09 July 2010

Kein Bier an der Tanke, und Karlsruhe schweigt dazu

Im Pietistenstaat Baden-Württemberg darf man nachts keinen Alkohol kaufen. Das macht mir den Südweststaat nicht sympathischer (obwohl da meine vor fünf Generationen nach Bayern eingewanderte Familie ursprünglich mal herkam; mein Urururgroßvater war evangelischer Pfarrer in Ölbronn bei Maulbronn, no less…)

Das Bundesverfassungsgericht hatte keine Lust, dem Recht eines wackeren Südwestdeutschen, sich auch nächtens Zugang zum Genussmittel seiner freien Wahl zu verschaffen, zur Geltung zu verhelfen. Das in Art 2 I GG garantierte Recht, die  Persönlichkeit zwischen 22 und 5 Uhr durch Einnahme von geistigen Getränken mal so richtig frei zu entfalten, schützt den Mann nach Auskunft aus Karlsruhe nicht vor dem puritanischen Grimm der Oettinger und Mappus und ihrer sittenstrengen Tugendwächter.

Mit dem Verkaufsverbot verfolgt der Landesgesetzgeber das Ziel, einer vor allem während der Nachtzeit zu verzeichnenden Zunahme alkoholbedingter Straftaten und Ordnungsstörungen sowie Gesundheitsgefahren zu begegnen,

schreibt die Kammer stocknüchtern.

Hierbei handelt es sich um wichtige Gemeinwohlbelange, die geeignet sind, einen Eingriff in die allgemeine Handlungsfreiheit zu rechtfertigen.

Dass man sich ja rechtzeitig vor der Sperrstunde noch den Kofferraum vollladen kann, um dann die Nacht durchzusaufen, macht das Mittel nach Dafürhalten der drei Richter nicht ungeeignet zur Erreichung dieses Zwecks: Sie erkennt ungetrübten Blickes, dass

aufgrund des häufig spontanen sowie stimmungs- und bedürfnisorientierten Kaufentschlusses gerade die jederzeitige Verfügbarkeit den exzessiven Konsum fördert.

Das leuchtet auch zwei Tage nach dem Spanien-Spiel noch intuitiv ein, und somit bleibt das Fazit: Die drei Richter Hohmann-Dennhardt, Gaier und Paulus (alle drei aus Hessen, wo man Binding-Bier und Äppelwoi und andere Scheußlichkeiten trinkt) haben ein Urteil der Vernunft gesprochen.


2 Comments

  1. Dietrich Herrmann Fri 9 Jul 2010 at 11:13 - Reply

    Widerspruch! Baden-Württemberg ist kein Pietistenstaat! Auch wenn es unbestreitbar in einigen Ecken rundum Korntal und in einigen Ecken des schwäbischen Schwarzwalds starke Abteilungen des Piet-Cong gibt, so sind weite Teile des – landsmannschaftlich, sprachlich, konfessionell, ökonomisch und kulturell sehr heterogenen – Bundeslandes sehr liberal geprägt. Auch unter konfessionell geprägten Bürgern ist Ba-Wü überwiegend liberal, das muss ich als jemand, der dort geboren und im liberalen badischen Protestantismus verwurzelt hervorheben.

    Zur Sache: Wenn ich das aus der Entfernung richtig mitbekommen habe, kam diese Verordnung vor dem Hintergrund zu Stande, dass in den (gewiss nicht pietistisch dominierten) Städten (z.B. Freiburg) immer wieder eher jüngere Leutealkoholisiert nachts die Innenstädte unsicher gemacht haben (nicht im Sinne von Groß-Kriminalität, aber eben ein bissel Radau und Randale) – das wollten die Bürger sich nicht länger bieten lassen. Ich halte die Entscheidung für POLITISCH falsch (weil sie nicht an die Ursachen geht), jedoch verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (wie ich im Übrigen – das hatte ich gestern vergessen – auch die Rettungssanitäterregelung zwar für falsch, aber eben ohne weitere verfassungsrechtliche Relevanz halte, wobei die Richter obiter dicta vielleicht etwas die Allmachtserwartungen an den Staat hätten kritisieren können).

  2. […] Baden-Württemberg darf von 22 bis 5 Uhr in Läden kein Alkohol verkauft werden. Im Juli war der Kläger ein trinkfester Kunde, der seine allgemeine Handlungsfreiheit durch das Verbot […]

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