12 November 2012

Irland verankert Kinderrechte in der Verfassung

Was darf, was kann und was muss der Staat tun, um Kinder gegen ihre eigenen Eltern zu schützen? Es gibt kaum eine verfassungspolitische Frage, die schwieriger und riskanter zu beantworten ist als diese. Zwischen dem Horror vernachlässigter und gequälter Kinder und dem Horror durch fehlgeleitete staatliche Fürsorge zerstörter Familien verläuft ein schmaler Grat, und um so stärker ist die Versuchung, sich voller Empörung auf die eine oder andere Seite zu schlagen und so die trügerische Wohltat vermeintlicher moralischer Klarheit zu verschaffen.

Am Samstag hatten die Iren Gelegenheit, sich zu dieser Frage zu äußern: Ein Referendum stand an, in dem es um die Rechte von Kindern in der Verfassung ging und um die Eingriffsmöglichkeiten des Staates. Dass ihnen die Entscheidung nicht leicht fiel, zeigt das Ergebnis: Nur ein Drittel ging überhaupt hin, und davon stimmten 42 Prozent dagegen.

Irland hat Jahre äußerst schmerzhafter Enthüllungen hinter sich, was den Umgang mit Kindern betrifft. Massenhaft wurden Jungen durch katholische Priester und Ordensleute sexuell missbraucht, zu Tausenden wurden Mädchen und jungen Frauen mit “unmoralischem” Lebenswandel zwangsweise in Erziehungsanstalten eingewiesen.

Künftig wird ein neuer Artikel 42A Abs. 1 in der irischen Verfassung sicher stellen, dass nie mehr Kinder zu rechtlosen Objekten herabgewürdigt werden können. Soweit man das durch Aufnahme eines wohlklingenden Artikels in die Verfassung eben sicherstellen kann.

Vernünftig, ausgewogen und auf jeden Fall eine Verbesserung gegenüber dem bisherigen Wortlaut in der Verfassung liest sich der neue Art. 42A Abs. 2, der die oben angsprochene schwierige Frage staatlicher Eingriffe in das Elternrecht betrifft. Dafür gab es auch bisher schon eine Grundlage in der Verfassung, in Fällen, wo die Eltern “aus physischen oder moralischen Gründen ihre Pflichten gegenüber ihren Kindern versäumen”. Die neue Norm stellt sicher, dass daraus nicht geschlussfolgert werden kann, dass man gefallenen Mädchen ihre Kinder wegnehmen kann. Vor allem aber rückt sie das Kindeswohl ins Zentrum.

Die Angst vor einer Bürokratie, die sozial schwachen Bürgern nach Gutdünken die Kinder wegnimmt, um mit ihren ihre eigenen Fürsorgemaschinen zu füttern, ist indessen groß in Irland, ja grenzt bei einigen an Paranoia. Wer will es den Iren verdenken?

 


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