Nachfolge im Zweiten Senat am BVerfG: Christine Langenfeld soll Herbert Landau beerben
Mir wurde gerade aus guter Quelle zugetragen, dass der Bundesrat sich offenbar, koordiniert vom schwarz-grünen Dreamteam Kretschmann und Bouffier, auf eine Nachfolgerin für Herbert Landau im Zweiten Senat des Bundesverfassungsgerichts verständigt hat: Christine Langenfeld soll es werden. Es sieht so aus, als würde ihre Wahl schon am Freitag auf die Tagesordnung der Länderkammer gesetzt.
Christine Langenfeld wäre damit nach Andreas Paulus die zweite Staatsrechtslehrer_in aus Göttingen am Bundesverfassungsgericht und Göttingen damit gleichauf mit Freiburg, dasin Karlsruhe mit Andreas Voßkuhle und Johannes Masing ebenfalls zwei Ordinarien am Start hat.
Und die Frauenquote im Zweiten Senat steigt auf 50 Prozent.
Und es gibt jemand im Zweiten Senat, der sich intensiv mit der Flüchtlingskrise und dem Migrationsrecht beschäftigt hat. Christine Langenfeld ist Vorsitzende des Sachverständigenrats deutscher Stiftungen für Integration und Migration und hat ihre Habil über “Integration und kulturelle Identität zugewanderter Minderheiten” geschrieben.
What’s not to like?
Ich dachte, in Karlsruhe seien Ordinarien am Ziel – nicht “am Start”.
Schorsch out.
Am Ziel sind sie erst, wenn sie dem Senat mindestens eine Begriffsneuschöpfung untergejubelt haben (“Staatenverbund”, “Integrationsverantwortung”, “Einflussknick”…).
Super, vor allem die Frauenquote war bisher ein riesen Manko im Zweiten Senat! Jetzt geht’s los!!!
Weiß einer, wie die Rechtshänderquote im Zweiten Senat ist?
*grün-schwarz*
What’s not to like:
Prof. Langenfeld sieht es offenbar als völlig normal an, wenn das Ausleben von Homosexualität an deutschen Schulen als Sünde bezeichnet und dieses so gelehrt wird.
Prof. Langenfeld in einem Beitrag der F.A.Z. v. 15.11.2007 (16.11.2007 laut ihrer Publikationsliste) zum islamischen Religionsunterricht:
“Die katholische Kirche setzt sich ebenso wenig wie eine islamische Religionsgemeinschaft in Widerspruch zur Verfassung, wenn sie homosexuelle Praktiken oder das Zusammenleben in nichtehelicher Gemeinschaft weiterhin als Sünde betrachtet und das auch im Religionsunterricht lehrt. Der Religionsunterricht muss nicht jede Form des Grundrechtsgebrauchs für gleichermaßen gut und erstrebenswert halten.”
frei abrufbar:
https://archive.is/20130212221314/http://www.wir-sind-kirche.de/fulda-hanau/Islamischer_Religionsunterricht_Treue_zur_Verfassung.htm
Dass Volker Bouffier sich mit solchen Überzeugungen identifizieren kann, überrascht nicht.
Doch dass die Grünen sich zu Lasten tagtäglich diskriminierter Menschen vor diesen Karren spannen lassen, ist schwer enttäuschend.
Bemerkenswert ist vor allem in welchem Spannungsverhältnis dieses Zitat zu anderen Passagen im Artikel steht:
“Einen ‘Gegenunterricht’ darf der Staat nicht hinnehmen. Er ist befugt und verpflichtet zu fordern, dass die grundlegenden Erziehungsziele beachtet werden.”
“Die Übereinstimmung der im Religionsunterricht vermittelten Inhalte mit dem Kernbereich der im Grundgesetz verankerten Grundrechte ist unabdingbar. Daher liegt die Grenze dessen, was im Religionsunterricht als Bekenntnis gelehrt werden darf, dort, wo dem Einzelnen grundlegende Freiheiten bestritten werden, dort also, wo Freiheit und Menschenwürde berührt sind.”
“Weiterhin darf auch die religiös motivierte Forderung nach einer strengen, der individuellen Disposition entzogenen Aufgabenteilung zwischen Männern und Frauen, weil gegen fundamentale Grundsätze der Gleichheit und Gerechtigkeit gerichtet, nicht als Inhalt der religiösen Verkündigung im Religionsunterricht hingenommen werden.”
Aber dass Homosexuelle in der Hölle brennen sollen, hat – anders als die Hausfrauenehe – natürlich mit den “fundamentalen Grundsätzen der Gleichheit und Gerechtigkeit”, mit “grundlegenden Freiheiten”, mit Menschenwürde nichts zu tun.
Mit Flüchtlingsrecht kennt sich Richter Maidowski, der die Zuständigkeit für die Asylsachen am Senat hat, gerüchteweise auch ganz gut aus…
Die “gute Quelle” könnte übrigens diese hier sein:
http://www.bundesrat.de/SharedDocs/beratungsvorgaenge/2016/0301-0400/0367-16.html
Das, was einige – warum auch immer – glauben wollen, was bei Gott gelte, und das, was (in der “hiesigen Welt”) von Rechts wegen gelten soll, können verschiedene Dinge sein. Es muss daher nicht (in Deutschland usw.) verfassungswidrig sein, wenn jemand etwas aufgrund einer Relgionsfreiheit allein vor Gott, als Sünde ansehen will, was von Verfassungs wegen (in der “hiesigen Welt”) als zulässig gelten soll. Es muss solchen Glauben nicht jeder teilen. Man kann solchen Glauben jedoch aufgrund der Religionsfreiheit und damit gerade von Verfassungs wegen kaum allgemein offiziell verdammen /verbieten o.ä. Dies ebenso kaum etwa mit der Begründung einer behaupteten Verfassungswidrigkeit eines Glaubens.
Ob vor Gott Verfassungen mit ihren Wertvorstellungen zu gelten haben, kann eben freie Weltanschauungs-/Glaubenfrage sein.
Eine entsprechende Ansicht kann jedenfalls noch grundsätzlich als Meinungsfreiheit geschützt sein. Sie kann daher als offizielles Ausschlusskriterium für ein Staatsamt unter Umständen eher weniger geeignet scheinen. Dies nicht zuletzt dann, wenn sowohl eine entsprechende Ansicht, als auch entsprechende Gegenansichten eventuell bei entsprechenden Interessenvertretern gefühltermaßen diskriminierend “anecken”
können.
@Camenzind: Schon klar. Aber im Religionsunterricht kommen halt staatliche Schule und Religionsgemeinschaft zusammen. Und das macht es ziemlich kompliziert. Es wird dann vielleicht – und das ist Langenfelds Ausgangspunkt – nötig dem Religionsunterricht inhaltliche Grenzen zu ziehen. Dass diese aber so verlaufen wie von Langenfeld vorgeschlagen, scheint mir sehr, sehr unwahrscheinlich. Warum soll es unzulässig sein, die Hausfrauenehe als gottgewollt zu bezeichnen, aber sollen homosexuelle Praktiken als Sünde bezeichnet werden dürfen. Versteh ich nicht.
What’s not to like?
Kürzlich durfte ich in der FAZ lesen, dass der Anteil von Rechtsprofessoren am BVerfG inzwischen exorbitant hoch sei. Vor dem Hintergrund, wäre ein sog. “Praktiker” vielleicht die besser Wahl gewesen.
Inhaltlich habe ich mich mit Prof. Langenfeld noch nicht auseinandergesetzt, insofern hab ich da keine Einwände.
@ Noah: Das war auch mein erster Gedanke. Gibt es denn wirklich keinen Anwalt (oder eben keine Anwältin), den/die man für qualifiziert genug für ein solches Amt hält? Diese Perspektive gibt es in Karlsruhe überhaupt nicht…
@Noah: Ja, that’s not to like. Der Artikel in der FAZ ist online abrufbar unter
http://www.faz.net/aktuell/politik/staat-und-recht/bundesverfassungsgericht-nicht-noch-ein-professor-14128751.html
@Noah: schön, dass Sie die FAZ lesen “dürfen”… aber – auch wenn deren Redakteure das anders sehen mögen – ist das auch nur eine Zeitung. Weder hat sie die Weisheit gepachtet noch verkünden sie dort selbige exklusiv…
Wieso wird nicht mal ein Behinderter gewählt?
Auf der Universitätsseite von Christine Langenfeld
https://www.uni-goettingen.de/de/28521.html
stellt sie ihr “Jahresgutachten des Sachverständigenrates deutscher Stiftungen für Integration und Migration 2016” vor.
http://www.svr-migration.de/wp-content/uploads/2016/04/SVR_JG_2016-mit-Integrationsbarometer_WEB.pdf
Im sehr interessanten Abschnitt über die Beschneidung steht auch Folgendes:
“Mit § 1631d Abs. 2 BGB dürfen also erstmals im deutschen Recht Personen am Körper eines anderen (in diesem Fall eines Kleinkinds) einen Eingriff vornehmen,280 die nicht gegenüber einer staatlichen Stelle ihre Kompetenz dafür nachgewiesen haben (Ringel/Meyer 2014: 23).”
und
“Folgt man dieser Auffassung, müsste ein Geistlicher, der nach § 1631d Abs. 2 BGB die Beschneidung vornimmt, dabei von einem Arzt unterstützt werden, der mit der Betäubung betraut ist.285 Ist dies nicht der Fall, macht sich der Beschneider der Körperverletzung schuldig (in diesem Sinne auch Fischer 2015: § 223 Rn. 50). […] Es ist aber nicht auszuschließen, dass die damit normierten Beschneidungen derzeit von Nichtmedizinern ohne medizinische Begleitung und infolgedessen ohne hinreichende Betäubung durchgeführt werden. Insofern ist hier im Sinne des Kindeswohls eine Klarstellung des Gesetzgebers geboten.”
Was der erste Abschnitt bedeutet, dürfte Ihnen Herr Steinbeis klar sein. Er ist die Bestätigung meines anderen Beitrages.
Ich begrüße, dass begonnen wird, den Unrechtsgehalt der Beschneidung zu erfassen. Dies nebst der Konsequenzen aus Abschnitt 2.