Enteignung der Sparer im Namen der Geldwäsche? Anmerkungen zu dem in Frankreich geplanten Barzahlungsverbot
Die EZB verfolgt bekanntlich derzeit eine gegen eine tatsächliche oder vermeintliche Deflation im Euroraum gerichtete Politik. Zentrales Instrument der EZB ist neben dem massenhaften Ankauf von Staatsanleihen die starke Absenkung des Zinssatzes, mit dem Guthaben der Kreditinstitute der Eurozone verzinst werden, die die Kreditinstitute bei der EZB halten. Der Zinssatz für diese „Einlagenfazilität“ der EZB liegt mit aktuell -0,20 % p.a. im negativen Bereich, so dass die Kreditinstitute der EZB im Ergebnis eine Prämie dafür zahlen müssen, wenn sie Liquidität bei ihr parken. Die Kreditwirtschaft hat die Absenkung des Zinsniveaus im Endkundengeschäft weitergegeben und vereinzelte Institute belasten bereits Guthaben von Unternehmen auf Einlagenkonten ebenfalls mit negativen Zinsen. Im Privatkundenbereich schreckt man vor einer entsprechenden Konditionenanpassung noch zurück, doch liegt der Zinssatz für die Verzinsung zumindest für kurzfristige Einlagen unmittelbar an der Nulllinie. Im Ergebnis wird so bewusst ein starker Anreiz gesetzt, auf das „Sparen“, das zur Geldvernichtung wird, zu Gunsten des Konsums zu verzichten und hierdurch auch die zirkulierende Geldmenge zu erhöhen.
Dieser Wirkungsmechanismus stößt indes an Grenzen, solange sich die Bürgerinnen und Bürger der Negativverzinsung durch Flucht ins Bargeld entziehen können und dieses für schlechte Zeiten unter die Matratze (oder in den Safe) legen. Gegen eine derartige Insubordination kann nur ein gänzliches oder zumindest weitgehendes Verbot des Bargeldes helfen, das im wirtschaftswissenschaftlichen Schrifttum aus diesem Grund zum Teil auch gefordert wird. Politisch allerdings wäre eine derartige finanzielle Repression selbst in Zeiten „alternativloser Euro-Rettungspolitik“ kaum durchsetzbar. Weitgehend unangreifbar erscheint dagegen der unbestritten legitime Kampf gegen die Geldwäsche und die Finanzierung des Terrorismus, dh gegen das Einschleusen von Bargeld aus illegalen Geschäften in den legalen Buchgeldkreislauf. Vor diesem Hintergrund sieht art. D112-3 des französischen Code monétaire et financier bereits derzeit vor, dass Barzahlungen von Inländern auf einen Maximalbetrag von 3.000 Euro, von Ausländern auf 15.000 Euro begrenzt sind. Soeben hat die französische Regierung beschlossen, diese Grenzsätze im Interesse einer verschärften Geldwäschepolitik ab Herbst 2015 auf 1.000 bzw. 10.000 Euro herabzusetzen. Diese Pläne werfen mindestens drei grundsätzliche währungsverfassungs- und grundrechtliche Fragen auf:
Erstens ist eine derart weitgehende Verpflichtung zur unbaren Zahlung erheblichen datenschutzrechtlichen Bedenken ausgesetzt. Jeder unbare Zahlungsvorgang hinterlässt unweigerlich elektronische Spuren und ist damit für den wissbegierigen Staat nachvollziehbar und wird, wie man mittlerweile weiß, auch nachvollzogen. Gerade wegen dieser Nachvollziehbarkeit der unbaren Zahlungen will Paris die Barzahlungsmöglichkeiten auch einschränken. Ob eine vergleichbar weitgehende Abschaffung der finanziellen Privatsphäre in Deutschland verfassungsrechtlich tragbar wäre, erscheint fraglich, soll und kann hier indes nicht weiter thematisiert werden.
Zweitens fragt sich, ob Frankreich als Mitgliedstaat des Eurogebietes überhaupt befugt ist, ein entsprechendes Barzahlungsverbot einzuführen. Denn die Kompetenz zur Regelung der Währungspolitik in der Eurozone liegt gem. Art. 3 Abs. 1 lit. c des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) in der ausschließlichen Zuständigkeit der Europäischen Union (EU) und ihrer Organe. Zwar hält die französische Regierung das geplante weitgehende Barzahlungsverbot gerade nicht für eine währungspolitische Maßnahme, sondern nur für eine solche des Geldwäscherechts, dh für eine Regelung allgemeiner wirtschaftlicher Rahmenbedingungen des Einsatzes der gemeinschaftlichen Währung im Inland.
Auch § 226 der deutschen Abgabenordnung untersagt die Begleichung von Steuerschulden gegenüber dem deutschen Fiskus im Wege der Barzahlung und kein privater Gläubiger ist verpflichtet, sich von seinen Schuldnern säckeweise Bargeld andienen zu lassen. Freilich geht die französische Regelung weit über die deutsche hinaus. Während sich § 226 AO noch als Sonderregelung zu Gunsten eines einzelnen (wenn auch sehr bedeutsamen) Gläubigers hinnehmen lässt und die Beschränkung der Barzahlung im Privatrechtsverkehr primär mit Parteiinteressen erklärt werden kann, erfasst die französische Regelung sämtliche Bezahlvorgänge im Staatsgebiet.
Das kollidiert mit Art. 128 Abs. 1 S. 3 AEUV, der festschreibt, dass die von der EZB emittierten Euro-Banknoten „die einzigen Banknoten sind, die in der Union als gesetzliches Zahlungsmittel gelten“. Mit dem Begriff des gesetzlichen Zahlungsmittels aber wird herkömmlicherweise ein Annahmezwang für den Gläubiger verbunden. Die EU-Kommission hat 2010 eine gleichsinnige Empfehlung ( Empfehlung 2010/191/EU) publiziert, nach deren Nr. 1 ein Gläubiger vorbehaltlich abweichender vertraglicher Abrede verpflichtet sein sollte, Zahlungen in Euro-Banknoten und -Münzen entgegenzunehmen. Die Verwendung ausgerechnet des gesetzlichen Zahlungsmittels des Unionsrechts will Frankreich nunmehr durch ein nationales Gesetz weitgehend außer Kraft setzen ‑ das ist meines Erachtens in Anbetracht des Vorrangs des Unionsrechts unzulässig.
Drittens birgt der französische Plan eigentumsrechtlichen Sprengstoff: Wenn in Zeiten negativer Guthabenzinsen die Barzahlung weitgehend verboten wird, werden die Bürgerinnen und Bürger gezwungen, zumindest einen Grundbetrag an Liquidität auf ihren Bankkonten vorzuhalten. Diese persönliche Mindestreserve aber schmilzt in Zeiten von Strafzinsen unweigerlich dahin.
Letztlich wirkt die Kombination aus negativen Guthabenzinsen und Bargeldverbot wie eine Steuer auf Geldvermögen, eine Steuer allerdings, die ausgerechnet das für die Deckung des täglichen Lebensbedarfs erforderliche Geldvermögen und damit besonders stark die unteren Einkommens- bzw. Vermögensschichten trifft. Um eine Steuer im eigentlichen Sinne handelt es sich zwar nicht, fließen doch die Einkünfte aus den Strafzinsen primär den Geschäftsbanken und allenfalls in einem zweiten Schritt mediatisiert der EZB zu. Das ändert indes nichts daran, dass der Vermögensabfluss bei den Bürgerinnen und Bürgern von der EZB und damit von einer staatlichen Stelle verursacht wird. Die Kumulation von europäischer Negativzinspolitik und nationalem Barzahlungsverbot stellt zwar keine direkte Enteignung dar, sondern wäre im Sinne der deutschen Dogmatik des Art. 14 GG als Inhalts- und Schrankenbestimmung zu qualifizieren. In Zeiten negativer Einlagenzinsen aber erscheint sie unverhältnismäßig. Der Vorwurf ist hier meines Erachtens nicht der EU, sondern dem betreffenden Mitgliedstaat zu machen, da erst die nationale Regelung die enteignende Wirkung der Strafzinsen unausweichlich werden lässt.
@”kein privater Gläubiger ist verpflichtet, sich von seinen Schuldnern säckeweise Bargeld andienen zu lassen”
Haben Sie dazu neue Rechtsprechung/Schrifttum? Die Kommentierungen zu § 362 BGB sagen nämlich bislang das Gegenteil (Erfüllung mit Bargeld immer möglich, Überweisung möglich, falls Gläubiger einverstanden, Einverständnis kann konkludent erfolgen).
§ 226 AO (Aufrechnung)
(1) Für die Aufrechnung mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis sowie für die Aufrechnung gegen diese Ansprüche gelten sinngemäß die Vorschriften des bürgerlichen Rechts, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(2) Mit Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis kann nicht aufgerechnet werden, wenn sie durch Verjährung oder Ablauf einer Ausschlussfrist erloschen sind.
(3) Die Steuerpflichtigen können gegen Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis nur mit unbestrittenen oder rechtskräftig festgestellten Gegenansprüchen aufrechnen.
(4) Für die Aufrechnung gilt als Gläubiger oder Schuldner eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis auch die Körperschaft, die die Steuer verwaltet.
Und gem. § 224 Abs. 3 Satz 1 AO sind Zahlungen der Finanzbehörden unbar zu leisten. Von unbaren Zahlungen der Steuerschuldner an die Finanzbehörden steht dort nichts.
[…] seinem Blogbeitrag für das Verfassungsblog thematisiert Prof. Dr. Freitag eine interessante Überlegung zu der Kombination aus negativen […]
In Italien sind Barzahlungen seit 2012 nur noch bis 1000 Euro erlaubt.
http://www.auswaertiges-amt.de/DE/Laenderinformationen/00-SiHi/ItalienSicherheit.html?nn=332636
“Barzahlungen von mehr als 1.000,00 Euro sind in Italien aufgrund einer Direktive zur Nachvollziehbarkeit von Finanzierungen seit Anfang 2012 verboten.”
Warum soll denn ein negativer Zins eine Steuer auf Bargeldvermögen sein?
Der Zins ist nichts anderes als der Preis dafür, dass der eine sein Geld dem anderen gibt. Wer wem dafür ein Entgelt schuldet entscheiden die Parteien nach den Vergleichsanlagemöglichkeiten. Wenn ein Bank aber keine andere (bessere) Anlage als die kostenpflichtigen “Aufbewahrung” durch die EZB findet, muss die EZB nicht zwingend der (staatliche) Verursacher des negativen Zinses sein, sondern nutzt möglicherweise nur ein – den negativen Zins ggf. verursachendes – Überangebot an Kapital aus.
Dazu kommt, dass auch Bargeld – jedenfalls in größeren Mengen – nicht wirklich kostenfrei aufbewahrt werden kannn und auch die Bereitstellung von Bargeld keineswegs kostenlos ist (so dass auch nicht per se feststeht, dass liquide Mittel nichts kosten dürfen). Da Geld zudem ein rechtliches Konstrukt und die Wertaufbewahrung durch Bargeld nur durch die rechtliche Eigenschaft als gesetzliches Zahlungsmittel einigermaßen gesichert ist, sollte man den Begriff Enteignung durch negative Zinsen zudem deshalb vorsichtig verwenden. Denn es könnte sich ja auch um eine Inhalts- und Schrankenbestimmung des “Eigentums” an Bar- und Giral-“Geld” handeln könnte. Abgesehen davon ändert ein negativer Zins gesamtwirtschaftlich “nur” die Richtung des Entgelts ändert, so dass das Geld nicht per se weniger wird, sondern nur bei einem anderen ist (so wie es durch den positiven Zins auch nicht per se mehr wird).
Viel kritischer (weil freiheitsgefährend für alle) dürften deshalb die datenschutzrechtlichen Aspekte eines weitgehenden Bargeldzahlungsverbots sein.
Wer Geld, das er zur Bezahlung verwenden möchte, einen Tag vorher unter Beachtung aller rechtlichen Vorgaben bei der Bank einzahlt und am Folgetag überweist, wird durch das Barzahlungsverbot auch in Kombination mit den Negativzinsen nicht nennenswert belastet.
Wer größere Bareinzahlung auf ein Konto zwecks Zahlung (weiterüberweisung) tätigt läuft gefar der Kontosperrung.
Eine schnelle fraischaltung des Kontos ist nur möglich wenn man die von der Bank gewünschten Nachweise erbringen kann.
So ist Bargeld kein freistehendes Zahlungsmittel.
Eine Schmälerung der Einzahlsumme entsteht dann zusätzlich durch Einzahlungsgebühr und oder totalverlust wenn die vermeindlich dazugehörigen dokumente nicht wunschgerecht entsprechen. Man leuft beim Einklagen der Freischaltund des Kontos sogar gefahr angeklagter
zu werden. Dann für sich selbst einen Freispruch zu bekommen, haist hier noch nicht das man sein Geld wieder zurück bekommt.