Mit Kanonen auf Spatzen: zur Neuregelung der Parteienfinanzierung
Am letzten Donnerstag hat der Bundestag mit den Stimmen der großen Koalition die Neuregelung der Parteienfinanzierung beschlossen. Auf den ersten Blick füllt sie nur u.a. eine Lücke im bisherigen Recht, die es der AfD erlaubte, über einen dubiosen Goldhandel zusätzliche staatliche Mittel zu erhalten (dazu ein Beitrag von Sophie-Charlotte Lenski). Auf den zweiten Blick hat es die Neuregelung aber in sich: Bei Verstoß gegen die Rechenschaftspflicht droht künftig der Verlust des Parteienstatus. Das ist ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Parteifreiheit.
Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG verpflichtet die Parteien, über Herkunft und Verwendung ihre Mittel sowie ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft abzulegen. Das PartG konkretisiert diese Pflicht dahingehend, dass der Parteivorstand dem Präsidenten des Deutschen Bundestages jährlich einen Rechenschaftsbericht zuleiten muss (§ 23 Abs. 1 PartG). Geschieht dies nicht, verliert die Partei den Anspruch auf staatliche Teilfinanzierung (§ 19a Abs. 3 PartG). Diese Sanktion aber trifft nur diejenigen Parteien, die an der staatlichen Teilfinanzierung teilhaben, mithin solche, die bei der letzten Europa- oder Bundestagswahl mindestens 0,5% bzw. bei einer Landtagswahl mindestens 1 % der gültigen abgegebenen Stimmen erhalten haben (§ 18 Abs. 4 PartG). Gegenüber allen anderen Parteien war der Verstoß gegen die Rechenschaftspflicht bisher nicht sanktionsbewehrt.
Um der verfassungsrechtlichen Transparenzpflicht gegenüber allen Parteien Geltung zu verschaffen, sieht die Neuregelung nun vor, dass eine Partei, die sechs Jahre in Folge keinen Rechenschaftsbericht abgibt, ihren Status als Partei verliert (§ 2 Abs. 2 S. 2 PartG neu). Die Neuregelung ist dabei explizit derjenigen nachempfunden, die für die Nichtteilnahme an Wahlen gilt: Nimmt eine Partei sechs Jahre lang weder an Bundestags- noch Landtagswahlen mit eigenen Wahlvorschlägen teil, verliert sie ihren Status als Partei (§ 2 Abs. 2 PartG). Dies leuchtet auch unmittelbar ein: Nach Art. 21 Abs. 1 S. 1 GG wirken die Parteien an der politischen Willensbildung des Volkes mit. Diese verfassungsrechtliche Aufgabenbeschreibung ist Ausgangspunkt des Parteibegriffs des § 2 Abs. 1 PartG: Demnach sind Parteien „Vereinigungen von Bürgern, die dauernd oder für längere Zeit für den Bereich des Bundes oder eines Landes auf die politische Willensbildung Einfluß nehmen und an der Vertretung des Volkes im Deutschen Bundestag oder einem Landtag mitwirken wollen, wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse (…) eine ausreichende Gewähr für die Ernsthaftigkeit dieser Zielsetzung bieten.” Weigert sich eine Partei anhaltend, an der politischen Willensbildung im Wege der Wahlteilnahme mitzuwirken, so entfällt mithin ein konstitutives Element des Parteibegriffs.
Dass die Pflicht zur Rechenschaftslegung für den Parteibegriff ebenso konstitutiv ist, erscheint indes fraglich. In seiner Stellungnahme zur öffentlichen Anhörung des Innenausschusses hat Bernd Grzeszick richtigerweise darauf verwiesen, dass der Parteibegriff um der Freiheit des politischen Wettbewerbs willen tendenziell weit zu verstehen ist. Der einfache Gesetzgeber soll sich nicht dadurch unliebsame Konkurrenz vom Hals halten können, dass er den Parteibegriff restriktiv fasst.
Dabei soll die Bedeutung der verfassungsrechtlichen Rechenschaftspflicht keinesfalls kleingeredet werden. Sie dient dazu, potenzielle Einflussnahmen transparent zu machen und Interessenkonflikte offenzulegen. Sie ermöglicht somit eine informierte Wahlentscheidung und sichert die Chancengleichheit zwischen den Parteien. Das allein macht sie aber nicht zu einem Merkmal, das für die Parteieigenschaft konstitutiv wäre. Vielmehr ist der Einschätzung von Bernd Grzeszick zuzustimmen: Der Verlust des Parteienstatus bei Verstoß gegen die Rechenschaftspflicht ist nicht Folge des Fehlens eines konstitutiven Parteienmerkmals, sondern Sanktion für ein Fehlverhalten.
Ob diese mit dem Parteienprivileg des Art. 21 Abs. 2 GG vereinbar ist, kann man bezweifeln. Jedenfalls aber handelt es sich um einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Parteienfreiheit. Zwar mag er zur Durchsetzung des Transparenzgebotes geeignet sein; ein Rechenschaftsbericht alle sechs Jahre ist immerhin besser als gar keiner (wobei Martin Morlok in seiner Stellungnahme richtig darauf hinweist, dass der Rechenschaftsbericht immer dann fehlen dürfte, wenn eine heikle Spende erfolgt ist). Ob es sich um das relativ mildeste Mittel handelt, dürfte indes schon zweifelhaft sein – die bestehende finanzielle Sanktionsmöglichkeit gegen Parteien, die an der staatlichen Parteienfinanzierung teilhaben, erweist sich immerhin als durchaus wirksam.
Jedenfalls aber ist der Verlust des Parteienstatus dispoportional. Nach der Rechtsprechung des BVerfG dient das Transparenzgebot des Art. 21 Abs. 1 S. 4 GG dazu, solche Zuwendungen offenzulegen,„vermittels derer ihrem Umfang nach politischer Einfluss ausgeübt werden kann“. Ob durch Zuwendungen an Kleinstparteien – und um solche geht es hier – indes überhaupt ernsthaft politisch Einfluss genommen werden kann, ist fraglich. Martin Morlok hat sich vor diesem Hintergrund in der Anhörung des Innenausschusses für einen Wesentlichkeitsvorbehalt stark gemacht. Schließlich gibt die Neuregelung keine Antwort darauf, wie der Parteistatus, ist er denn einmal verloren gegangen, zurückerlangt werden kann. Reicht die Abgabe eines formgerechten Rechenschaftsberichtes? Hier sind mit Martin Morlok Zweifel angebracht, da eine Nicht-Partei einen solchen Bericht gar nicht abgeben kann. Genügt der Beschluss einer Mitgliederversammlung, wieder Partei sein zu wollen? Sollen dafür bestimmte Karenzzeiten gelten? Für die Frage der Intensität des Eingriffs in die Parteifreiheit sind diese Fragen essentiell und das Fehlen von Antworten jedenfalls kein taugliches Mittel, diesen abzumildern.
Michael Koß sprach im Hinblick auf die Neuregelung in der Anhörung vom “Haarwasser-Effekt: hilft nicht schadet nicht, riecht aber gut”. Schön wär’s. Die neue Möglichkeit zum Verlust des Parteienstatus stinkt zum Himmel!