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17 June 2020

Den State-Business-Nexus gesetzlich regeln: Die Außenwirtschaftsförderung ist notwendiger Bestandteil eines deutschen Lieferkettengesetzes

Ein Lieferkettengesetz zum Schutz der Menschenrechte und der Umwelt muss die deutsche Außenwirtschaftsförderung erfassen und damit die Förderungskriterien für Unternehmen im Ausland gesetzlich regeln. Die Notwendigkeit ist mehrfach begründet:

1. Ohne effektive grund- und menschenrechtliche Prüfkriterien verletzt der Staat in der Außenwirtschaftsförderung seine Schutzpflicht

Die deutsche Außenwirtschaftsförderung umfasst unterschiedliche Aktivitäten zur Unterstützung von Unternehmen im Umgang mit politischen und wirtschaftlichen Risiken bei Geschäften im Ausland. Neben einem weiten Netz von Außenhandelskammern in 92 Ländern und speziellen Programmen zur Erschließung neuer Märkte besteht die wesentliche Förderung in der Vergabe von Exportkreditgarantien (sog. Hermesbürgschaften), Investitionsgarantien und Garantien für ungebundene Finanzkredite (UFK). Volumenmäßig ist die Unterstützung von Exporten durch die Hermesbürgschaften das wichtigste Instrument: 2019 sicherten sie Lieferungen und Leistungen deutscher Unternehmen in Höhe von etwa 21 Milliarden Euro gegen wirtschaftliche und politische Risiken ab – rund sechs Prozent mehr als im Vorjahr. Investitionsgarantien stehen für politische Risiken bei größeren Projekten zur Verfügung und sind ebenfalls seit langem ein gewichtiges Instrument, hier sicherte der Bund 2019 etwa 3,3 Milliarden Euro ab.

Die Exportkredit- und Investitionsgarantien sind bei Unternehmen begehrt und damit ein überaus einflussreiches Förderinstrument. Sowohl die Bundesregierung als auch die damit entlasteten Unternehmen betonen immer wieder, dass viele der damit geförderten Exporte und Investitionsprojekte ohne staatliche Garantien nicht zustande kommen würden, da die betreffenden Risiken nur zu einem geringen Teil durch den privaten Versicherungsmarkt abgesichert werden können. Nebenbei ist das Geschäft auch für den Bund lukrativ, denn die Export- und Investitionsgarantien tragen sich selbst und werfen regelmäßig Gewinne ab, in 2019 etwa 755 Millionen Euro.

Diese Schlüsselfunktion des Staates für die deutsche Außenwirtschaft weist gleichzeitig auf ihre hohe Bedeutung für den Grund- und Menschenrechtsschutz hin. Die Außenwirtschaftsförderung ist neben dem öffentlichen Beschaffungswesen das Paradebeispiel für den sogenannten State-Business-Nexus. Dieser bezeichnet direkte Schnittstellen zwischen privater Wirtschaft und öffentlicher Hand, in denen also der Staat selbst Wirtschaftsakteur ist, Unternehmen beauftragt oder aber wesentlich unterstützt. Die UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte heben diesen Bereich explizit heraus, da hier die extraterritoriale Dimension der menschenrechtlichen Schutzpflicht des Staates in besonders deutlicher und unstrittiger Weise besteht (vgl. hierzu Maastrichter Prinzipien, WSK-Ausschusskommentar sowie Krajewski in diesem Symposium). Wenn also ein Export- oder Investitionsgeschäft eines deutschen Unternehmens im Ausland durch staatliche Unterstützung zustande kommt, dann ist der Staat in der besonderen Pflicht sicherzustellen, dass durch diese Geschäftstätigkeit niemand in der Wahrnehmung von Grund- und Menschenrechten beeinträchtigt wird.

Die Vergabe von Gewährleistungen führt die Bundesregierung nicht selbst durch, sondern beauftragt hiermit private Unternehmen. Dadurch erhöht sich die Anforderung an eindeutige grund- bzw. menschenrechtliche und ökologische Kriterien der Vergabe. Die Exportkreditgarantien werden von der französischen Euler Hermes SA vergeben, einem der weltweit führenden Kreditversicherer, während die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers GmbH mit der Vergabe der Investitionsgarantien beauftragt ist. Dies ist nur dann menschenrechtlich unproblematisch, wenn die beauftragten Mandatargesellschaften – gewissermaßen als verlängerter Arm des Bundes – in besonderer Weise zur menschenrechtlichen Sorgfalt verpflichtet werden und ihre Einhaltung auch regelmäßig überprüfbar ist. Es erhöht sich also durch die Auslagerung der öffentlichen Förderungstätigkeit auf Seiten der beauftragten Mandatare die Notwendigkeit eindeutig festgelegter Verfahrensstandards und Förderkriterien sowie ihrer Überprüfbarkeit durch Behörden und Parlament. Hieran mangelt es jedoch in der Praxis.

2. Es fehlt der Außenwirtschaftsförderung an transparenten Verfahren und parlamentarischer Kontrolle

Bisher erfolgt die gesetzliche Legitimation der öffentlichen Gewährleistungen allgemein im Rahmen des jährlichen Haushaltsgesetzes. Die Beteiligung des Bundestages an den Förderentscheidungen beschränkt sich damit auf das grundgesetzlich vorgegebene Maß an Entscheidungen über zukünftige Belastungen des Haushalts. Das Parlament kann damit nur über das Gesamtvolumen der Außenwirtschaftsförderung mitbestimmen. Die einzelnen Förderentscheidungen werden bei größeren bzw. besonders risikobehafteten Gewährleistungen durch die Exekutive im Rahmen von interministeriellen Ausschüssen (IMA) für die Außenwirtschaftsförderung getroffen. Über kleinere bzw. risikoärmere Geschäfte entscheiden die beauftragten Unternehmen Euler Hermes und PWC. Grundsätzlich geht der Bund von der Förderungswürdigkeit deutscher Außenwirtschaftsgeschäfte aus. Selbst Rüstungsgeschäfte werden in Einzelfällen durch Exportkreditgarantien abgesichert.

Menschenrechte nehmen laut Außenwirtschaftsförderungsportal durchaus eine wichtige Stellung in den Entscheidungen ein. Die beauftragen Mandatare betonen, dass sie regelmäßig ökologische und bei Bedarf auch menschenrechtliche Prüfverfahren durchführen oder diese von den geförderten Unternehmen einfordern. Ob ein Unternehmen grundsätzlich etablierte und bewährte Verfahren zur menschenrechtlichen Sorgfalt aufweist, ist jedoch nicht Gegenstand der Prüfung. Es werden also lediglich projektbezogene Kriterien angesetzt – anders als im Bereich der Korruption, in dem auch unternehmensbezogene Aspekte herangezogen werden. Die projektbezogenen Prüfungen folgen im Wesentlichen den harmonisierten Standards der Außenwirtschaftsförderung im Rahmen der OECD, den sogenannten OECD-Common Approaches, die sich wiederum an den Nachhaltigkeitsstandards der Weltbankgruppe orientieren. Die Weltbankgruppe selbst hat in den letzten Jahren unterschiedliche Reformen an ihren Nachhaltigkeits- und Sozialstandards vorgenommen. Teilweise hat dies zu stärkeren Grundsatzbekenntnissen zu den Menschenrechten und einer Aufnahme weiterer Rechte geführt, aber auf der anderen Seite auch zu viel zivilgesellschaftlicher Kritik an zu schwachen Verfahrensvorgaben zur Analyse und tatsächlichen Vermeidung negativer Auswirkungen auf Gemeinden und Individuen, die von finanzierten Projekten betroffenen sind. Es kann daher derzeit nicht davon ausgegangen werden, dass die Maßnahmen im Rahmen der Common Approaches den Anforderungen an Verfahren der menschenrechtlichen Sorgfalt entsprechen. Die Bundesregierung betont auf ihrem außenwirtschaftlichen Förderportal, dass sie „soweit erforderlich“ bestehende Verfahren um projektbezogene Maßnahmen zur Erfüllung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht ergänze. Ansonsten weist sie die Unternehmen allerdings lediglich im Antragsverfahren auf die Bedeutung menschenrechtlicher Aspekte, der UN-Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte und der OECD-Leitsätze für multinationale Unternehmen hin, ohne dass hieraus spezifische Verpflichtungen für die Unternehmen entstehen würden.

Damit unterliegen die Prüfverfahren in der Praxis der Außenwirtschaftsförderung bisher gängigen internationalen soft law-Bestimmungen, jedoch keinen klaren Vorgaben zur Erfüllung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht. Dabei mangelt es nicht an Bekenntnissen und Betonungen der Bedeutung von Nachhaltigkeitskriterien für die Förderung. Der Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte der Bundesregierung bestärkt zusätzlich das Bekenntnis zu menschenrechtlichen Verfahren und Standards in der Außenwirtschaftsförderung. Er führt jedoch kaum zu substanziellen Verbesserungen. Einzig wenn gegen ein Unternehmen gerade eine Beschwerde bei der Nationalen Kontaktstelle für die OECD-Leitsätze vorliegt, so kann dies nun einen Hinderungsgrund für eine Förderung darstellen. In der Praxis dürfte dies kaum Relevanz haben.

Somit fehlt bisher die Überprüfbarkeit der tatsächlich vor einer Förderentscheidung zur Anwendung kommenden Verfahren und ihrer Ergebnisse. Weder von Projekten betroffene Menschen noch der Bundestag haben die Möglichkeit hierzu. Mögliche Verfahrensschwächen und problematische Förderentscheidungen, die im Ausland mit Rechtsverletzungen einhergehen, können daher auch kaum öffentlich nachvollzogen oder gar gerichtlich angegangen werden.

Die Prüfverfahren und -kriterien müssen daher gesetzlich geregelt werden. Angesichts des großen Einflusses, den der Bund mit der Außenwirtschaftsförderung auf Geschäfte im Ausland ausübt, sowie der in der Vergangenheit immer wieder bekannt gewordenen menschenrechtlichen und ökologischen Konflikte im Kontext ausländischer Geschäftstätigkeiten, vor allem bei Großprojekten, ist eine klare gesetzliche Grundlage zur Legitimierung der Förderkriterien überfällig. Auch im Lichte der fortgeschrittenen internationalen Debatte über Wirtschaft und Menschenrechte scheint eine Annahme der grundsätzlichen öffentlichen Förderungswürdigkeit von Investitionsprojekten sowie Lieferungen und Leistungen deutscher Unternehmen nicht mehr zeitgemäß.

3. Die Außenwirtschaftsförderung ist ein effektiver Durchsetzungsmechanismus eines Lieferkettengesetzes

Die staatliche Schutzpflicht und das Gebot der demokratischen Legitimierung sind ausreichend gute Gründe für eine neue gesetzliche Regelung der Außenwirtschaftsförderung. Die Berücksichtigung des Außenwirtschaftsrechts in einem Lieferkettengesetz würde aber auch einen effektiven Durchsetzungsmechanismus für ein solches Gesetz darstellen. Die mit den Schutzpflichten der Bundesregierung begründete menschenrechtliche Konditionierung öffentlicher Förderung ist aufgrund der hohen Attraktivität der Außenwirtschaftsförderung für viele deutsche Unternehmen ein starkes Signal und ein effektiver Anreiz, um standardmäßig Pläne zur Erfüllung der Sorgfaltspflichten vorzulegen. Es muss in diesem Sinne Voraussetzung für eine Förderung sein, dass Unternehmen – etwa gemäß den aktuellen zivilgesellschaftlichen Vorschlägen für ein Lieferkettengesetz – ihren menschenrechtlichen Sorgfaltspflichten nicht nur in internen Verfahren nachkommen, sondern dies auch in Form von Sorgfaltspflichtenplänen zeigen. Diese Sorgfaltspflichtenpläne sollten vor Entscheidung des zuständigen IMA behördlich überprüft werden und erst auf dieser Grundlage sollte von einer grundsätzlichen Förderungswürdigkeit des Unternehmens bzw. des betreffenden Projekts ausgegangen werden. Es würde sich somit auch eine klarere Grundlage für mögliche Beschwerdefälle ergeben, die sowohl für betroffene Rechteinhaber*innen als auch für Unternehmen eine erhöhte Rechtssicherheit bieten könnte.

Folgt man dem seitens zivilgesellschaftlicher Organisationen in Auftrag gegebenen Rechtsgutachten, so wäre eine solche Einforderung von Sorgfaltspflichten als Voraussetzung der Außenwirtschaftsförderung auch grundgesetzlich unproblematisch. Es ergibt sich zum einen aus dem Grundgesetz kein Anspruch auf Förderung außenwirtschaftlicher Tätigkeit, und ihre Ablehnung kann damit keinen Grundrechtseingriff darstellen. Zum anderen wäre diese Versagung auf Grundlage wesentlicher menschenrechtlicher und ökologischer Anforderungen gut gerechtfertigt.

4. Fazit

Ohne Berücksichtigung des Außenwirtschaftsrechts wäre ein deutsches Lieferkettengesetz unvollständig. Die gesetzliche Verknüpfung menschenrechtlicher und ökologischer Sorgfalt in der Lieferkette mit Instrumenten der öffentlichen Förderung von Auslandsgeschäften gebietet sich schon aufgrund der menschenrechtlichen Schutzpflicht des Staates in Bereichen des State-Business-Nexus. Sie würde auch eine lange überfällige gesetzliche Grundlage für menschenrechtliche und ökologische Kriterien der Außenwirtschaftsförderung schaffen und gleichzeitig einen effektiven Durchsetzungsmechanismus im Lieferkettengesetz darstellen.


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