Doppelpass als Menschenrecht?
Doppelte Staatsangehörigkeiten sind dem deutschen Staatsrechtler höchst suspekt: Wir erinnern uns an die Debatten anlässlich der rot-grünen Reform des Einbürgerungsrechts…
Eine Zielrichtung im deutschen Staatsangehörigkeitsrecht ist es, das Entstehen von Mehrstaatigkeit bei der Einbürgerung nach Möglichkeit zu vermeiden,
heißt es auf der Website des Bundesinnenministeriums.
Peter Spiro von der Temple University ist anderer Ansicht: Er hält den Doppelpass sogar für ein Menschenrecht.
The liberal state has no business obstructing alternate national ties in the absence of a compelling interest.
Früher habe es ein solches compelling interest gegeben: nicht, weil Mehrfach-Staatsangehörige sich irgendwie gefährlich verhielten, das (Spionage, Wehrdienstverweigerung etc.) seien alles Legenden. Sondern weil Mehrfach-Staatsangehörigkeiten die zwischenstaatlichen Beziehungen destabilisieren konnten.
Dual nationality was the chink in armor of sovereignty, a condition that the logic of sovereignty could not process.
Aber diese Zeiten, so Spiro, seien längst vorbei. Inzwischen gebe es ein Menschenrechtsregime, das nicht länger an die Staatsbürgerschaft anknüpft, also eine Grundlage für Rechtsbeziehungen zwischen Staat und Individuum unabhängig von deren Pass. Außerdem sei der Rahmen für internationale Beziehungen viel stabiler geworden, daher sei Mehrfach-Staatsangehörigkeit keine nennenswerte Konfliktquelle mehr. Manche Auswanderungsstaaten hätten längst erkannt, dass Mehrfach-Staatsangehörigkeiten in ihrem Interesse liegen und aktiv gefördert werden sollten.
Das erklärt noch nicht, wieso der Doppelpass einen Rechtsanspruch darstellt. Das erklärt Spiro analog zu der Vorstellung, es wäre verboten, mehr als einem Club anzugehören:
Membership in the state is akin to membership in religions, clubs, nongovernmental organizations and political parties. (…) As a matter of both constitutional and international law, states may not restrict membership in nonstate entities absent necessary cause.
Das lässt sich hören. Man würde unseren etatistischen Staatstheologen in den ÖR-Instituten wünschen, diesen Aufsatz zu rezipieren. Werden sie aber nicht. Die lesen bloß AöR und Staat…