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16 December 2014

Choice Architecture in Democracy: Verfassungsblog-Konferenz am 12.-14. Januar 2015

Kann ein sanfter Schubs gefährlich sein? Sind staatliche Interventionen, uns zu gesünderen, klügeren, einfach besseren Versionen unser selbst zu machen, womöglich gar Ausdruck der „manipulativen Kraft des technischen Exekutivstaates“ (Jürgen Habermas)? Entscheidungsarchitekturen zu verändern, wie Richard H. Thaler und Cass Sunstein in ihrem Konzept des libertären Paternalismus vorschlagen, wird von vielen als moderne und effiziente Regulierungsmethode gepriesen. Das wirft eine Menge schwieriger Fragen auf. Die Bürger_innen bleiben frei in ihrer Entscheidung, wie sie leben wollen; aber ihr Verhalten wird einer Effizienzlogik und einer Kontrolle unterworfen, die nur das angeblich gute Leben belohnt und das angeblich falsche bestraft. Wird unser Verhalten durch selbstregulierende Systeme standardisiert? Verdrängt die Technokratie die Politik, verdrängt der sanfte Anreiz die individuelle Autonomie?

Bis dato hat sich die Verfassungsrechtswissenschaft kaum an der Debatte um die staatliche Steuerung menschlichen Verhaltens und die daraus entstehenden Bedrohungen für Freiheit und Autonomie beteiligt. Um die politischen, ökonomischen, ethischen und verfassungsrechtlichen Aspekte dieser Debatte zu bündeln, wird das Forschungsprojekt Verfassungsblog an der Humboldt-Universität zu Berlin, mit Unterstützung durch die Vodafone Stiftung Deutschland, eine internationale Konferenz veranstalten.

Die Konferenz beginnt am 12. Januar 2015 (20:00 Uhr) mit einer Keynote-Lecture im Leibniz-Saal der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften (Markgrafenstr. 38, Berlin). Die Lecture wird gehalten von Cass Sunstein, Verfassungsrechtsprofessor an der Harvard-Universität, ehemaliger „Regulierungszar“ von US-Präsident Barack Obama und einer der Hauptprotagonisten der Nudging-Debatte. Dieser Teil der Veranstaltung ist öffentlich (Anmeldung erbeten).

Am 13./14. Januar 2015 werden die Facetten und Implikationen des Nudging in einer interdisziplinären Konferenz diskutiert (Teilnahme nur auf Einladung). Zu den Teilnehmer_innen gehören Anne van Aaken, Alberto Alemanno, Sabrina Artinger, Oren Bar-Gill, Sabino Cassese, Martin Eifert, Christoph Engel, Kristine Erta, Isabel Feichtner, Dieter Grimm, Hans-Michael Heinig, Benedikt Herrmann, Ann-Katrin Kaufhold, Alexandra Kemmerer, Jeff King, Gebhard Kirchgässner, Lars Klöhn, Gertrude Lübbe-Wolff, Christopher McCrudden, Christoph Möllers, Robert Neumann, Cass Sunstein, Emanuel Towfigh, Uwe Volkmann, Gerhard Wagner, Alexander Winterstein und Johanna Wolff.

Keynote Lecture und Konferenz werden live auf www.verfassungsblog.de/live übertragen. Über die Kommentar-Funktion sowie über den Twitter-Hashtag #nudge15 können auch Fragen und Anmerkungen aus dem Online-Publikum in die Diskussion einfließen.

Alle Details zur Konferenz sind hier zu finden.


2 Comments

  1. Wolle Wed 17 Dec 2014 at 07:19 - Reply

    “Bis dato hat sich die Verfassungsrechtswissenschaft kaum an der Debatte um die staatliche Steuerung menschlichen Verhaltens und die daraus entstehenden Bedrohungen für Freiheit und Autonomie beteiligt.”

    Ich meine mich ja zu erinnern, dass “Steuerung” so ziemlich *das* Buzzword im Öffentlichen Recht seit den 1990er Jahren war und in so ziemlich allen Facetten gründlichst diskutiert wurde. Aber bestimmt bietet die Konferenz trotzdem ganz neue, bisher völlig unabsehbare Einsichten. In diesem Sinne allen geladenen Gästen gutes Gelingen!

  2. Alexandra Kemmerer Thu 1 Jan 2015 at 21:15 - Reply

    Touché. Präzise hätten wir schreiben müssen: “Bis dato hat sich die deutschsprachige Verfassungsrechtswissenschaft kaum an DIESER Debatte um die staatliche Steuerung menschlichen Verhaltens und die daraus entstehenden Bedrohungen für Freiheit und Autonomie beteiligt.”
    Was die aktuelle Diskussion von der klassische Steuerungsdebatte im öffentlichen Recht unterscheidet, ist die mit den Schlagworten “Entscheidungsarchitektur” und “nudging” verbundene starke Orientierung an Erkenntnissen der Verhaltenspsychologie und Verhaltensökonomik. Diese Orientierung wirft nicht nur grundsätzliche Fragen des Umgangs der Rechtswissenschaft mit externer Expertise auf, sondern stellt auch Legitimationsfragen noch einmal neu und dringlich.

    Ob die Konferenz dabei zu neuen, womöglich gar völlig unabsehbaren Einsichten führen kann, werden Sie auf dem Blog verfolgen und kommentieren können. Wir sind gespannt auf Ihre kritische Kommentierung.

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