Die Mär von den Männerquoten
Die Staatsanwaltschaft Hamburg stellt ein: Weil bei ihr männliche Staatsanwälte unterrepräsentiert sind, will sie Männer „bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorrangig berücksichtigen“. So sieht es das Hamburgische Gleichstellungsgesetz vor, das sich – vermeintlich egalitär gerecht – explizit an das „unterrepräsentierte Geschlecht“ richtet. Dieses ist in Stellenausschreibungen anzusprechen und bei gleicher Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung auch vorrangig einzustellen, jedenfalls bis die Unterrepräsentation im Sinne von Unterzahl beseitigt ist. „Unterrepräsentanz“ definiert das Gesetz in der Tat als männliche oder weibliche Unterzahl: sie soll gegeben sein, wenn der Anteil eines Geschlechts in einem Bereich einer Dienststelle unter 40 Prozent liegt. Vergleichbare Definitionen existieren in anderen Landesgleichstellungsgesetzen (z. B. in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern) und auch im Bundesgleichstellungsgesetz. Praxisrelevant werden solche Definitionen erst, wenn sie einhergehen mit einer Quotenregelung im Sinne von: Bei gleicher Eignung wird die oder der Angehörige des unterrepräsentierten Geschlechts eingestellt, be- oder gefördert. Eine solche Ausrichtung der Gleichstellungsgesetze auf Frauen und Männer gleichermaßen ist ein Paradigmenwechsel, der erhebliche rechtliche Probleme aufwirft. Denn dürfen Quoten bei einem sogenannten Leistungspatt wirklich für Männer angewendet werden? Wie verhält sich dies zum Grundsatz der Nichtdiskriminierung wegen des Geschlechts aus Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG?
Frauenquoten zur Durchsetzung von Gleichberechtigung
Eine frauenfördernde Maßnahme bei Einstellung oder Beförderung schließt Männer aus und stellt somit für sich genommen eine Benachteiligung aufgrund des Geschlechts dar. Dass die letzten Jahrzehnte hierüber kontrovers und teilweise in erbitterter Schärfe diskutiert wurde, beruht darauf, dass Art. 33 Abs. 2 GG und Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG es grundsätzlich verbieten, das Geschlecht als Anknüpfungspunkt für eine begünstigende oder belastende Maßnahme zu nehmen. Die Rechtfertigung solcher Maßnahmen ist nur innerhalb enger Grenzen möglich, sofern sie einem verfassungslegitimen Zweck dienen und verhältnismäßig sind. Der legitime Zweck frauenfördernder Maßnahmen ergibt sich aus Art. 3 Abs. 2 S. 1 GG, der den Staat dazu verpflichtet, die Gleichberechtigung von Mann und Frau durchzusetzen. Diese Pflicht bezieht sich auf alle gesellschaftlichen Bereiche, fraglos auch auf das Erwerbsleben und damit auch auf den öffentlichen Dienst, um den es in den Gleichstellungsgesetzen im Wesentlichen geht. Der Grundgesetzgeber des Jahres 1994 hat in Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG anerkannt, dass Frauen in Staat und Gesellschaft strukturell benachteiligt sind. Er hat dem Staat deshalb aufgegeben, die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung zu fördern und auf die Beseitigung bestehender Nachteile hinzuwirken. Damit wurde vor allem die Rechtsprechung des BVerfG aufgenommen: „Faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen, dürfen wegen des Gleichberechtigungsgebots des Art. 3 Abs. 2 GG durch begünstigende Regelungen ausgeglichen werden“. Dementsprechend ist es inzwischen juristischer Mainstream, dass eine Bevorzugung von Frauen im Rahmen der durch Art. 3 Abs. 2 GG vorgegebenen legitimen Zwecke gerechtfertigt sein kann, ggf. auch über eine Quotenregelung (Vorzugsregel). Auf der Grundlage europäischen Rechts ist eine solche Quote weiterhin davon abhängig, dass nicht im Einzelfall in der Person des Mannes liegende Gründe überwiegen und die dabei angelegten Kriterien nicht ihrerseits für Frauen diskriminierend sind (Härteklausel: EuGHE I 1995, 3051 – C-450/93 – Kalanke; 1997, 6363 ff. – C-409/95 – Marschall).
Jegliche Quotenregelung bei einer Einstellungs- oder Beförderungsentscheidung ist nur dann verfassungsrechtlich zu rechtfertigen, wenn sie den Anforderungen des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes genügt. Sie kann gegenüber weniger verpflichtenden Zielformulierungen oder allgemeinen Fördermaßnahmen geeignet und erforderlich sein, die Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen zu fördern. Im Rahmen der Angemessenheitsprüfung verlangt die Rechtsprechung, dass es nur um Vorzugsregeln zugunsten von BewerberInnen gehen darf, die im direkten Vergleich im Wesentlichen leistungsgleich sind (also nicht um die Bevorzugung weniger qualifizierter Bewerberinnen, wie fälschlicherweise gerne behauptet wird).
Strukturelle Benachteiligung
Eine Männerquote hält einer solchen Grundrechtsprüfung nicht stand. Denn es fehlt bereits ein verfassungslegitimer Grund für eine begünstigende Regelung. Dafür genügt es nicht, dass möglicherweise auch einzelne Männer Benachteiligungen erleiden. Das würde auch bei Frauen nicht ausreichen. Anknüpfungspunkt sind vielmehr „faktische Nachteile, die typischerweise Frauen treffen“. Ernst Benda konstatierte insoweit 1986 eine „strukturelle Benachteiligung“ von Frauen als ein Problem nicht von einzelnen Frauen, sondern als ein gesamtgesellschaftliches Problem. Dabei ging und geht es vor allem um Geschlechterstereotype und Rollenbilder. Arbeitgeber in der Privatwirtschaft lassen sich in ihrem Einstellungsverhalten durch die Furcht vor Ausfallzeiten aufgrund von Schwangerschaften und – immer noch vorwiegend von Frauen in Anspruch genommenen – Elternzeiten bestimmen. Frauen und Müttern wird geringere Leistungsbereitschaft zugeschrieben oder diese für die Zukunft in möglichen Familienphasen antizipiert. Dies führt immer noch zu einer Bevorzugung von Männern.
Das Bundesgleichstellungsgesetz hat bei seiner Männerquote das Problem immerhin erkannt. Sie soll nur dann greifen, wenn Männer strukturell benachteiligt und in dem jeweiligen Bereich unterrepräsentiert sind (§ 8 Abs. 1 Satz 5)! Das löst das verfassungsrechtliche Problem zumindest formal, auch wenn sich selbst mit dem größtmöglichen Wohlwollen eine gesamtgesellschaftlich wirksame strukturelle Benachteiligung von Männern nicht behaupten lässt. Deshalb fehlt der Männerquote im Bundesgleichstellungsgesetz bei verfassungskonformer Anwendung tatsächlich ein Anwendungsbereich. Eine andere Lösung hat Mecklenburg-Vorpommern gewählt. Es definiert in seinem Landesgleichstellungsgesetz wie folgt (§ 3 Nr. 2): „Strukturelle Benachteiligung: Ist das Ergebnis einer Diskriminierung von Frauen oder Männern aufgrund von vorherrschenden Strukturen der Gesamtgesellschaft und damit einhergehenden Rollenbildern und Vorurteilen gegenüber Beschäftigten des unterrepräsentierten Geschlechts.“ Das ließe sich noch als ehrenvoller Definitionsversuch akzeptieren. Verfassungsrechtlich unhaltbar ist indessen die Vermutungsregel, die der mecklenburg-vorpommersche Gesetzgeber anfügt: „Ist in einer Beschäftigungsgruppe der Anteil des einen Geschlechts in den Eingangsämtern deutlich höher als in der entsprechenden Führungsebene, so kann auf eine strukturelle Benachteiligung dieses Geschlechts rückgeschlossen werden.“ Das kommt der hamburgischen Regel, die das Erfordernis einer strukturellen Diskriminierung gleich ganz unterschlägt, denn doch sehr nahe (§§ 3 Abs. 1, 5 LGG).
Beide Varianten der Männerförderung sind verfassungsrechtlich nicht zulässig. Männer sind nicht schon dann strukturell diskriminiert, wenn in einer Beschäftigungsgruppe der Anteil von Männern in den Eingangsämtern deutlich höher ist als in der entsprechenden Führungsebene. Solches findet sich gelegentlich, wenn auch nur vereinzelt, in den unterschiedlichen Beschäftigtengruppen des öffentlichen Dienstes. Sucht man nach Begründungen dafür, so ist zu berücksichtigen: Angesichts der relativ schlechten Vergütung im öffentlichen Dienst – im Verhältnis zur Privatwirtschaft – ist dieser für männliche Spitzenkräfte deutlich weniger attraktiv als für Frauen. Männlichen Bewerbern mit entsprechenden Qualifikationen stehen im Bereich der Großkanzleien oder sonstigen Bereichen der Privatwirtschaft deutlich besser bezahlte Alternativen zum Öffentlichen Dienst zur Verfügung. Für Frauen, die immer noch die Hauptlast der unbezahlten Arbeit und der Sorge für Kinder und Angehörige schultern, sind die familienfreundlichen Arbeitsbedingungen im Öffentlichen Dienst häufig von höherer Bedeutung. In Hamburg wie in anderen Ländern liegt der inzwischen niedrige Männeranteil in der Staatsanwaltschaft unbestreitbar daran, dass sich zu wenige Männer mit Prädikatsexamina als Staatsanwalt bewerben, und nicht etwa daran, dass sie auf der Grundlage struktureller Diskriminierung geringere Einstellungschancen bei einer Bewerbung hätten.
Wenn Gesetze zugunsten von Frauen an deren zahlenmäßige Unterrepräsentanz anknüpfen, folgen sie hierin dem EuGH, der diesen – den üblichen juristischen Methoden widersprechenden – „statistical approach“ als einfachen indiziellen Nachweis von Frauenbenachteiligung ausdrücklich (und nur deshalb) gebilligt hat, weil die Diskriminierungsgeschichte von Frauen offen zu Tage lag und die Statistiken kaum anders zu interpretieren waren – unabhängig davon, ob dies in der einzelnen Dienststelle anders ist. Männerförderung ließe sich europarechtlich nicht vergleichbar begründen. Es fehlt jeder Hinweis auf eine geschlechtsspezifische Diskriminierungsgeschichte. Der Begriff der strukturellen Benachteiligung lässt sich jedenfalls nicht allein auf Einzelphänomene wie Unterrepräsentanz und auch nicht auf eine einzelne Dienststelle herunterbrechen. Eine Unterrepräsentanz, die nicht aus struktureller Benachteiligung resultiert, entspricht nicht den Anforderungen des Art. 3 Abs. 2 GG. „Soweit ein deutliches Missverhältnis zwischen dem Frauenanteil in den Eingangsämtern und dem Frauenanteil der dazugehörigen Führungsebene besteht, ist eine solche faktische Benachteiligung anzunehmen“, argumentiert auch das Gutachten von Hans-Jürgen Papier und Martin Heidebach zu Zielquoten im Öffentlichen Dienst für das Land NRW. Diese Vermutung wird damit begründet, dass die deutliche Unterrepräsentanz von Frauen in Führungspositionen entweder in durchschnittlich niedriger Qualifikation liege (was angesichts exzellenter Examina von Juristinnen abwegig ist) oder aber in strukturellen Nachteilen.
Fazit
Männerquoten antworten derzeit nicht auf eine geschlechtsspezifische strukturelle Benachteiligung. Allein aus der Unterrepräsentanz eines Geschlechts auf eine strukturelle Benachteiligung zu schließen, ist realitätsblind und vermag die Durchbrechung des verfassungsrechtlichen Verbots der Diskriminierung wegen des Geschlechts nicht zu rechtfertigen.
In der Justiz wird zum Teil eine „Feminisierung“ beklagt, die negative Auswirkungen auf die Akzeptanz, die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung haben werde. In den 1980er Jahren haben Heide Pfarr und Klaus Bertelsmann in ihrem Werk „Diskriminierung im Erwerbsleben“ zahlreiche informelle – keineswegs geheime – Männerquoten offengelegt, gegen die qualifizierte und geeignete Frauen chancenlos blieben. Im Jahr 2018 hat sich das Blatt offenbar nicht substantiell gewendet. Das Ziel von Gleichstellungsgesetzen ist Chancengleichheit und nicht Ergebnisgleichheit. Wenn eine nach dem Prinzip der Bestenauswahl unter den aktuellen Marktbedingungen erfolgte Einstellungspolitik zu einer Unterrepräsentanz von Männern in einem Bereich führt, kann das nicht mit Diskriminierung verwechselt werden. Eine Männerquote – unabhängig davon, ob sie vergleichbar wenig Anwendungsfälle hat wie die entsprechende Frauenquote – ist auf jeden Fall die falsche Antwort. Wir wollen keine Gesellschaft, in denen noch die nächsten 100 Jahre die Vergabe aller Positionen vom Geschlecht abhängt. Auch Frauen wollen, dass sich dieses Thema endlich erledigt. Aufgrund der fortbestehenden strukturellen Diskriminierung von Frauen ist dies derzeit aber noch nicht möglich. Für eine geschlechtergerechte Gesellschaft brauchen wir verstärkte Anstrengungen für gute Arbeitsbedingungen, eine geschlechtergerechte Auswahl von Führungskräften im Öffentlichen Dienst, sowie einen Paradigmenwechsel in der Privatwirtschaft.
Der Artikel geht schon von falschen Voraussetzungen aus. Es gibt keine „Männerquote“ bei der Staatsanwaltschaft Hamburg, wie dieser Beitrag suggeriert. Männer sollen bei gleicher Eignung lediglich bevorzugt werden. Dies ist m.E. durchaus legitim, wenn man bedenkt, dass in den letzten Jahren zu 70% Frauen eingestellt wurden und diese – erwiesenermaßen – ohnehin die besseren Examina machen. Mit einer „Quote“ hat dies rein gar nichts zu tun.
Auch wenn das BVerfG 1985 noch eine strukturelle Benachteiligung von Frauen gesehen hat, heißt dies keineswegs, dass es dies im Jahr 2018 (mehr als 30 Jahre später!) immer noch so sehen würde.
Im Ergebnis kann es so falsch nicht sein, in einem Arbeitsumfeld, wo Frauen deutlich überrepräsentiert sind, darauf zu achten, dass es ein ausgewogenes Verhältnis bei Neueinstellungen gibt – oder – zumindest für einen kurzen Zeitraum, bis dieses Verhältnis wiederhergestellt ist, Männer bei der Einstellung bevorzugt werden, und zwar gerade dann, wenn Männer tatsächlich notentechnisch benachteiligt sind.
Weil Frauen bessere Examina machen, sind Männer notentechnisch benachteiligt? Empirische Studien ergeben anderes … http://www.towfigh.net/emanuel/deutsch/neue-studie-zu-geschlechts-und-herkunftseffekten-in-juristischen-examina.html
Glücklicherweise gibt es mit Art. 33 GG eine starke Schranke für die Bestrebungen zur “Gleichstellung” im Öffentlichen Dienst (auch wenn einige Gleichstellungsgesetze das Gebot der Bestenauslese leider durch Formulierungen à la “im Wesentlichen leistungsgleich” aufzuweichen versuchen).
Ebenso glücklicherweise stellt Art. 3 mitnichten grundgesetzlich fest, dass “Frauen in Staat und Gesellschaft strukturell benachteiligt” seien. Der eingefügte Satz handelt immerhin geschlechtsneutral von der “Gleichberechtigung von Frauen und Männern” und der “Beseitigung bestehender Nachteile”. Leider wird diese Formulierung mittlerweile, entgegen der ursprünglichen Intention des verfassungsändernden Gesetzgebers, als Rechtfertigung für feste Quoten (-> Aufsichtsräte) gesehen und die Politik zeigt bis heute äußerst wenig Interesse, bestehende Nachteile von Männern in unserer Gesellschaft zu beseitigen.
In diesem speziellen Fall will ich ohne genaue Kenntnis gar nicht behaupten, dass Männer auf dem Wege zu einer Karriere bei der Staatsanwaltschaft Hamburg benachteiligt wären, auch wenn ich das nicht ausschließen kann. Die Auswirkung einer korrekt angewandten Vorzugsregel nur zwischen leistungsgleichen Bewerbern dürften ohnehin recht gering sein.
Dass sich “selbst mit dem größtmöglichen Wohlwollen eine gesamtgesellschaftlich wirksame strukturelle Benachteiligung von Männern nicht behaupten” lasse, wird in diesem Artikel allerdings in keiner Weise belegt. Selbst beschränkt auf das konkrete Thema der Chancen bei einer Jobbewerbung mag das für die meisten Berufe vielleicht zutreffen, aber eine solche Universalaussage ist doch sehr gewagt. Das fällt besonders auf im Vergleich zur Aussage, dass “die Diskriminierungsgeschichte von Frauen offen zu Tage” liege und daher anscheinend jede “zahlenmäßige Unterrepräsentanz” ohne weiteres als Beleg der Frauendiskriminierung herhalten darf.
Eine strukturelle Benachteiligung von Männern auf dem Weg zum Öffentlichen Dienst kann sich schon daraus ergeben, dass für die Bestenauslese Noten sehr wichtig sind. Da männliche Schüler bei gleicher Leistung systematisch schlechter benotet werden, ist eine strukturelle Benachteiligung männlicher Bewerber für die Ausbildung zum mittleren und gehobenen Dienst durch ihre Schulnoten nicht ausgeschlossen. Durch zulassungsbeschränkte Studiengänge können sich solche Nachteile auch für den höheren Dienst ergeben.
“Das Ziel von Gleichstellungsgesetzen ist Chancengleichheit und nicht Ergebnisgleichheit” wird gerne behauptet. Die Wirklichkeit sieht anders aus, weil nur eine Ergebnisgleichheit als Beweis für eine hinreichende Bekämpfung “der fortbestehenden strukturellen Diskriminierung” (natürlich nur von Frauen) akzeptiert wird. Ein hervorragendes Beispiel ist die Frauenquote für Führungspositionen in der SPD: Ursprünglich nur als befristete Starthilfe für eine höhere Frauenbeteiligung gedacht wurde sie aufgrund des kaum angestiegenen parteipolitischen Engagements der Frauen in eine Dauerregelung umgewandelt.
Ein Problem ungleicher Chancen ließe sich nur dann durch Quoten beheben, wenn genau feststeht, wer genau aufgrund welcher Eigenschaften in welchem Maße benachteiligt wird. Wenn die Benachteiligung etwa mit der oft genannten schlechten Vereinbarkeit von Beruf und Familie zusammenhängt, ist eine Förderung kinderloser Frauen ohne besondere Familienpflichten offenkundig nicht zielführend. Für das Ausmaß einer Diskriminierung wird man im Allgemeinen höchstens eine untere Schranke finden können; ein Eingriff wie eine Quotenregelung muss entsprechend eher zu schwach als zu stark ausgestaltet werden. (Sinnvoller sind anonyme Bewerbungsverfahren, was abgesehen von Ausnahmen wie den Blind Auditions für Orchestermusiker aber nur in begrenztem Umfang möglich ist.)
Auch bei Frauenquoten ist demnach zu beachten: “Allein aus der Unterrepräsentanz eines Geschlechts auf eine strukturelle Benachteiligung zu schließen, ist realitätsblind und vermag die Durchbrechung des verfassungsrechtlichen Verbots der Diskriminierung wegen des Geschlechts nicht zu rechtfertigen.”
Jenseits der Gleichberechtigungsdiskussion gibt es unter den gegewärtigen Bedingungen der Gesellschaft durchaus gute Gründe, ein zu starkes Übergewicht von Frauen in einem Arbeitsfeld zu vermeiden. Obwohl die unmittelbaren Kosten von Mutterschutz und Elternzeit nicht den einzelnen Unternehmen zur Last fallen, können jegliche Ausfallzeiten eine Belastung für den Arbeitgeber darstellen. Die Furcht ist also nicht unbegründet. Ebenso mag es – vermutlich andersgeartete – Gründe geben, ein zu großes Übergewicht von Männern zu vermeiden.
Die rein wirtschaftliche Argumentationsweise kann man natürlich kritisieren. Einem gewissen “Paradigmenwechsel in der Privatwirtschaft” bin ich übrigens nicht per se abgeneigt. Es wäre durchaus zu überlegen, beispielsweise den Vorständen von Aktiengesellschaften qua Gesetz neben dem Shareholder-Value auch andere Zielkriterien etwa sozialer oder ökologischer Art vorzugeben. In einer kapitalistischen Marktwirtschaft, mag sie sich auch sozial nennen, wird man allerdings kaum die wirtschaftliche Denkweise aus ihrer dominanten Position verdrängen können.
“Auch wenn das BVerfG 1985 noch eine strukturelle Benachteiligung von Frauen gesehen hat, heißt dies keineswegs, dass es dies im Jahr 2018 (mehr als 30 Jahre später!) immer noch so sehen würde.”
So ist es. Ich erinnere daran, dass erst 1977 die gesetzlich vorgesehene Hausfrauenehe abgeschafft und Ehefrauen zugestanden wurde, selbst über ihre Berufstätigkeit zu entscheiden. 1985 war die Gleichberechtigung also noch in den Kinderschuhen, und konnten verheiratete Frauen also erst seit 8 Jahren ihren Beruf frei wählen und waren damit natürlich in puncto Erfahrung ihren männlichen Konkurrenten für qualifiziertere Jobs weit unterlegen.
Heute, 41 Jahre nach Abschaffung der gesetzlichen Hausfrauenehe, sieht das anders aus.
Orientiert man sich an einem echten empirischen Maß wie dem Gender-Gap-Index des Weltwirtschaftsforums dann dürfte eine Massnahme, die es wahrscheinlicher macht, dass ein Mann irgendwann Pensionär wird, tendenziell eher zu einer Verringerung des Gaps führen, weil es zu einer Angleichung beim Faktor Lebenserwartung führt (ceterum paribus).
Um das abzulehnen, müsste man belegen, dass die negativen Auswirkungen auf Frauen (in Bereichen in denen Frauen schlechter gestellt sind), die positive Auswirkung auf den gesundheitlichen Nachteil der Männer ausgleicht oder negiert.
Da der kausale Zusammenhang zwischen Berufsstand und Lebenserwartung ziemlich klar ist und Frauen im Falle der Benachteiligung in einer solchen Konkurrenzsituation ja auch nicht komplett aus der juristischen Arbeitswelt verschwinden, stelle ich mir das gar nicht so einfach vor.
Der Gender-Gap-Index ist kein Maß für den Unterschiede zwischen Männern und Frauen, sondern beschäftigt sich (wie die meisten Bestrebungen unter dem Stichwort Gender) nur mit Benachteiligungen von Frauen.
“Wenn Frauen in einem Punkt besser abschneiden als Männer, so wird das ebenfalls als 1 (= Idealnote für Gleichstellung) gezählt und nicht als Wert größer 1.” (Wikipedia)
Im Kapitel “Measuring the Global Gender Gap” kann man lesen, dass beim Verhältnis der Lebenserwartungen von Frauen und Männern ausnahmsweise Werte bis 1,06 gezählt werden, sodass eine Angleichung der männlichen Lebenserwartung den Index sogar verschlechtern würde.
Ja, ok. Man müsste den kompletten Index nochmal mit den Kehrwerten aufbauen. Oder auf 0 normieren und positive und negative Werte zulassen. Und wahrscheinlich könnte man auch relativ lange über die enthaltenen Faktoren und deren Gewichtung sprechen. Aber ohne so ein Instrument, lässt sich schlichtweg nicht beurteilen, ob bestimmte Massnahmen in die eine oder andere Richtung wirken.
„Wir wollen keine Gesellschaft, in denen noch die nächsten 100 Jahre die Vergabe aller Positionen vom Geschlecht abhängt.“
Dieser Satz verleitet mich zu folgendem Gedankenexperiment: Nur einmal angenommen, ab morgen würde völlige Chancengleichheit herrschen, würde es Bestrebungen geben, frauenfördernde Maßnahmen abzubauen? Würden wir den Tag feiern, an dem die Geschlechterdiskriminierung aufgehört hat oder würden wir es gar nicht merken?
Könnte der obige Blog-Post auch bei völliger Gleichstellung Zustimmung erhalten? Die Argumente ließen sich auch in diesem Fall hören, Ernst Benda hätte 1986 noch immer eine Frauendiskriminierung konstatiert, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts von 1985 würde sich nicht in Luft auflösen, ebensowenig die „Diskriminierungsgeschichte von Frauen“, wie sie der EuGH erkannte.
Dieses Gedankenspiel soll keinesfalls als Polemik missverstanden werden. Viel mehr möchte ich darauf aufmerksam machen, dass die gesetzliche Bevorzugung eines Geschlechts, so notwendig diese im Einzelfall auch sein mag, zum unkontrollierten System verkommt, sofern das andere Geschlecht hiervon ausgenommen wird.
Der nichttautologische Schluss von der Vergangenheit auf die Gegenwart und Zukunft (= Frauen wurden benachteiligt, deshalb werden Frauen jetzt und in Zukunft benachteiligt), ist untauglich eine solche Bevorzugung zu begründen.
Zwar ließe sich argumentieren, dass es Aufgabe des Gesetzgebers sei, Benachteiligungen entgegenzuwirken und später den Zeitpunkt festzustellen, indem es einer solchen Regelung nicht weiter bedarf.
Ein Beweis der eingetretenen Redundanz einer solchen Regelung ließe sich jedoch nicht führen, da nicht mehr feststellbar ist, inwiefern die Regelung selbst zur vermuteten Chancengleichheit beiträgt. Auch der Rückgriff auf fehlende Ergebnisgleichheit zulasten von Männern wäre in einem solchen System gesperrt, steht dem doch die Vermutung entgegen, dass ausschließlich Frauen von Diskriminierung betroffen sein können.
Geeignet um Geschlechterdiskriminierung nachhaltig entgegenzuwirken ist nur ein selbstregulierendes System. Hier ließe sich zunächst die (widerlegbare) Vermutung einer Diskriminierung anhand von fehlender Parität zugunsten und zulasten beider Geschlechter aufstellen, also das in Hamburg zur Anwendung kommende System. Alternativ ließe sich auf eine solche Vermutung verzichten und die Diskriminierung müsste für jeden einzelnen Fall nachgewiesen werden, etwa anhand der Geschlechterquote der Bewerbungen auf eine Stelle.
Beide Systeme können nicht in jedem Fall zu gerechten Lösungen kommen. Ein Mischsystem aus beidem, wie in diesem Blogbeitrag vorgeschlagen, vermag jedoch keine der vermeintlichen Schwächen beider Systeme zu lösen. Es handelt sich viel mehr um ein tückisches System, das die eigenen Fehler versteckt.
Es wurden gerade heute 11 Bundesrichterinnen und 12 Bundesrichter gewählt.
Das OLG und das OVG in Schleswig (-Holstein) haben eine Präsidentin, das LAG zumindest eine Vizepräsidentin, das LG Kiel hat eine Präsidentin. Das OLG, OVG und LG Bremen haben eine Präsidentin.
In Hamburg sah es übrigens 2013 schon so aus: https://www.abendblatt.de/hamburg/article120854703/Justiz-wird-in-Hamburg-zur-Frauensache.html
Strukturelle Benachteiligung?
Warum auch Männer unbedingt für den Abbau struktureller Diskriminierung von Frauen sein sollten: Es werden dadurch auch Männer benachteiligt, die nicht so sind, wie die Hierarchie-(Alpha)-Männchen sich ihre Untergebenen und Nachfolger vorstellen. Das sollte aber nur der Anlass sein; der Grund, gegen Diskriminierung zu kämpfen, ist ganz einfach: Das gehört sich nicht. Die Menschheit kann sich Diskriminierung auch gar nicht leisten, weil dann suboptimale Ergebnisse herauskommen. Mal sehen, ob Hirn langfristig über Hormone gewinnt.
Männer sollten nicht bloß für den Abbau struktureller Diskriminierung von Frauen sein, sondern alle sollten ganz einfach für den Abbau struktureller Diskriminierung sein (und am besten auch sonstiger ungerechtfertigter Diskriminierung).
Das Ganze nur an simplen und äußerlichen Kriterien wie dem Geschlecht festzumachen wird der komplexen Wirklichkeit bei weitem nicht gerecht.
Ein juristische Einschätzung von Männerquoten durch die “Präsidentin des Deutschen Juristinnenbundes e.V.” ist so ähnlich, wie Wasser mit dem Sieb schöpfen.
Die Einstellung des Juristinnenbundes zu Quoten ist doch hinlänglich bekannt :-)
Das übliche: Gleichstellung nur da wo es Vorteile für Frauen hat. Hilfe für Männer ist Pfui.
Ich bin gegen jede Quote, aber wenn es eine für Frauen gibt, sollte es sie ebenso für Männer geben.
Das Männer, weil sie Männer sind, nicht benachteiligt werden ist Unsinn. Es gibt Rechte die nicht mit Biologie zu tun haben und nur Frauen gewährt werden. Männer kriegen bei gleichen Straftaten bis zu 60% härtere Strafen. Usw.