09 November 2010

EuGH pfeift erneut Transparenzbemühungen der EU zurück

Schon wieder hat der EuGH der Kommission und dem Rat bei ihrem Versuch, dem Vorwurf der Intransparenz Taten entgegenzusetzen, in die Kniekehlen getreten.

Vor ein paar Wochen erst die Informationsfreiheit (Bavarian Lager). Jetzt die Agrarbeihilfen.

Die Bürokraten wollen Transparenz, aber die Richter lassen sie nicht. Verkehrte Welt, könnte man meinen.

Es geht um die Regel, dass jeder Bauer, der Zahlungen der EU erhält, mit Namen, Wohnort und empfangenen Betrag im Internet veröffentlicht wird. Das ist nicht besonders angenehm für die Landwirte: Ihr Geld kommt nicht selten zum überwiegenden Teil aus Brüssel. Und jetzt kann jeder missgünstige Nachbar ganz konfortabel mit Suchmaske nachschauen, wie es bestellt ist um die Einkommensverhältnisse nebenan.

Unverhältnismäßig

Das, so der EuGH heute, greift in unverhältnismäßiger Weise in das Recht der Bauern auf Privatsphäre ein. Gehorsam der Linie von Generalanwältin Eleanor Sharpston folgend, mahnt er Rat und Kommission, keine milderen Mittel geprüft zu haben,

wie etwa die Beschränkung der Veröffentlichung von Daten unter namentlicher Nennung der Empfänger nach Maßgabe der Zeiträume, während deren sie Beihilfen erhalten haben, der Häufigkeit oder auch von Art und Umfang dieser Beihilfen.

Gedanklich und rhetorisch ist das Urteil mehr als dürr. Ich will ja gar nicht sagen, dass es unbedingt anders hätte ausgehen müssen; ich will ja hier gar nicht den Transparenz-Jakobiner machen. Aber wenn man das EuGH-Urteil liest, dann hat man nicht den Eindruck, als ob die Richter die Notwendigkeit, in der Europapolitik für mehr Öffentlichkeit zu sorgen, wahnsinnig hoch gewichten würden.

Wir rümpfen ja hierzulande immer gern unsere kontinentale Nase, wenn wir uns mit der US-Justiz vergleichen, aber wenn man sieht, was der US Supreme Court im nicht unähnlich gelagerten Fall Doe vs. Reed kürzlich – vor allem in den Minderheitsvoten – zum Spannungsverhältnis zwischen Transparenz und Datenschutz zu sagen hatte, dann fühlt man sich fast ein bisschen beschämt.

Foto: Simon Holliday, Creative Commons


4 Comments

  1. Jens Tue 9 Nov 2010 at 17:44 - Reply

    “Gedanklich und rhetorisch ist das Urteil mehr als dürr. Ich will ja gar nicht sagen, dass es unbedingt anders hätte ausgehen müssen; ich will ja hier gar nicht den Transparenz-Jakobiner machen. Aber wenn man das EuGH-Urteil liest, dann hat man nicht den Eindruck, als ob die Richter die Notwendigkeit, in der Europapolitik für mehr Öffentlichkeit zu sorgen, wahnsinnig hoch gewichten würden.”

    Paßt ja zusammen. Die Gedankengänge der Richter sind ja auch nicht sonderlich transparent.

  2. Sebastian Wenzel Tue 9 Nov 2010 at 18:03 - Reply

    Die Suchfunktion ist auch schon deaktiviert:
    http://www.agrar-fischerei-zahlungen.de/Suche?

  3. Ron Tue 9 Nov 2010 at 18:58 - Reply

    Ich stimme dem voll zu, das Urteil ist schlecht geschrieben und nicht wirklich überzeugend. Die Stellungnahme des Generalanwalts war deutlich besser geschrieben. Bemerkenswert finde ich aber §31 des Urteils, in dem die Begründung des Wiesbadener Gerichts und seine Vorstellungen von der Rolle des Internets wiedergegeben werden:

    “31 Regardless of the validity of Articles 42(8b) and 44a of Regulation No 1290/2005, the referring court considers that Regulation No 259/2008, which prescribes that the information relating to the beneficiaries of aid from the EAGF and the EAFRD is to be published exclusively on the internet, breaches the fundamental right to the protection of personal data. It points out that the latter regulation does not limit access to the internet site concerned to ‘internet protocol’ (IP) addresses situated in the European Union. Furthermore, it is not possible to withdraw the data from the internet after the expiry of the two-year period laid down in Article 3(3) of Regulation No 259/2008. It its view, publication of the data exclusively on the internet also has a deterrent effect. First, citizens wishing to obtain information must have access to the internet. Second, those citizens run the risk of having their data stored under Directive 2006/24. It is paradoxical to strengthen the supervision of telecommunications on the one hand and to provide on the other hand that information which is intended to enable citizens to participate in public affairs is available only electronically.”

  4. […] vor dem Hintergrund des jüngsten Urteils des EuGH, wonach das Recht auf Privatsphäre die Veröffentlichung von Agrarsubventionsempfängern verbiete, […]

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