen von Theodor Maunz in den Nazismus umzubenennen, zurückgewiesen. Das bewirke, so schrieb Stolleis seinerzeit „nicht mehr als ein optisches Verschwinden durch Übermalung“. Dabei sollte es doch nicht „um eine Art postumer Ächtung von Maunz [gehen], sondern um kritisches Verstehen” (ders., Recht im Unrecht, 2005, 313).
Erinnerungskultur
Ist das tatsächlich ein angemessener Weg für eine rechtswissenschaftliche Erinnerungskultur in der Berliner Republik? Stolpersteine als erläuternde Hinweise auf Täter zur Anregung „kritischen Verstehens“? Ermöglicht es tatsächlich eine reflektierte Unrechtserinnerung, wenn in Herxheim die Hitler-Glocke versehen mit einer Mahntafel läutet und in München ein juristisches Standardwerk, das Maßstäbe in Rechtsanwendung und -ausbildung formulieren sollte und doch nach nationalsozialistisch belasteten Juristen benannt ist, um einen „historischen Stolperstein“ ergänzt wird?
Bei solcherlei juridischer „Stolpersteinpraxis“ stockt einem der Atem. Und man wundert sich: Keiner der aktuellen Bearbeiterinnen und Bearbeiter des Kommentars meldet sich in dieser Debatte, die derzeit vorwiegend zwischen Studierenden und dem Verlag geführt wird, zu Wort. Ist es Gerd Brudermüller, Jürgen Ellenberger, Isabell Götz, Christian Grüneberg, Sebastian Herrler, Hartwig Sprau, Karsten Thorn, Walter Weidenkaff, Dietmar Weidlich und Hartmut Wicke nicht unangenehm, wie der Diskurs im Hause Beck um die Erinnerung an historisches Unrecht geführt wird? Ist es Ihnen egal?
Stolpersteine als Opfergedenken
Die Kultur der Stolpersteine geht auf eine Initiative des Künstlers Gunter Demnig aus dem Jahr 1992 zurück. Durch im Boden verlegte Gedenktafeln wollte er an die Opfer des Nationalsozialismus erinnern und hat damit eine Praxis begründet, die nunmehr in 21 europäischen Ländern als Form des Opfergedenkens gepflegt wird. Stolpern heißt hier, dass ein Unterbrechung im Alltag (beim Einkaufen, auf dem Weg zum Arzt oder wo auch immer) auf die fortwährende Abwesenheit der Opfer des Nationalsozialismus aufmerksam machen soll, also darauf, dass die Konfiguration der Gegenwart durch die Abwesenheit der Opfer des NS geprägt ist. Hier liegt denn auch der zentrale Unterschied zum „Stolperstein“-Hinweis im Beck’schen Kurzkommentar, der nicht die Opfer sichtbar macht, sondern die Täter-Präsenz im Kommentar-Titel durch erläuternde Hinweise zu seiner Person verdoppelt.
Auf Täter verweisende Stolpersteine pervertieren die Idee des Opfergedenkens durch Stolpersteine. Sie sind historische Fußnoten im bleiernen Getriebe des Weiter-so. In der Beibehaltung der Namensgebung des Kurzkommentars kommt eine Traditionslinie der deutschen Rechtswissenschaft zum Ausdruck, die nahtlos an den Nationalsozialismus anknüpft.
Erst eine Tilgung des Namens Palandt macht mit dieser Politik des zustimmenden Schweigens Schluss. Der Stolperstein à la C.H. Beck ist hingegen kein Ausdruck aufgeklärter Erinnerungskultur, sondern annotiert die Kontinuität des Unrechts. Er stellt eine Form der Erinnerung dar, die die Opfer des Nationalsozialismus verhöhnt und das Kontinuum der Gewalt gerade nicht durchbricht, sondern perpetuiert. Es ist eine Zumutung – nicht nur aber gerade auch für die Angehörigen von Opfern des Nationalsozialismus – bei der rechtswissenschaftlichen oder -praktischen Beschäftigung mit dem Recht ein Buch lesen, zitieren und zitiert sehen zu müssen, das auf einen Justizfunktionär des Nationalsozialismus verweist und an dem man aufgrund seines monopolistischen Status im Zivilrecht nicht vorbei kommt, ohne die fachlichen lege-artis-Regeln zu verletzen.
Bruch mit dem Tätergedenken
Wie sollte Sakralgeläut durch eine Hitler-Glocke je möglich sein? Wie könnte je demokratische Rechtskultur im Buch eines Unrechts-Juristen zum Ausdruck kommen können? Wie kann ein Rechtskommentar im 21. Jahrhundert den Namen eines Unrechts-Juristen des 20. Jahrhunderts tragen? Wie kann man es als Bearbeiterin und Bearbeiter eines Standardkommentars, der nach dem Verfechter eines Unrechtsregimes benannt ist, stillschweigend hinnehmen, zu einer solchen Perpetuierung des Unrechts beizutragen?
Dass dieses Tätergedenken im Recht bis heute im Namen vermeintlich „aufgeklärter Erinnerungskultur“ möglich ist, ist skandalös. Zu Zwecken aufgeklärter Erinnerungskultur in Adolf Eichmann-Zügen zu reisen, Rechtsprechung in Rudolf Freisler-Justizpalästen zu üben, die Bundeswehr in Generalfeldmarschall-Rommel-Kasernen zu stationieren oder über Rudolf Heß-Plätze zu flanieren, ist ein absurder Gedanke – an den sich der Verlag offenbar allein deshalb klammert, weil er den Markennamen seines Bestsellers konstant halten möchte.
Nein! Sogenannte Stolpersteine, die mit der Kontinuität des Tätergedenkens nicht brechen, sind der falsche Weg. Erst wenn Otto Palandt vom Deckblatt des Beck’schen Kurzkommentar zum BGB verschwunden, Otto Liebmann als Opfer einer intellektuellen Enteignung zu seinem historischen Recht gekommen und die dunkle Periode, in der der Liebmann zu Unrecht Palandt hieß, im Kommentar beleuchtet wird, ist so etwas wie ein Eingedenken der Vergangenheit oder ein kritisches Verstehen in der Erinnerungskultur des Verlages C.H. Beck möglich.
Vielen Dank für diesen überfälligen Artikel.
Einmal mehr haben wirtschaftliche Interessen den Vorrang vor einer konsequenten Aufarbeitung der NS-Geschichte.
Die Stolperstein-“Argumentation” des Beck-Verlages ist wirklich lächerlich. Ihren Vergleich mit den Namen anderer NS-Größen hingegen finde ich sehr gelungen.
Es bleibt zu hoffen, dass die Kommentierenden, möglicherweise durch internen Druck, Hebel in Gang setzen.
Ein bequemes wie unnötiges Thema im Jahr 2018.
Wie wär’s denn stattdessen mit dem Riesenproblem der Normenklarheit?
Das sollte Schwerpunkt jeder verfassungsrechtlichen Diskussion sein und nicht irgendwelche ewiggestrigen Überlegenheitsdiskussionen, die noch nicht einmal mehr die längst ausgestorbenen Revisionisten führen.
Nicht der Beck-Verlag ist der Feind, sondern der Gesetzgeber, der seinem Volk die Befolgung von Gesetzen zumutet, die er selbst zu schreiben nicht mehr imstande ist.
Kommentare wie Ihrer halten genau diese Überzeugung wach, für die in diesem Artikel bestimmten Anschauungen und gegen die Auswüchse der fachlichen Ignoranz und solch fürchterliche Freund-Feind-Bestimmungen einzustehen.
Grüße aus der Studierendenschaft
Toller Beitrag!
Finde ich wichtig! Danke dafür!
Nun, so völlig undenkbar absurd wie der ICE Adolf Eichmann ist die Rommel-Kaserne ja nun nicht, es gibt immerhin drei davon:
https://de.wikipedia.org/wiki/Rommel-Kaserne
Ja, das ist richtig. Mir war auf die Schnelle keine elegante Formulierung für die Unterscheidung fiktiver und real-existierender Benennungen aufgefallen. Das war mir aber auch nicht wichtig, denn mE überwiegt die Absurdität als gemeinsames Merkmal. – A propos absurd: Die Gestaltungskraft einer Verteidigungsministerin reicht offensichtlich nicht einmal soweit, sich mit dem Vorschlag durchzusetzen die Rommel-Kasernen umzubenennen: https://www.ndr.de/nachrichten/niedersachsen/Von-der-Leyen-will-Kasernen-umbenennen,bundeswehr1672.html
Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Fischer-Lescano,
hinsichtlich Ihres Hauptanliegens möchte ich mich an dieser Stelle nicht äußern.
Allerdings möchte ich höflich daraufhin weisen, dass es unangebracht und wissenschaftlich nicht fundiert ist, Rommel in einem Atemzug mit Freisler und Eichmann zu nennen.
Nach aktuellem Stand der militärhistorischen Forschung (vgl. nur Peter Lieb, Erwin Rommel: Widerstandskämpfer oder Nationalsozialist?, in: Vierteljahrshefte für Zeitgeschichte 61 (2013), S. 321-361) war Rommel in die Anschlagspläne des 20. Juli nicht nur eingeweiht, vielmehr noch billigte und unterstützte er sie sogar. Die entsprechende Kasernenbenennung ist damit auch grundsätzlich unproblematisch.
Die anfängliche Begeisterung Rommels über das NS-Regime und seine in gewisser Weise politische Naivität rechtfertigen dagegen keine Gleichstellung mit dem Organisator des Holocaust und dem obersten Scharfrichter des NS-Regimes in Richterrobe, sondern erfordern eine differenzierte Darstellung.
Abschließend darf noch daran erinnert werden, dass Rommel aufgrund seiner Verbindungen zum militärischen Widerstand zur Einnahme eines tödlichen Gifts von der Entourage des Diktators gezwungen wurde.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Christian Richter
Lieber Christian,
tatsächlich spricht so einiges gegen jedweder Benennung nach Erwin Rommel. Der von dir zitierte Beitrag spricht auf S. 322 Rommels Rolle bei der völkerrechtswidrigen Behandlung italienischer Soldaten an, die als sog. Militärinternierte in die Zwangsarbeit deportiert wurden und dort vielfach an Überarbeit und Unterernährung starben. (Vgl. dazu IGH, Jurisdictional Immunities, Rn. 99). Auf derselben Seite des Beitrags finden sich Hinweise auf die unter Rommel stattgefundene Deportation italienischer Zwangsarbeiter, sowie ein weiterer völkerrechtswidriger Befehl Rommels bzgl italienischer Soldaten: „Irgendwelche sentimentalen Hemmungen des deutschen Soldaten gegenüber badogliohörigen Banden in der Uniform des ehemaligen Waffenkameraden sind völlig unangebracht. Wer von diesen gegen den deutschen Soldaten kämpft, hat jedes Anrecht auf Schonung verloren und ist mit der Härte zu behandeln, die dem Gesindel gebührt, das plötzlich seine Waffen gegen seinen Freund wendet. Diese Auffassung muss beschleunigt Allgemeingut aller deutschen Truppen werden.“
All das lenkt aber letztlich nur vom eigentlichen Thema ab, zu dem du dich leider nicht äußern möchtest: Zu Otto Palandt gibt es keine zwei Meinungen. Niemand versucht auch nur sein Ansehen aufzupolieren. Von daher ist dieser Beitrag ein weiterer wichtiger Teil einer Debatte, deren Ende längst überfällig ist.
Der Name „Palandt“ sollte besser gestern als heute vom Cover des „Beck’schen Kurzkommentar zum BGB“ verschwinden.
Lieber Herr Richter, die einen sagen so (wie Sie), die andern sagen so (wie Daniel Stendal, Ein Mythos wankt. Neue Kontroverse um den “Wüstenfuchs” Erwin Rommel, 2017).
Ihr Beitrag zeigt aber mE sehr gut, wie weit her es mit der Erwartung von Stolleis u.a. ist, dass solcherlei Namensgebung zur “kritischen Reflexion” anregt… Beste Grüße, afl
Rudolf Freisler?
Roland hieß er..
Sorry fürs Klugscheißen, ansonsten guter Artikel
Ja, längst überfällig! Am besten auch gleich die Ordnungsnummern im Schönfelder anpassen (2-19, seriously?).
In meinem Sprachgebrauch gibt es keinen Palandt mehr. Nur den Liebmann. Und wem ich erzähle, etwas im Liebmann nachgeschlagen zu haben, der oder die stolpert über meine Wortwahl. Stolperstein ist Stolperstein.
“„Wir halten“, schreibt der Verlag „am Titel ‚Palandt‘ bewusst fest, nicht zuletzt damit die Geschichte der Entstehung des Werks präsent bleibt und auch in Zukunft Anlass zur Reflexion bietet“.”
Eine sehr schwache Argumentation des Verlags. Die Geschichte der Entstehung des Werks kann auch dadurch präsent gehalten werden, dass man sich – nach einer Namensänderung – daran erinnert, wie der Kommentar früher einmal hieß und WARUM es zu einer Namensänderung kam.
Daher: Ein wichtiger, längst (!) überfälliger und guter Beitrag von Prof. Fischer-Lescano, der auf eine wichtige Problematik aufmerksam macht und dem ich dankend zustimme.
FG
Waqar Tariq
„So zumindest fordert es die mutige, vorwiegend studentische Initiative „Palandt umbenennen“.“
Auf der Webseite sind die Namen der Mitwirkenden einzusehen. Das ist anerkennenswert. Es wäre trotzdem wünschenswert gewesen, wenn die Ausführungen im Artikel zum „Mut“ der Initiative ausführlicher gewesen wären.
„Bei solcherlei juridischer „Stolpersteinpraxis“ stockt einem der Atem.“
Würde das Heben der Augenbraue nicht genügen? Dass wegen der Ausführungen des Beck-Verlages gleich der Atem stockt, macht in Hinblick auf den vielen Unfug, der – vielleicht auch von mir – geschrieben wird, Sorgen, was die Gesundheit des Autors angeht.
Dass Palandt in Vorwort und Einleitung des Kommentars die Interpretation des BGB im Sinne des Nationalsozialismus propagiert hatte, überrascht mich nicht. Gab es in dieser Zeit Herausgeber von Kommentaren, die dies nicht propagiert haben? Oder hat Palandt sich bei der Propagierung besonders hervorgetan? Da er nicht selbst kommentiert hat, hat er das BGB immerhin nicht im Sinne des Nationalsozialismus kommentiert (auch wenn er vermutlich bei anderen Gelegenheiten das Recht im Sinne des Nationalsozialismus ausgelegt hat).
Und was folgt daraus für die Zeit nach 1949: z.B. in Hinblick auf das Urteil 1 BvR 550/52 vom 10. Mai 1957 (BVerfGE 6, 389 – Homosexuelle )? Genügt es, dass das BVerfG in späteren Entscheidungen die Würde von Homosexuellen anders beurteilt hat? Oder sollte sich das BVerfG von der Entscheidung und den beteiligten Richtern ausdrücklich distanzieren? Weil das BVerfG Verantwortung für den Unfug zu übernehmen hat, der von ihm verzapft wurde?
Ach ja, die Hitler-Glocke. Demnächst kriegen die jungen Leute bestimmt heraus, dass der Hitler was mit dem Berliner Olympiastadion zu tun hatte, dann muss das auch noch weg. Und die Autobahnen erst … Ob so ein Geschichtsexorzismus durch Beseitigung aller physischen NS-Zeugnisse wirklich weiterhilft?
Aber der Name des “Palandt” bedeutet die Ehrung eines Unwürdigen, da hat der Autor einfach recht.
Lieber Felix,
vielen Dank für Deinen Beitrag , der letztlich meine These vollumfänglich stützt. Rommel in einem Zug mit Eichmann und Freisler zu nennen, ist unakzeptabel und wissenschaftlich nicht seriös.
Daran können auch ein möglicherweise völkerrechtwidriger Befehl und ein völkerechtlich nicht unproblematischer Befehl, der kontextlos zitiert wird, sicherlich nichts ändern. Die zitierte IGH Entscheidung zeigt im Übrigen, soweit ich sie richtig verstehe, dass die damalige deutsche Regierung und das BverfG im Jahr 2001 der Auffassung war, dass die internierten ehemaligen Angehörige der italienischen Streitkräfte den Status als Kriegsgefangene seinerzeit nicht verloren und entsprechend auch keine Entschädigungsansprüche haben. Kriegsgefangene sind grundsätzlich auch zur Arbeit verpflichtet. Letztlich geht es in der IGH Entscheidung auch nicht um die Frage der persönlichen rechtlichen Verantwortung Rommels. Die spätere schlechte Behandlung der ins Deutsche Reich deportierten „Militärinternierten“ konnte Rommel im September 1943 noch nicht ahnen – so Peter Lieb ( S. 322).
Du beziehst Dich auf wenige Zeilen des von mir zitierten Beitrages von Lieb, teilst aber seine Bewertung des Befehls und das Ergebnis der Studie nicht mit. Lieb verweist unter anderem auf den regelmäßig nicht zitierten letzten Satz des Befehls: “Entsprechende Warnung ergeht an die Italiener über alle italienische Sender.“ Insofern sollten den Soldaten des nunmehr feindlichen Italiens die Gelegenheit zur Aufgabe gegeben werden. Lieb kommt zu dem Schluß, dass Rommel ein fester Platz im militärischen Widerstand zuzugestehen ist. Zudem stellt er fest, dass viele Maßnahmen aus dieser Zeit völkerrechtlich schwierig zu bewerten sind.
In diesem Zusammenhang hatte ich Dich seinerzeit freundlich darauf aufmerksam gemacht, dass nach beispielsweise dem sogenannten Prozeß gegen die Südostgeneräle Geiselerschießungen zur Zeit des Zweiten Weltkrieges per se als nicht völkerrechtswdrig eingestuft wurden. Lediglich die exzesive Durchführung wurde als völkerrechtwidrig bewertet. Diesen Hinweis hattest Du ja dann auch in Deinem Blogbeitrag (http://www.juwiss.de/42-2016/) dankenswerterweise aufgenommen.
Im Übrigen wird der zitierte Befehl durch viele andere Befehle und Entscheidungen deutlich konterkariert; exempli gratia Rommels Weigerung, die von Hitler angeordnete eklatant völkerrechtswidrige Erschießung von deutschen politischen Flüchtlinge, die als Angehörige der Französischen Fremdenlegion in Afrika gefangengenommen wurden, durchführen zu lassen(vgl. Remy, Mythos Rommel, 2002, S. 92).
Insofern gibt es nur sehr wenig, was gegen einen Namensgebung spricht. Die Traditionsrichtlinien Deines derzeitigen Arbeitgebers dürften Dir bekannt sein. Die Beteiligung am militärischen Widerstand im weiteren Sinne reicht schon aus, um „tradditionswürdig“ zu sein.
Gerade wenn ein Mensch in solch schwierigen und extremen Zeiten, wie denen des Nationalsozialiusmus gelebt hat, ist die gesamte Persönlichkeit und seine vollständige Lebensbilanz zu berücksichtigen. Ein aus dem historischen und völkerrechtlichen Zusammenhang gerissener Befehl aus einem lediglich mehrwöchigen Intermezzo (Rommels Verwendung in Italien vom 20. Mai bis zum 12. Juli 1943) reicht dafür nicht aus.
Der Beitrag aus dem Off der Pseudonymität stützt ebenfalls meine These. Wenn es so ist, dass die einen es so sagen, und die anderen so, dann gibt es eine kontroverse wissenschaftliche Auseinandersetzung über das Wirken der Person Rommels in der dunkelsten Zeit der deutschen Geschichte. Die Bewertung des Wirkens der Personen Eichmann und Freisler hingegen ist eindeutig. Die zitierte andere Stimme (Daniel Stendal, Ein Mythos wankt. Neue Kontroverse um den “Wüstenfuchs” Erwin Rommel, 2017) ist nach meinen Kentnissen übrigens eine veröffentlichte Bachelorabeit.
Zudem scheint Stolleis vielleicht auch Recht zu behalten, dass eine entsprechende Namensgebung zur “kritischen Reflexion” führt. Hier wurde doch recht kritisch diskutiert, ob man selbst auch ausreichend kritisch reflektiert hat, sollte allerdings jedem selbst überlassen bleiben.
Ungeachtet der Frage, ob man Rommel dem militärischen Widerstand zurechnet oder nicht, ersteres entspricht dem Stand der aktuellen militärhistoriographischen Forschung, bleibt klar, dass er nicht mit Eichmann und Freisler gleichzusetzen ist. Alles ander e ist nicht nur unwissenschaftlich, sondern auch absurd.
Ich denke, es ist alles gesagt.
Bon week-end
Viele Grüße
Christian
„Auf Täter verweisende Stolpersteine pervertieren die Idee des Opfergedenkens durch Stolpersteine. Sie sind historische Fußnoten im bleiernen Getriebe des Weiter-so. In der Beibehaltung der Namensgebung des Kurzkommentars kommt eine Traditionslinie der deutschen Rechtswissenschaft zum Ausdruck, die nahtlos an den Nationalsozialismus anknüpft.“
Ein überfälliges und zum Erstaunenen vieler bisher vernachlässigtes Problem, was Herr Prof. Dr. Fischer-Lescano hier erwähnt und derart umschreibt, das für ein Gegenargument hierzu keinerlei Raum mehr übrig bleibt.
Fraglich bleibt dann nur, weshalb durch den Beck-Verlag noch nichts unternommen wurde..
Ich habe den Palandt abgeschafft und arbeite nun mit Prütting/Wegen/Weinreich. Wenn der Beck-Verlag nicht handeln will, sollte der Konsument handeln. Qualitativ sehe ich bei beiden Werken keinen Unterschied.
[…] eines berüchtigterweise erzkonservativen Verlags. Der Beck-Verlag will schließlich seit Jahren nicht den „Palandt“ umbenennen, ein Standardwerk für Studierende, die deshalb damit klar kommen müssen, hundertmal am Tag den […]