EuGH nimmt sich der Rechte von Drittstaats-Ausländern an
Unser famoser Innenminister findet es gemeinsam mit seinem französischen Kollegen furchtbar wichtig, die Kontrolle über die EU-Außengrenzen als integralen Bestandteil der nationalen Souveränität zu erhalten.
Es ist sicher Zufall, dass der EuGH kurz nach dieser Nachricht gleich zwei Urteile hintereinander verkündet, die dem nationale Ermessen bei der Behandlung von Ausländern aus Nicht-EU-Staaten Grenzen ziehen.
Am Dienstag setzte der Luxemburger Gerichtshof hinter eine Regelung aus Südtirol, die Nicht-EU-Ausländer beim Wohngeld benachteiligt, ein Fragezeichen. Heute bekommen die Niederländer in einem Vertragsverletzungsverfahren attestiert, dass die Gebühren, die sie Ausländern für einen Aufenthaltstitel abknöpfen, unverhältnismäßig hoch sind.
In beiden Fällen fällt die jeweilige Streitfrage nach der Richtlinie 2003/119 zwar ins Ermessen der Mitgliedsstaaten. Aber das hört da auf, wo die Ermessensausübung anfängt, der Richtlinie die praktische Wirksamkeit zu nehmen.
Im Fall des Südtiroler Wohngelds geht es um das Recht von langfristig aufenthaltsberechtigten Nicht-EU-Ausländern, zumindest im “Kernbereich” der Sozialhilfe mit EU-Bürgern gleichbehandelt zu werden. Bei der Frage, ob das Südtiroler Wohngeld zu diesem Kernbereich gehört, muss Art. 34 der Grundrechtecharta (“Unterstützung für die Wohnung”) beachtet werden.
Im Fall der Niederlande geht um die Integration von Drittstaatsangehörigen, die durch eine Gebühr, die siebenmal so hoch ist wie die für das Ausstellen eines Personalausweises, behindert würde.
EMRK und nationales Recht
Der Südtiroler Fall hat noch einen zweiten interessanten Aspekt: Das italienische Gericht, das den Fall in Luxemburg vorgelegt hatte, hatte nämlich die Frage aufgeworfen, was passiert, wenn nationales Recht mit der Europäischen Menschenrechtskonvention in Konflikt gerät. Hat es dann das nationale Recht, ohne zuvor das Verfassungsgericht befragen zu müssen, unangewendet zu lassen? Auf den Gedanken brachte das Gericht Art. 6 III EUV, der die Grundrechte der EMRK zu allgemeinen Grundsätzen des Unionsrechts erklärt.
Hintergrund: In Italien hat Verfassungsgericht offenbar befunden, dass bei einem solchen Konflikt das nationale Recht, sofern es nicht EMRK-konform ausgelegt werden kann, keineswegs einfach unangewendet bleiben kann, sondern dass dann in einem Zwischenverfahren die Verfassungsmäßigkeit dieses Rechts geklärt werden muss.
Generalanwalt Yves Bot hatte diese Frage schon für unzulässig gehalten: Der EuGH sei nicht dazu da, den nationalen Gerichten zu sagen, was sie in einem solchen Konflitkfall tun sollen, in den kein EU-Recht weit und breit involviert ist.
Der EuGH indessen hält sich sehr wohl für zuständig, Art. 6 III EUV auszulegen. Nur kommt er dabei zu dem Schluss, dass dieser
nicht das Verhältnis zwischen der EMRK und den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten (regelt).
Das ist zumindest unklar formuliert, oder nicht? Da scheint mir die Lösung des Generalanwalts glücklicher zu sein.
Gemäß Charta der Grundrechte der EU dürfen EU-Bürger nicht als Ausländer angesehen werden. Dem entsprechend ist die Äußerung “Im Fall des Südtiroler… von langfristig aufenthaltsberechtigten Nicht-EU-Ausländern, …” nicht korrekt.
??? Es geht um NICHT-EU-Bürger.
And as part of my ongoing obsession with rapporteurships: both cases had the same Judge-rapporteur, even though Kamberaj was in the Grand Chamber and Commission v. Netherlands was in the 2nd chamber. The lucky one? Judge Ó Caoimh from Ireland.
sorry Martin, I didn’t manage to get back to you to respond to your question regarding advisory opinions for the ECHR. Will do so asap, though…
The long version is here: http://martinned.blogspot.it/2012/04/advisory-opinions.html.
I guess it depends a little bit on which part of the admissibility restriction language you take as the flipside of the proposal: “ordinarily” or “clearly erred”.