BVerfG stärkt Eigentum bei Fluglärm
Wer das Pech hat, mit seinem Häuschen einem öffentlichen Großvorhaben weichen zu müssen, wird entschädigt. Er bekommt, give or take, den Wert seines Häuschens vom Staat erstattet. Aber wie stellt man diesen Wert fest? Was ist ein Häuschen, das bekanntermaßen einem Großvorhaben weichen muss, überhaupt wert?
Das BVerfG hat in einem heute veröffentlichten Kammerbeschluss einen Pfosten für die Häuschenbesitzer eingeschlagen: Den Wert zum Zeitpunkt der Anspruchstellung (wo das Häuschen längst entwertet ist) zu ermitteln, verletzt das Grundrecht auf Eigentum, Art. 14 GG.
Der Fall betrifft einen Anwohner des künftigen Flughafens Berlin-Brandenburg im idyllischen Schönefeld, dessen Haus künftig mitten in der Anflugschneise der Startbahn Süd liegen wird. Wohnen wird man dort nicht mehr können. Die Regularien sahen vor, dass das Grundstück an die Flughafengesellschaft geht und der Eigentümer dafür den Verkehrswert erstattet bekommt. Die Krux ist der Stichtag, in diesem Fall der Zeitpunkt der Antragstellung: Da war das Grundstück längst nur noch so viel wert, wie ein unbewohnbares Fluglärm-Grundstück eben wert ist.
“Niemand ist eine Insel” vs. “My Home is my Castle”
Nun kann man sagen, und das haben die Verwaltungsgerichte in diesen Fällen offenbar auch getan, dass Eigentum eben der Allgemeinheit verpflichtet sei und es keinen absoluten Schutz vor Wertverlust gebe: Niemand ist eine Insel, und wenn durch das Handeln A das Grundstück von B an Wert verliert, dann geschieht damit B noch lange nicht automatisch ein Unrecht, für das A in vollem Umfang aufzukommen hätte.
Die 3. Kammer des Ersten Senats fordert indessen eine differenziertere Sichtweise: Das selbst bewohnte Haus sei Eigentum von anderer Art als, sagen wir, die Aktie im Wertpapierdepot.
Soweit das Eigentum die persönliche Freiheit des Einzelnen im vermögensrechtlichen Bereich sichert, genießt es einen besonders ausgeprägten Schutz (…) Dies gilt insbesondere dann, wenn ein Grundstück den wesentlichen Teil des Vermögens des Pflichtigen bildet und die Grundlage seiner privaten Lebensführung einschließlich seiner Familie darstellt. In solchen Fällen tritt die Aufgabe der Eigentumsgarantie, dem Träger des Grundrechts einen Freiraum im vermögensrechtlichen Bereich zu sichern und ihm damit eine eigenverantwortliche Gestaltung des Lebens zu ermöglichen, in den Vordergrund.
Den betroffenen Eigentümern bliebe faktisch nichts anderes übrig, als ihr Eigentum aufzugeben und sich ein anderes Haus zu suchen. Ein anderes, mit ihrem bisherigen Eigentum vergleichbares Haus könnten sie sich aber mit der Entschädigung nicht leisten. Das könne nicht sein.
Überraschend, dass man da anderer Auffassung sein konnte. Und hier zeigt sich wieder, dass manchmal nur der Recht bekommt, der (auch) vor Gericht einen langen Atem behält.