BVerfG ruft Justiz in punkto Versammlungsrecht zur Ordnung
Das Bundesverfassungsgericht hält in punkto Versammlungsfreiheit gegenüber den kampferprobten Richtern des Gorleben-OLG-Bezirks Celle offenbar einen Ordnungsruf für nötig: In einem heute veröffentlichten Beschluss hat die 1. Kammer des Ersten Senats Entscheidungen des Landgerichts Lüneburg und des OLG Celle aufgehoben, die zwei rechtswidrig festgenommenen Beobachtern einer Castortransport-Demo mit dünner und schlampiger Begründung Schadensersatz für das erlittene Unrecht verweigert hatten.
Die beiden Kläger kamen vom “Komittee für Grundrechte und Demokratie” und saßen morgens um halb acht in ihrem Auto, drei Kilometer von den Bahnschienen entfernt, als die Polizei sie festnahm. Sie wurden mit 70 anderen zunächst auf eine Wiese gebracht, später auf die Wache, erst am Spätnachmittag freigelassen, und die sanitäre Situation scheint nicht so toll gewesen zu sein.
Das alles war eklatant rechtswidrig, wie die Gerichte feststellten. Schadensersatz gab es trotzdem keinen: Was den Klägern widerfahren war, sei zwar nicht schön, aber so schlimm auch wieder nicht, und man müsse schließlich auch die Situation der Polizei verstehen. Dass die Rechtswidrigkeit nunmehr gerichtlich feststellt sei, reiche zur Genugtuung der Kläger vollkommen aus.
So nicht, sagt nun die Karlsruher Kammer und erinnert daran, dass schon die Festnahme selbst, ganz unabhängig von ihrem Vollzug, eine ziemliche Gemeinheit war. Außerdem könne die Aussicht, zehn Stunden lang in einem Polizeikessel bzw. in einer Zelle verbringen zu müssen, auf Leute, die von ihrem Grundrecht auf Versammlungsfreiheit Gebrauch machen wollen, eine durchaus abschreckende Wirkung haben. Ein bloßes Feststellungsurteil, das im Regelfall Jahre nach dem Vorgang ergeht, sei keineswegs ohne weiteres ausreichend, um den Geschädigten in seinem Rechtsvertrauen wiederherzustellen.