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27 April 2014

“Zu einer demokratischen Justiz gehört der Grundsatz der Öffentlichkeit”

Die Investor-Staat-Schiedsverfahren laufen abgeschirmt von der Öffentlichkeit ab. Wie muss man sich den Raum vorstellen, in dem verhandelt wird?

Es gibt im Schiedsverfahren keine gerichtstypische Symbolik, keine Erhöhung des Richterpodiums und auch keine Roben. In einer großen Verhandlung sitzen 30-40 Teilnehmer um einen U-förmigen Tisch. Aber die Verfahren müssen nicht geheim tagen, das hängt von den Staaten selbst ab.

Eine beteiligte Regierung kann entscheiden, ob ein Verfahren öffentlich sein soll?

Es gibt keine feste Regel dafür, aber in der Praxis können Staaten fordern, dass Verfahren beispielsweise online gestreamt werden. Wenn ein Gesetz des beteiligten Staates vorschreibt, dass alle gerichtlichen Verfahren grundsätzlich öffentlich sein müssen, muss der vorsitzende Schiedsrichter darüber entscheiden, ob auch sein Prozess öffentlich zugänglich sein soll. Einige Freihandelsabkommen haben das geregelt und die Schiedsverfahren werden dann auf Antrag öffentlich übertragen. Letztlich hängt es von den Staaten ab, ob sie ein öffentliches Verfahren wollen oder nicht.

Die deutsche Regierung hat in ihren beiden bisherigen Verfahren nicht darum gebeten, ihre Verfahren öffentlich zu führen…

In künftigen Abkommen sollte man auf jeden Fall ein transparentes Verfahren zur Regel machen. Zu einer demokratischen Justiz gehört der Grundsatz der Öffentlichkeit. Die internationalen Schiedsgerichte müssen genauso arbeiten wie deutsche Verwaltungsgerichte – nicht mehr, aber auch nicht weniger transparent.

Die Schiedsgerichte sind mit drei Schiedsrichtern besetzt. Wie wird eine Entscheidung vorbereitet?

Offiziell entscheiden die drei Schiedsrichter gemeinsam. In der Rechtpraxis sieht es so aus, dass der Chairman die Entscheidung vorbereitet und damit auch den größten Einfluss auf das Ergebnis hat.

Viele der Schiedsrichter sind hauptberuflich Rechtsanwälte internationaler Kanzleien, die in anderen Verfahren auch Parteienvertreter sind. Können Sie die Befürchtung verstehen, dass diese Anwälte nicht gerade wie eine objektive Instanz wirken, wenn sie als Schiedsrichter agieren?

Zunächst muss man sagen, dass die leitenden Schiedsrichter fast alle ausschließlich als Schlichter arbeiten und keine Parteien in Investor-Staat-Schiedsverfahren vertreten. Ich würde schätzen, dass vielleicht ein Drittel aller Schiedsrichter in anderen Verfahren auch als Anwalt tätig ist. Es gibt natürlich die Gefahr der Beeinflussungen. Wenn jemand in einem Verfahren als Schiedsrichter auftritt und später einen Investor vertritt, kann er zum Beispiel eine Schadensbemessung so ausgestalten, dass sie der Investorenseite dient und so einen Präzendenzfall schaffen. Wenn er dann in einem anderen Verfahren auf der Investorenseite sitzt, kann ihm die frühere Entscheidung durchaus zum Vorteil dienen. Umgekehrt kann es auch für Staaten vorteilhaft sein. Beides ist zwar selten der Fall, aber es sollte eine Regel geben, dass Schiedsrichter grundsätzlich nicht als Anwälte in diesen Verfahren tätig sein dürfen. Allein, um den Anschein zu vermeiden, dass sich Interessen vermischen könnten.

Das System der Investor-Staat-Schiedsverfahren ist dem der privaten Wirtschaftschiedsgerichtsbarkeit nachgebildet. Passt dieses System auf Verfahren, in denen es auch um die Bewertung politischer Maßnahmen geht?

Es waren die Staaten, die sich dieses System ausgedacht haben. Ein wichtiger Grund für die Ausgestaltung als Privatgerichtspraxis war, dass die Regierungen, die für die bilateralen Handelsabkommen verantwortlich sind, keinen internationalen Gerichtshof für Investorenrechte einrichten wollten. Der letzte Versuch ist in den Verhandlungen um das MAI-Abkommen gescheitert. Sie wollen sich nicht dauerhaft einem Gerichtshof unterwerfen, den man dann nicht kontrollieren kann. Schiedsgerichte haben den Vorteil, dass sie ad hoc einberufen werden. Es gibt keine festen Richter, keine Dogmatik, also keine stehende Macht über den Staaten. Bei jedem neuen Prozess werden die Karten neu gemischt.

Jetzt richtet sich die Kritik vor allem dagegen, dass die Konzerne zu weitreichende Rechte hätten. Sie könnten Staaten allein mit der Drohung eines Prozesses leicht unter Druck setzen, um investorenfeindliche Gesetze zu verhindern.

Sobald ein Schiedsgericht über politische Fragen entscheiden muss, ist das schädlich und unsinnig. Wie soll ich als Schiedsrichter denn entscheiden, ob ein Gesetz nun im öffentlichen Interesse eines Staates liegt oder nicht? Bisher haben die Schiedsverfahren gezeigt, dass sie dann gut und wichtig sind, wenn sie sich darauf konzentrieren, bei offensichtlichen Enteignungen eines ausländischen Investors oder ungerechtfertigten Maßnahmen gegen ihn Hilfe zu leisten. Das beobachten wir vor allem, aber nicht nur, in Entwicklungsländern. Wenn diese Gerichte auch als legitim wahrgenommen werden wollen, muss das Mandat für sie absolut beschränkt sein.

Viele Abkommen beinhalten relativ offen formulierte Investorenrechte wie den Grundsatz der ‚fairen und gerechten Behandlung’ von Investoren.

Jede Regierung darf enteignen, aber dann muss sie dafür bezahlen. In Deutschland ergibt sich das auch aus den Grundrechten. Wenn ein Land das nicht tut, ist die internationale Schlichtung ein sinnvolles Instrument, um die Staaten an ihre Verpflichtung zu erinnern. Bei Ansprüchen wie der ‚fairen und gerechten Behandlung’ fängt das Problem an, denn sie können es ermöglichen, Gesetze etwa im Umwelt- und Energiebereich anzugreifen. Solche offenen Klauseln müssen auf jeden Fall beschränkt werden. Ansprüche gegen nicht-diskriminierende Gesetze werden tatsächlich immer häufiger von Staaten aus den Verträgen ausgeklammert.

Jetzt hat die EU-Kommission eine dreimonatige Konsultationsphase ausgerufen, um die Kritik an dem Schiedsrechtskapitel im TTIP-Abkommen aufzunehmen. Glauben Sie, dass die EU ihre Position ändern wird oder am Ende sogar auf die Forderung von Schiedsgerichten verzichten würde?

Investitionsschiedsgerichte helfen vor allem bei Defiziten von Rechtstaatlichkeit. Ich habe allerdings meine Zweifel, ob dieses System in Staaten wie Schweden, den USA oder Deutschland mehr Rechtsstaatlichkeit produziert. Wirklich notwendig sind sie zwischen diesen Ländern nicht.

Aber sie werden sowohl von der EU-Kommission als auch von den USA als wichtig erachtet. Wer hat denn das größte Interesse an der Vereinbarung?

Natürlich profitieren die Investoren und indirekt auch die Staaten, die dadurch ein günstigeres Investitionsumfeld schaffen. Aber daneben sind auch die beratenden Kanzleien große Nutznießer, die mittlerweile eine hoch spezialisierte Vertretung anbieten. Ein Hauptproblem der letzten Jahre ist, dass die Kosten mittlerweile explodiert sind. Die Staaten haben übrigens dazu beigetragen, denn auch sie haben gelernt, sich von internationalen Kanzleien vertreten zu lassen.

Verfechter des Investitionsschutzkapitels betonen, dass das gegenseitige Vertrauen in die Rechtsstaatlichkeit auch zwischen den USA und Deutschland nicht vorhanden sei. Zitiert wird dann gerne, dass amerikanische Gerichte schon gezeigt hätten, dass ausländische Investoren benachteiligt wurden. Ein anderes Argument ist, dass ein nationales Gericht dem eigenen Staat näher als dem ausländischen Investor sei und es daher nicht als unabhängig gelten könne…

Es finden sich in der Vergangenheit vereinzelt Fälle, in denen so etwas zu beobachten war. Da war es gut, dass es diese Möglichkeit gab. Aber häufig kommt das nicht vor.

Die Bundesregierung lehnt neuerdings die Aufnahme eines Investitionsschutzkapitels in das TTIP-Abkommen ab. Bisher hatte sie, auch in den Verhandlungen um das CETA-Abkommen mit Kanada, als Kompromiss vorgeschlagen, dass es internationale Schiedsverfahren nach der Erschöpfung des nationalen Rechtsweges geben könne. Wäre das ein sinnvoller Vorschlag, der Befürworter und Kritiker zusammenbringen würde?

Ich halte das für einen Irrweg. Verfahren können auf nationalem Weg Jahre dauern und der Staat hätte sogar die Möglichkeit, diesen Weg durch Gesetze noch weiter zu erschweren. Das würde niemandem helfen. Außer den Anwälten, denn die freuen sich natürlich immer über lange Rechtswege.

Eine Kritik lautet, dass die Entscheidung eines Schiedsgerichts endgültig ist. Daher regt sogar die EU-Kommission an, in ferner Zukunft auch über die Einsetzung eines appellate body, einer Berufungsinstanz, nachzudenken. Würde das helfen?

Ich sehe das skeptisch. Eine Berufungsinstanz klingt erstmal überzeugend, aber ich schätze, dass die Staaten wie bei der Debatte um einen festen Gerichtshof diese Idee ablehnen werden. Denn auch bei einer Berufungsinstanz verlieren Staaten an Macht: es müsste geklärt werden, wer das entscheiden soll. Es ist durchaus ein guter Gedanke, aber kaum realistisch.

Sollten dritte Parteien Rechte haben oder Staaten die Möglichkeit einer Widerklage, damit die Investor-Staat-Schiedsverfahren nicht einseitig nur Investoren Klagerechte einräumen?

Solange es um Enteignungen geht, die einen Investor direkt treffen, funktioniert das System mit zwei Streitparteien gut. In diesen Fällen sind keine Dritten beteiligt. Ein Problem könnte es geben, wenn es möglich wäre, ein allgemeines Gesetz anzugreifen, das die Chancen eines Unternehmens beeinträchtigt. Dann können auch dritte Parteien betroffen sein. Auch das ist ein Grund, warum die Verfahren nicht geeignet sind, über politische Maßnahmen zu urteilen.

Wie sähe denn eine optimale Lösung ihrer Meinung nach aus: keine Schiedsverfahren zwischen Rechtsstaaten oder ein sehr enges Mandat?

In erster Linie entscheiden ja die Staaten, denn sie sind die Vertragspartner eines Handelsabkommens, in dem auch über Schiedsverfahren verhandelt wird. Wenn sie die Verfahren mit hinein nehmen, versprechen sie sich ja genügend Vorteile. Sie sollten allerdings darauf achten, dass die Verträge nicht zu offen formuliert sind und sie müssen Vorkehrungen treffen, dass sie nicht zu beliebig ausgelegt werden können. Zwischen den Rechtsstaaten sind diese Verfahren meines Erachtens nicht unbedingt notwendig, denn sie würden nur selten Anwendung finden. Aber auch wenn sie Teil einer Handelsvereinbarung wären, würde kein großes Unheil drohen. Sinnvoll wäre es dann, die Verfahren auf Handlungen zu beschränken, die einen Investor direkt betreffen und ihn diskriminieren. Nichts anderes. Für den Fall der Fälle könnte es ein Notnagel sein.

In der Vergangenheit hatten die Verfahren auch eine weitere Funktion. Sie zwingen Staaten dazu, sich rechtsstaatskonform zu verhalten. Das gilt natürlich in erster Linie für Länder, die es mit dem Eigentum nicht so genau nehmen. Im Endeffekt hilft das auch den inländischen Investoren.


29 Comments

  1. Gast Sun 27 Apr 2014 at 16:01 - Reply

    “Zu einer demokratischen Justiz gehört der Grundsatz der Öffentlichkeit.” Sagen die Autoren, und wählen es sogar für die Überschrift.

    Da fragt man sich ja schon, worauf sich der Begriff “demokratisch” bei der Justiz eigentlich beziehen soll – vermutlich ja nicht auf die Art und Weise der Entscheidungsfindung, sondern auf die Legitimation der Richter oder auf die Verfasstheit des Staates, in dem die Justiz tätig wird.

    Und wenn man das entschieden hat, kann man sich die weitere Frage stellen, ob für Schiedsgerichte dasselbe gelten muss wie für staatliche Gerichte und wenn ja, warum und mit welchem Anwendungsbereich (etwa auch Schiedsverfahren, die Streitigkeiten unter Privaten entscheiden?). Ist für die Autoren Schiedsgerichtsgerichtsbarkeit etwa Ausübung von Staatsgewalt? Wenn nein, woraus soll sich dann all das ergeben, was sie hier postulieren?

    Die Autoren liefern hier leider nur einen juristisch substanzlosen Wunschzettel ab.

  2. Aufmerksamer Leser Sun 27 Apr 2014 at 17:32 - Reply

    @Gast: Habe mich ebenfalls gewundert. “Demokratisch” soll wohl heißen – so verstehe ich den Interviewten – , dass die Schiedsgerichtsbarkeit in einer demokratischen Gesellschaft hingenommen wird. So ergibt Öffentlichkeit als Erfordernis Sinn.
    P.S. Sie sprechen von “den Autoren”, obwohl es sich eher um einen Interviewer und einen Interviewten handeln dürfte.

  3. Rensen Mon 28 Apr 2014 at 13:23 - Reply

    Lassen Sie mich mit Rücksicht auf das Verhältnis der staatlichen Gerichtsbarkeit und der Schiedsgerichtsbarkeit in der täglichen Praxis und due Gewährleistung ebenso gleichen wie effektiven Rechtsschutzes eine Frage stellen: Wie ist der Zugang zum Schiedsgericht geregelt, wenn die Rechtsschutz suchende Seite die Mittel für das Verfahren nicht aufzubringen vermag?

  4. Aufmerksamer Leser Mon 28 Apr 2014 at 20:01 - Reply

    @Rensen: Haben Sie Bedenken hinsichtlich der finanziellen Leistungsfähigkeit? Oder meinen Sie “intellektuelle Mittel”? Die multinationalen Unternehmen, die Schutz vor Schiedsgerichten suchen, haben beides – oder kaufen letzteres ein. Die Staaten ebenso. Falls Sie an Länder der 3., 4. oder 5. Welt denken, leicht OT, finden Sie sogar interessante Konstellationen, in denen Großkanzleien bzw. Risikokapitalgeber vorfinanzieren – gegen Gewinnbeteiligung bei erfolgreichem Verfahren (sehen Sie sich zB die Verfahren afrikanischer failed States vor dem Internationalen Seegerichtshof an; der freilich kein Schiedsgericht ist, aber ich sagte ja, leicht OT).

  5. Dr. Hartmut Rensen Mon 28 Apr 2014 at 22:53 - Reply

    @Aufmerksamer Leser: Das dürfte doch ein ganz klein wenig zu optimistisch sein, wenn man nämlich bedenkt, dass sich eine solvente Lage sehr, sehr schnell in eine insolvente Lage verändern kann – können wir uns nicht alle an soloche Fälle erinnern? – und zudem nicht sämtliche Investoren wirklich “groß” sind. Lassen Sie mich mit Blick auf die tägliche Praxis sagen, dass Schiedsgerichte keineswegs den gebotenen lückenlosen Rechtsschutz gewähren, sondern es dazu der Auffangfunktion einer staatlichen oder anderen Gerichtsbarkeit bedarf, die nämlich bei Undurchführbarkeit des schiedsgerichtlichen Verfahrens eröffnet ist. Das sehen wir bei kleinen und großen Insolvenzen täglich. Gewinnbeteiligungen helfen da nur sehr selten. Fazit: Die Schiedsgerichtsbarkeit ist, jedenfalls wenn Private beteiligt sind, ohne weiteres nicht geeignet, lückenlosen Rechtsschutz zu gewähren. Hier muss entweder das Einspringen des “Sitzstaates” mit einem Vorschuss gewährleistet sein oder es bedarf einer anderen Institution zur Lückenschließung.

  6. Aufmerksamer Leser Tue 29 Apr 2014 at 00:04 - Reply

    @Rensen: Es geht um Rechtsschutz gegen den Vertragsstaat (Investitionsschutzvertrag). Der bietet – insoweit – ganz sicher keine “Auffangfunktion”. Oder meinen Sie, dass Vattenfall, wenn in Washington nichts erstritten werden kann, anschließend beim LG Hamburg Erfolg haben wird?

  7. Dogeatdog Tue 29 Apr 2014 at 09:56 - Reply

    @Rensen Gibt es in der Justiz, Politik, Wissenschaft eine Debatte über die Frage, ob der staatliche Rechtschutz durch Schiedsgerichte zu ersetzen sei?

  8. Rensen Tue 29 Apr 2014 at 10:21 - Reply

    @Aufmerksamer Leser: Das ist klar. Ohne “Beistand” des Sitzstaates des Investors würde das indessen dazu führen, dass mit einer Insolvenz der Verlust des Investitionsschutzes einherginge. Das aber dürfte kaum dem Sinn und Zweck eines Investitionsschutzes entsprechen, ganz zu schweigen von effektivem und gleichen Rechtsschutz. Lösen könnte man das Problem durch eine Möglichkeit zugunsten des Investors finanziellen Beistand seines “Sitzstaates” zu erlangen, wenn nämlich eine Kostentragung durch die einzelnen Gläubiger entsprechend den für PKH bei Insolvenmz geltenden Regeln unzumutbar wäre.

    @Dogeatdog: Nein, allerdings haben die Schiedsverfahren betreffenden Refgeln der ZPO dazu geführt, dass viele solvente Gesellschaften Schiedsvereinbarungen in dem Wissen treffen, dass im Falle einer Insolvenz wegen Undurchführbarkeit der entsptechenden Vereinbarung aus finanziellen Gründen die staatliche Gerichtsbarkeit gleichsam in auffangender Funktion den gebotenen Rechtsschutz bietet und das auch noch auf Staatskosten: Folge: Der Staat trägt die Kosten der Verfahren unter Beteiligung insolventer Gesellschaften, während ihm die lukrativen Streitigkeiten bei Solvenz entgehen. Die Sinnhaftigkeit dieser Lage und die mit Rücksicht auf das verfassungsrechtliche Gebot lückenlosen Rechtsschutzes eröffneten Abhilfemöglichkeiten werden diskutiert.

    Zurück zum Thema: Ich will hier nicht die Sinnhaftigkeit von Schiedsgerichten in Frage stellen – nichts liegt mir mit Rücksicht auf die Privatautonomie ferner. Jedoch müssen unerwünschte Lücken unbedingt geschlossen werden, wenn man private Investoren ausschließlich auf Schiedsgerichte verweist.

  9. Aufmerksamer Leser Tue 29 Apr 2014 at 10:52 - Reply

    @Rensen: “Ohne “Beistand” des Sitzstaates des Investors würde das indessen dazu führen, dass mit einer Insolvenz der Verlust des Investitionsschutzes einherginge.”

    Von wessen Insolvenz reden Sie? Vattenfall insolvent, deswegen keine Klage mehr gegen Deutschland? Oder Deutschland insolvent?! Schiedsgerichte dienen nicht der Insolvenzvermeidung, es geht um Enteignungen, die sie andernfalls nicht kompensiert bekommen, weil etwa eine innerstaatliche Rechtsordnung sagt, dass man Ihnen Ihre Kernkraftwerke entschädigungslos ausknipst.

  10. Dogeatdog Tue 29 Apr 2014 at 10:52 - Reply

    @Rensen wenn ich Ihre Einwände mit den Kosten zu Ende denke, plädieren Sie ein stückweit doch für einen Benutzungszwang staatlicher Gerichte. Vielleicht könnte man aber auch an der “Konkurrenzfähigkeit” staatlicher Gerichte ansetzen. Wie sehen Sie das?

  11. Rensen Tue 29 Apr 2014 at 11:28 - Reply

    @Dogeatdog: Es ist immer schwierig für einen Richter, eine Frage zu beantworten, die unmittelbar auf die Qualität der eigenen Arbeit abzielt. Das vorweg geschickt, meine ich, dass die Zivilgerichtsbarkeit gerade im Zusammenhang mit wirtschaftsrechtlichen Fragen sehr wohl konkurrenzfähig ist (kostengünstiger und – von Ausnahme abgesehen – auch zügiger Rechtsschutz mit mehreren Instanzen). Anders mag es sein bei international gelagerten Fällen, wo schon die Verhandlungssprache als bedeutendes Hindernis wahrgenommen wird und wo keine Partei der staatlichen Gerichtsbarkeit im Sitzstaat der Gegenseite vertraut. Dass jedenfalls weder die Qualität der Schiedsgerichtsbarkeit noch die geringere Verfahrensdauer unbestritten als Vorteil angesehen werden können, kann man an Vollstreckungsgegenklagen gegen Schiedssprüche erkennen. Ich denke, dass man neben der psychologsichen Hürde der Gerichtsbarkeit eines fremden Staates die Interessen der Anwaltschaft und hier insbes. der in ganz verschiedenen Rollen beteiligten Kanzleien im Auge behalten muss, wenn man den Drang zur Schiedsgerichtsbarkeit im Zivilsektor verstehen will.

    Für den hier erörterten Fall spielt wohl eher eine Rolle, dass kein Staat “seine” Investoren ohne weiteres einer fremden Gerichtsbarkeit unterwerfen mag.

    Schließlich: Ich habe mir noch keine Meimnung etwea iSe. Benutzungswzangs gebildet, sondern habe lediglich einige Lücken der Schiedsgerichtsbarkeit bemerkt, die deren Bedeutung ein wenig zurechtrücken mögen und die im Zusammenhang mit dem Investorenschutz schon deshalb Beachtung verdienen, weil gerade die anzugreifende Maßnahme eine Überschuldung begründen kann.

  12. Aufmerksamer Leser Tue 29 Apr 2014 at 11:43 - Reply

    @Rensen: “Für den hier erörterten Fall spielt wohl eher eine Rolle, dass kein Staat “seine” Investoren ohne weiteres einer fremden Gerichtsbarkeit unterwerfen mag.”

    Auch hier sehe ich nicht, dass Sie den Fall von der richtigen Seite aufrollen: Es geht um die “Interessen der Investoren”, nicht um die “Interessen von Staaten in Hinblick auf deren Investoren”. Für den Investor (!) ist es eine Frage des Investitionsklimas, ob es Schiedsgerichte und Investitionsschutzverträge gibt. Gibt es die nicht, unterlässt er seine Investition (im Zweifel). Letztlich haben Sie damit auf staatlicher Seite eigentlich nur das Interesse, ein angenehmes Investitionsklima anzubieten, um ausländische Investoren zur Investition zu ermuntern. Wenn Ihre staatlichen Gerichte da ordentlichen Rechtsschutz bieten (bei uns wäre es, nota bene allerdings die Verfassungsgerichtsbarkeit, denn die Zivilgerichtsbarkeit kann keine Entschädigungen contra legen in den relevanten Fällen zusprechen): Prima! Die Schiedsgerichtsbarkeit und Investitionsschutzverträge sind lediglich die Versicherung.

  13. Rensen Tue 29 Apr 2014 at 13:15 - Reply

    @Aufmerksamer Leser: Ja, das klingt wunderbar einfach, ist es aber leider nicht, weil Sie unterschlagen, dass ein Sitzstaat natürlich sehr wohl ein Interesse am Erhalt der Investitionen der bei ihm ansässigen Unternehmungen im Ausland hat. Erinenrn Sie sich nicht an die Reaktion der spanischen Regierung auf angekündigte Verstaatlichungen in Südamerika? Wollen Sie bestreiten, dass Vermögensverluste im Ausland Auswirkungen auf die Solvenz eines hier beheimateten Unternehmens hat, und der Staat daran sehr wohl ein Interesse hat?
    Recht haben Sie natürlich damit, dass es aus der Sicht des Staates, in dessen Hoheitssphäre investiert worden ist, um das Investitionsklima geht und dass eine Schiedsgerichtsbarkeit Investoren einen gewissen zusätzlichen Rechtsschutz bieten soll, der sie zu Investitionen veranlass könnte. Leider kann es aber allzu schnell dazu kommen, dass dieser zusätzliche Rechtsschutz seitens des betroffenen Investors mangels Solvenz nicht mehr in Anspruch genommen werden kann. Die Bewertung von Rechtsschutz als Standortfaktor und Faktor für das Investitionsklima vermag an solchen Ungleichheiten nichts zu ändern.

  14. Aufmerksamer Leser Tue 29 Apr 2014 at 21:07 - Reply

    @Rensen: Ich habe das Gefühl, Sie haben sich verrannt. Oder jemand schreibt unter Ihrem Namen. Für die Nachwelt halte ich einfach einmal fest, dass Investitionsschutzverträge (nebst zugehöriger Schiedsgerichtsbarkeit) dem Schutz der Investition dient. Mit “Solvenz” oder, wie Sie anfangs noch schrieben, mit Prozesskostenhilfe, hat das alles herzlich wenig zu tun – außer dass es irgendwie mit Geld zu tun hat.

  15. Dr. Hartmut Rensen Tue 29 Apr 2014 at 21:33 - Reply

    @Aufmerksamer Leser: Da liegen Sie vollkommen falsch. Wie soll ein Investor Schutz bei einer Schiedsgerichtsbarkeit erlangen, wenn er derren Kosten nicht zu tragen vermag? Und: Gerade diejenige Maßnahme, gegen die er Rechtsschutz sucht, kann zu seiner misslichen finanziellen Lage beigetragen haben. Nicht jeder Investor ist auch dann noch zu Investitionen in der Lage, wenn er um Rechtsschutz wegen seiner Investition nachsuchen muss. Was bitte ist daran nicht nachzuvollziehen?

  16. Aufmerksamer Leser Tue 29 Apr 2014 at 21:54 - Reply

    @lieber Herr Rensen: welcher Investor hat jemals auf ein Schiedsverfahren gegen einen Staat verzichtet, weil er insolvent war? Wenn Sie bitte einen Namen nennen könnten. Danke.

  17. Dr. Hartmut Rensen Tue 29 Apr 2014 at 22:25 - Reply

    @Aufmerksamer Leser: Unseriös. Wie soll man von einem Verfahren Kenntnis erlangen, das nicht stattgefunden hat? Sie wollen also die These aufstellen, dass derjenige, der ein Mal investiert hat und zu diesen Zeitounkt demnach solvent war, dass auch künftig bleibt, jedenfalls aber dann ist, wenn er des (Schieds-)Rechtsschutzes bedarf? Interessant!

  18. Aufmerksamer Leser Tue 29 Apr 2014 at 22:38 - Reply

    @Rensen: Unseriös? Sie wollen doch die Insolvenz von irgendwelchen Entitäten sichern, von denen ich behaupte, dass es sie nicht gibt. Wenn Sie die auch nicht kennen, können wir ja die Sache mit deren Solvenz vorerst nachrangig priorisieren. Oder?

  19. Dr. Hartmut Rensen Tue 29 Apr 2014 at 22:46 - Reply

    @Aufmerksamer Leser: Das ist Unsinn. Ich sagte bereits, dass eben der Eingriff in eine Investitionen, gegen den der Schutz eröffnet werden soll, die Insolvenz iSd. der Zahlungsunfähigkeit begründen kann. Wenn man diese Möglichkeit erkennt und beim Abschluss eines Abkommens Vorsorge treffen kann, muss man dies tun. Schließlich können die jeweils grundrechtsgebundenen Vertragspartner (USA und EU) kaum ein Abkommen treffen, mit dem ein in der Struktur angelegter ungleicher Zugang zu Investitionsschutz verbunden ist. Ich wiederhole deshalb, dass man hier keineswegs irgendetwas auf sich beruhen lassen kann.

  20. Aufmerksamer Leser Tue 29 Apr 2014 at 23:30 - Reply

    @Rensen: Sie schreiben heute wie ein Troll! Mir gefällt das aber. Wollen Sie also den Energy Charta Treaty tatsächlich um ein PKH Verfahren ergänzen?

  21. Matthias Wed 30 Apr 2014 at 10:12 - Reply

    @AL, Rensen: Immerhin haben Sie beide anscheinend nicht den Fehler gemacht, das Fußballspiel anzuschauen ;-)

  22. Rensen Wed 30 Apr 2014 at 10:54 - Reply

    @Aufmerksamer Leser: Nein, weder Troll noch Pkh, sondern Klarheit über die Lücke und Diskussion darüber, ob es nicht vielleicht stets durchaus zumutbar ist, dass die an einem Investor interessierten Gesellschafter oder auch Gläubiger die Kosten des Investitionsschutzes tragen. Welchen Rückschluss lässt das eigentlich für die Pkh-Regeln bei Insolvenz und deren verfassungsrechtlichen Hintergrund zu? Schließlich kann man Wertungswidersprüche immer auf mehrere Arten lösen.

    @Matthias: Kein Bayer, kein Problem.

  23. Aufmerksamer Leser Wed 30 Apr 2014 at 11:02 - Reply

    @Rensen: Now we are talking. Wenn Sie PKH im Insolvenzverfahren kritisch sehen: Ich bin dabei, jedenfalls was naive Herleitungen aus dem Sozialstaatsprinzip betrifft. Den Punkt hatte ich schon ganz zu Beginn genannt: in der Schiedsgerichtsbarkeit gibt es sogar Geschäftsmodelle der Prozessfinanzierung, die von Dritten (nicht Gläubiger oder ähnlich) betrieben werden. Das zeigt doch, dass die Schiedsgerichtsbarkeit keine “Lücke” hat. Wenn ich ich richtig verstehe, sehen Sie das Fehlen von (staatlicher?) PKH ja auch nicht als Lücke/Problem?! Was fehlt aber denn in Ihren Augen, was also versuchen Sie hier einzufordern?

  24. Rensen Wed 30 Apr 2014 at 11:10 - Reply

    @Aufmerksamer Leser: Die Beseitigung von Wertungswidersprüchen. Wer einerseits meint, die Bewilligung von Pkh zugunsten insolventer Gesellschaften in Aktivprozessen sei u.U. geboten und Schiedsvereinbarungten seien im Fall einer Insolvenz nicht durchführbar, kann nicht andererseits über eine entsprechende Lücke hinwegsehen.

  25. Aufmerksamer Leser Wed 30 Apr 2014 at 11:37 - Reply

    @Rensen: Es ist eine zusätzliche Ebene des Rechtsschutzes, die völkerrechtlich fundiert ist. Mir scheint es eher schwierig zu begründen, dass völkerrechtliche Investitionsschutzverträge mit Haustürwiderrufsgeschäften des BGB gleichbehandelt werden “MÜSSEN”, das ist ja ihr Punkt. Kurz: Ich sehe weder Zweckmäßigkeit einer solchen PKH noch ein solches Verfassungsgebot. Ob Sie das persönlich als Wertungswiderspruch unterhalb der Relevanzschwelle von Art. 3 GG ansehen oder nicht, würde ich dann Ihnen anheimstellen.

  26. Rensen Wed 30 Apr 2014 at 11:46 - Reply

    @Aufmerksamer Leser: So kann ich Ihnen nicht folgen, weil die Bundesrepublik als Mitgliedstaat der Union damit an einem ABkommen mitwirkt, dass nach nationalem Verständnis zu einer Ungleichbehandlung führt, die sehr wohl Art.3 GG berührt, jedenfalls aber anderenorts vom Gesetzgeber selbst nicht hingenommen wird. Dort “springt” der Fiskus den Gesellschaftern, Gläubigern und Insolvenzverwaltern bei, hier aber soll das nicht geschehen. Mein Weg führt in eine andere Richtung: Muss man Gesellschaftern, Gläubigern und Insolvenzverwaltern überhaupt durch Bewilligung von Pkh “beispingen” oder ist das eine korrekturbedürftige Sichtweise. Gerade dass Sie die Angewiesenheit der Investoren allein auf eigene Mittel und die Undurchführbarkeit bei ungenügender finanzieller Ausstattung für die Wahrnehmung einer weiteren Stufe des Rechtsschutzes überhaupt nicht als Problem sehen, bestätigt mich darin, dass die Dogmen des nationalen Rechts insofern nicht überzeugen können.

  27. Aufmerksamer Leser Wed 30 Apr 2014 at 11:53 - Reply

    @Rensen: Bei den “Dogmen des nationalen Rechts” bin ich ganz bei Ihnen. Was Art. 3 angeht, läuft es – auch nach Rechtsprechung des Zweiten Senats – keineswegs so, dass wie völkerrechtlich nur das vereinbaren können, was innerstaatlich gilt. Dann wäre die Bundesrepublik nicht handlungsfähig im Völkerrechtsverkehr.

  28. Rensen Wed 30 Apr 2014 at 13:30 - Reply

    @Aufmerksamer Leser: Einverstanden.

  29. […] überzeugt. Erstaunt haben mich dagegen die bisherigen Beiträge zu unserem Symposium. Während Schiedsrichter Fernandez-Armesto für eine einschneidende Beschränkung der vertraglichen Investitio…, scheint Hans-Georg Dederer die Auffassung der Kommission zu teilen, die öffentliche Kritik beruhe […]

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