01 March 2012

Ist die Bundesversammlung demokratisch korrekt zusammengesetzt?

Am 18. März wird die Bundesversammlung Joachim Gauck zum Nachfolger des oben abgebildeten Herrn wählen. Aber wer wählt da überhaupt? Wie werden die Wahlmänner und -frauen ihrerseits gewählt? Wie ist sichergestellt, dass diese Wahl sauber abläuft? Wie viel demokratische Legitimation vermittelt diese Wahl?

Juristisch liegt die Sache tatsächlich gar nicht so einfach. Im Mai 2009, kurz vor der Wiederwahl von Horst Köhler, gab u.a. der Düsseldorfer Parteienrechts-Papst Martin Morlok auf Spiegel Online ein Interview, in dem er erklärte, dass er die in mehreren Ländern geübte Praxis der Wahlmänner/frauenaufstellung für verfassungswidrig hält. Dort werden nämlich die jeweiligen Vertreter in der Bundesversammlung in einem Verfahren gewählt, das der in der DDR geübten Blockwahl verdächtig ähnlich sieht und den einzelnen Landtagsabgeordneten kaum mehr Möglichkeiten gibt, ihren individuellen Präferenzen Ausdruck zu geben, als dies weiland die DDR-Bürger hatten.

Mit dem Problem wird sich das Bundesverfassungsgericht jetzt zu beschäftigen haben. Das hat sich heute beim Jahrespresseempfang des BVerfG herausgestellt. Dort wird jedes Jahr die von uns Journalisten liebevoll so genannte “Lügenliste” verteilt, in der aufgeführt ist, welche Verfahren die beiden Senate im laufenden Jahr abzuschließen gedenken (manche davon zieren diese Liste seit vielen Jahren, hence the name). Und siehe: Das Bundesversammlungs-Thema ist dabei, und zwar aufgrund einer Klage ausgerechnet des NPD-Politikers Udo Pastörs. Der war Mitglied der letzten beiden Bundesversammlungen und will diese Wahlen jetzt anfechten.

Vor dem 18. März wird es allerdings definitiv nichts mit dem Urteil. Das liegt unter anderem daran, dass im Zweiten Senat für diese Thematik niemand anders als Peter Müller zuständig ist. Der war bekanntlich vor kurzem noch saarländischer Ministerpräsident und somit selber Mitglied der beiden angefochtenen Bundesversammlungen. Der NPD-Kläger wolle ihn deshalb für befangen erklären lassen, erklärte Müller. Darüber müsse jetzt erst mal der Senat entscheiden.

Eine Kollegin stellte die bange Frage, ob das womöglich bedeuten könne, dass die letzten beiden Bundespräsidenten gar nicht wirksam gewählt worden seien. Peter Müller, gut gelaunt wie immer, sagte dazu, er könne die Frage nicht beantworten, er schon sowieso nicht, weil nicht klar sei, ob er befangen sei bzw. weil er sich womöglich befangen machen würde, wenn er etwas dazu sagen würde.

Foto: INSM, Flickr Creative Commons


4 Comments

  1. Jens Thu 8 Mar 2012 at 07:22 - Reply

    Die Lügenliste ist inzwischen online: http://www.bverfg.de/organisation/erledigungen_2012.html

    (war sie, als ich nach Veröffentlichung des Posts geguckt hatte, noch nicht)

  2. […] geht um die hier bereits behandelte Klage des NPD-Funktionärs Udo Pastörs, dass die Bundesversammlung bei der Wahl von Christian […]

  3. […] ihren Rechten verletzt worden zu sein. Von dem Verfahren war hier schon mehrfach die Rede (hier und hier). Heute hat der Senat in dieser Sache mündlich […]

  4. […] ihrer Wahl (bei Köhler jedenfalls die zweite Amtszeit) aberkannt wird. Das ist die Folge einer hier schon mal behandelten Klage eines NPD-Politikers, der vor dem Bundesverfassungsgericht darauf klagt, dass die […]

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