30 June 2010

Darf ein Verfassungshüter ein Aufsichtsratsmandat wahrnehmen?

Diese Frage schlägt gerade in unserem Nachbarland Österreich Wellen. Dort ist der Posten des Aufsichtsratsvorsitzenden des staatlichen Autobahn-Unternehmens ASFINAG zu besetzen. Die SPÖ-Verkehrsministerin hat eine Kandidatin gefunden, die gut geeignet wäre für den Job: Claudia Kahr heißt sie, 54 Jahre alt, ausgewiesene Expertin für Verkehrsrecht, verwaltungserfahren, durchsetzungsstark.

Und Richterin am Verfassungsgerichtshof Österreichs. Einer besonders ehrwürdigen Institution: Österreich ist quasi die Erfinderin der Verfassungsgerichtsbarkeit und hat die große Idee seines großen Sohnes Hans Kelsen bereits 1919 in die Tat umgesetzt. (Und außerdem, als Kuriosum am Rande, das sicherlich einzige Verfassungsgericht, das in seiner Ahnengalerie zwei Präsidenten hat, die nicht nur genau gleich heißen, sondern außerdem auch noch Vater und Sohn sind.)

In Österreich gibt es jetzt allerhand Ärger deswegen, was aber tief in das undurchdringliche Dickicht österreichischer Koalitionspolitik hineinführt und uns hier nicht weiter zu interessieren braucht.

Die Karlsruher Parallele

Für uns ist relevant, was im parallelen Karlsruher Fall passieren würde. Vorstellen kann ich mir zwar nicht, dass es den mal geben wird, aber man weiß ja nie.

§ 3 IV BVerfGG besagt dies:

(4) Mit der richterlichen Tätigkeit ist eine andere berufliche Tätigkeit als die eines Lehrers des Rechts an einer deutschen Hochschule unvereinbar.

Ist ein Aufsichtsratsmandat berufliche Tätigkeit? Teleologisch ausgelegt bestimmt, aber hey: Wir sind Juristen, wir streiten noch über ganz andere Dinge. Die Debattenbeiträge darüber, dass Aufsichtsrat sein gerade kein Beruf ist und dass er vielleicht besser einer sein sollte, füllen in der Corporate-Governance-Diskussion ganze Regalmeter.

Aber dann haben wir noch § 39 DRiG:

Der Richter hat sich innerhalb und außerhalb seines Amtes, auch bei politischer Betätigung, so zu verhalten, daß das Vertrauen in seine Unabhängigkeit nicht gefährdet wird.

Nach § 69 DRiG gilt das Gesetz für Bundesverfassungsrichter, es sei denn, eine Verpflichtung ist mit der besonderen Stellung derselben im Grundgesetz sowie mit dem BVerfGG unvereinbar. Das wird ja wohl auch der wieselflinkeste Teufelsadvokat nicht behaupten können.

Also Ergebnis: Die Österreicher bringen solche Sachen. Aber wir nicht.


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