Ist zwei Mal wirklich genug?
Warum die Forderung nach einer Amtszeitbegrenzung der Bundeskanzler nicht zu Ende gedacht ist
Nach der CSU und den Grünen hat sich jetzt auch die FDP die Forderung nach einer Amtszeitbegrenzung für Bundeskanzler zu eigen gemacht und sogar in ihr Wahlprogramm aufgenommen. Der Regierungschef oder die Regierungschefin sollen danach künftig nur noch für zwei Wahlperioden im Amt bleiben dürfen. Im Gegenzug möchten die Liberalen die Legislaturperiode auf fünf Jahre verlängern. Daraus ergäbe sich dann eine maximale Amtszeit der Kanzler von zehn Jahren.
Die Forderung nach einer Amtszeitbegrenzung ist populär, trifft in der Bevölkerung auf mehrheitliche Zustimmung. Die Regierenden drücken damit ja ihre Bereitschaft aus, auf Macht zu verzichten. Was könnte dem Prinzip der Gewaltenteilung, die durch die Periodizität der Wahlen auch eine temporale Komponente aufweist, und dem demokratischen Prinzip der alternierenden, also wechselnden Regierung besser entsprechen? Wer nach Mechanismen sucht, Macht und Herrschaft zu begrenzen und sie einer stärkeren Kontrolle durch die Regierten zu unterwerfen, kann fast immer auf öffentlichen Beifall hoffen, scheint das Recht (und die Moral) also von vornherein auf seiner Seite zu haben.
Dies mag die Beflissenheit erklären, mit der Annalena Baerbock, kaum war sie zur Kanzlerkandidatin gekürt, auch für sich und die Grünen den Willen bekundete, ihre Macht als künftige Bundeskanzlerin zu beschränken – eine Macht, die sie bekanntlich erst einmal erwerben muss. Meint sie es damit ernst? Noch wohlfeiler stellt sich die Forderung aus Sicht der FDP dar, die ja im Unterschied zu den Grünen von der Reform selber gar nicht betroffen wäre – von der Möglichkeit, den Kanzler oder die Kanzlerin zu stellen, kann die Partei nur träumen. Vor diesem Hintergrund wollten offenbar auch die Regierungsparteien nicht zurückstehen, als sie den Reformauftrag der im April vom Deutschen Bundestag eingesetzten Wahlrechtskommission eilfertig um das Thema „Amtszeitbegrenzung“ ergänzten.((Bundestags-Drucksache 19/28787.))
Doch was ist jenseits der „populistischen“ Motivation von dem Vorschlag in der Sache zu halten? Im folgenden soll gezeigt werden, dass er zum Regierungsmodell und zur Praxis der parlamentarischen Parteiendemokratien nicht passt und seine Nachteile die möglichen Vorteile bei weitem überwiegen. Zur Begründung hilft zunächst ein Blick auf andere politische Systeme weiter. Wenn etwas im eigenen Land eingeführt werden soll, was es ansonsten nirgendwo gibt, muss einen das stutzig machen. Tatsächlich kann eine Amtszeitbegrenzung in den parlamentarischen Regierungssystemen auf keinerlei Vorbilder zurückblicken – zumindest nicht für das Amt des Regierungschefs. Verbreitet ist sie allein in den präsidentiell verfassten Regierungssystemen, wie wir sie in den USA und Lateinamerika vorfinden, und – innerhalb der parlamentarischen Systeme – bei der Wahl der Staatsoberhäupter. Was die letztgenannten betrifft, sehen die meisten Verfassungen eine Beschränkung auf zwei (in der Regel fünfjährige) aufeinanderfolgende Amtszeiten vor – so auch die Bundesrepublik. Das einzige Land, das auf eine Begrenzung lange Zeit verzichtete, war ausgerechnet Frankreich – „ausgerechnet“ deshalb, weil es sich hier um das parlamentarische Regierungssystem mit dem bei weitem machtvollsten Präsidentenamt handelt. Die Begrenzung auf zwei Mal fünf Jahre wurde in die Verfassung der Fünften Republik erst 2008 eingefügt.
Die Amtszeitsbegrenzung als „supplementäres“ Merkmal präsidentieller Regierungssysteme
Bezogen auf das Amt des Regierungschefs sind Amtszeitbegrenzungen ansonsten nur in den präsidentiellen Regierungssystemen geläufig. Diese unterscheiden sich von den parlamentarischen Systemen in zwei zentralen Merkmalen: Zum einen gehen die Regierung beziehungsweise der Regierungschef nicht aus dem Parlament hervor, sondern aus einer direkten oder – wie in den USA – indirekten Volkswahl. Und zum anderen sind die Funktionen des Regierungschefs und Staatsoberhaupts in einem Amt vereint. Als Element der Gewaltenteilung bewährt hat sich die Amtszeitbegrenzung vor allem in den lateinamerikanischen Ländern, wo die Präsidenten im Verhältnis zur Legislative über größere Machtprärogativen verfügen als in den USA. Entsprechend größer war und ist die Gefahr des Machtmissbrauchs und Rückfalls in den Autoritarismus. Die Amtszeitbegrenzungen fallen in Lateinamerika aus diesem Grund noch wesentlich strikter aus als in den USA. Während vier der 18 präsidentiell verfassten lateinamerikanischen Staaten wie dort eine unmittelbare Wiederwahl gestatten, sehen elf überhaupt keine Wiederwahl oder eine Wiederwahl nur nach Ablauf von einer oder zwei Legislaturperioden vor. In Venezuela, Nicaragua und Bolivien wurden die in der Verfassung geregelten Amtszeitbegrenzungen 2009, 2014 beziehungsweise 2017 auf Druck der autoritären Machthaber aufgehoben.
Dass mit der Präsidentschaft Donald Trumps die Gefahr eines Abgleitens in autoritäre Verhältnisse inzwischen auch zu einem Thema der US-Demokratie geworden ist, stellt vor dem Hintergrund der amerikanischen Verfassungsgeschichte eine ironische Wendung dar. Die Verfassung von 1787 hatte nämlich eine Amtszeitbegrenzung ganz bewusst nicht enthalten. Im 71. und 72. Artikel der Federalist-Papers((Alexander Hamilton / James Madison / John Jay [1787/88], Die Federalist-Artikel. Politische Theorie und Verfassungskommentar der amerikanischen Gründerväter, hgg. Von Angela Adams und Willi Paul Adams, Paderborn u.a. 1994, S. 433-443.)) wurde das von Alexander Hamilton damit begründet, dass gerade der Ausschluss der Wiederwahl die Versuchung des Amtsinhabers erhöhe, seine Stellung zu missbrauchen und Macht und Eigennutz über das Wohl der Nation zu stellen. Außerdem sei es von Vorteil, wenn das Volk die Möglichkeit behalte, eine erfahrene Person im Amt zu bestätigen – zumal in Zeiten des Notstands und der politischen Instabilität.
Dass sich die Begrenzung auf zwei Amtszeiten in den USA durchsetzte, war eine Folge der von George Washington ab 1797 etablierten Verfassungspraxis. Der erste Präsident genoss ein so großes Ansehen, dass kein Nachfolger von seinem Beispiel abweichen wollte. Erst als sich Franklin D. Roosevelt 1940 erfolgreich um eine dritte und 1944 sogar vierte Amtszeit bewarb, wurde der Weg für eine förmliche Verfassungsänderung frei. Der 1951 in Kraft getretene 22. Zusatzartikel legt seither fest, dass niemand mehr als zwei Mal in das Amt des Präsidenten gewählt werden darf. Das gilt auch für einen während der Wahlperiode in das Präsidentenamt aufgerückten Vizepräsidenten, wenn dessen Amtszeit bis zur nächsten Wahl weniger als zwei Jahre beträgt. Daraus ergibt sich eine maximale Amtsdauer der Präsidenten von zehn Jahren.
Wie hat sich die Amtszeitbegrenzung in den USA bewährt? Versucht man diese Frage anhand der von Hamilton ins Feld geführten Argumente zu beantworten, muss bedacht werden, dass Hamilton seinerzeit den Ausschluss jeglicher Wiederwahl im Sinn hatte, diese Argumente also nur mit Blick auf die Praxis der zweiten Amtszeit gewürdigt werden können. Tatsächlich gibt es in der jüngeren Vergangenheit mit der Watergate-Affäre (unter Richard Nixon), der Iran-Contra-Affäre (unter Ronald Reagan) und der Lewinsky-Affäre (unter Bill Clinton) mehrere Fälle des Machtmissbrauchs, die sich alle während der zweiten Amtsperiode der Präsidenten ereigneten. Wären sie ausgeblieben, wenn die Amtsinhaber nochmals zur Wiederwahl hätten antreten können? Triftiger als das Missbrauchs- erscheint das Erfahrungsargument. Ronald Reagan, Bill Clinton und Barack Obama hätten gute Chancen auf eine nochmalige Wiederwahl gehabt. Und in Obamas Fall wäre dem Land damit gedient gewesen – es hätte Trumps Präsidentschaft 2016 verhindert. Ob sich dasselbe auch von einer möglichen dritten Amtszeit Reagans oder Clintons behaupten lässt, ist dagegen nicht ganz so sicher.
Der nicht wiederwählbare Regierungschef als „lame duck“
Ein wichtiger Aspekt der Regierungspraxis, der gegen den Ausschluss der Wiederwahl spricht, konnte Hamilton Ende des 18. Jahrhunderts nicht vorausahnen: Als „lame duck“-Phänomen ist es über die Grenzen der US-amerikanischen Politik hinaus bekannt. Ein Präsident, der nicht mehr wiederantreten darf oder – wie zum Beispiel Lyndon B. Johnson – auf eine nochmalige Kandidatur freiwillig verzichtet, büßt im Verhältnis zu seinen Mit- und Gegenspielern an Autorität ein, verfügt also nur noch über eine eingeschränkte Handlungs- und Durchsetzungsmacht. Wie weit das tatsächlich stimmt, ist zunächst eine empirische Frage, da auch das genaue Gegenteil eintreten könnte: Wer von der Last der Wiederwahl befreit ist, kann in der zweiten Periode unbefangener regieren, muss auf mögliche Widerstände und die Stimmung in der Öffentlichkeit weniger Rücksichten nehmen. Die größeren Anreize für Wohlverhalten, die sich Hamilton im 72. Federalist-Artikel von der Wiederwahl erwartet, würden dann gerade durch eine Amtszeitbegrenzung entstehen.
Werden beide Effekte gegeneinander gestellt, findet man in der US-Politik stärkere Belege für die „lame duck“-These. Dies liegt zugleich in einer weiteren Eigenart des Präsidentialismus begründet, die diesen vom parlamentarischen System unterscheidet: der zwischen Exekutive und Legislative geteilten Regierungsmacht. Selbst mit einer Mehrheit ihrer eigenen Partei im Rücken konnten und können die US-Präsidenten nicht sicher darauf vertrauen, dass ihre Gesetzesvorhaben im Kongress Unterstützung finden. Ist eine solche Mehrheit von vornherein nicht vorhanden oder geht sie in einer oder beiden Häusern nach den Zwischenwahlen verloren, was heute fast schon die Regel ist, kann der Präsident in der Innenpolitik wenig ausrichten. Wie die Statistiken belegen, sind seine Erfolgsquoten in der zweiten Hälfte der zweiten Amtszeit am geringsten. Lediglich in der mit zweieinhalb Monaten vergleichsweise langen Übergangsperiode (von der Wahl des Nachfolgers bis zur Machtübergabe an diesen) trumpfen die Amtsinhaber nochmals auf, indem sie ihre konstitutionellen Befugnisse ausreizen – was unter Demokratiegesichtspunkten fragwürdig ist und sie am Ende der Amtszeit zum Gegenteil einer „lame duck“ macht.
Ein genereller Nachteil des präsidentiellen gegenüber dem parlamentarischen System liegt in seiner konstitutionellen Rigidität: Die Amtszeiten von Präsident und Parlament sind fix und beide Seiten können einander nichts anhaben. So wie der Legislative das Recht fehlt, die Exekutivspitze durch ein Misstrauensvotum abzuberufen (das impeachment greift nur bei Verbrechen oder schweren Rechtsverstößen), so hat die Exekutive keine Möglichkeit, die Legislative aufzulösen. Mangelt es dem Präsidenten an Unterstützung im Parlament, ist der Regierungsprozess blockiert. Die parlamentarische Regierungsform sorgt demgegenüber durch die Kombination von Misstrauensvotum und Parlamentsauflösung (mit der Folge vorzeitiger Neuwahlen) dafür, dass jederzeit eine neue Mehrheit erzeugt werden kann. Beide Instrumente wirken auch präventiv, das heißt sie müssen nicht angewandt werden, um einen Wechsel herbeizuführen. Ein solcher kann auch stattfinden, wenn es aus dem Parlament heraus zur Bildung einer neuen Koalition kommt, oder wenn die größte Regierungspartei sich entschließt, in der bestehenden Koalition den Mann oder die Frau an der Regierungsspitze auszutauschen. Amtszeitbegrenzungen erscheinen vor diesem Hintergrund unnötig, was sich empirisch zugleich an der geringen durchschnittlichen Verweildauer der Premierminister ablesen lässt: Diese liegt mit drei Jahren und vier Monaten((Betrachtet wurden die Länder der Europäischen Union mit Ausnahme Zyperns, das als einziger Mitgliedsstaat ein präsidentielles System aufweist, im Zeitraum seit 1990. Deutliche Unterschiede bestehen dabei zwischen den west- und südeuropäischen Ländern der alten EU und den seit 2004 beigetretenen nord- und mittelosteuropäischen Ländern. In den erstgenannten lag die durchschnittliche Amtsdauer mit vier Jahren und zehn Monaten mehr als doppelt so hoch wie in den letztgenannten (zwei Jahre und vier Monate).)) weit unter der in der jetzigen Diskussion als maximale Amtszeit vorgeschlagenen Obergrenze von acht beziehungsweise zehn Jahren.
Die Diskussion um die Amtszeitbegrenzung: ein deutsches Spezifikum
Es verwundert deshalb nicht, dass die Diskussion um eine Amtszeitbegrenzung außerhalb der Bundesrepublik nirgendwo geführt wird. Auch hierzulande wäre sie wohl kaum aufgekommen, hätten nicht innerhalb eines historisch eher kurzen Zeitraums von weniger als 40 Jahren zwei Kanzler außerordentlich lange amtiert: Helmut Kohl und Angela Merkel. Aus der Rückschau zu konstatieren, dass beide auf ihre letzte – die vierte – Amtszeit besser verzichtet hätten, ist wohlfeil, konnten doch weder Kohl noch Merkel die Umstände vorausahnen, unter denen ihre jeweils 16 Jahre währende Kanzlerschaft enden würde. Projiziert man die vorgeschlagene Obergrenze von zwei Perioden auf ihre Amtsdauer, ergibt sich freilich ein verstörender Befund. Kohl hätte dann nämlich ausgerechnet zum Zeitpunkt seines größten innen- und außenpolitischen Erfolgs – der Herstellung der deutschen Einheit – abtreten müssen, und Merkel 2013, als sie ihr mit Abstand bestes Ergebnis bei einer Bundestagswahl erreichte. Auch Konrad Adenauer, der von 1949 bis 1963 insgesamt 14 Jahre amtierte, stand 1957 nach zwei Wahlperioden im Zenit seines Ansehens.
Ob die erzwungene Erneuerung an der Regierungsspitze nach zwei Amtsperioden zu einer besseren Politik geführt hätte, ist in allen Fällen eine offene und in gewisser Weise müßige Frage. Denn wenn die Unzufriedenheit mit dem Amtsinhaber wächst, dieser als Zugpferd bei der nächsten Wahl nicht mehr taugt oder er aus anderen Gründen politisch unhaltbar wird, bestehen im parlamentarischen System genügend Möglichkeiten, ihn oder sie loszuwerden. Vergleicht man die Amtsenden aller acht bisherigen Bundeskanzler (einschließlich Angela Merkels) miteinander, so war jeder Fall anders gelagert. Langwierige Regierungskrisen blieben dem Land erspart, erst 2017/18 kam es zu einer mit sechs Monaten ungewöhnlichen langen Übergangsperiode, bis die neue Regierung stand. Dabei ging es allerdings nicht um einen Wechsel an der Regierungsspitze, sondern „nur“ um die Bildung einer Koalition.
Mit dem Ausscheiden Angela Merkels zum Ende der Legislaturperiode wird die Liste der Abgänge um eine weitere Variante bereichert. Es ist das erste Mal, dass eine amtierende Bundeskanzlerin bereits zu Beginn der Wahlperiode erklärt hat, bei der nächsten Wahl nicht mehr antreten, aber gleichwohl bis dahin im Amt bleiben zu wollen. Aus einer rationalen Sicht lässt sich das eine so wenig nachvollziehen wie das andere. Wer den Zeitpunkt seines Abschiedes ankündigt, macht sich ohne Not zur „lame duck“, lädt seine potenziellen Nachfolger ein, einen für die eigene Partei und Regierung womöglich schädlichen Machtkampf auszutragen. Und wer sich weigert, für den Nachfolger rechtzeitig das Feld zu räumen, behindert diesen gleich doppelt. Einerseits kann der Kandidat dann nicht mit einem eigenen Amtsbonus in die Wahl ziehen, andererseits kommt er auch strategisch in die Zwickmühle, weil er politisches Profil entwickeln muss, ohne sich von der Noch-Amtsinhaberin stark zu distanzieren.
Unter dem Strich spricht folglich kaum etwas für eine Amtszeitbegrenzung. Sie ist in einem parlamentarischen System fehl am Platze und würde mehr Probleme verursachen als lösen. Diskutabel – wenn auch nicht unbedingt empfehlenswert – wäre sie allenfalls auf der Länderebene, zum einen, weil die möglichen Probleme hier aufgrund der geringeren Bedeutung der Länderpolitik weniger ins Gewicht fallen als auf der Bundesebene, zum anderen, weil das parlamentarische System der Länder durch die Ämterverbindung – der Ministerpräsident ist Regierungschef und Staatsoberhaupt in einer Person((Auf der nationalen Ebene gibt es mit Südafrika und Botswana nur zwei parlamentarische Systeme, die eine „geschlossene“ Exekutive aufweisen. In beiden Fällen sehen die Verfassungen eine Amtszeitbegrenzung vor.)) – und die Dauer der Legislaturperiode (fünf Jahre)((Die einzige Ausnahme bildet Bremen. Hier lehnten die Wähler die vom Parlament geplante Verlängerung von vier auf fünf Jahre 2017 in einer Volksabstimmung mit knapper Mehrheit ab.)) von dem des Bundes in wichtigen Punkten abweicht. Würde man bei der Ausgestaltung der Verfassungsänderung dem amerikanischen Beispiel folgen und einem nach der Hälfte der Wahlperiode nachgerückten Ministerpräsidenten die zweimalige Wahl gestatten, läge die maximale Amtsdauer bei immerhin 12 ½ Jahren.
Für den Bund sollte man die Idee dagegen rasch ad acta legen. Hier liegt der Verdacht nahe, dass sie ohnehin nicht ernst gemeint ist oder nur zur Bemäntelung eines anderen, aus der Interessensicht der Parteien näher liegenden Vorschlags dienen soll, nämlich der Verlängerung der Wahlperiode. Weil diese auf der Inputseite ein Weniger an Demokratie und Gewaltenteilung bedeutet,((Die Befürworter der Verlängerung suggerieren, dass es dafür im Gegenzug ein Mehr an Output-Legitimation gebe, weil infolge des gestreckten Wahlzyklus störungsfreier und mithin besser regiert werden könne. Empirisch gibt es dafür allerdings keine Belege.)) dürfte die Forderung laut werden, das Defizit durch ein Mehr an Demokratie an anderer Stelle zu kompensieren. In den Ländern hat man den Ausgleich durch die zeitgleiche Einführung und Ausweitung direktdemokratischer Beteiligungsformen herbeigeführt, was sich für den Bund heute aber selbst die Grünen und die SPD, die das lange Zeit gefordert hatten, nicht mehr vorstellen können. Doch welche Alternativen gibt es? Im oben erwähnten Einsetzungsbeschluss der Reformkommission wurden als Beratungsgegenstände neben einer Amtszeitbegrenzung und der Verlängerung der Legislaturperiode unter anderem genannt: die Novellierung des Wahlrechts, um die Vergrößerung des Bundestages wirksam einzudämmen, die Förderung der gleichberechtigten Repräsentanz von Frauen und Männern im Bundestag, die Modernisierung der Parlamentsarbeit, das Absenken des Wahlalters auf 16 Jahre und die Bündelung von Wahlterminen. Es bedarf keiner besonderen hellseherischen Fähigkeiten um vorauszuahnen, dass die Amtszeitbegrenzung unter allen Vorschlägen die geringsten Chancen haben dürfte, die Beratungen zu überleben.
Es stellt sich natürlich bei solchen Amtszeitbegrenzungen immer die Frage, ob sich das nur auf den Regierungschef und nicht auch auf Minister beschränken sollte. So “benachteiligt” man mit einer solchen Regelung stets den größeren Partner in der Regierung, der oder die Juniorpartner wären nicht betroffen. Ein wenig polemisch gefragt: Die FDP ist für die Begrenzung der Amtszeit des Kanzlers. Wäre sie auch dafür, wenn bspw. Christian Lindner nur 8 Jahre Finanzminister (o.ä.) sein dürfte?