28 April 2015

Die Ehre der Polizei und die Ehre der Polizisten ist zweierlei

20 Jahre wird der berühmt-berüchtigte “Soldaten-sind-Mörder”-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts in diesem Jahr alt. Eine heute veröffentlichte Kammerentscheidung aus Karlsruhe gibt Anlass, sich dieser einst so heiß umstrittenen Entscheidung zu erinnern. Wieder geht es um Kollektivbeleidigung, wieder geht es um Menschen, die Waffen tragen und Gewalt ausüben (dürfen), und wieder geht es um die Grenzen des Rechts, öffentlich nicht gut finden zu dürfen, dass es diese Menschen gibt.

In dem Fall ging es um eine junge Frau aus Niedersachsen, die wiederholt von Polizeistreifen angehalten wurde, weil – oder jedenfalls: während – sie T-Shirts oder Anstecker mit der Buchstabenfolge “FCK CPS” darauf am Leib trug. Was sie damit zum Ausdruck bringen wollte, stellte die Polizisten vor keine großen Rätsel – sicher nicht Begeisterung für den Effzeh Kölle und/oder cyber-physische Systeme. Die Polizisten fühlten sich jedenfalls beleidigt genug, um die Dame anzuzeigen, woraufhin das AG Bückeburg sie zu 15 Stunden gemeinnütziger Arbeit verurteilte. Das OLG Celle fand daran nichts auszusetzen.

Es gibt eine Menge Rechtsprechung zu dieser Sorte von Kollektivbeleidigung gegen Polizisten, ob das nun ACAB-Transparente im Fußballstadion oder Mord- und Terrorvorwürfe in einer “Kommunistischen Volkszeitung” sind. Spätestens seit 1995 ist aber klar, dass es nicht sein kann, dass man eine gesellschaftliche Institution nicht mehr öffentlich anprangern darf, nur weil die Menschen, die ihr angehören, das auf sich beziehen und sich beleidigt fühlen. “Soldaten” als unüberschaubar großes Kollektiv, dem von Hannibal über Pinochet bis hin zum diensthabenden Strammsteher des Wachbatallions vor dem Bundespräsidialamt alle möglichen Leute angehören, kann ich beschimpfen und aller möglichen Untaten bezichtigen, wie ich möchte. Das muss der einzelne Soldat aushalten, solange ich nichts getan habe, das ihm Anlass gibt, sich persönlich gemeint zu fühlen.

Dem fügt die heutige Kammerentscheidung gar nicht viel Neues hinzu. Das bloße Spazierentragen eines kollektiv beleidigenden Ansteckers reicht jedenfalls für eine strafrechtliche Verurteilung nicht aus – ebenso wenig die Tatsache, dass zu den “CPS”, denen die Frau nichts Gutes wünscht, auch das örtliche Polizeikommissariat als abgrenzbare Teilgruppe zählt.

Vielmehr bedarf es einer personalisierenden Zuordnung, für die hier nichts ersichtlich ist. Es kann nicht angenommen werden, dass die dem Anstecker zu entnehmende Äußerung allein durch das Aufeinandertreffen der Beschwerdeführerin mit den kontrollierenden Polizeibeamten einen objektiv auf diese konkretisierten Aussagegehalt gewonnen hat.

Auch die Tatsache, dass die Polizisten der Frau zuvor schon ein T-Shirt mit gleichem Aufdruck übel genommen hatten, macht den Anstecker nicht zu einer strafbaren Beleidigung.

Es liegen keinerlei Feststellungen dazu vor, dass sich die Beschwerdeführerin vorsätzlich in eine Situation begeben hätte, in der sie damit rechnen musste, mit einiger Sicherheit auf bestimmte Polizeibeamte zu treffen. Der bloße Aufenthalt im öffentlichen Raum reicht nach den verfassungsrechtlichen Vorgaben zur Benennung der Umstände nicht aus, die eine aus dem Wortlaut einer Äußerung nicht erkennbare Konkretisierung bewirken.

Vielleicht fühlt sich jetzt mancher CSU-Abgeordnete oder Innenminister versucht, sich über diese Linie aufzuregen. Bis zu einem gewissen Punkt könnte ich das sogar verstehen. Es ist ja gerade die Pauschalisierung, das “All” in “All Cops are Bastards”, das diesen Spruch so schwer erträglich macht, die Implikation, dass allein die Polizistenuniform ihren Träger vom Menschen zum Schwein macht und damit zu jemandem, dem man Gewalt zufügen darf, der diese geradezu verdient.

Aber das ist keine Sache, die man über den Beleidigungsparagraphen lösen könnte, jedenfalls nicht ohne denselben zu einem verkappten Staatsschutztatbestand und jede freie Meinungsäußerung abtötenden Einschüchterungsinstrument umzufunktionieren. Dem beugt die Linie, die das BVerfG vorgibt, vor. Und deshalb bin ich bei aller Sympathie für Polizisten, die sich nicht als Bastarde, und für Soldaten, die sich nicht als Mörder beschimpfen lassen wollen, froh und dankbar, dass es diese Linie gibt. Heute wie vor 20 Jahren.


2 Comments

  1. Froh und dankbar Tue 28 Apr 2015 at 16:47 - Reply

    Wie wäre es mit “FCK RiBVerfG”? Oder sind die 16 Richter und Richterinnen sowie die RiBVerfG im Ruhestand eine hinreichend kleine Gruppe? Wie wäre es dann mit “FCK BuRi”?

  2. Dr Marc Mewes Tue 28 Apr 2015 at 17:05 - Reply

    Rudolf Wiethölter
    Soldaten sind Soldaten sind Soldaten. Das Soldatenurteil und kein…Anfang? Eine Spiel Anregung nebst kurzer Begründung, KJ 1991, S.61 ff.

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