Bestimmt der Schweizer Souverän, was zwingendes Völkerrecht ist und was nicht?
In der Schweiz kann man derzeit den einzigartigen Fall beobachten, dass eine Regierung ihr Volk daran zu hindern versucht, die eigenen verfassungs- und völkerrechtlichen Bindungen zu vergewaltigen.
Gestern hat der Schweizer Bundesrat entschieden, die so genannte “Durchsetzungsinitiative” nur in redigierter Form dem Parlament vorzulegen. Das ist eine Initiative der rechtspopulistischen SVP für einen Volksentscheid, der die berüchtigte “Ausschaffungsinitiative” von 2010 noch einmal um eine Zehnerpotenz krasser machen soll.
Es geht dabei darum, dass Ausländer, die mit dem Strafrecht in Konflikt geraten sind, abgeschoben werden müssen, und zwar ohne viel Federlesen und Verhältnismäßigkeitserwägungen und Rechtsschutz und was der spießigen Bedenkenträgereien mehr sind. Das will das Schweizervolk ausweislich des Abstimmungsergebnisses 2010 offenbar so haben, und die SVP beugt sich hingebungsvoll ihrer Pflicht, ihm seinen vermeintlichen Willen zu verschaffen.
Im Wege steht diesem Willen aber der Umstand, dass das Schweizervolk völkerrechtlich nun mal leider nicht alles tun darf, was es gern tun möchte. Daran sehen sich Regierung und Justiz gebunden, und deshalb ist es in der ausländerrechtlichen Realität immer noch nicht so, wie die SVP und die von ihr mobilisierte Mehrheit von 2010 es wohl gerne hätten.
Deshalb jetzt die Durchsetzungsinitiative: Wenn Regierung und Justiz nicht hören wollen, was das Schweizervolk sagt, so die SVP-Logik, muss das Volk eben etwas lauter werden.
Zu den völkerrechtlichen Bindungen, die einer Abschiebung im Wege stehen können, gehört das so genannte zwingende Völkerrecht: Das verbietet Sklaverei, Folter und Genozid und solche Dinge, und deshalb darf man niemanden in ein Land abschieben, in dem ihm dergleichen droht. Wo die Grenzen verlaufen, ist aber umstritten, und deshalb enthält die Initiative folgenden Passus:
Die Bestimmungen über die Landesverweisung und deren Vollzugsmodalitäten gehen dem nicht zwingenden Völkerrecht vor. Als zwingendes Völkerrecht gelten ausschliesslich das Verbot der Folter, des Völkermords, des Angriffskrieges, der Sklaverei sowie das Verbot der Rückschiebung in einen Staat, in dem Tod oder Folter drohen.
Den zweiten Satz dieses Paragraphen hat nun der Schweizer Bundesrat für ungültig erklärt. Und das sorgt jetzt für Aufregung, und zwar weit über die SVP hinaus.
Das liegt zunächst daran, dass es das noch nie gab, dass der Bundesrat zwischen gültigen und ungültigen Teilen einer Initiative unterscheidet. Kann er das überhaupt? Liefe das nicht darauf hinaus, dass die Regierung die Initiative gewissermaßen umschreibt, bevor über sie abgestimmt wird?
Zum anderen sieht sich die Regierung dem Vorwurf ausgesetzt, selber nicht genau sagen zu können, was alles zum zwingenden Völkerrecht dazugehört und was nicht. Wie kommt die Regierung dazu, das Volk daran hindern zu wollen, hier mal für ein bisschen Klarheit zu sorgen?
Das ist aber ja nun gerade der Punkt beim zwingenden Völkerrecht: Das ist kein gesetztes Recht, das seine Geltung aus dem Willen von Gesetzgebern oder Vertragsparteien ableitet, sondern im Gegenteil – das ist das Recht, dem sich dieser Wille unterzuordnen hat. Wo es herkommt, dieses Recht? Ob man das Naturrecht oder anders nennt, jedenfalls kann das, was dieses Recht umfasst, nicht abschließend vertraglich oder gar verfassungsrechtlich geregelt sein.
Deshalb scheint mir der Versuch, in die Verfassung reinzuschreiben, was zwingendes Völkerrecht ist, von vornherein ein Widerspruch in sich. Das wäre so, als würde man dem Vermieter erlauben, einseitig im Mietvertrag zu definieren, was unter Sittenwidrigkeit zu verstehen ist.
Diesen Teil der Initiative für ungültig zu erklären, scheint mir daher für sich genommen gut verteidigbar. Aber auch der Rest der Initiative hat es in sich. Bundesrätin Simonetta Sommaruga hat ein Beispiel gebildet, welche Folgen ihr Erfolg in der Abstimmung hätte: Wenn sich etwa eine nicht vorbestrafte Französin bei dem Versuch erwischen ließe, bei einem Antrag auf Sozialhilfe zu mogeln, müsste sie rausgeschmissen werden und dürfte mindestens zehn Jahre lang die Schweiz nicht mehr betreten. Dass sie vielleicht seit Jahrzehnten hier lebt, hier Kinder hat und nicht der leiseste Hinweis darauf existiert, dass sie erneut straffällig wird, all das könnte, nein: dürfte für die Schweizer Behörden keine Rolle spielen.
Von dem Verstoß gegen das Freizügigkeitsabkommen mit der EU ganz zu schweigen. Die Schweiz wäre zum Völkerrechtsbruch gezwungen, und das in einem Moment, da sie sich ohnehin als Opfer völkerrechtswidriger Übergriffe großer Nachbarländer wie Deutschland fühlt.
Ob es der Justiz erneut gelänge, durch Verfassungsauslegung diese eklatanten Folgen in den Griff zu bekommen, kann ich nicht beurteilen. Aber dass es sehr viel schwerer würde, scheint mir auf der Hand zu liegen. Kann man sich noch auf den Vorrang des Völkerrechts nach Art. 190 BV berufen, wenn künftig Art. 197 für den Spezialbereich der Ausweisung und ihres Vollzugs das Gegenteil anordnet?
Man kann nur hoffen, dass die Mehrheit der Schweizerinnen und Schweizer rechtzeitig erkennt, dass es nicht in ihrem Interesse liegt, sich über die rechtlichen Bindungen, die das Völkerrecht ihnen und uns allen auferlegt, allzu leichtfertig lustig zu machen.
“Als zwingendes Völkerrecht gelten ausschliesslich das Verbot der Folter, des Völkermords, des Angriffskrieges, der Sklaverei sowie das Verbot der Rückschiebung in einen Staat, in dem Tod oder Folter drohen”
Bei Lichte besehen, handelt es sich nur um eine Regelung des staatlichen Rechts, die bestimmt, welche Regeln des Völkerrechts, die Schweizer Rechtsordnung als zwingendes Völkerrecht anerkennt. Dass das unzulässig ist, lässt sich nur mit höherrangigen Regeln des staatlichen Rechts begründen, die eine weiterreichende Völkerrechtsfreundlichkeit vorsehen und deshalb verletzt wären. Welche könnten das sein?
Hier ist – bei allem Verständnis für die übrigen Einlassungen zum Thema – der o.a. einseitigen und dazu völlig unbegründeten Behauptung des Autors zumindest in Bezug auf Deutschland bereits im Hinblick auf das Völkerstrafgesetzbuch (VStGB) und auch das Grundgesetz (GG) entschieden zu widersprechen. Es bedarf an dieser Stelle keineswegs des bereits von Carl Schmitt und Theodor Maunz und anderen Vordenkern und Nachbetern der Nationalsozialisten präferierten ungeschriebenen Naturrechts (genauer göttlichen Rechts, wobei die Götter immer die Machthaber sind), welches aufgrund seiner ungeschriebenen »Werte« – selbstverständlich – der »Auslegung«, also Definition von ausschließlich Juristen bedarf, deren Meinung also ausgeliefert ist, weil es selbst ja weder existiert noch sich durch einen entgegengesetzten Wortlaut wehren kann. Völkerrecht kann also erwiesenermaßen sowohl abschließend (mit Erweiterungsoptionen) als auch vertraglich und sogar verfassungsrechtlich geregelt sein.
Vielleicht wäre es aber auch so, als würde man – in Ablehnung »guter« deutsche »Rechtspraxis« – einem Juristen verbieten, einseitig zu definieren, was unter Völkerrecht zu verstehen ist und was nicht, und ihn damit dem Wortlaut des Völkerrechts unterwerfen? Ich weiß, für Juristen ein unerträglicher Zustand.
@Hans Berger
Es ist Vieler Wunsch, menschlicher Wunsch, sich auf eine Ordnung des Zusammenlebens berufen zu können, dass diese Ordnung nicht hinterfragbar sei und keiner Legitimation bedürfe.
Das ist Jahrtausende Ideologie von einem „Recht an sich“, von „Werte an sich“. Aber das als „Recht“, als „Werte“ Bezeichnete ist nichts anderes als auf Tafeln, Papier oder anderes Material fixierter Ausdruck des historisch jeweils herrschenden Verständnisses von einer Ordnung des Zusammenlebens.
Es fixiert aber nicht die Mittel und Bedingungen, die dadurch bedingte Ordnung der Art und Weise des Zusammenlebens, die Machtverhältnisse.
„Recht“ muss deshalb deren Veränderungen folgen, um das Zusammenleben nicht zu gefährden und folgte bisher stets veränderten Machtverhältnissen.
Das Verändern oder Nichtverändern von „Recht“, warum es wie oder nicht zu verändern ist, ist deshalb weder ein juristisches noch ein Ergebnis einer Rechts-Definition von Juristen. Freilich (deshalb) auch kein Thema im Verfassungsblog
@Hartmut Rensen: Ich denke, @Max hat (wieder) den Nagel auf den Kopf getroffen. Bei zwingendem Völkerrecht geht es nicht darum, ob eine staatliche Rechtsordnung dieses anerkennt. Die Bindung ist schon da. Zwar “nur” völkerrechtlich, nicht innerstaatlich. Aber das ändert an der völkerrechtlichen Verantwortlichkeit nichts, falls etwa Behörden sich nur an das innerstaatliche Recht halten. Die Schweizer Bundesverfassung von 1999 bestimmt in Art. 5 Satz 4 “Bund und Kantone beachten das Völkerrecht”. Das kann man nicht gewährleisten, wenn nur ein Subset des zwingenden Völkerrechts bei “Landesverweisungen” beachtet werden sollen.
@Aufmerksamer Leser: Einverstanden. Tatsächlich bezog sich meine Äußerung auf die vom Bundesrat aufgeworfene Frage der innerstaatlichen Wirksamkeit und nicht auf die Frage der Völkerrechtswidrigkeit. Kurz: Fehlt es an einem höherrangigen Gebot der Völkerrechtsfreundlichkeit, kann der Schweizer Gesetzgeber für die innerstaatliche Rechtsordnung entscheiden, was als zwingendes Völkerrecht gelten soll. Allerdings haben Sie meine Frage beantwortet und eine Norm der Schweizer Verfassungsrechts genannt, die ein Gebot der Völkerrechtsfreundlichkeit enthält. Jedoch betrifft das lediglich die materielle Seite des ungewöhnlichen Vorgehens. Hier also die Anschluss-Frage: War der Bundesrat für die Maßnahme zuständig und befugt?
@Hartmut Rensen: Angesichts der zitierten Norm scheint es mir schwer vorstellbar, dass man über die nicht korrigierte Fassung abstimmen könnte in einem – von Behörden – organisierten Verfahren.
@Aufmerksamer Leser: Das sehe ich ebenso. Meine Frage zielt auf die Rechtsgrundlagen einer Prüfungsbefugnis und -zuständigkeit des Bundesrates ab. Die sind von der oben beantworteten materiellen Frage zu unterscheiden.
@Hartmut Rensen: Mein Argument war, dass der Bundesrat die unkorrigierte Frage nicht zur Abstimmung stellen kann, ohne gegen Art. 5 zu verstoßen. Er muss also die Frage korrigieren oder auf die Abstimmung verzichten.
@Aufmerksamer Leser: Ich sagte bereits, dass es einer Zuständigkeit und Befugnis bedarf. Es darf eben nicht jedes Organ den Schutz von Art. 5 übernehmen. Zum besseren Verständnis konkretisiere ich daher die Frage: Erstreckt sich das Recht des Bundesrates, dem Parlament eine Initiative zur Abstimmung vorzulegen, auf ein materielles Prüfungsrecht, so dass er redigieren darf, um einen eindeutigen Verfassungsverstoß zu vermeiden, oder muss er unverändert vorlegen und die gebotene Prüfung einem anderen Organ überlassen? Was sieht das Schweizer Recht vor?
@Hartmut Rensen: Sie scheinen ein Freund der Frage nach dem materiellen Prüfungsrecht des Bundespräsidenten zu sein! Hier geht es aber IMHO um etwas einfacheres: Der Bundesrat soll vorliegend nicht Art. 5 schützen, braucht also keine Befugnis, die ihm den Schutz erlaubt. Der Bundesrat soll Art. 5 schlicht nicht verletzen, wie jede andere Behörde auch nicht.
@Aufmnerksamer Leser: Darf der Bundesrat also innerhalb der Grenzen u.a. des Art. 5 frei über den Inhalt dessen entscheiden, was er zur Abstimmung bringt?
@Aufmerksmer Leser: Sind Art. 173 S. 1 f – Prüfungsrecht Bundesversammlung – und Art. 181 – Initiativrecht Bundesrat – der Bundesverfassung maßgebend?
@Hartmut Rensen: Ich würde sagen: Jenseits (!) der Grenzen des Art. 5 darf man nichts zur Abstimmung stellen. Da ist nichts frei. Nie zur Abstimmung stellen.
@Aufmerksamer Leser: Das ist klar. Deshalb auch “…innerhalb der Grenzen u.a. des Art. 5 …”
@Hartmut Rensen: Prima. Dann sind wir uns einig. Und Sie legen sich wieder hin?
@Aufmerksamer Leser: “Und Sie legen sich wieder hin?” Kennen Sie meinen Schreibtischstuhl so genau? Schönes WE gleichfalls!
@Hartmut Rensen: Einer von uns beiden hat doch dieses Wochenende Eildienst im Blog?!
Da hat der Blog offenbar eine Freundschaft fürs Leben gestiftet. Wie schön!
@Hartmut Rensen, Aufmerksamer Leser: Ich bitte mich zu korrigieren wenn ich irre, aber es scheint mir als wäre die Frage nach dem (im Verhältnis zu der vorgeschlagenen Ergänzung hinsichtlich des Völkerrechts) höherrangigen (Verfassungs-)Recht noch nicht beantwortet. Allerdings besitze ich auch keine besondere Kenntnis des schweizerischen Rechts!
Art. 5 Satz 4 BV scheint mir jedoch eher gleichrangig zum vorgeschlagenen Art. (197?) zu sein. Dann wäre natürlich – im Kollisionsfalle – die Frage zu stellen, ob es verfassungswidriges Verfassungsrecht geben darf und, wenn man das verneint, ob eine entsprechende Verfassungsänderung zulässig wäre. Wobei die Unzulässigkeit den Grundsatz lex posterior derogat legi priori allerdings in sein Gegenteil verkehren würde und gewisse Folgefragen mit sich bringt. (Was wäre mit einer völkerrechtswid. Bestimmung statt des Art. 5 BV in der Verfassung? – Die dürfte bei diesem Ansatz zu Verfassungsänderungen [dem nach dem Kommentar von 11:20 Uhr] wohl ebenfalls nicht durch eine gegenläufige Initiative aufgehoben werden. Das scheint mir falsch.)
Aber schon hinsichtlich dieser Kollision habe ich Bedenken. Art. 5 Satz 4 BV (so wie er hier zitiert wurde) legt, insoweit Zustimmung, einen Grundsatz der Völkerrechtsfreundlichkeit fest. Allerdings heißt es nicht “das gesamte Völkerrecht” o.ä. Insofern wäre durchaus zu erwägen ob nicht die in der Initiative erwägte Ergänzung der BV,
1.) differnziert zu betrachten ist, nach ihrer Definition des Völkerrechts einerseits und den Implikationen für das einfache Bundesrecht (das den “nicht zwingenden” Teilen des Völkerrechts vorgehen soll) andererseits, und
2.) wenn man (was mir auf den ersten Blick richtig scheint) die Definition erst einmal für unbedenklich (wenngleich vollkommen unangebracht und irrsinnig) hält, ob die Bestimmung zum Vorrang des Bundesrechts nicht eine Konkretisierung des Art. 5 Satz 4 BV darstellt. Da bin ich allerdings, zumindest gefühlsmäßig erst einmal skeptisch.
Mir scheint, dass es näher läge (ich meine die Stellung des Völkerrechts sei auch in der Schweiz zwischen Verfassung und Bundesrecht?) die Verfassungsänderung für zulässig zu halten,
das entsprechende Bundesrecht, dass die Ausschaffung umsetzen soll, aber wegen des Vorrangs allgemeiner Regeln des Völkerrechts (nach deutschem Recht: Art. 25 GG – lässt sich etwas Entsprechendes ggf. mit einem Schluss aus Art. 5 BV iVm Art. 26 des Wiener Übereinkommens auch für die Schweiz begründen?) für unanwendbar zu halten.
Freilich, das hilft auch nichts mehr wenn der völkerrechtswidrige Akt (die Ausschaffung) nicht aufgrund bundes- sondern verfassungsrechtlicher Vorschriften erfolgen soll. Aber das ist ja (zum Glück!) gar nicht das Anliegen dieser Initiative.
@Kamm: Soweit der vorgesehene Art. 197 zu einer Verengung desjenigen Rechts führt, das als zwingenden Völkerrecht gelten soll, und deshalb iE einen von Art. 139 IV BV abweichenden Begriff des zwingenden Völkerrechts vorsieht, ist sie für ungültig zu erklären. Das gilt speziell für Teilrevisionen der BV. Ist Ihre Auffassung auch damit vereinbar?
Der Autor des Blogs „Jurist“ Maximilian Steinbeis scheint NICHT bemerkenswert sorgfältig zu arbeiten, denn er hat auch nach ~5 Tagen nicht bemerkt zu haben, dass er mit dem Beispiel der Bundesrätin SS billige Agitation in seinen Artikel übernommen hat. Im Artikel ist jedenfalls keine entsprechende Korrektur ersichtlich. Wenn der Autor den Initiativ-Text denn auch gelesen hätte und nicht nur nach der Artikelnummer geschaut hätte, dann hätte ihm mindestens etwas auffallen müssen.
Erstens führen gemäss dem Initiativ-Text nur nicht-leichte Fälle von Sozialhilfemissbrauch zum Landesverweis. Zu diesem Schluss kommt selbst die Bundesrats-Botschaft auf Seite 33, wo geschrieben steht:
„In leichten Fällen kann auf Busse erkannt werden (Abs. 1 Ziff. V/2); diese sollen somit nicht zu einer Landesverweisung führen (vgl. Abs. 1 Ziff. I/1 Bst. e).“
Zweitens kann vom Landesverweis abgesehen werden, „wenn die Tat in entschuldbarer Notwehr (Art. 16 StGB) oder in entschuldbarem Notstand (Art. 18 StGB) begangen wird.“
… und schon merkt man, dass das oben erwähnte Beispiel keineswegs ein Bagatellfall darstellt, und anderseits Bagatellfälle nicht zu einer Landesverweisung führen.
@Hammond: Sie haben nichts vorgetragen, was einen Verdacht gegen Max begründen würde. Entweder fehlen Ihnen die Sprachkenntnisse oder die juristischen Kenntnisse. Oder beides. Trotzdem danke für Ihre Ergänzungen. Auch wenn diese für den Fall unerheblich sind.
@Hammond: auch wenn ich den Autoren nicht so reflexiv verteidigen möchte wie mein Vorposter… es fallen doch zwei Dinge an Ihrem Beitrag auf:
Zum einen zitieren Sie eine “kann”-Vorschrift. Es kann bebußt werden – oder? Wohl doch Landesverweis?
Zum anderen versteht es sich von selbst, dass wegen einer entschuldigten Tat kein Landesverweis verhängt werden kann. Eine schuldlos begangene Tat ist schlechterdings nicht zu bestrafen.
@Rensen: Den Art. 139 IV BV haben Sie nun aber neu eingeführt… meinten Sie Art. 193 IV BV (bzw. 194 III für die Teilrevision der BV, 193 behandelt die Vollrevision)?
Dann wäre noch immer zu klären, welche zwingende Bestimmung des VölkerR hier verletzt sein könnte. Gibt es eine völkerrechtlichen Rechtssatz des Inhalts: “Eine Verfassung darf nicht vorsehen, dass das einfache Recht Teilen des VölkerR vorgeht”?
Wenn ja, dann stimme ich Ihnen zu, wäre die diskutierte Teilrevision unzulässig. Andernfalls müsste sie wohl zulässig sein – ohne allerdings einen Wert zu haben, denn das einfache Gesetz (das dann verf.gem. sein mag) wäre unanwendbar (s. dazu meine Ausführungen oben).
Vergleichbar mit der Androhung der Todesstrafe in der Hessischen Verfassung (Art. 21 HV, die hier techn. natürlich gegen eine höherrangige Norm des GG verstößt).
@Kamm: “Eine Verfassung darf nicht vorsehen, dass das einfache Recht Teilen des VölkerR vorgeht”? Es geht nicht um “Teile des Völkerrechts”, sondern um das “zwingende Völkerrecht”.
@Kamm: 1. Entschuldigen Sie bitte das ungenaue Zitat! Hier also die Korrektur. Der auf Teilrevisionen gerichtete Volksinitiativen betreffende Art. 139 III BV lautet “Verletzt die Initiative die Einheit der Form, die Einheit der Materie oder zwingende Bestimmungen des Völkerrechts, so erklärt die Bundesversammlung sie für ganz oder teilweise ungültig.”
2. Ich habe mit der Durchsetzungsinitiative zum einen ein Problem, soweit die Formulierlung “Als zwingendes Völkerrecht gelten ausschliesslich das Verbot der Folter, des Völkermords, des Angriffskrieges, der Sklaverei sowie das Verbot der Rückschiebung in einen Staat, in dem Tod oder Folter drohen.” einen eigenen, von andren Bestimmugnen der BV abweichenden und verkürzenden Begriff des zwingenden Völkerrechts einführt.
@Aufmerksamer Leser: “Es geht nicht um “Teile des Völkerrechts”, sondern um das “zwingende Völkerrecht”.”
Wenn man das Völkerrecht in zwingendes Völkerrecht und nicht-zwingendes Völkerrecht unterteilt, dann ist das “zwingende Völkerrecht” begriffslogisch ein “Teil des Völkerrechts”.
Die Frage bleibt dieselbe: Die BV bestimmt (193 IV) “Die zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts dürfen nicht verletzt werden.”
Ist es also eine Verletzung der “zwingenden Bestimmungen des Völkerrechts”, wenn eine Verfassung vorsieht, dass ein einfaches Gesetz dem “nicht zwingenden Völkerrecht” vorgehen soll?
Das erscheint mir fraglich. Erstens, weil eine Verletzung des “nicht zwingenden Völkerrechts” schon sprachlich schwerlich eine “Verletzung des zwingenden Völkerrechts” sein kann. Ich erinnere an den Wortlaut der Initiative: ‘Die Bestimmungen über die Landesverweisung und deren Vollzugsmodalitäten gehen dem nicht zwingenden Völkerrecht vor.’
Andererseits, weil die angestrebte Revision der BV zwar den Weg für ein Gesetz bereitet das potentiell (und m.E. auch wahrscheinlich) völkerrechtswidrig ist, die Revision selbst aber erst einmal folgenlos ist.
@Rensen: Nichts zu entschuldigen, mir war lediglich nicht genau klar, auf welche der beiden denkbaren Normen Sie sich beziehen, bzw. ob ein Zahlendreher passiert ist.
Ausgehend von dem oben gesagten und dem Art. 139 III BV, der die Verletzung zwingenden Völkerrechts _durch die Initiative_ voraussetzt, würde ich annehmen, dass die Bundesversammlung die Initiative nicht für ungültig erklären darf sondern sie vielmehr im Falle der (moralisch vernünftigen!) Ablehnung gem. Art. 139 IV 2 BV zur Abstimmung zu stellen hat.
“Ich habe mit der Durchsetzungsinitiative zum einen ein Problem, soweit die Formulierlung “Als zwingendes Völkerrecht gelten ausschliesslich das Verbot der Folter, des Völkermords, des Angriffskrieges, der Sklaverei sowie das Verbot der Rückschiebung in einen Staat, in dem Tod oder Folter drohen.” einen eigenen, von andren Bestimmugnen der BV abweichenden und verkürzenden Begriff des zwingenden Völkerrechts einführt.”
Ein Problem habe ich damit auch. Allerdings eines, dass sich in meiner Magengegend abspielt.
Der Begriff des “zwingenden Völkerrechts” wird nur in den Artt. 139, 193 f. BV verwendet, aber nicht weiter ausgeführt. Insofern würde die Durchsetzungsinitiative m.E. von der sonstigen BV nicht abweichen, sondern sie konkretisieren. Das selbst halte ich allerdings nur unter der o.g. Prämisse für verfassungswidrig.
Dass diese Konkretisierung zu kurz greift und das “zwingende Völkerrecht” begrifflich in krassem Maße verkürzen möchte, das stelle ich ja gar nicht in Abrede. Zumal ja ohnehin nicht recht klar ist, was überhaupt als zum zwingenden Völkerrecht gehören soll, man also von einem tendenziell weitreichenden ius cogens ausgehen sollte. Und deswegen, das sage ich gerne noch einmal, wären die einfachgesetzlichen “Bestimmungen über die Landesverweisung und deren Vollzugsmodalitäten” auch mit großer Wahrscheinlichkeit völkerrechtswidrig und damit unanwendbar.
Allein das beantwortet nicht die Frage: ist schon die in Rede stehende Teilrevision ein Verstoß gegen zwingendes Völkerrecht. Und wenn ja: gegen welche Bestimmung des zwingenden Völkerrechts?
@Kamm: der Witz des Falles ist nicht, dass es um einen “Teil” geht, sondern dass der Teil “zwingend” ist. Den Rest Ihrer Fragen haben wir schon geklärt.
Und gespannt warte ich – weiterhin – auf die Erklärung, wie die von der Initiative beabsichtige Derogation des “nicht zwingenden Völkerrechts” das “zwingende Völkerrecht” betrifft, bzw. welche Bestimmung desselben sie verletzt.
@Kamm: Suchen Sie mal nach der Derogation des zwingenden VR. Wir haben es wirklich behandelt (Hilfe: es könnte die Definition betreffen).
P.S. Cool, dass Sie sich das hier mit Klarnamen trauen. Ich hoffe, es ist Ihr eigener. Sonst wird jemand sehr böse.
Es hätte mich zwar interessiert, ob es auch eine Antwort in der Sache gäbe – in der Definition liegt sie meines (begründeten, worauf Sie nicht mehr eingingen) Erachtens nicht. Mit dem Verlassen der Sachebene hat sich das Thema für mich allerdings erledigt.
Amüsant ist indes der Umstand, wer hier über Klarnamen spricht. O tempora, o mores.
@Kamm: Legen Sie einfach den Begriff des “zwingenden Völkerrechts” unter Berücksichtigung der BV sowie des darin enthaltenen Gebots der Völkerrechtsfeundlichkeit und ohne den Inhalt der Durchsetzungsinitiave aus. Dann werden Sie wohl zu dem Ergebnis kommen, dass der Inhalt der Initiative zu einer Beschränkung führt, oder etwa nicht? Als Maßstab im Rahmen des Art. 139 III BV können Sie selbstverständlich nicht schon den Inhalt der Durchsetzungsinitiative berücksichtigen. Also “zwingendes Völkerrecht” ohne Rücksicht auf den Inhalt der Initiative zwecks Prüfung im Rahmen des Art. 139 III BV. Im Übrigen: Ja, die Bundesversammlung entscheidet.
@Aufmerksamer Leser: So, so. Bin nur neugierig. Geht mir ganz wie Max.