08 December 2009

Frankreich: Senat nimmt Karlsruhe in Schutz

Nach all der Kritik, die das BVerfG wegen des Lissabon-Urteils aushalten musste, findet der Zweiten Senat heute diesen Rapport des französischen Senats im Adventskalender. Hubert Haenel, Vorsitzender des Europaausschusses, kommt darin zu dem Schluss, dass das Lissabon-Urteil in Wirklichkeit total in Ordnung geht.

Der Bericht fasst die Funktionsweise der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit und die ganze Vorgeschichte von Solange I und II über Maastricht sehr präzise und gut zusammen (wer sich da näher informieren will und gut genug französisch kann, für den lohnt sich die Lektüre).

Was die Bewertung des Lissabon-Urteils betrifft, kann Haenel gar nicht verstehen, was die Kritiker eigentlich haben. Das Gericht habe nur seinen Job getan, habe auf der Linie von Maastricht geurteilt und Lissabon schließlich für verfassungskonform erklärt, und daraus euroskeptische Motive ablesen zu wollen, sei “quelque peu paradoxal”.

Die Kritik erklärt sich Haenel teilweise daraus, dass die Deutschen nun mal den Föderalismus gewohnt seien und daher dazu neigten, Europa in Kategorien eines föderalen Staates zu sehen. Das Urteil sei geeignet, sich die Eigenart der europäischen Einigung bewusst zu machen und den “despotisme éclairé” vergangener Tage und die Integation “de manière ,rampante'” zu beenden. Das nationale Parlament werde gestärkt, da könne doch wohl niemand etwas dagegen haben.

Der Elässer Senator hält Deutschland auch zu Gute, dass man nicht erwarten könne, dass Deutschland nach der Wiedervereinigung seinen europapolitischen Kurs aus der Zeit zuvor beibehalten würde. “Le statut et la
situation géopolitique de l’Allemagne ont changé.” Das heiße nicht, dass sich die Entschlossenheit Deutschlands zur europäischen Einigung abgeschwächt habe; die Rahmenbedingungen hätten sich halt verändert.

Mir scheint, der Bericht ist ein weiteres Beispiel für Franz Meyers Rashomon-These, wonach jeder aus dem Lissabon-Urteil herauslesen kann, was ihm gerade gefällt. Die Negativ-Liste von Kompetenzbereichen, die laut Lissabon-Urteil niemals vergemeinschaftet werden können, kommt ebenso wenig vor wie die Passage, in der die Richter das Europäische Parlament über die Tischkante schnipsen.

(via)

Nach all der Kritik, die das BVerfG wegen des Lissabon-Urteils aushalten musste, findet der Zweiten Senat heute diesen Rapport des französischen Senats im Adventskalender. Hubert Haenel, Vorsitzender des Europaausschusses, kommt darin zu dem Schluss, dass das Lissabon-Urteil in Wirklichkeit total in Ordnung geht.

Der Bericht fasst die Funktionsweise der deutschen Verfassungsgerichtsbarkeit und die ganze Vorgeschichte von Solange I und II über Maastricht sehr präzise und gut zusammen (wer sich da näher informieren will und gut genug französisch kann, für den lohnt sich die Lektüre).

Was die Bewertung des Lissabon-Urteils betrifft, kann Haenel gar nicht verstehen, was die Kritiker eigentlich haben. Das Gericht habe nur seinen Job getan, habe auf der Linie von Maastricht geurteilt und Lissabon schließlich für verfassungskonform erklärt, und daraus euroskeptische Motive ablesen zu wollen, sei “quelque peu paradoxal”.

Die Kritik erklärt sich Haenel teilweise daraus, dass die Deutschen nun mal den Föderalismus gewohnt seien und daher dazu neigten, Europa in Kategorien eines föderalen Staates zu sehen. Das Urteil sei geeignet, sich die Eigenart der europäischen Einigung bewusst zu machen und den “despotisme éclairé” vergangener Tage und die Integation “de manière ,rampante'” zu beenden. Das nationale Parlament werde gestärkt, da könne doch wohl niemand etwas dagegen haben.

Der Elässer Senator hält Deutschland auch zu Gute, dass man nicht erwarten könne, dass Deutschland nach der Wiedervereinigung seinen europapolitischen Kurs aus der Zeit zuvor beibehalten würde. “Le statut et la
situation géopolitique de l’Allemagne ont changé.” Das heiße nicht, dass sich die Entschlossenheit Deutschlands zur europäischen Einigung abgeschwächt habe; die Rahmenbedingungen hätten sich halt verändert.

Mir scheint, der Bericht ist ein weiteres Beispiel für Franz Meyers Rashomon-These, wonach jeder aus dem Lissabon-Urteil herauslesen kann, was ihm gerade gefällt. Die Negativ-Liste von Kompetenzbereichen, die laut Lissabon-Urteil niemals vergemeinschaftet werden können, kommt ebenso wenig vor wie die Passage, in der die Richter das Europäische Parlament über die Tischkante schnipsen.

(via)


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