Neues vom Glossator (15): Fußnoten verfassen
Im Verfassungsdiskurs nach 1990 sind die Fragen aufgetaucht, ob es die neuen Verfassungen bereits gäbe und ob es die alten Verfassungen noch gäbe. Die Frage danach, ob es neue Verfassungen gibt, kreuzte eine moderne und alte Unterscheidung, diejenige zwischen Normen und Fakten. Diese Unterscheidung war für einen Teil des modernen Verfassungsdiskurses fundamental – und auch, wo sie es ist, kann sie in Frage gestellt werden.
Über die fundamentale Unterscheidung von Normativität und Faktizität hinaus war es nach 1990 insofern auch weiterhin üblich, nach der „tatsächlichen Geltung“ einer Verfassung zu fragen, selbst von Autoren, die von einer normativen Verengung des Verfassungsrechts ausgehen. Obwohl diese Autoren also einerseits die Unterscheidung zwischen Normen und Fakten voraussetzten und sagten, ihre Wissenschaft setze in der Normativität an, Verfassungswissenschaft sei nicht empirisch, fragten sie dennoch selbst nach den tatsächlichen Gegebenheiten der Norm. Man kann sagen, dass die Unterscheidung, die gemacht wird, auch gekreuzt, übersprungen oder ‚verhäkelt‘ wird. Abstrakter gesprochen werden in solchen Fällen Differenzen operationalisiert, sie werden nicht abgeschafft. So etwas hat Effekt, es ist auch Effekt, und sicher ist es auch effektiv. Diese Operationalisierung hat eine logische Dimension, sie arbeitet am und mit dem Begriff. Sie hat aber auch eine kulturtechnische Dimension, und die möchte ich heute anhand der Fußnote vorstellen. So, wie Unterscheidungen etwas spalten, sind Fußnoten auch Teile eines gespaltenen Textes. Sie arbeiten an der Normativität mit. Ich mache das als Glossator, also an einem beispielhaften Text.
Teubners Fußnote
„Inzwischen gibt es eine Fülle von Untersuchungen, die (mit wichtigen Unterschieden im Einzelnen) solche Phänomene des transnationalen gesellschaftlichen Konstitutionalismus registrieren“,
schreibt Gunther Teubner im Anfang einer Fußnote zu einer Doppelseite seines 2012 erschienenen Buches über Verfassungsfragmente.
In der Fußnote finden sich dafür Referenzen, also eine ganze Reihe von neueren verfassungstheoretischen Texten, die international zwischen 2001 und 2011 erschienen. Teubners Doppelseite reduziert den Haupttext auf jeweils drei Zeilen. Der Fußnotenapparat nimmt in einer überbordenden Sockelzone fast die gesamte Fläche der beiden gegenüberliegenden Seiten ein.
Es gibt neue Verfassung. Die Aussage lautet zunächst, dass neue Texte verfasst wurden, die beobachten, dass es neue Verfassungen gibt. In einem weiteren Sinne heißt in diesem Fall, betrachtet man die kulturtechnischen Bedingungen dieser Behauptung: überbordende Glossen, die in ihrer Vielzahl den zentralen Text an den oberen Rand rücken.
Die Fußnoten übernehmen, zumindest nehmen sie über. Ihre Übernahme setzt immer noch voraus, dass sie eine Referenz sind, der eine andere Referenz gegenübersteht. Sie müssen sich in einer Spiegelung auf etwas beziehen, und sei es, dass ihnen auch nur drei Zeilen entgegengestellt werden.
Die Spaltung des Textes in einen kapitalen Block mit großer Schrift und in Fußnoten mit kleiner Schrift ist die schriftbildliche und kulturtechnische Version einer Verfassung, in der es zu jedem Rechtstext ein Gründungsdokument gibt.
Die schriftbildliche Spaltung des Textes ist die kulturtechnische Umsetzung einer symbolischen Fassung des Rechts. Sie vollzieht eine Spaltung, wie es sie auch zwischen dem einfachen Recht und dem Verfassungsrecht oder zwischen dem Verfassungstext und einem Gründungsmythos gibt.
Die Spaltung des Textes in einen kapitalen Block und einen Randtext ist ein kulturtechnisches Hilfsmittel, um Referenz des Textes als einen Effekt präsent zu machen.
Es ist zuerst eine Technik der Glossatoren und dann, seit dem Buchdruck, eine Verfassungstechnik. Der Verfasser erscheint damit als jemand, der Leser war. In der Spaltung des Textes liegt die bereits angesprochene Hyperreferenz, neben der auf beiden Seiten Referenzen (kapitale Blöcke und Fußnoten) auftauchen können, weil sie sich entzieht. Sie präsentiert den Ursprung als Ergebnis, weil sie mit der Teilung und Entfremdung des konstitutionellen Subjektes eine Abspaltung initiiert, die den Kreislauf des Sprechens in Gang setzt. Nicht erst die Signatur sorgt also für eine Verfassung des Textes. Schon diese Spaltung, die sowohl mit Kommentierungen als auch mit Apostrophierungen einhergeht, ist eine Verfassungstechnik.
Wieso soll das ein Kreislauf sein, und wieso soll sich dieser Kreislauf nicht schlichtweg auf der Stelle drehen, sondern in Gang gesetzt sein? Der kapitale Block ist geschlossen und steht mit einem Schnitt über den Fußnoten. Sie stehen mit demselben Schnitt darunter. Die Schrift dieser Fußnoten ist auch noch kleiner als die Schrift im kapitalen Block. Wie in einer perspektivischen Verkürzung werden die Fußnoten gesetzt, als kämen sie von einem entfernteren Ort. Sie markieren schon optisch eine entfernte Instanz. Kleine Buchstaben stehen entfernter als große Buchstaben, zumindest in dieser Perspektive.
Auch die Entfernung ist also technisch, artifiziell gemacht.
Der Text richtet sich also von oben nach unten, und das auch noch so, wie er sich in dem perspektivischen Zug wiederum von unten nach oben richtet.
Der normative Appell des kulturtechnischen Metabolismus sagt: Steh daneben, als ob du dahinter stündest. Man könnte darum fast auf die Idee kommen, dass der medientechnische Wandel von den Randglossen zu den Fußnoten auch mit der Einführung der Zentralperspektive zu tun hat, weil sich die Hierarchie zumindest in dem optischen Systemraum klarer einstellt. Die Bekräftigung, die in einer solchen Begründung liegt, hängt daran, dass dieser Kreislauf trotz der internen Wendungen seinen Richtungssinn behält. Anders gesagt sorgen gerade die internen Wendungen für den Überschuss, der richtet. Der Text ist deswegen begründet, weil sich kapitaler Block und Fußnoten wechselseitig einen Grund geben. Das heißt aber dann auch, dass der Text sogar sein Gefälle verdoppelt – in dem Sinne, wie man ein Double schafft.
Eine solche Verfassung des Textes vermag dann für ihre konstitutionellen Subjekte – z.B. den Verfasser und seine Leser – an einer zweiten Stelle einen Anfang zu machen. Der Text wird übertragbar, weil er einen Spalt hat, mit dem es ihn gibt, weil er sich ‚übergibt‘. Tatsächlich findet ja zwischen den beiden Teilen des gespaltenen Textes, mit dem Double des Gefälles und mit der Spiegelung auch eine erste Übergabe statt.
Das alles bedeutet zwar nicht, dass jeder Text mit Fußnoten ohne weiteres einen gesellschaftlichen oder gemeinschaftlichen Gründungsmythos erzeugt. Das bedeutet nur, dass ein solcher Text die Gründung kulturtechnisch so bezeugt, wie das ein Text auf gesellschaftlicher Basis auch in Bezug auf einen Gründungsmythos macht, nämlich mit einer symbolischen Externalisierung, also einer symbolischen Fassung. Wenn ein Verfassungstext über kapitale Blöcke, Schnitte, Fußnoten und gedoubeltes Gefälle zustande kommt, dann kommt auch ein konstitutionelles Subjekt zustande, und zwar über das monumentale, bestimmte Subjekt und die unbestimmten, vielen Subjekte. Weil Teubner nicht von staatlichen, sondern von gesellschaftlichen Verfassungen spricht, bedeutet das darüber hinaus auch, dass die Gesellschaft nicht das natürliche und spontane Gegenüber eines künstlichen Staates ist. Diese Gesellschaft ist ebenso montiert und artifiziell, weil wir von ihr nur über entsprechend verfasste Texte erfahren. Die Gesellschaft ist in ihren kulturtechnischen Reproduktionen Art im Sinne einer ars oder techné, und sie ist im gleichen Sinn Art wie jene Einheiten der Kategorienlehre, die durch Unterscheidungen errichtet werden. Das alles bedeutet schließlich, dass die Spaltung des Textes das Interdiktum erzeugt, mit dem Texte normativ werden.
Teubners Doppelseite mit ihren Nachweisen einer tatsächlichen Existenz der Zivilverfassungen ist mit ihrem künstlichen Grund nicht bloß der Kniff eines Autors. Das Artifizielle, von dem ich hier spreche, ist kein eigenmächtiger Trick, mit dem idiosynkratische Verfassungsphantasien eines einzelnen Verfassungstheoretikers verdeckt würden. Das ist es aber nur deswegen nicht, weil jeder Verfassungstext so verfasst ist und alle konstitutionellen Subjekte es so machen, eben weil sie selbst so gemacht sind. Nur wenn man diese Subjekte unbedingt als Autor betrachten möchte, dann autorisieren sie auch, und nur dann kann man auf die Idee kommen, dieses Verfassen sei bloß ein eigenmächtiger Kniff der Schreiber. Die Idiosynkrasie ist dem Diskurs im Übrigen aber schon lange aus der Hand genommen, weil Verfassungen schon vor den Autoren da sind. Das Artifizielle behält aber gerade deswegen auch seinen besonderen Sinn: Mit Hilfe eines schriftbildlichen Mediums, das von sich aus nicht nur zwischen Schrift und Bild, sondern auch zwischen Aktivität und Passivität schwankt, kommt die Kulturtechnik dieser Reproduktion in Gang. Nicht das konkrete Schriftbild, aber die Kulturtechnik einer entsprechenden Auseinandersetzung ist die ‚einzige Gemeinsamkeit‘ aller Verfassungstexte und aller konstitutionellen Subjekte. Sie ist die einzige Gemeinsamkeit institutioneller Medien und konstitutioneller Subjekte.
Alte Fußnoten
Nicht nur neue Verfassungstheoretiker verfassen darum so ihre Texte, auch alte. Weil dieses Moment zu den impliziten Kulturtechniken des Verfassungsrechts und zu den unheimlichen Nebenverfassungen gehört, findet man dazu keine expliziten Selbstbeschreibungen. Es gibt keine Verfassungstheorie, die das Verfassen von Fußnoten zum Thema macht. Und wegen der Unheimlichkeit kann man für die Abspaltungen und Hyperreferenzen auch immer nur weitere, ebenso erste Beispiele geben, die in aller Grundsätzlichkeit für das System immer nur randständig bleiben. Michael Sachs schreibt zum Beispiel 1996 in der grundlegenden Einführung seines Kommentars zum Grundgesetz, dass die Verfassung „die rechtliche Grundordnung des verfassten Staates“ bilde. Diese Passage ist in den neuen Auflagen umgeschrieben worden, man kann sie darum gut für ein Beispiel alter Umschreibungen nehmen. Dazu heißt es im kapitalen Block des Haupttextes weiter, der Begriff der Verfassung werde „in vielfältigen Bedeutungen verwendet, deren einzige Gemeinsamkeit wohl in dem Bezug auf den Staat besteht“. Unter einem dünnen schwarzen Strich findet sich in dieser Auflage dann eine Fußnote mit folgender Bemerkung:
„[U]nberührt bleibt die Verwendung des Begriffs in anderen Zusammenhängen, etwa bei der ‚Kommunalverfassung‘ u.ä.“
Die einzigartige Verwendung des Verfassungsbegriffs wird von andersartigen Verwendungen des Verfassungsbegriffs nicht berührt, weil es (kulturtechnisch betrachtet) zwischen beiden einen schwarzen Strich und ein Interdiktum gibt. Der schwarze Strich ist sozusagen das Interdiktum, mit dem die Einzigartigkeit des Verfassungsbegriffes auch dann erhalten wird, wenn die Andersartigkeit offensichtlich nahe liegt. Wie weit die Ähnlichkeiten der Kommunalverfassungen reichen, oder ob sie bis hin zu den Unternehmensverfassungen und Zivilverfassungen reichen, wird dort zwar nicht erläutert. Für den bestimmenden Faktor der Definition muss das aber auch nicht erläutert werden; man kann das – kulturtechnisch betrachtet – durch die schwarzen Punkte abkürzen, die man macht, weil es nur um Definitionen, also Begrenzungen geht. Die Kulturtechnik des trennenden Striches, mit dem ein Text einen Saum erhält und durch dessen Spaltung dieser Text normativ und unberührbar wird, geht in jedem Fall durch die Aufstellung einer „einzigen Gemeinsamkeit“ auch mit der Entfremdung des konstitutionellen Subjektes einher. Es bleibt dann nämlich auch grundlegend doppeldeutig, ob das konstitutionelle Subjekt des Textes letztlich Michael Sachs oder der Staat ist, weil der subjektfreie Text dazwischen steht und gerade das erste sowie letzte Subjekt (also den Staat und Michael Sachs) entzweit. Das Subjekt kann den Text nur versäumen.
Im Sinne der entfremdenden Reproduktion eines konstitutionellen Subjektes verdanken sich das bestimmte und das unbestimmte Subjekt eines solchen Textes gegenseitig, so wie sich das monumentale und das kleine Subjekt gegenseitig verdanken. Es gibt dann auch andere Verwendungen, und sie sind sogar von dem Text aus sichtbar, der sie ausschließt. Sie liegen aber jenseits des Interdiktums, das mit der Limitierung und Spaltung des Textes eingeführt wird. Was schließlich (bei allen Unterschieden zwischen Sachs´ Form des Ausschlusses und Teubners Form der Inklusion) auch Teubners Doppelseite auszeichnet, das ist also die Sonderbarkeit, die in der einzigen Gemeinsamkeit aller Verfassungen liegt und die von dieser Limitierung abhängt. Der Gründungsmythos hat bei aller enteigneten und aus der Hand genommenen Idiosynkrasie einen Alltag.
In Teubners Theorie der Zivilverfassungen hat der Gründungsmythos dazu auch noch eine ambivalente Position. Einerseits weist Teubner im Kontext seiner Überlegungen zur kollektiven Identität darauf hin, dass es keine Verfassung ohne Gründungsmythos gäbe:
„Diese Narrative werden […] nicht ins Blaue hinein gebaut, sondern müssen durch externe Bedingungen, auf denen die Fiktionen aufbauen können, gestützt sein. Die Verfassungen transnationaler Regimes berufen sich gerade nicht auf den politischen Gründungsmythos des gesetzgeberischen Willens; sie erfinden sich eine Gründungsfiktion in der Weise, dass sie statt dessen ihre Grundlage jeweils in die gesellschaftlichen Teilsysteme selbst, mit denen sie strukturell gekoppelt sind, verlagern. Es müssen dort ausreichend nicht-rechtliche Sinnmaterialien vorhanden sein, welche ihre Rechtsordnung als Rechtspräzidenzien missverstehen kann. Der Gründungsmythos des jeweiligen Regimerechts macht dies operative Missverständnis akzeptabel. Was nötig ist, sind ‚nur Situationen, in denen es hinreichend plausibel war, davon auszugehen, dass auch schon früher nach Rechtsnormen verfahren worden ist‘.“
Mit einem Verweis auf Robert Cover und Ulrich Haltern legt Gunther Teubner diesem Kontext den Gedanken zu Grunde, dass es auch jenseits des Nationalstaates und der dort typischen Verschränkung meist revolutionärer Gründungsmythen und normativer Verfassungstexte zu jedem Nomos ein Narrativ und zu jedem Narrativ ein Nomos gäbe. Im weiteren Verlauf seiner Argumentation nimmt er aber genau das wieder zurück. Internationale Gerichte würden „eine Welt bewohnen, deren Rechtsnormen geradezu überborden, eine Welt multipler Nomoi“, und dies sei eine Welt des „Nomos ohne Narrativ“, also ohne Gründungsmythos. Daraus schliesst Teubner auch, dass es sich hierbei um eine Rechtswelt ohne die hierarchische Architektur handele.
Wenn dieser Welt der Dritte fehlt, dann fehlt ihr das, was sich – wie hier beschreiben – sonst über die Hyperreferenz einer textuellen Spaltung ergibt. Schließlich entwickelt der Text nämlich aus der Hyperreferenz und aus der Spaltung auch sein normatives Gefälle. In einer seltsamen Wendung merkt Teubner dazu an, dass die Einheit dieser neuen Verfassungen nur noch als imaginäre Reproduktion auf einer symbolischen Ebene hinter der real existierenden Vielheit der Verfassungen thematisiert würde. Damit wiederholt und modifiziert Teubner nun wiederum selbst ein Narrativ und er verschiebt das Datum, an dem aus natürlichen Verfassungen künstlicher Verfassungen geworden sein sollen. Gehört es nämlich zum Narrativ des modernen Konstitutionalismus, dass der Verfassungsbegriff früher natürlich und später artifiziell konnotiert worden wäre, behauptet Teubner, dass die hierarchische Architektur in den alten Verfassungen real und in den neuen Verfassungen imaginär oder symbolisch wäre. Seine Fragmentierungsthese rutscht hier in den Bereich jener Thesen, in denen Fragmente Breschen sind und unverstellte Blicke auf die Gesellschaft ermöglichen. Diese Narrative sind aber selbst Teil der kulturtechnischen Reproduktion von Verfassungen. In allen Fällen ist die Verfassung eine symbolische Fassung und in allen Fällen sind weder die Natur noch das Reale für sich erreichbar. Auch der historiographische Horizont verstellt die Erreichbarkeit des Realen und Natürlichen. Beides, Natur oder das Reale, sind vielleicht der Auslöser der kulturtechnischen Fabrikation, aber nicht ihr Grund. Teubner greift mit der Unterscheidung zwischen neuer und ‚nur noch symbolischer Verfassung einerseits sowie zwischen alter real existierender Einheit der Verfassung ein Motiv auf, dass man (unter anderem) auch bei Luhmann oder auch bei Stourzh findet. Sowohl die Unterstellung der alten Natürlichkeit bei Stourzh oder Luhmann (die in ihrer Rekonstruktion des vormodernen, konstitutionellen Naturbegriffes z.B. die Dimension der ‚cultura animi‘ aussparen und insofern eine klassische Fassung des Narratives liefern, weil die alte Natur der Verfassung darin als so gegeben erscheint) als auch die Unterstellung der alten hierarchischen Realität bei Teubner sind gerade Teil der Operationen, die Gründungsmythen und Verfassungen fabrizieren und Übertragbarkeiten initiieren sollen. Das Gefälle der Verfassung war immer gedoubelt.
So muss der Glossator daran festhalten, dass es keine Verfassungen ohne das Duo von Nomos und Narrativ gibt – und damit auch nicht ohne das doppelte Gefälle und die hierarchische Architektur eines Textes, der mit einer symbolischen Externalisierung Übergaben in Gang setzt. Er liefert das Narrativ, das den neuen Verfassungen angeblich fehlt. Gleichzeitig muss man einräumen, dass dieses Gefälle nur eine ‚Je-Hierarchisierung‘ ist, die ein Verfassungstext nur je für sich aufstellen kann. Eine Verfassung sagt ‚Ich‘ eben nur zu sich selbst. Das „Fehlen einer Drittinstanz“, das nach Teubner die neuen Verfassungen im transnationalen Raum auszeichnen soll, ist darum entweder der Moment des Entzuges, der auch früher, im nationalstaatlichen Kontext, über symbolische Externalisierungen und die Entfremdung des konstitutionellen Subjektes Verfassungen hervorgebracht hat. Es ist also entweder der Spalt, der als eine Hyperreferenz auch das Interdiktum eines grundlegenden, normativen Textes erzeugte. Dieses Fehlen ist der Mangel, aus dem heraus schon in Sieyès Text eine Verfassung fabriziert wird. Verfasste Texte sind in einem normativen Sinne gespaltene Texte, ihr Ursprung stammt aus der Welt der Sprünge.