22 May 2020

Bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr?

Der jahrelange Diskurs über die Anschaffung bewaffneter Drohnen für die Bundeswehr hat vergangenen Montag neuen Auftrieb erfahren, als im Bundesministerium der Verteidigung zur großen #Drohnendebatte2020 aufgerufen wurde, welche via Livestream und sozialen Medien einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. In dieser Debatte ranken sich seit jeher diverse Mythen um ein Potpourri ethischer Bedenken und nationaler sowie internationaler Rechtsregeln. Der Beitrag will in die rechtlichen Aspekte etwas Klarheit bringen.

1. Beschaffung von Drohnen verfassungsrechtlich geboten?

Zunächst einmal steht die Frage der Anschaffung bewaffneter Drohnen im Vordergrund. Dabei ist die Frage der rechtlichen Anschaffungsmöglichkeit von der Rechtmäßigkeit der Einsätze von bewaffneten Drohnen zu trennen.

Allen durchaus kreativen Schreckensszenarien zum Trotz handelt es sich im Kern lediglich um unbemannte Waffenträgersysteme, welche von Soldaten und Soldatinnen ferngesteuert werden. Diese verhindern zunächst einmal die physische Präsenz der Piloten im Gefecht und schützen somit deren körperliche Integrität und Leben. Zudem können Soldaten am Boden durch Luftunterstützung von bewaffneten Drohnen in konkreten Gefährdungslagen (etwa in Hinterhalten) unterstützt und letztlich auch geschützt werden, was in bisherigen Notsituationen übrigens durch bewaffnete Drohnen von alliierten Partnern übernommen wurde.

Grundsätzlich haben die Angehörigen der Bundeswehr einen qualifizierten Anspruch auf angemessene Ausrüstung zum Schutz von Leib und Leben aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG (siehe Di Fabio in Maunz/Dürig, Art. 2 II Rn. 77, Starck in v. Mangoldt/Klein/Starck Art. 2 Rn. 224) sowie aus menschenrechtlichen Verpflichtungen (Art. 2 Abs. 1 EMRK). Zwar ergibt sich aus den Schutzpflichten wohl keine Pflicht zur Anschaffung konkreter Waffensysteme. Jedoch zeigt Stefan Talmon mit Verweis auf den britischen Supreme Court auf (Smith No. 2 v. Ministry of Defence), dass sich eine konventionsrechtliche Schutzpflicht durchaus auch auf Beschaffungsfragen beziehen kann.

Zu der angemessenen Ausrüstung gehören im Lichte der verfassungsrechtlichen Völkerrechtsfreundlichkeit potentiell all jene Waffensysteme, die im Völkerecht nicht von vornherein, also unabhängig von ihren konkreten Einsätzen geächtet sind (wie etwa Chemiewaffen). Dabei gilt seit dem Lotus-Fall: Völkerrechtlich erlaubt ist, was nicht verboten wurde.

Eine Anschaffung von bewaffneten Drohnen ist somit nicht nur zulässig, sondern kann unter Umständen sogar rechtlich geboten sein.

2. Drohneneinsätze per se völkerrechtswidrig?

Bewaffnete Drohnen werden aktuell fast ausschließlich im Kampf gegen Terroristen eingesetzt und umfassen ein weites Tätigkeitsfeld von Luftunterstützung im Gefecht bis hin zu „targeted killings“, also der gezielten Tötung einzelner Personen im Rahmen internationaler und nicht-internationaler bewaffneter Konflikte. Dabei haben insbesondere die US-amerikanischen Drohneneinsätze auch außerhalb solcher Konflikte die öffentliche Wahrnehmung maßgeblich und nachhaltig beeinflusst. Die weit verbreitete Annahme, Drohnen wohne eine systemimmanente Völkerrechtswidrigkeit inne, wie sie etwa Schüller an dieser Stelle nahegelegt hat, stellt sich jedoch als Trugschluss heraus.

So stünden deutsche Einsätze naturgemäß unter enger verfassungsrechtlicher Kontrolle durch das BVerfG und würden exklusiv durch die Bundeswehr ausgeführt werden, wodurch eine restriktive Handhabung gewährleistet wird. Dies stellt einen fundamentalen Unterschied zur US-amerikanischen Verwendung dar, welche auch nachrichtendienstliche Einsätze bewaffneter Drohnen erfasst. Staatssekretär Tauber hat diesen Umstand in einem Live-Chat Mitte Mai nochmals betont und die Einsatzmöglichkeiten auf Luftunterstützung von Bodentruppen beschränkt. Einen Einsatz im Rahmen von „targeted killings“ schloss er dabei explizit aus.

Auch spielen autonome Waffensysteme in der deutschen Debatte keine Rolle: Diese dreht sich nur um ferngesteuerte Drohnen, die gerade nicht mit automatisierten Waffensystemen ausgerüstet sind. Zwar glauben einige bereits durch die Anschaffung von menschlich gesteuerten Drohnen auf einen unumkehrbaren Pfad automatisierter Kriegsführung zu gelangen. Jedoch ist dieses Argument, welches in seiner Unabwendbarkeit künftiger Ereignisse stark an das „Einstiegsdroge-Argument“ der Cannabis-Legalisierungsdebatte erinnert, auch grundgesetzlich nicht zu halten. Indem der Staat die Entscheidung über die Tötung eines Menschen bei autonomen System in den Verantwortungsbereich eines Algorithmus legen würde, würde er wohl gegen seine Schutzpflicht für das Leben aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG verstoßen und wohl auch eine menschenunwürdige Objektifizierung des Gegners vornehmen. Entscheidungen über tödliche Angriffe bedürfen also einer unmittelbaren menschlichen Verantwortlichkeit, die eine Auslagerung auf autonome Systeme verbietet. Deutschland setzt sich darüberhinaus für eine völkerrechtliche Ächtung dieser Systeme ein, welche bereits im Jahr 2014 von dem EU-Parlament als „illegal“ verurteilt wurden. Jüngst schlossen auch Brigadegeneral Funke  und Generalinspekteur Zorn autonome Waffensysteme für die Bundeswehr aus.

Grundsätzlich ergibt sich aus der Völkerrechtsfreundlichkeit des Grundgesetzes ein Einsatzrahmen, der durch weitergehende verfassungsrechtliche Vorgaben eingehegt wird. Das ius ad bellum sowie das ius in bello wirken aus Völkervertrags- und Gewohnheitsrecht über Art. 25, 59 Abs. 2 S. 1 GG unmittelbar. Zudem wird dies durch das Verbot des Angriffskriegs und das Verbrechen der Aggression gemäß Art. 26 S.1 GG weitergehend reglementiert. Dabei ist nach Art. 25 S.2 GG ein Einsatz nach innerstaatlichem Recht nicht rechtswidrig, wenn er im Einklang mit den Regeln des humanitären Völkerrechts steht, wie der Generalbundesanwalt in seiner Einstellungsverfügung zum Fall Kundus klargestellt hat (16.04.2010, S. 45).

Das humanitäre Völkerrecht steht angesichts asymmetrischer bewaffneter Konflikte vor großen Herausforderungen, wobei nach vordringlichen Ansichten den Staaten relativ weite Handlungsspielräume zugestanden werden. „Kämpfer“ (fighter) sind legitime Angriffsziele. Andere Personen dürfen gezielt bekämpft werden, soweit sie im nicht-internationalen Konflikt (Art. 51 Abs. 3 1. ZP, Art. 13 Abs. 3 2. ZP) an Kampfhandlungen teilnehmen. Ob sie auch außerhalb konkreter Kampfhandlungen angegriffen werden dürfen, ist umstritten. Vorzugswürdig erscheint hier der den Gehalt des Art. 13 Abs. 3 2. ZP wahrenden limited membership approach, wonach eine Trennung der politischen von militärischen Flügeln einer Organisation vorzunehmen ist. Kräfte der militärischen Flügel stellen dabei auch außerhalb von Gefechten jederzeit legale Angriffsziele dar.

Ebenso bedarf eine Abwägung über das „ob“ eines Militärschlages wohl lediglich einer rudimentären Verhältnismäßigkeitsprüfung mit dem Ziel der militärischen Notwendigkeit aus ex-ante Sicht eines „vernünftigen Befehlshabers“ gemäß Art. 51 Abs. 5 lit. b 1. ZP und Art. 14 Lieber Code. Dabei könnte insbesondere die höhere Präzision und die Möglichkeit der Verfolgung von gegnerischen Kräften durch bewaffnete Drohnen gegenüber herkömmlichen Waffensystemen als weiterer Gesichtspunkt einer verhältnismäßigen Kriegsführung mit möglichst geringen Kollateralschäden ins Feld geführt werden, wie die Politikwissenschaftlerin und Drohnenexpertin Ulrike Franke herausstellt. Ein Verzicht auf Hochtechnologien würde wohl die Zahlen der Kollateralschäden exponentiell ansteigen lassen. Auch die Grundsätze zur Schonung der Zivilbevölkerung werden mittlerweile auf nicht-internationale bewaffnete Konflikte angewandt (Beschluss des Generalbundesanwalts vom 19. April 2010, Az.3 BJs 6/10 – 4).

Diese Verhältnismäßigkeitserwägungen schließen für die Bundeswehr Einsätze im Rahmen sogenannter „signature strikes“ aus. Bei solchen werden die Ziele nicht individuell, sondern allein anhand von typischen Verhaltensmustern bestimmt. Der Ansatz hat sich insbesondere in der US-amerikanischen Praxis als stark irrtumsanfällig (Herdegen, Völkerrecht, 18. Aufl. § 56 Rn. 19) herausgestellt: Statt Terroristen wurden mangels eindeutiger Informationslagen Hochzeitsgesellschaften oder sonstige zivile Zusammenkünfte angegriffen und Zivilisten getötet.

Stimmen, die den Vorrang der Festnahme von Kombattanten mit Blick auf Art. 45 1. ZP verlangen und auf private Kämpfer übertragen wollen, übersehen dabei die fehlende rechtliche Bindung dieser privaten Akteure an die Genfer Abkommen und das damit einhergehende Bekenntnis zum Schutz der Soldaten der Gegenseite. Diese fehlende Bindung stellt letztlich ein unverantwortliches Risiko für den Schutz von Leib und Leben der eigenen Soldatinnen und Soldaten dar. Krieg wird nicht dadurch humaner, dass das Leben eigener Truppen auf das Spiel gesetzt wird.

Fraglich erscheint auch, inwieweit die Bundeswehr durch menschenrechtliche Standards der EMRK bei ihren Einsätzen begrenzt wird. Grundsätzlich ist deren Schutzwirkung nach Art. 1 EMRK mit der Hoheitsgewalt verknüpft, was jedoch auch bei hinreichender Hoheitsgewalt auf extraterritorialen Gebieten der Fall sein kann (Loizidou v. Turkey). Zwar wurde zwischenzeitlich der Grundsatz des regionalen Rahmens der EMRK durch den EGMR wieder stärker betont (Bankovic et al v. Belgium – legal space). Jedoch besteht für Konventionsstaaten auch bei der Ausübung von Besatzungsgewalt auf fremdem Staatsgebiet eine Bindung an die EMRK, sofern sie dabei mit Souveränität verbundene Rechte ausüben („some of the public powers normally to be excersied by a sovereign government“, Al-Skeini et al. v. United Kingdom). Auch die faktische Kontrolle und Herrschaft („control and authority“, Hisi Jamaa et al. v Italy) über eine Person befreien ebenso wenig von der Bindung an die EMRK wie eine UN-Resolution (Al-Jedda et al. v. United Kingdom). Ob Gefechtssituationen lediglich als Ausübung staatlicher Ordnungsfunktionen angesehen werden können oder als faktische Kontrolle über Personen einzustufen sind, erscheint unklar. Insbesondere die massive Instabilität in Kriegsgebieten und die fortdauernden Gefechte sprechen gegen eine Kontrolle der Staaten über diese Gebiete. Jedenfalls fordert die EMRK eine konkrete Einzelfallprüfung und zwingt die Konventionsstaaten durch die Möglichkeit der Individualbeschwerde von Betroffenen bei ihren Einsätzen zu erhöhter Sensibilität. Dies führt letztlich wohl auch zu einem bloß restriktiven Einsatz bewaffneter Drohnen, wie ihn die Bundeswehr bei der Luftunterstützung im Gefecht anstrebt.

In dem aufgezeigten Rahmen ist ein verfassungskonformer Einsatz bewaffneter Drohnen folglich möglich. Die teilweise völkerrechtswidrige Verwendung des Waffensystems durch andere Staaten kann dabei höchstens sensibilisierende Wirkung im Umgang haben, stellt jedoch kein rechtliches Ausschlusskriterium dar. Mit Blick auf Völkerrechtsverstöße von Bündnispartnern von deutschem Staatsgebiet aus, hat das OVG Münster im vergangenen Jahr bereits eine Kontrollpflicht für die Bundesregierung festgestellt. Die angestrebte restriktive Verwendung von bewaffneten Drohnen durch die Bundeswehr zur Luftunterstützung von Bodentruppen in nicht-internationalen Konflikten ist allerdings rechtlich zulässig und im Rahmen verfassungs- und menschenrechtlicher Kontrolle auch umfassend gegen etwaige Völkerrechtsverstöße geschützt. Dennoch wäre politisch eine eindeutigere Positionierung der Bundesregierung im Hinblick auf ihre opinio iuris wohl wünschenswert. Zwar werden automatische Systeme kategorisch abgelehnt und völkerrechtliche Regime zu deren Ächtung gefordert. Jedoch könnten viele drohnenbezogene Schreckensgespenster etwa durch eine einsatzdefinierende Rede der Verteidigungsministerin, eindeutig formulierte Rules of Engagement und Initiativen zur Rüstungskontrolle verjagt werden. Konturen solcher Rules of Engagement werden im Rahmen der revitalisierten Drohnendebatte langsam sichtbar.

3. Parlamentarisches Mikromanagement?

Fraglich erscheint zudem die konkrete Mandatierung eines Bundeswehreinsatzes mit bewaffneten Drohnen. Politisch wird dabei von einigen Parteien derzeit offensiv für eine Ausweitung des Parlamentsvorbehalts geworben. Dieser war in der out-of-area Entscheidung im Jahr 1994 (BVerfGE 90, 286 (388) [1994]) durch das BVerfG aus einer Gesamtschau der Wehrverfassung kreiert und seitdem immer weiter fortentwickelt worden (BVerfGE 140, 160 (194 ff.) [2015]). Bereits Kant hat in seiner Schrift Zum Ewigen Frieden eine Verbindung zwischen Mitspracherechten der Bevölkerung und der Friedensgeneigtheit von Staaten herausgestellt. Auch politisch dürfte Einigkeit über die Notwendigkeit und Wichtigkeit des Vorbehalts herrschen.

Eine teilweise geforderte extensivere Beteiligung ergibt sich dabei jedoch nicht aus den verfassungsgerichtlichen Erwägungen zum Parlamentsvorbehalt, was auch die Entstehungsgeschichte des Parlamentsbeteiligungsgesetzes nahelegt. Hier hat das Parlament verdeutlicht, dass es lediglich eine legislative Mitsprache über das „ob“ und einer „rudimentären“ Vorgabe hinsichtlich des „wie“ bezüglich militärischer Einsätze einfordert. Ein weitergehendes „Mikromanagement“ von Einsätzen dürfte insbesondere mit Blick auf die Systematik von Einschätzungsprärogativen abzulehnen sein. So wird in entsprechenden Mandatierungen etwa auch nicht festgelegt, dass „Sturmgewehre, aber keine Maschinengewehre mitgenommen werden dürfen“, wie Thomas Wiegold im Podcast „Sicherheitshalber” veranschaulicht hat.

4. Fazit

Zumindest aus rechtlicher Perspektive ist eine verfassungs- und völkerrechtskonforme Anschaffung und Verwendung bewaffneter Drohnen möglich –  wobei eine Anschaffung sogar verfassungsrechtlich geboten sein kann. Dies darf jedoch nur die Grundlage für die gegenwärtige umfangreiche ethische Betrachtung der Vor- und Nachteile dieser Trägersysteme darstellen. Missbrauchspotentiale, Proliferationsprobleme und militärische Notwendigkeiten müssen dabei sorgfältig abgewogen werden. Die Debatte sollte jedoch sachlich fundiert und ohne ideologische Lagerbildung geführt sowie von einem Bewusstsein getragen werden, dass militärische Gewalt zwar stets ultima ratio sein muss, manchmal jedoch unumgänglich ist.


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