26 July 2020

Heimliche Großzügigkeit

Zur Amnestie für Taterträge aus „Cum/Ex“-Taten bei verjährtem Steueranspruch durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz

Milliarden hat der Fiskus durch die sogenannten „Cum/Ex“-Geschäfte verloren. Geld, das er sich eigentlich im Wege der sogenannten Tatertrageinziehung hätte zurückholen können. Soweit es um steuerrechtlich verjährte Ansprüche des Fiskus geht, hat der Gesetzgeber diese Möglichkeit aber vor wenigen Tagen still und heimlich – und ohne Not – mit dem Zweiten Corona-Steuerhilfegesetz versperrt.

„Crime must not pay“ – so lautete die Devise auf deren Grundlage der 18. Deutsche Bundestag mit Wirkung zum 1. Juli 2017 eine tiefgreifende Reform des Rechts der Vermögensabschöpfung im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht beschlossen hat, deren Kern die Regeln über die Einziehung in den §§ 73 ff. StGB bilden. Zukünftig sollte es leichter sein, Straftäter um die Früchte ihres regelwidrigen Verhaltens zu bringen. Insbesondere der Faktor Zeit sollte der Einziehung künftig nicht mehr so oft im Weg stehen wie nach früherem Recht. So können beispielsweise auf Grundlage des neu gefassten § 76a StGB Taterträge (bzw. deren Wert) nun selbst dann noch eingezogen werden, wenn die Straftat, aus der die Vermögenswerte herrühren, bereits verjährt ist und daher für sich genommen nicht mehr verfolgt werden kann. Gem. § 76b StGB verjährt der selbstständige staatliche Einziehungsanspruch erst nach 30 Jahren ab Beendigung der Tat (mit Ausnahme von Mord und Straftaten nach dem Völkerstrafgesetzbuch, wo die Tatertragseinziehung unbegrenzt möglich ist). Diese neue Form der selbstständigen Einziehung entkoppelt also die Einziehbarkeit von der Verfolgungsverjährung. Das schafft nicht nur Abhilfe in langwierigen Ermittlungsverfahren gegen übliche Formen der organisierten Kriminalität, sondern entwickelte sich – für den Gesetzgeber wohl in dieser Dimension noch nicht absehbar – zu einem bedeutsamen Instrument bei der Aufarbeitung von Steuerstraftaten durch sog. „Cum/Ex“-Geschäfte. In Folge langjähriger Untätigkeit von Finanzämtern (und anderen Behörden) sind hier nämlich nicht nur viele Steuerstraftaten verfolgungsverjährt, sondern in manchen Fällen sind auch die steuerrechtlichen Rückzahlungsansprüche des Fiskus zahlungsverjährt. Das heißt: Nicht nur, kann der Staat seinen Strafanspruch nicht durchsetzen – er erhält auch die zu viel ausgezahlte Steuererstattung nicht zurück. Das neue Einziehungsrecht stellt – so schien es zunächst – ein geeignetes Instrument dar, um auch in diesen Fällen, die der Strafverfolgung entzogen sind, zumindest die Tatbeute für den Steuerzahler zurück zu erlangen. 

Sonderbehandlung für Steuerstraftaten?

Diese Möglichkeit machte jedoch spätestens ein Beschluss des 1. Strafsenats des BGH aus dem Herbst 2019 zunichte, in dem der Senat (im Einklang mit einem großen Teil der Literatur) entschied, dass eine Einziehung von Erträgen aus illegalen „Cum/Ex“-Geschäften nicht rechtens sei, wenn der zugrunde liegende staatliche Steueranspruch bereits verjährt ist. Das Gericht hat seine Entscheidung mit § 73e Abs. 1 StGB begründet. Danach ist eine Einziehung von Taterträgen ausgeschlossen, wenn, so der Wortlaut des Gesetzes, aus der Tat resultierende Ersatzansprüche des Tatverletzten (also hier: des Fiskus) „erloschen“ sind. Und anders als im Zivilrecht lässt die Verjährung eines Anspruchs im Steuerrecht nicht nur ein Leistungsverweigerungsrecht entstehen (vgl. § 214 BGB), sondern lässt den Steueranspruch „erlöschen“ (§ 47 Var. 4 AO). Den Einwand, dass der Gesetzgeber diese steuerrechtliche Besonderheit bei der Schaffung von § 73e Abs. 1 StGB wohl übersehen habe und mit dieser Vorschrift eine Einziehung nur für Fälle ausschließen wollte, in denen Täter und Verletzter die Schadenswiedergutmachung privatautonom regeln und daher die Notwendigkeit einer Einziehung entfalle (prägnant Madauß, NZWiSt 2018, 28, 33), lässt der Senat dabei nicht gelten: Die Strafgerichte seien gehalten, den Gesetzgeber beim Wort zu nehmen (in diesem Fall dem Wort „erloschen“, das in § 73e Abs. 1 StGB ebenso verstanden werden müsse wie in § 47 AO); ihn zu korrigieren sei der Judikative im vorliegenden Fall schon mit Blick auf Art. 103 Abs. 2 GG verwehrt (Rn. 6 des Beschlusses). 

Einziehungsamnestie durch die Hintertür

Diesen Ball hat der Bundestag – scheinbar – aufgenommen und im Zweiten Gesetz zur Umsetzung steuerlicher Hilfsmaßnahmen zur Bewältigung der Corona-Krise vom 29. Juni 2020 einen – zwischen zahlreichen Gesetzesänderungen zur konjunkturellen Stimulation wohlversteckten – neuen § 375a AO eingeführt. Mit dieser Vorschrift soll nunmehr – entgegen der Auslegung des BGH – das Erlöschen eines Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis durch Verjährung nach § 47 AO einer Einziehung rechtswidrig erlangter Taterträge nicht entgegen stehen. Dieser Vorschrift konnten die Abgeordneten des Deutschen Bundestags guten Gewissens ihre Zustimmung geben, schien der Weg zur Rückerlangung der „Cum/Ex“-Beute damit doch wieder frei. Ein wichtiges Detail wurde ausweislich der Plenarprotokolle jedoch wohl allseits übersehen: Neben § 375a AO hatte das Bundesfinanzministerium in dem Gesetzestext auch einen neuen § 34 EGAO hineingeschrieben. Diese Vorschrift regelt den zeitlichen Anwendungsbereich des § 375a AO und legt fest, dass diese Vorschrift nur für Steueransprüche gilt, die am 1. Juli 2020 noch nicht verjährt waren. Für bereits verjährte Ansprüche aus „Cum/Ex“-Sachverhalten bedeutet das: Die Tatbeute darf einbehalten werden, dem Fiskus gehen womöglich Milliarden verloren.

War der Gesetzgeber durch das Rückwirkungsverbot gezwungen, „Cum/Ex“-Tätern die Beute zu belassen? 

Die Tragweite dieser klandestinen Einziehungs-Amnestie dürfte den Abgeordneten des Bundestags bei der Verabschiedung des Zweiten Corona Steuerhilfegesetzes ganz überwiegend nicht klar gewesen sein. Nun mit deren Folgen konfrontiert, berief das Bundesfinanzministerium sich nach einer Anfrage der Süddeutschen Zeitung und des WDR auf das verfassungsrechtliche Rückwirkungsverbot: Bei bereits verjährten Steueransprüchen genössen die Täter einer Steuerhinterziehung schutzwürdiges Vertrauen darin, dass die Taterträge nicht mehr eingezogen werden können. Diese Begründung lässt sich jedoch in mehrfacher Hinsicht anzweifeln: 

Zunächst ist schon überhaupt nicht klar, ob die Einziehung von Taterträgen aus Steuerstraftaten im Falle der Verjährung des Steueranspruchs tatsächlich nach § 73e Abs. 1 StGB ausgeschlossen war. Der Gesetzgeber musste hier nicht zwingend der Auffassung des 1. Strafsenats des BGH folgen, sondern hätte sich der zuletzt auch vom LG Bonn umfassend begründeten Gegenauffassung (Urt. v. 18. März 2020 – 62 KLs – 231 41/10 – 1/19, Rn. 2060 ff.) anschließen können. Die Einführung von § 375a AO wäre dann eine reine Klarstellung gewesen und das Rückwirkungsverbot nicht betroffen. Allerdings setzt nicht zuletzt die Entscheidung des BVerfG im Verfahren 1 BvL 5/07 einer solchen nachträglichen „Klärung“ umstrittener Rechtsfragen durch den Gesetzgeber enge Grenzen (s. insbesondere Rn. 55 ff.) 

Selbst wenn man aber annimmt, dass § 375a AO die Rechtslage rückwirkend zu Lasten von Einziehungsadressaten geändert hätte, kann dieser Weg nicht pauschal mit einem Verweis auf das Rückwirkungsverbot als verfassungswidrig abgetan werden. Das Einziehungsrecht ist jedenfalls nach der bisherigen Rechtsprechung von BGH und BVerfG nicht als Kriminalstrafrecht zu werten und unterliegt damit nicht dem Gesetzlichkeitsprinzip des Art. 103 Abs. 2 GG in der Ausprägung des strengen strafrechtlichen Rückwirkungsverbots (auch wenn diese Position angesichts der oben genannten Entscheidung des 1. BGH-Strafsenats, der § 73e StGB am strafrechtlichen Bestimmtheitsgebot nach Art. 103 Abs. 2 GG misst, nicht mehr felsenfest zu sein scheint; der 3. Senat hat die Frage zuletzt offengelassen). Prüfungsmaßstab ist daher nur das allgemeine Rückwirkungsverbot, wie es sich aus dem Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) ableitet. Greift man auf die in diesem Zusammenhang geprägte Unterscheidung zwischen echten und unechten Rückwirkungen zurück, dürfte es in der vorliegenden Konstellation um eine echte Rückwirkung gehen, da in der Vergangenheit wegen § 73e StGB nicht mehr einziehbare (und damit abschließend „sichere“) Vermögensgegenstände nunmehr rückwirkend der Einziehung unterworfen werden. Eine solche echte Rückwirkung von gesetzlichen Regelungen ist nach der Rechtsprechung des BVerfG zwar grundsätzlich, jedoch nicht stets ausgeschlossen. Sie kann rechtens sein, wenn der damit verbundene Eingriff in den Vertrauensschutz zur Erreichung eines legitimen Ziels geeignet, erforderlich und verhältnismäßig ist. Dies wäre in der vorliegenden Konstellation zumindest zu diskutieren gewesen, da das Vertrauen der Betroffenen, Vermögen aus Straftaten, deren rechtswidrige Herkunft sie zumindest fahrlässig verkannt haben, behalten zu können, nicht sonderlich schutzwürdig sein dürfte (so wohl auch die Einschätzung von Simon Kempny). Gleichzeitig wird die Erschütterung des Normvertrauens der Allgemeinheit im Fall eines nun gesetzlich garantierten Behalten-Dürfens der Tatbeute ähnlich hoch sein wie die ungerechtfertigten Wettbewerbsvorteile, die sich Finanzmarktakteure durch den großangelegten Steuerbetrug verschafft haben, so dass in der Gesamtschau ein erhebliches Gemeinwohlinteresse besteht, auch in Altfällen Taterträge (bzw. deren Wert) abzuschöpfen.

Jedenfalls verhält sich der Gesetzgeber aber widersprüchlich, wenn er nun bei § 375a AO im vorauseilenden Gehorsam vor dem Bundesverfassungsgericht, dessen Entscheidung in dieser Sache wohlgemerkt alles andere als absehbar wäre, auf eine strenge Einhaltung des Rückwirkungsverbots pocht. Denn dann hätte konsequenterweise im gleichen Atemzug mit der Einführung von § 34 EGAO auch der Art. 316h S. 1 EGStGB abgeschafft werden müssen. Diese Vorschrift ordnet für das gesamte reformierte Einziehungsrecht an, dass es auch auf Taten anwendet werden kann, die vor dem In-Kraft-Treten der §§ 73 ff. StGB n. F. zum 1. Juli 2017 begangen wurden. Der 3. BGH-Strafsenat hat hierin mit Blick auf Straftaten, die am 1. Juli 2017 bereits verjährt waren, eine verfassungswidrige echte Rückwirkung gesehen, und den Art. 316h S. 1 EGStGB unter diesem Gesichtspunkt dem Bundesverfassungsgericht zur konkreten Normenkontrolle gem. Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG vorgelegt (Beschluss vom 7. März 2019). Wenn der Gesetzgeber die Bedenken des 3. BGH-Strafsenats mittlerweile teilt und es als verfassungswidrig ablehnt, das Einziehungsrecht rückwirkend auf Sachverhalte anzuwenden, die bei dessen In-Kraft-Treten schon verjährt waren, dürfte er die Entscheidung des BVerfG in dieser Sache redlicherweise nicht abwarten, sondern müsste sofort eine rückwirkende Anwendung der §§ 73 ff. StGB für alle Tätergruppen verhindern. Es passiert aber das Gegenteil: Bei Art. 316h S. 1 EGStGB lässt man es auf eine verfassungsrechtliche Entscheidung mit ungewissem Ausgang ankommen, während „Cum/Ex“-Täter durch ein eilig beschlossenes Sondergesetz vorsichtshalber vor Rückwirkung geschützt werden. Den Anforderungen einer prinzipienorientierten Kriminalpolitik, die Regeln ungeachtet des sozialen Status der Täter schafft, genügt dieses Vorgehen nicht.

Fazit

Durch das Zweite Corona-Steuerhilfegesetz hat der Bundestag kurz vor der Sommerpause sichergestellt, dass Vermögenswerte, die aus „Cum/Ex“-Straftaten herrühren, von den Begünstigten behalten werden dürfen, wenn die zugrundeliegenden Steueransprüche verjährt sind. Anders als das Bundesfinanzministerium meint, war diese Regelung keineswegs unter dem Gesichtspunkt des Rückwirkungsverbots verfassungsrechtlich „alternativlos“. Andere Wege wären zumindest zu diskutieren gewesen, bevor der Fiskus hier großzügig auf einen potentiellen Milliardenbetrag verzichtet. Denn zwar sind – wie jüngst das LG Bonn in seinem „Cum Ex“-Urteil ausführlich dargelegt hat (Rn. 2040 ff.) – auch Steueransprüche aus länger zurückliegenden Steuerjahren in manchen „Cum/Ex“-Fällen bei genauer Betrachtung noch nicht verjährt. Das betrifft aber längst nicht alle Fallkonstellationen, von denen viele zudem noch im Dunkeln liegen und (wenn überhaupt) erst im Zuge der noch laufenden Ermittlungen entdeckt werden dürften. Dass die skizzierte Einziehungs-Amnestie letztlich heimlich und wohl auch ohne ein entsprechendes Problembewusstsein der Abgeordneten des Deutschen Bundestags getroffen wurde, ist dabei schon für sich genommen ein Skandal. Ihr recht präziser Zuschnitt auf „Cum/Ex“-Täter macht zudem den ungünstigen Eindruck, dass die nachsichtigen Strukturen, die „Cum /Ex“ in seinem Umfang erst ermöglichten, weiter fortwirken. Denn bei „gewöhnlichen“ Straftätern lässt es die Regierungsmehrheit auf eine Entscheidung des Bundesverfassungsgericht zur rückwirkenden Anwendung des Einziehungsrechts auf verjährte Straftat ankommen. Das Strafrecht kann seinen (Teil-)Zweck, erschüttertes Normvertrauen wiederherzustellen, unter diesen Bedingungen schwerlich erfüllen.


7 Comments

  1. Weichtier Sun 26 Jul 2020 at 12:36 - Reply

    Der VIII. Senat des BFH ist für die Erstattung von Kapitalertragsteuer zuständig. Professor Dr. Monika Jachmann-Michel (Vorsitzende Richterin des VIII. Senates des BFH) in Steuer und Wirtschaft 3/2017, Seite 216 zu Cum/ex:
    “Erfolgt die Steuergestaltung im Sinne eines Ausnützens erkannter Fehler des Steuergesetzes beispielsweise zur Vermehrung des Ertrags eines Unternehmens, unterfällt auch sie der unternehmerischen Freiheit des Art. 12 bzw. 14 GG, den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens zu optimieren. Im Rechtsstaat ist die Freiheitsausübung primär nicht rechtfertigungsbedürftig, findet Grenzen in der Freiheit der anderen sowie (v.a. verfassungsrechtlich fundierten) Belangen der Allgemeinheit. Rechtfertigungsbedürftig ist der staatliche Eingriff. Dieser Eingriff ist- als Steuereingriff- aus der Mitverantwortung des Bürgers für die allgemeine staatliche Aufgabenerfüllung zu rechtfertigen und dabei im Sinne der Tatbestandsmäßigkeit der Besteuerung engmaschig konkret im Steuergesetz vorzuzeichnen (Art. 20 Abs. 3 GG). Erlaubt das Steuergesetz für bestimmte Konstellationen – zumindest bei einer nachvollziehbaren Auslegung – eine mehrfache Erstattung eines nur einmal erhobenen Betrags – so beim unstreitig moralisch höchst fragwürdigen – Cum-Ex-Geschäft – bedarf es keiner Steuergestaltung, wenn der Steuerpflichtige diese Möglichkeit nutzt. Vielmehr wäre es Sache des Steuergesetzgebers auf derartige gesetzliche Fehler – anders als bei den Cum-Ex-Geschäften geschehen – sofort zu reagieren.”

    In dem Beitrag geht es nicht um Strafrecht und Steuerstrafrecht, sondern um Steuerrecht (Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis). So weit ich weiß, gibt es Urteile des FG Hessen und FG Köln zu cum/ex. Der BFH hat nach meinem Wissen dazu noch nicht entschieden. Ist denn wirklich so klar, dass überhaupt ein Steueranspruch besteht, der erlöschen konnte?

  2. Julius Bair Mon 27 Jul 2020 at 05:35 - Reply

    Könnte man eine formale Rückwirkung nicht dadurch umgehen, indem man eine Grenzen- und Schrankenbestimmung für die Zukunft, gemäß Art.14GG erlässt?
    Grob in etwa:,,Eigentum, das auf zum Begründungszeitpunkt nicht-legale Weise erlangt worden ist, ist nichtig und fällt dem Bund, Land oder der Geschädigten natürlichen oder juristischen Person zu.”

    Formal evtl. als Enteignung einzustufen, ist es doch mehr als fraglich das hier dann ,,unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten” eine Entschädigung zuzumessen wäre.

    • Manly Sat 1 Aug 2020 at 14:01 - Reply

      Es gibt ja schon nen Grund dafür, dass Verjährung existiert. Das Finanzamt kann ja auch Fehler machen (wie in diesem Fall) und gewisse Straftaten unbeachtet lasse. Die Straftaten können dabei Fahrlässig sein. Wenn ein Unternehmen unmittelbar mit der Straftat konfrontiert wird und Bußgeld zahlen muss, kann es das meistens überleben und durch Einnahmen kompensieren. Dieselbe Straftat kumuliert über 5 Jahre kompensieren, könnte dagegen zu einer Insolvenz führen.

      Bei Rot über die Ampel gehen ist ja auch illegal, nehmen wir aber in Kauf und machen viele auch regelmäßig. Ein Bußgeld i.H.v. 5€ ist zwar unangenehm, tut aber nicht sehr weh. Aber stell dir mal vor, der Beamte würde erstmal alle Fälle zusammentragen, bei denen du über Rot gelaufen bist (hypothetisch) und würde dich dann zur Kasse bitten. Das wäre ja wohl völlig irrsinnig und selbes sollte auch für Unternehmen gelten.
      Die am schwersten betroffenen Unternehmen wären dabei eh KMUs, da diese nicht den selben Zugang zu Steuerberatung haben, wie Konzerne und kleinere Fehler (Straftaten) sich schnell mal einschleichen können.

  3. Kilian Wegner Tue 28 Jul 2020 at 10:47 - Reply

    @Weichtier Ich bin der festen Überzeugung, dass die mehrfache Anrechnung nur einmal gezahlter Kapitalertragsteuer zu keinem Zeitpunkt objektiv rechtmäßig war. Soweit in der Debatte dazu “gesetzgeberische Lücken” angeführt werden, haben diese bei näherer Betrachtung den Missbrauch lediglich technisch ermöglicht und dadurch eine Gelegenheit zum Betrug geschaffen, ihn aber nicht legalisiert. Verteidigen können die an solchen Geschäften Beteiligten sich aus meiner Sicht nur im subjektiven Tatbestand.

    • Weichtier Thu 30 Jul 2020 at 15:33 - Reply

      Aus der Bundestags-Drucksache 850/10 vom 31.12.2010 zum Entwurf OGAW-IV-Umsetzungsgesetz (Seite 153)

      „Problematisch stellen sich nun die Fälle dar, in denen die den (Leer-)Verkaufsauftrag ausführende Stelle im Ausland liegt und damit mangels Zahlstelle im Inland keine Kapitalertragsteuer auf die zu leistende Ausgleichszahlung einzubehalten ist, während das inländische Kreditinstitut des Käufers diesem aufgrund der – im Ergebnis von der tatsächlichen Vornahme des Kapitalertragsteuerabzugs losgekoppelten – Verpflichtung zur Ausstellung einer Steuerbescheinigung gem. § 45a Absatz 3 EStG weiterhin ein anrechenbares bzw. erstattungsfähiges Kapitalertragsteuerguthaben ausweist. Als Konsequenz rechnet dadurch im Ergebnis der Aktienerwerber Kapitalertragsteuer an, obwohl tatsächlich – mangels inländischer Zahlstelle des (Leer-)Verkäufers – kein Steuereinbehalt stattgefunden hat.

      Zur Schadensbegrenzung werden derzeit als vorübergehende Maßnahme durch die BMF-Schreiben vom 5. Mai 2009 (BStBl I S. 631) und 21. September 2010 (BStBl I S. 753) gesonderte Anforderungen an die Steuerbescheinigungen dieser Dividendenausschüttungen gestellt, um Absprachen zwischen Leerverkäufer und Erwerber zu verhindern. Sie laufen mit Einführung der Neuerung aus.“

      Das Herumgeeiere („Problematisch“) in der Gesetzesbegründung und der Verweis auf eine Verwaltungsvorschrift zur Begrenzung eines Schadens, der durch die zu ändernde Gesetzeslage entstanden ist, sieht mir jetzt nicht nach glasklarer Steuerrechtslage aus.

      Und Herr Steinbrück führte aus (https://www.bundestag.de/dokumente/textarchiv/2017/kw07-pa-cumex-492120):
      „Zum Jahressteuergesetz 2007, mit dem die Cum/Ex-Geschäfte nicht wie geplant unterbunden wurden, sagte Steinbrück bezugnehmend auf Kritik an dem damaligen Vorgehen, niemand, auch nicht im Bundestag, habe im Gesetzgebungsprozess auf mögliche Lücken hingewiesen. Auf eine Frage des Obmanns der Unionsfraktion, Christian Hirte, sagte Steinbrück: “Niemand hat gesagt: Vorsicht an der Bahnsteigkante, da passiert was.” Er sei damals “nicht viel schlauer gewesen als Sie”. “

      • Kilian Wegner Tue 4 Aug 2020 at 23:39 - Reply

        @ Weichtier

        Die von ihnen zitierte Passage in der Gesetzesbegründung ist bei näherer Betrachtung ziemlich deutlich: Es wurde Steuer angerechnet, obwohl kein Steuerabzug stattgefunden hat (was an der mangelnden Steuerpflicht der ausländischen Stellen scheiterte). Genau das (nämlich den Steuerabzug) machte § 36 Abs. 2 Nr. 2 S. 1, 2 EStG aber auch schon vor dem 1. Dezember 2012 ausdrücklich (“die durch Steuerabzug erhobene Einkommensteuer”) zur Voraussetzung einer Steueranrechnung. Die Anrechnung war in den genannten Fällen mangels Anrechnungstatbestand folglich jederzeit rechtswidrig. Sie konnte technisch nur gelingen, indem falsche Bescheinigungen vorgelegt wurden. Gegen diesen Vorgang haben Verwaltung und Gesetzgeber dann Sicherungen eingeführt, ohne die materielle Steuerrechtslage anzutasten. Es gab keine Gesetzeslücke, sondern eine Vollzugslücke.

  4. Manly Sat 1 Aug 2020 at 14:14 - Reply

    @Julius Es gibt ja schon nen Grund dafür, dass Verjährung existiert. Das Finanzamt kann ja auch Fehler machen (wie in diesem Fall) und gewisse Straftaten unbeachtet lasse. Die Straftaten können dabei Fahrlässig sein. Wenn ein Unternehmen unmittelbar mit der Straftat konfrontiert wird und Bußgeld zahlen muss, kann es das meistens überleben und durch Einnahmen kompensieren. Dieselbe Straftat kumuliert über 5 Jahre kompensieren, könnte dagegen zu einer Insolvenz führen.

    Bei Rot über die Ampel gehen ist ja auch illegal, nehmen wir aber in Kauf und machen viele auch regelmäßig. Ein Bußgeld i.H.v. 5€ ist zwar unangenehm, tut aber nicht sehr weh. Aber stell dir mal vor, der Beamte würde erstmal alle Fälle zusammentragen, bei denen du über Rot gelaufen bist (hypothetisch) und würde dich dann zur Kasse bitten. Das wäre ja wohl völlig irrsinnig und selbes sollte auch für Unternehmen gelten.
    Die am schwersten betroffenen Unternehmen wären dabei eh KMUs, da diese nicht den selben Zugang zu Steuerberatung haben, wie Konzerne und kleinere Fehler (Straftaten) sich schnell mal einschleichen können.

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