How to… Paritätsgesetz
Mit dem Bundesverfassungsgericht zur verfassungskonformen Regelung
Am Dienstag hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts einen Beschluss vom 15. Dezember 2020 veröffentlicht, der sich mit dem Fehlen gesetzlicher Regelungen zur paritätischen Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts bei der Bundestagswahl 2017 beschäftigt. Die umstrittene Frage, ob Paritätsregelungen verfassungsrechtlich zulässig sind (siehe befürwortend etwa hier und hier; ablehnend hier), war in diesem Verfahren nicht zu beantworten. Der 34-seitige Verwerfungsbeschluss gibt in der Frage dennoch Aufschluss. An mehreren Stellen wird deutlich: Der Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zur Umsetzung des Gleichberechtigungsgebots aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ist weit, eine Abwägung mit der Parteienfreiheit (Art. 21 Abs. 1 GG) und den Wahlrechtsgrundsätzen (Art. 38 Abs. 1 GG) möglich. Mehr noch: Die Begründung des Zweiten Senats lädt regelrecht dazu ein, einen Weg durch das landesverfassungsgerichtlich determinierte Labyrinth zum verfassungskonformen Paritätsgesetz zu finden.
Was der Zweite Senat entschieden hat: Keine Pflicht zur Parité-Gesetzgebung
Anders als in den Entscheidungen der Verfassungsgerichte aus Thüringen und Brandenburg aus dem letzten Jahr ging es in der Wahlprüfungsbeschwerde nicht um die Verfassungsmäßigkeit konkreter paritätischer Regelungen zur Besetzung von Listen. Die Frage war vielmehr, ob der Gesetzgeber von Verfassungs wegen gehalten war, das Wahlvorschlagsrecht durch die Pflicht zur paritätischen Nominierung von Frauen und Männern zu ergänzen. Eine solche Pflicht des Gesetzgebers hat das Bundesverfassungsgericht nicht angenommen. Eine andere Entscheidung hätte nicht weniger als überrascht: Selbst wenn dem Grunde nach eine verfassungsrechtliche Pflicht zum gesetzgeberischen Handeln besteht, kommt dem Gesetzgeber grundsätzlich ein weiter Einschätzungs-, Wertungs- und Gestaltungsspielraum bei der Umsetzung zu. Das hat das Bundesverfassungsgericht für grundrechtliche Schutzpflichten in seiner zweiten Entscheidung zum Schwangerschaftsabbruch herausgestellt. Nur ausnahmsweise lässt sich der Verfassung eine konkrete Pflicht zu einem ganz bestimmten Handeln entnehmen. Das Bundesverfassungsgericht kann deshalb auch erst dann eingreifen, wenn der Gesetzgeber eine bestehende Pflicht evident verletzt hat. Dies ist der Fall, wenn sein Gestaltungsspielraum auf eine konkrete Regelungspflicht verengt war. Die Beschwerdeführerinnen hatten also nicht nur hinreichend substantiiert darzulegen, dass die Pflicht besteht, Gleichberechtigung im Wahlrecht zu fördern, sondern auch, dass einzig Vorgaben zur paritätischen Besetzung von Wahllisten in Betracht kommen, um diese Pflicht zu erfüllen.
Eine solche gesetzgeberische Handlungspflicht stützen die Beschwerdeführerinnen auf zwei Argumente: 1) die einer Demokratie angemessene geschlechterparitätische Repräsentation im Bundestag und 2) die Überwindung struktureller Nachteile zu Lasten von Frauen in der Nominierungs- und Aufstellungspraxis der Parteien. Dem ersten Argument erteilte das Bundesverfassungsgericht eine recht deutliche Absage. Weder das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 2 Satz 1 GG) noch die passive Wahlrechtsgleichheit (Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG) verlangten vom Gesetzgeber, die Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts am Ziel der paritätischen Besetzung des Parlaments auszurichten (Rn. 54). Das Bundesverfassungsgericht betonte sein formales Gleichheitsverständnis von der passiven Wahlrechtsgleichheit gegenüber der materiellen Lesart der Beschwerdeführerinnen, die aus Art. 38 Abs. 1 GG ein Grundrecht auf geschlechtsbezogene Ergebnisgleichheit herleiten wollten (Rn. 62). Auch eine Pflicht zur „Spiegelung“ des Bevölkerungsanteils von Frauen und Männern im Deutschen Bundestag könne dem Demokratieprinzip nicht entnommen werden (Rn. 83). Dieses Repräsentationsargument hatte der Bayerische Verfassungsgerichtshof in einer Popularklage 2018 ebenfalls abgelehnt.
Aber auch das zweite Argument der Beschwerdeführerinnen konnte nicht überzeugen: So sei schon zweifelhaft, ob faktische Nachteile zu Lasten von Frauen im Sinne des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG substantiiert dargelegt wurden (Rn. 86 ff.). Jedenfalls sei nicht ersichtlich, dass der weite Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers zur Erfüllung des Gleichberechtigungsauftrags aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG so weit verengt sei, dass keine Handlungsalternativen zur paritätischen Ausgestaltung des Wahlvorschlagsrechts mehr bestünden (Rn. 96 ff.). Das Bundesverfassungsgericht verwarf die Wahlprüfungsbeschwerde mangels hinreichender Substantiiertheit als unzulässig.
Was der Zweite Senat nicht entschieden, aber doch ausgeführt hat: der weite gesetzgeberische Gestaltungsspielraum
Interessant wird der Beschluss dort, wo er mögliche Handlungsalternativen des Gesetzgebers zur Durchsetzung des Gebots aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG thematisiert (Rn. 96 ff.). Das Gericht betont nicht nur den grundsätzlich weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers, sondern skizziert die im Wahlrecht erforderliche Abwägung mit den verfassungsrechtlichen Vorgaben aus Art. 21 Abs. 1 GG und Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG. Mehrfach geht das Bundesverfassungsgericht auf die Abwägung ein und stellt klar, dass es sich bei der Parteienfreiheit und den Wahlrechtsgrundsätzen einerseits sowie dem Gleichberechtigungsauftrag andererseits um „gleichrangige“ verfassungsrechtliche Vorgaben (Rn. 97), um „gleichwertige Verfassungsgüter“ handelt, denen der Gesetzgeber angemessen Geltung zu verschaffen hat (Rn. 99).
Indem er die potentielle Gleichrangigkeit anerkennt, setzt sich der Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von den bisherigen landesverfassungsgerichtlichen Entscheidungen zur Zulässigkeit von Paritätsgesetzen ab. Der Thüringer Verfassungsgerichtshof verlangte für die Rechtfertigung der landesrechtlichen Paritätsregelungen einen „(besonders) zwingenden Grund“, der durch die Verfassung legitimiert und von einem Gewicht sein müsse, dass er den Wahlrechtsgrundsätzen und der Parteienfreiheit „die Waage halten kann“. Diese Anforderungen sprach der Gerichtshof dem landesverfassungsrechtlichen Gleichberechtigungsgebot ab. Das Verfassungsgericht des Landes Brandenburg forderte für eine legitime Einschränkung der Wahlrechtsgrundsätze „wahlrechtsimmanente Zwecke“ und beschrieb die Förderung der Gleichberechtigung von Frau und Mann sodann als „wahlrechtsfremden Zweck“. Die Folge: Die Landesverfassungsgerichte stiegen in die Frage der Abwägung der kollidierenden Verfassungsgüter gar nicht erst ein.
Der Zweite Senat stellt hingegen nicht nur in Bezug auf die Umsetzung des Gleichberechtigungsgebots, sondern auch bei der Ausgestaltung des Wahlrechts (Art. 38 Abs. 3 GG) auf den weiten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers ab. Im Rahmen dieses Spielraums sei es „grundsätzlich seine Sache, verfassungsrechtlich geschützte Rechtsgüter und die Wahlrechtsgrundsätze des Art. 38 Abs. 1 Satz 1 GG – auch in ihrem Verhältnis zueinander – zum Ausgleich zu bringen“ (Rn. 112). Auch aus dieser Perspektive spreche viel dafür, dass Gleichberechtigungsgebot und Wahlrechtsgrundsätze sich als Verfassungsgüter gleichrangig gegenüberstünden und dem Gesetzgeber ein angemessener Ausgleich obliege. Die Diskussion um die verfassungsrechtliche Zulässigkeit von paritätischen Regelungen im Wahlrecht wird sich vor diesem Hintergrund stärker auf die Abwägungsfrage zu fokussieren haben.
Strukturelle Nachteile in der Nominierungs- und Aufstellungspraxis der Parteien überwinden
Auch wenn der Zweite Senat die umstrittene Frage nach der Zulässigkeit von Regelungen zur paritätischen Listengestaltung nicht zu beantworten hatte, markiert der Beschluss doch einige Eckpfeiler für künftige Gesetzesvorhaben. Jedenfalls war´s das jetzt keineswegs mit dem Paritätsgesetz, der Beschluss kann möglicherweise gar als Bastelanleitung – so Mangold – gelesen werden.
Mit dem Repräsentationsargument dürfte es nach der Lektüre des Beschlusses verfassungsrechtlich schwierig werden. Ein Grundsatz der geschlechtsparitätischen Spiegelbildlichkeit im Parlament lässt sich dem Demokratieprinzip nicht entnehmen. Auch mit Blick auf das Gleichberechtigungsgebot aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG ist der Repräsentationsgedanke nicht unproblematisch. Das Bundesverfassungsgericht verweist insoweit auf die umstrittene Frage, ob Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG Chancen- oder Ergebnisgleichheit verspricht. Geht man mit Papier/Heidebach davon aus, dass Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG jedenfalls nicht auf die „Geschlechterparität um ihrer selbst willen“ gerichtet ist, wird der erfolgversprechendere Ansatz auf Chancengleichheit zielen.
Für künftige Gesetzesvorhaben – wie sie etwa in Bremen, Berlin und Hamburg derzeit diskutiert werden – ist damit das Ziel der Überwindung struktureller Nachteile zu Lasten von Frauen in der Nominierungs- und Aufstellungspraxis der Parteien ausschlaggebend. Ausgangspunkt für die gesetzgeberische Tätigkeit sind die „faktischen Nachteile“ aus Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG. Die Beurteilung der strukturellen Benachteiligung von Frauen obliegt wiederum dem weiten Einschätzungsspielraum des Gesetzgebers.
Im Rahmen der Abwägung von Parteienfreiheit, Wahlrechtsgrundsätzen und Gleichberechtigungsgebot kommt es dann auf die verhältnismäßige Zuordnung von Normbefehl und Rechtsfolgen innerhalb des jeweiligen Wahlrechts an. Dabei sind auch die Spezifika des (Landes-)Wahlrechts zu berücksichtigen. So kann es für die Eingriffsintensität in die Parteienfreiheit einen Unterschied machen, ob wahlrechtliche Elemente wie das Kumulieren und Panaschieren (z.B. in Hamburg) den Wähler*innen eine Beeinflussung der Sitzverteilung innerhalb einer Liste ermöglichen.
Eine schöne Zusammenstellung!
Der von Ihnen zuletzt angesprochene Punkt wird in der Debatte um Parité-Gesetze m.E. deutlich zu wenig beleuchtet. Auch auf Bundesebene – wo eine Enquetekommission die Möglichkeiten entsprechender Regelungen aktuell zu prüfen hat – sind die starren Listen keine verfassungsrechtliche Notwendigkeit, von denen eine Abkehr per se besondere Herausforderungen mit sich bringen würde. Möchte man einen entsprechenden Anteil der Geschlechter in der Volksvertretung sehen, ließe sich doch darüber nachdenken, ob nicht ein System offener Listen jedenfalls den tatsächlichen Willen des Einzelnen sichtbar abbilden und zur Geltung verhelfen würde.
Dass das BVerfG Art. 3 Abs. 2 Satz 2 gegenüber den Wahlrechtsgrundsätzen als eventuell gleichwertig ansieht, ist wohl nicht viel mehr als ein Strohhalm, an den man sich klammert. Denn der Entscheid macht sehr deutlich, dass das BVerfG eine sehr andere Auffassung von Art. 3 Abs. 2 Satz 2 hat als die juristischen Aktivistinnen und nicht gewillt ist, eine weit über den Wortlaut und den Willen des damaligen Gesetzgebers hinaus gehende Uminterpretation weg von einer Chancen- zu einer Ergebnisgleichheit mitzutragen. Anders kann RN 94 eigentlich kaum interpretiert werden.
Der eventuell einzuräumende Spielraum für Abwägungen, bewegt sich damit zwischen dem Status Quo und einer Regelung, die die „tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern“ und „die Beseitigung bestehender Nachteile“ „angemessen“ berücksichtigt, was weit entfernt, von der Gleichstellung eines Paritätsgesetzes ist.
Wenn man dann noch berücksichtigt, dass ein Paritätsgesetz keinen “angemessenen Ausgleich” zwischen den Rechtsgütern schaffen würde, sondern Art. 3 Abs. 2 verabsolutieren würde und jede Frau, die weniger als die geforderten 50% im Parlament sitzt, zu 100% einer unsichtbaren, “strukturellen” und zu beseitigenden Benachteiligung anlastet möchte, wird deutlich, dass das BVerfG einer solchen Denkweise nicht folgen wird und nicht folgen kann. Und das ist auch gut und richtig so.
Hurra diese Welt geht unter… Dass das demokratische Wahlrecht des Bürgers zugunsten einer paritätischen Besetzung des Bundestages zurücktreten soll, hat m.E. kaum noch mit demokratischer Teilhabe des Bürgers zu tun. Solche Entwicklungen müssen durch das wählrende Volk erfolgen. Beispielsweise indem die Bürger aufgrund mangelnder Aufstellung von Frauen andere Parteien wählen. Soweit das nicht der Fall sein sollte, ist es nur demokratisch ein nicht paritätisch besetztes Parlament zu haben; dieses Ergebnis wird dann auch von wiblichen/intersexuellen/geschlechtlich nicht bestimmbaren Personen getragen. In einem Parlament geht es als Herz der Demokratie nicht in erster Linie um eine paritätische Besetzung.
Wenn eine paritätische Besetzung des Parlaments erfolgen soll, dann bitte richtig: siehe das Kabinett von Justin Trudeau. Er lässt auch weitere Minderheiten an der Regierung teilhaben. Nur dann, lässt sich wirklich Gleichbehandlung erreichen. Behinderte, Migranten, LGBTQ*-Angehörige, Asiaten und Schwarze gehören genauso zu unserer Gesellschaft, die im Parlament sowie in der Bundesregierung gemessen an ihrem Anteil in der Gesellschaft kaum oder gar nicht vertreten sind.
Warum Äpfel mit Birnen vergleichen? Es gibt einen verfassungsrechtlichen Förderauftrag für den Staat bezüglich des Geschlechts (Art. 3 Abs. 2 S. 2 GG). Einen solchen gibt es (noch) nicht bezüglich denkbarer weiterer diskriminierter Gruppen und Vorschläge in diese Richtung sind auch mit Vorsicht zu genießen (Stichwort: notwendige Markierung und jüngst erst das unsägliche Vorgehen der Stuttgarter Polizei .den Einsatz von “Stammbaumforschung” als legitimes Ermittlungsmittel zu erkennen).
Ihre sonstig geschilderte Auffassung zeugt übrigens von einer Fehlbewertung der repräsentativen Demokratie des GG. Alle Personen sind nach der Verfassung gleich geeignet, die Interessen (anderer) diverser Gruppen zu vertreten. Nach ihrer Logik müsste also eine Person, die sich grundsätzlich ein paritätisches Parlament wünscht von allen ihren anderen politischen Einstellungen Abstand nehmen, um dann einer Partei ihre Stimme zu geben, die paritätische Besetzung anstrebt. Folglich müsste ihrer Vorstellung nach eine Person, die eigentlich die CDU wählen wollen würde, aber eine paritätische Besetzung der Parlamente befürwortet, in der aktuellen Situation eine andere Partei wählen. Bleiben wir also doch bei verfassungsrechtlichen Argumenten und nicht irgendwelchen Schein-Problemen.
Genau das ist aber der Punkt, wie es bei allen anderen politischen Präferenzen auch der Fall ist. Bei der notwendigerweise stark beschränkten Auswahl muss man immer abwägen, was einem letztlich wichtiger ist. Und gerade weil erstmal jede jeden vertreten kann, ist es Sache der Wähler, die Auswahl unter den Angeboten zu treffen. Von der entgegengesetzten Auffassung hat sich die Entscheidung ja ziemlich deutlich distanziert.
Haben Sie auch den Beitrag geschweige denn das Urteil gelesen? Das einzige was die Entscheidung sagt, ist dass das GG den Gesetzgeber nicht dazu verPFLICHTet , die Wahl mit Paritätsregelungen zu versehen. Dass der Gesetzgeber aber sowohl bei der Ausgestaltung des Wahlrechts als auch des grundgesetzlich Gleichstellungsauftrags einen Gesetzgebungsspielraum hat wird glasklar formuliert . Und wenn 2021 immer noch nur 30 Prozent (!!) des Parlaments Frauen* sind, dann sollte das Mann zu denken geben. Come on so schwer ist es doch wirklich nicht.
Der Artikel sagt ja ausdrücklich, dass es mit dem Repräsentationsargument nach der (von mir selbstverständlich schon zuvor durchgeführten) Lektüre des Beschluss verfassungsrechtlich schwierig werden dürfte, und kommt auch sonst sehr gut auf den Punkt. Das mit dem weiten Gestaltungsspielraum war allerdings auch schon 2012 drin, um ihn dann praktisch doch auf nahe null zu reduzieren. Offenbar gelingt es aber Müller als Berichterstatter zunehmend, seine Punkte aus dem Sondervotum 2014 durchzusetzen. Was übrigens schon interessant werden könnte, wenn an sich die Unionsrichter die Argumente für ein Paritätsgesetz liefern, während die SPD-Richter da lieber Herr der Wahlsysteme blieben.
Es gibt keinen Förderauftrag auf Gleichstellung im GG. Es gibt alleinig das Recht auf Gleichberechtigung und den Auftrag deren tatsächliche Durchsetzung zu fördern (nicht einmal diese vollumfänglich durchzusetzen). Dabei ist die Gleichberechtigung des GG zuallerst eine individuelle und keine von irgendwie gebildeten Kollektiven. Wie man aus Art. 3 Abs. 2 eine Möglichkeit zur Verabsolutierung einer Gleichstellung und der daraus resultierenden Vernachlässigung der Gleichberechtigung und der Möglichkeit zur individuellen Diskriminierung konstruiert, ist wirklich abenteuerlich.
Die Verfassung sagt lt BverfGe bezüglich Art. 3 Abs. 2 S. 2: Männer und Frauen FORMAL rechtlich gleichzustellen GENÜGT NICHT. Inhaltlich ist der VerfassungsAUFTRAG auf die Überwindung überkommener Rollenverteilungen gerichtet, die einer vollen Gleichberechtigung (auch wenn diese wegen Schlaumeiern wie Hans, Bernd und Uwe nie erreicht werden wird) – regelmäßig sind hier Frauen betroffen – in allen gesellschaftlichen Bereichen entgegenstehen. (Dezidiert BVerfGE 85, 191 (207); 52, 369 (377)).
MfG
Das alte Dilemma der Anerkennung. Wo Ungleichheiten bestehen und zu bekämpfen sind, müssen sie benannt werden können, sodass es Begriffe braucht, um auf die Schieflagen hinweisen zu können und sie konsequent angehen zu können. Gleichzeitig darf es natürlich nicht darin enden, bis in den Sankt Nimmerleinstag MANN und FRAU im Gegensatz zu lesen. Deshalb: Weg mit bias-Strukturen jetzt! Aus-dem-Weg-Schaffen-von-Hürden bis dahin!