Eurobonds, Episode II: “Bail out Member States you not must!”
Von FRANZ C. MAYER und CHRISTIAN HEIDFELD
„I find your lack of faith disturbing.“ (Darth Vader in Episode IV zu rechtlichen Aspekten der Eurokrise)
„Eurobonds“ werden in den Verträgen nicht erwähnt. Hier fangen die Probleme also bereits an. Auf der Suche nach Kompetenzgrundlagen für die Einrichtung von Eurobonds wäre denkbar, Gebrauch von den dem Rat in Art. 136 AEUV übertragenen Befugnissen zu machen oder alternativ dazu Art. 352 mit Art. 133 und 136 AEUV heranzuziehen. Diese Bestimmungen sind jedenfalls vom Europäischen Parlament im Brok/Gualtieri-Bericht im März 2011 als in den Verträgen vorgesehene Möglichkeiten zur Einrichtung eines ständigen Stabilitätsmechanismus erörtert worden.
„Exciting is hardly the word I would choose.“ (C-3PO in Episode VI zur Kompetenzargumentation des EP)
Noch drängender als die Kompetenzfrage ist die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem in Art. 125 AEUV normierten Bailout-Verbot. Danach „haften” weder die EU noch einzelne Mitgliedstaaten für die Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten und „treten nicht für derartige Verbindlichkeiten ein”.
Damit schließt es das Bailout-Verbot aus, dass Gläubiger von Mitgliedstaaten bzw. diese Mitgliedstaaten selbst die EU bzw. andere Mitgliedstaaten gleich einem Bürgen für die Schulden dieser Mitgliedstaaten automatisch heranziehen können. Es besteht grundsätzlich kein Haftungsverband, und kein Mitgliedstaat hat einen Anspruch darauf, dass die EU oder andere Mitgliedstaaten seine Verbindlichkeiten übernehmen oder ablösen. Bezweckt wird damit, dass die Bewertung der Bonität der einzelnen Mitgliedstaaten den Finanzmärkten überlassen bleibt, so dass eine unseriöse Haushaltspolitik gegebenenfalls mit Risikoaufschlägen bestraft wird.
„Once you start down the dark path, forever will it dominate your destiny.“ (Master Yoda in Episode VI zu Risiken der Staatsverschuldung)
Das Bailout-Verbot verbietet indessen finanziellen Beistand an Mitgliedstaaten nicht generell und ohne jede Ausnahme: Die Griechenlandhilfen und die im Rahmen der EFSF an Portugal und Irland ausgereichten Hilfen dürften nicht gegen Art. 125 AEUV verstoßen haben. Ausgehend vom Wortlaut des Art. 125 I AEUV ist einem Mitgliedstaat nämlich nur der Eintritt in die Schuldbeziehung zwischen einem anderen Mitgliedstaat und seinem Gläubiger untersagt, so dass eine freiwillige Hilfeleistung erlaubt ist. Denn eine solche begründet eine neue, eigenständige Verbindlichkeit und ist somit schon begrifflich kein Eintritt in eine alte, bestehende Schuldbeziehung. Anders ausgedrückt verbietet Art. 125 AEUV Garantien für bestehende Verbindlichkeiten und erlaubt die Begründung neuer Verbindlichkeiten – die Mitgliedstaaten dürften also Gläubiger anderer Mitgliedstaaten sein, nicht aber deren Bürgen für Verbindlichkeiten eines Mitgliedstaates zu einem Dritten.
Der entscheidende Gesichtspunkt dabei: Als Gläubiger einer neuen Verbindlichkeit können die Mitgliedstaaten die Konditionalitäten dafür bestimmen und damit auf die Haushaltsdisziplin ihrer Schuldner einwirken. Es gibt dann eigentlich keine einzelstaatliche Möglichkeit der unseriösen Haushaltspolitik mehr. Genau diese strengen Bedingungen (Konditionalitäten) machen den Rettungsschirm ja aus Sicht der Hilfe suchenden Staaten eigentlich unattraktiv und zur ultima ratio. Den Ultima ratio-Charakter der Rettungsschirme stellt auch der neue Art. 136 III AEUV klar.
„I will make it legal.“ (Darth Sideous in Episode I zu Eurobonds)
Wie sieht es nun mit Eurobonds aus? Zwar ist in Art. 125 AEUV die gesamtschuldnerische Haftung der Mitgliedstaaten über gemeinsame Bonds nicht explizit geregelt. Daher wird es zweifellos Akteure geben, die eine minimalistische Auslegung des Art. 125 AEUV auch weiterhin vertreten.
„Enter the bureaucrats, the true rulers of the Republic“ (Senator Palpatine in Episode I)
Eine systematische und teleologische Betrachtung des Art. 125 I AEUV ergibt aber, dass Eurobonds mit der No Bailout-Klausel, wie sie heute besteht, kaum vereinbar sind. Denn zum einen würde die Einführung von Eurobonds nicht die Begründung einer neuen Verbindlichkeit zwischen den Mitgliedstaaten bedeuten, sondern sich als Übernahme einer gemeinschaftlichen Garantie für Verbindlichkeiten zwischen einem Mitgliedstaat und einem Dritten darstellen. Zudem besteht der maßgebliche Unterschied zwischen EFSF bzw. den Griechenlandhilfen und Eurobonds darin, dass es bei Eurobonds gerade auch um die Vergemeinschaftung der Schuldbeziehungen zu dritten Gläubigern geht. Mit einer solchen Gesamthaftung würden Eurobonds alle Mitglieder der Währungsunion automatisch und unbeschränkt zu einer Haftungsunion verbinden, was als unvereinbar mit dem Ziel des Art. 125 AEUV angesehen werden kann, wenn man nicht zugleich auch die mitgliedstaatliche Haushaltspolitik abschafft.
„Once this crisis has abated, I will lay down the powers you have given me!“ (Senator Palpatine in Episode II)
Als gleichsam dauerhafter Mechanismus lassen sich Eurobonds auch weder in analoger Anwendung des Art. 122 II AEUV, der von Notmaßnahmen handelt, noch durch Art. 136 III AEUV n. F. rechtfertigen, da dieser – unabhängig davon, dass er gar keinen Kompetenzgehalt aufweist – jedenfalls nur von einem im Notfall zu aktivierenden Stabilisierungsmechanismus spricht.
„I want that treaty signed!“ (Darth Sideous in Episode I zum Erfordernis der Primärrechtsänderung)
Damit deutet einiges darauf hin, dass die Einführung von Eurobonds – gleich ob im derzeitigen Primärrecht oder in gesonderten neuen Verträgen – eine Änderung des Art. 125 I AEUV voraussetzt.
(Fortsetzung folgt. Zu Episode I, The Phantom Menace, geht es hier. In der nächsten Episode: Eurobonds und Verfassungsrecht)
Von FRANZ C. MAYER und CHRISTIAN HEIDFELD
„I find your lack of faith disturbing.“ (Darth Vader in Episode IV zu rechtlichen Aspekten der Eurokrise)
„Eurobonds“ werden in den Verträgen nicht erwähnt. Hier fangen die Probleme also bereits an. Auf der Suche nach Kompetenzgrundlagen für die Einrichtung von Eurobonds wäre denkbar, Gebrauch von den dem Rat in Art. 136 AEUV übertragenen Befugnissen zu machen oder alternativ dazu Art. 352 mit Art. 133 und 136 AEUV heranzuziehen. Diese Bestimmungen sind jedenfalls vom Europäischen Parlament im Brok/Gualtieri-Bericht im März 2011 als in den Verträgen vorgesehene Möglichkeiten zur Einrichtung eines ständigen Stabilitätsmechanismus erörtert worden.
„Exciting is hardly the word I would choose.“ (C-3PO in Episode VI zur Kompetenzargumentation des EP)
Noch drängender als die Kompetenzfrage ist die Frage nach der Vereinbarkeit mit dem in Art. 125 AEUV normierten Bailout-Verbot. Danach „haften” weder die EU noch einzelne Mitgliedstaaten für die Verbindlichkeiten anderer Mitgliedstaaten und „treten nicht für derartige Verbindlichkeiten ein”.
Damit schließt es das Bailout-Verbot aus, dass Gläubiger von Mitgliedstaaten bzw. diese Mitgliedstaaten selbst die EU bzw. andere Mitgliedstaaten gleich einem Bürgen für die Schulden dieser Mitgliedstaaten automatisch heranziehen können. Es besteht grundsätzlich kein Haftungsverband, und kein Mitgliedstaat hat einen Anspruch darauf, dass die EU oder andere Mitgliedstaaten seine Verbindlichkeiten übernehmen oder ablösen. Bezweckt wird damit, dass die Bewertung der Bonität der einzelnen Mitgliedstaaten den Finanzmärkten überlassen bleibt, so dass eine unseriöse Haushaltspolitik gegebenenfalls mit Risikoaufschlägen bestraft wird.
„Once you start down the dark path, forever will it dominate your destiny.“ (Master Yoda in Episode VI zu Risiken der Staatsverschuldung)
Das Bailout-Verbot verbietet indessen finanziellen Beistand an Mitgliedstaaten nicht generell und ohne jede Ausnahme: Die Griechenlandhilfen und die im Rahmen der EFSF an Portugal und Irland ausgereichten Hilfen dürften nicht gegen Art. 125 AEUV verstoßen haben. Ausgehend vom Wortlaut des Art. 125 I AEUV ist einem Mitgliedstaat nämlich nur der Eintritt in die Schuldbeziehung zwischen einem anderen Mitgliedstaat und seinem Gläubiger untersagt, so dass eine freiwillige Hilfeleistung erlaubt ist. Denn eine solche begründet eine neue, eigenständige Verbindlichkeit und ist somit schon begrifflich kein Eintritt in eine alte, bestehende Schuldbeziehung. Anders ausgedrückt verbietet Art. 125 AEUV Garantien für bestehende Verbindlichkeiten und erlaubt die Begründung neuer Verbindlichkeiten – die Mitgliedstaaten dürften also Gläubiger anderer Mitgliedstaaten sein, nicht aber deren Bürgen für Verbindlichkeiten eines Mitgliedstaates zu einem Dritten.
Der entscheidende Gesichtspunkt dabei: Als Gläubiger einer neuen Verbindlichkeit können die Mitgliedstaaten die Konditionalitäten dafür bestimmen und damit auf die Haushaltsdisziplin ihrer Schuldner einwirken. Es gibt dann eigentlich keine einzelstaatliche Möglichkeit der unseriösen Haushaltspolitik mehr. Genau diese strengen Bedingungen (Konditionalitäten) machen den Rettungsschirm ja aus Sicht der Hilfe suchenden Staaten eigentlich unattraktiv und zur ultima ratio. Den Ultima ratio-Charakter der Rettungsschirme stellt auch der neue Art. 136 III AEUV klar.
„I will make it legal.“ (Darth Sideous in Episode I zu Eurobonds)
Wie sieht es nun mit Eurobonds aus? Zwar ist in Art. 125 AEUV die gesamtschuldnerische Haftung der Mitgliedstaaten über gemeinsame Bonds nicht explizit geregelt. Daher wird es zweifellos Akteure geben, die eine minimalistische Auslegung des Art. 125 AEUV auch weiterhin vertreten.
„Enter the bureaucrats, the true rulers of the Republic“ (Senator Palpatine in Episode I)
Eine systematische und teleologische Betrachtung des Art. 125 I AEUV ergibt aber, dass Eurobonds mit der No Bailout-Klausel, wie sie heute besteht, kaum vereinbar sind. Denn zum einen würde die Einführung von Eurobonds nicht die Begründung einer neuen Verbindlichkeit zwischen den Mitgliedstaaten bedeuten, sondern sich als Übernahme einer gemeinschaftlichen Garantie für Verbindlichkeiten zwischen einem Mitgliedstaat und einem Dritten darstellen. Zudem besteht der maßgebliche Unterschied zwischen EFSF bzw. den Griechenlandhilfen und Eurobonds darin, dass es bei Eurobonds gerade auch um die Vergemeinschaftung der Schuldbeziehungen zu dritten Gläubigern geht. Mit einer solchen Gesamthaftung würden Eurobonds alle Mitglieder der Währungsunion automatisch und unbeschränkt zu einer Haftungsunion verbinden, was als unvereinbar mit dem Ziel des Art. 125 AEUV angesehen werden kann, wenn man nicht zugleich auch die mitgliedstaatliche Haushaltspolitik abschafft.
„Once this crisis has abated, I will lay down the powers you have given me!“ (Senator Palpatine in Episode II)
Als gleichsam dauerhafter Mechanismus lassen sich Eurobonds auch weder in analoger Anwendung des Art. 122 II AEUV, der von Notmaßnahmen handelt, noch durch Art. 136 III AEUV n. F. rechtfertigen, da dieser – unabhängig davon, dass er gar keinen Kompetenzgehalt aufweist – jedenfalls nur von einem im Notfall zu aktivierenden Stabilisierungsmechanismus spricht.
„I want that treaty signed!“ (Darth Sideous in Episode I zum Erfordernis der Primärrechtsänderung)
Damit deutet einiges darauf hin, dass die Einführung von Eurobonds – gleich ob im derzeitigen Primärrecht oder in gesonderten neuen Verträgen – eine Änderung des Art. 125 I AEUV voraussetzt.
(Fortsetzung folgt. Zu Episode I, The Phantom Menace, geht es hier. In der nächsten Episode: Eurobonds und Verfassungsrecht)