Ein Filetstückchen von einem Fürstentum
Italien hat die Opera Buffa hervorgebracht, und deshalb ist es kein Zufall, dass diese Geschichte auf italienischer Bühne spielt.
Wie die New York Times berichtet, hat das kleine Dörfchen Filettino (zu deutsch: das Filetstückchen) in den unwirtlichen Bergen von Lazio die feste Absicht, sich vom italienischen Staat loszusagen und zu einem unabhängigen Fürstentum zu werden.
Hintergrund ist offenbar, dass Berlusconi, weil Italien sparen muss, alle Kommunen mit weniger als 1000 Einwohnern zusammenlegen will. Filettino hat 598 Einwohner.
Und einen Bürgermeister namens Luca Sellari mit einem schrägen Sinn für Humor: Er hat bereits ein Wappen entworfen und eine Währung drucken lassen, den “Fiorito”. Er wolle gern Fürst von Filettino werden, sagt er. Fürst sein, das wolle doch jeder, oder nicht?
Nun ist Italien nicht nur wegen San Marino und dem Vatikan mit putzigen, briefmarkenverkaufenden Disney-Mikrostaaten bestens vertraut, sondern hat auch historisch viel Bezug zu solchen Dingen: Die politische Landkarte des Stiefels war bis ins 19. Jahrhundert notorisch kleinteilig. Dauernd kam irgendwo ein Bandit namens Montefeltro oder Sforza oder Malatesta von irgendeinem Hügel heruntergeritten und unterwarf sich eine Stadt, baute einen prächtigen Palast voller Raffaels und Folterkeller und verheiratete seine Töchter an die europäischen Königshäuser.
Mal sehen, ob es dem wackeren Herrn Sellari gelingt, an diese stolze Tradition anzuknüpfen. Selbst wenn Berlusconi, erschrocken ob des Unabhängigkeitsdrangs der Filettiner, von seinen Kommunalreformplänen Abstand nehmen sollte, würde dies laut Sellari den Marsch der 598 in die nationale Selbstbestimmmung nicht stoppen können:
But even if the measure to force the small-town mergers is watered down, Mr. Sellari, the would-be prince of Filettino, said he would go ahead with his monarchial plans. He was scheduled to meet Monday with one of Italy’s most famous lawyers to examine the legalities involved in secession — constitutional details that he said he was certain could be overcome.
Den Kleinkram kann man sicher später noch klären. Hauptsache, erstmal schön Geldscheine drucken.
Erinnert sich eigentlich noch jemand an unsere gute alte Republik Freies Wendland? Die hatten ja auch einen Riesenspaß…
(c) Marco Forniz, Flickr Creative Commons
Unsere heutigen Nationalstaaten sind auf ganz ähnlichen Fiktionen aufgebaut wie die der Filettiner. Und sie stellen sicher nicht das Ende der Geschichte dar.
Was gibt es dagegen zu sagen wenn Bürger ihr eigenes Geld drucken wollen? Das wäre immerhin gerechter als das Drucken von Geld aus Luft der Privatbanken.
Von Ihrem gelegentlichen Deutschlandradio-Kollegen Florian Felix Weyh bin ich vor Monaten einmal auf den anarchokapitalistischen Ökonomen Hans-Hermann Hoppe gebracht worden (Weyh sinngemäß über Hoppe: ‘reaktionär wie das Preußische Herrenhaus’).
Hoppe, den es lustigerweise akademisch nach Las Vegas verschlagen hat, hält die klassische Monarchie, in der politische Macht im Privatbesitz ist, im Vergleich zur mehr oder weniger zwangsläufig sozialstaatlich ergänzten modernen Demokratie für überlegen. Daran hätten die italienischen Kommunalreformgegner mit ihrem künstlichen Fürstentum ja auch anknüpfen können, sozusagen: europäische Tea-Party- statt kommunalverfassungsrechtlicher Slow-Food-Bewegung. Die Apologie der ersten beiden Kommentare geht schon ein bisschen in diese Richtung.
In den USA soll sich die (tatsächlich herzallerliebst reaktionäre) Hoppe-Literatur einiger Beliebtheit erfreuen. Wäre der Mann nicht über weite Strecken redundant und auch sonst kaum lesbar, manche europäische Protestform käme womöglich weniger farbenfroh-heiter daher.
Die “Freie Republik Schwarzenberg” sei an dieser Stelle ebenso genannt.