29 April 2010

Den Terror aushungern

Ehefrauen von Terrorverdächtigen dürfen keine Sozialhilfe bekommen. Weil damit könnten sie ja Lebensmittel einkaufen. Und daraus ein Mittagessen kochen. Und das ihrem Mann vorsetzen. Darf nicht sein.

Es fällt nicht leicht, das zu glauben, aber einer heute ergangenen Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) zufolge war genau dies die Sichtweise der britischen Regierung. Das wird sich jetzt ändern müssen, denn der EuGH sieht das doch ein bisschen anders.

Im Januar 2002 beschloss der UN Sicherheitsrat, dass alle Personen mit Verbindungen zu Taliban oder Al-Kaida auf eine Liste kommen und ihr gesamtes Vermögen eingefroren wird. Wer auf dieser Liste landet, soll keinen Pfennig Geld mehr unkontrolliert ausgeben können, damit der Pfennig nicht am Ende bei den Terroristen landet. (Gegen diese Maßnahmen gab es im Übrigen keinen Rechtsschutz, bis der EuGH im Urteil Kadi dafür sorgte, dass es in gewissem Umfang doch einen gab). Wer Personen auf dieser Liste Geld zur Verfügung stellt oder “zugutekommen” lässt, macht sich strafbar.

Die britische Regierung legte dies so aus, dass sie auch den Ehefrauen kein Geld zur Verfügung stellen darf bzw. nur, wenn die Verwendung des Gelds unter sehr restriktiver Kontrolle bleibt. Weil es doch dem Terrorverdächtigen “zugutekommt”, wenn mit dem Geld auch sein Mittagessen eingekauft wird.

Das Wörtchen “zugutekommen”

Das klingt logisch, ist es aber nicht: Dem House of Lords fiel auf, dass das Sättigen des Terrorverdächtigen am Mittagstisch nur schwer als Unterstützung für Al-Kaida zu qualifizieren ist. Die Lordrichter legten den Fall dem EuGH vor, und der hat entschieden: Was unter “zugutekommen” genau zu verstehen sei, müsse mit Blick auf Zweck und Funktion der Verordnung ausgelegt werden. Und dass die Einkaufstüten der Terroristenfrau die Zwecke von Al-Kaida befördern, scheint dem EuGH doch

wenig plausibel, zumal die in den Ausgangsverfahren fraglichen Leistungen sorgfältig so bemessen sind, dass sie nur die notwendigsten Bedürfnisse der Betroffenen decken.

Damit aber nicht genug: Die Luxemburger Richter rügen auch einen Verstoß gegen den Grundsatz der Rechtssicherheit (mit Verweis auf Kadi). Bei dieser Lesart des Wörtchens “Zugutekommen” wäre jeder, der der Ehefrau Geld gibt, ob Arbeitgeber oder Bank oder sonstwer, eines strafbaren Verstoßes gegen die Terrorsanktionen verdächtig.


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