13 July 2017

Der Staat würfelt nicht – und muss das auch beweisen

„Der Herr hat‘s gegeben, der Herr hat‘s genommen“ ist für den Staat, der Maßnahmen ergreift und Leistungen erbringt, kein Leitmotiv seines Handelns. Der gegenteilige Eindruck einer hegemonialen Übung mag entstehen, wenn Journalisten von einem Tag auf den anderen ihre Akkreditierung für eine staatliche Veranstaltung verlieren.

So geschehen beim G20-Gipfel in Hamburg: 32 Journalisten wurde die Akkreditierung nachträglich entzogen. Nach Angaben des Presse- und Informationsamts der Bundesregierung (Pressemitteilung Nr. 259 vom 11. Juli 2017) waren 5.101 Medienvertreter akkreditiert worden, davon 4.951 bis zum Ablauf der Akkreditierungsfrist am 23. Juni 2017. Das Amt verwies darauf, dass kein Medienvertreter „im Rahmen dieses üblichen Akkreditierungsverfahrens aus Sicherheitsgründen“ ausgeschlossen worden sei. Jedoch seien bis zum Beginn des Gipfels zu 32 Medienvertretern Sicherheitsbedenken geäußert worden, „die ausschließlich aus eigenen Erkenntnissen deutscher Behörden resultierten“. Das Bundeskriminalamt teilte selbst mit, dass gewichtige zusätzliche sicherheitsrelevante Erkenntnisse und die Gesamtbeurteilung der aktuellen Entwicklungen der Gipfelsituation zu einer Neubewertung geführt hätten, „mit dem Ergebnis, in 32 Fällen die Akkreditierung nachträglich zu entziehen“ (Pressemitteilung vom 11. Juli 2017). Neun Medienvertretern sei die Akkreditierung entzogen worden, die übrigen 23 seien nicht mehr am Medienzentrum erschienen. Zum Zwecke der Durchsetzung wurden Listen mit den Namen der 32 Medienvertreter an die für die Kontrollstellen eingesetzten Polizeikräfte ausgegeben.

Diese Maßnahme wirkt für einen Medienvertreter in der konkreten Situation nicht anders, als die Verweigerung der Einreise in das Heimatland oder das Abgewiesen-Werden des Stammgastes vor dem coolsten Club der Stadt wirken kann – immerhin irritierend, eher erschütternd. Den Konstellationen ist gemeinsam, dass signalisiert wird, dass der Abgewiesene nicht dazugehöre: „You‘re either with us, or against us.“ Das verweist auf einen politischen Diskurs, in dem es um Macht geht, hier: die Macht, jemanden auszuschließen, und das Recht zur Disposition gestellt wird. Rechtlich anzuerkennen wären gewichtige Gründe, über deren Vorliegen nicht spekuliert werden sollte. Nichts ist unvorstellbar. Aber die vergangenen Fälle sind doch völlig andere: Journalisten traten als Gastarbeiter oder Bild-Reporter auf (Günter Wallraff, lebenslang), Polizisten tarnten sich als Kameraleute (Wasserbillig, 2000) und ein Fernsehjournalist versuchte, seine Schuhe einem US-Präsidenten an den Kopf zu werfen (Bagdad, 2008). Kritische Berichterstattung, Verbindungen zu bestimmten Organisationen, die Sichtung in der Nähe von Randalierern und wiederholte Besuche in der Türkei reichen jedenfalls nicht aus. Eine (selbstverständlich wertende) Gesamtbeurteilung – das zeigte auch der Fall des Protestcamps im Hamburger Stadtpark – ist für den Grundrechtsschutz des Betroffenen immer prekär, zumal wenn dies zum Ausschluss führt, zu Schwarz statt Weiß. Die Kompromisslosigkeit des Staates soll Stärke beweisen, doch sie zeugt eher von einer tiefen Verunsicherung, auch hinsichtlich der Grenzen des eigenen Handelns. Die überspitzende Großformel, dass die Pressefreiheit für die freiheitliche Demokratie „schlechthin konstituierend“ sei (so BVerfGE 10, 118/121), hätte hier für eine Kontrollüberlegung herangezogen werden können.

„Eine freie, nicht von der öffentlichen Gewalt gelenkte, keiner Zensur unterworfene Presse ist ein Wesenselement des freiheitlichen Staates“, ist im Spiegel-Urteil des Bundesverfassungsgerichts, dieser Grund-Entscheidung zur Pressefreiheit des Grundgesetzes, nachzulesen (BVerfGE 20, 162/174). Eine eigene Form der Lenkung findet indes statt, wenn der Staat Meinungsbildungsprozesse mitorganisiert und ein Akkreditierungsverfahren vorsieht. Der sachliche Grund für dieses Verfahren liegt in dem Zweck, die Teilhabe aller Interessierten zu optimieren, im Interesse aller, die sich beteiligen wollen; so verweist das Bundespresseamt selbst darauf, dass die Bereitstellung guter Arbeitsbedingungen herausragende Bedeutung habe. Als Kommodität tritt hinzu, dass man so „der guten Ordnung halber“ eher den Überblick behalten mag. Je größer das Rundum-sorglos-Paket ist, welches den Journalisten/innen dabei geboten wird, desto eher wird das Bild der Leistungsverwaltung entstehen, die lediglich diskriminierungsfrei handeln muss.

Daran, dass sich ein leistungsverwaltungsrechtlicher Schleier über die Presseberichterstattung über staatlich organisierte Großereignisse gelegt und die abwehrrechtliche Grundstellung der Pressefreiheit verdeckt hat, erinnert der Fall des Widerrufs von Akkreditierungen. Dies hat drei Gründe: Erstens wurde der Zugang zu einer Infrastruktur verhindert, deren Nutzung mehr als nur in Aussicht gestellt, sondern zugesagt worden war, trotz eines zeitaufwändigen Vorlaufs und trotz der Nutzung der Akkreditierung am Vortag; dafür spielt es auch keine Rolle, ob der/die Betroffene Vorbehalte gegenüber dieser Einhegung hat. Zweitens wurde nicht nur hemdsärmelig, sondern datenschutzwidrig als Medium eine Liste genutzt, für die die grundlegenden Anforderungen der Datensparsamkeit und des Datenschutzes durch Design nicht beachtet wurden; eine andere, gesichtswahrende Prozedur wäre möglich gewesen, um den Vorgang im behördlichen Sinne abzuschließen. Und drittens wird in die nach Art. 5 Abs. 1 S. 2 GG grundrechtlich gewährleistete Freiheit der Berichterstattung eingegriffen, ohne dass kurzfristig Rechtsschutz zu erlangen wäre.

Eine nach Abkühlung aufklärende Aufarbeitung ist angezeigt. Diese wird öffentlich nur auf Initiative der betroffenen Medienvertreter hin möglich sein. Ansonsten bleibt sie Hintergrundgesprächen und Untersuchungsausschüssen vorbehalten. An diesen wird in und nach der Sommerpause kaum Interesse bestehen.


One Comment

  1. Felix R. Fri 14 Jul 2017 at 11:06 - Reply

    Ich verstehe nicht so ganz, warum Sie so auf den Abehrcharakter der Pressefreiheit abstellen?

    M.E. ist vielmehr der Anspruch auf Gleichbehandlung im journalistischen Wettbewerb (Art. 5 i.V.m. Art. 3 GG) entscheidend. Stellt der Staat einzelnen Journalisten Leistungen (zB Akkreditierung) zur Verfügung, muss er diese grdsl. allen zur Verfügung stellen. Tut er dies nicht, muss er dies mit nachvollziehbaren Gründen tun, welche insb. nicht auf eine Steuerung der Presse hinaus laufen. Fraglich ist, ob er dies im zu entscheidenden Fall getan hat. So weit so bekannt…

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