31 October 2019

Nichts hält länger als ein Provisorium

Zur Thüringer Verfassungslage nach der Landtagswahl

Ich bin nicht geschäftsführend im Amt. Ich bin einfach im Amt.“

So hatte sich Bodo Ramelow, gefragt nach seiner künftigen Legitimation als Ministerpräsident, schon vor der Thüringer Landtagswahl geäußert. Inzwischen freut er sich über einen beachtlichen Wahlerfolg seiner Partei. Wie sich angesichts der komplexen neuen Sitzverteilung im Parlament jedoch Mehrheiten für die Wahl eines Ministerpräsidenten finden lassen sollen, steht derzeit in den Sternen. 

Bis zum Zusammentritt des neuen Landtags hat Bodo Ramelow Recht mit seiner Einschätzung, er sei „einfach im Amt“. Denn erst dann endet in Thüringen die Wahlperiode (Art. 50 Abs. 3 ThürV). Doch wie lange wird er sich nach dem Zusammentritt des neuen Landtags auf verfassungsrechtlicher Grundlage im Amt halten? Nach dem Periodizitätsprinzip – einem Charakteristikum parlamentarischer Regierungssysteme – schlägt die Begrenzung der Amtszeit des Parlaments unmittelbar durch auf die Amtszeit der Regierung. Daher endet das Amt der Mitglieder der Landesregierung sobald ein neuer Landtag zusammengetreten ist (Art. 75 Abs. 2 S. 1 ThürV). 

Die geschäftsführende Staatsregierung

Mit dem Beginn der neuen Wahlperiode muss Bodo Ramelow nicht abtreten, im Gegenteil: Er ist kraft Verfassung dazu verpflichtet, die Geschäfte bis zum Amtsantritt seines Nachfolgers fortzuführen. Auf sein Ersuchen gilt dies auch für die Minister der Thüringer Landesregierung (Art. 75 Abs. 3 ThürV). Die verfassungsorganisatorische Notwendigkeit dieser Bestimmung liegt auf der Hand: Ohne sie wäre Thüringen in der Phase zwischen dem Zusammentritt eines neuen Landtags und der Neuwahl eines Ministerpräsidenten ohne Regierung. Eine derart regierungslose Zeit muss eine staatsorganisatorische Grundordnung verhindern – zum Erhalt einer kontinuierlich agierenden, effektiven Exekutivgewalt.

Die Pflicht von Regierungsmitgliedern zur vorläufigen Weiterführung ihrer Amtsgeschäfte nach einer Wahl entspricht deutscher Parlamentstradition. In ihrer Fortführung kennen heute sowohl das Grundgesetz (Art. 69 Abs. 3) als auch sämtliche Landesverfassungen Regelungen zur geschäftsführenden Amtstätigkeit der bisherigen Regierung, die dem Art. 75 ThürV im Grundsatz vergleichbar sind. Allerdings weist die Thüringer Verfassungslage ein Spezifikum auf: Es gibt darin keine Frist, binnen derer ein neuer Ministerpräsident gewählt, oder der Landtag aufgelöst sein müsste. Nach dem Wortlaut der Thüringer Verfassung kann Bodo Ramelow damit solange im Amt bleiben bis ein neuer Ministerpräsident gewählt worden ist. Konkret bedeutet dies: Er ist gegenwärtig „einfach im Amt“ – als gewählter Ministerpräsident. Nach dem Zusammentritt eines neuen Landtags bleibt er geschäftsführend im Amt, und zwar ohne jede zeitliche Begrenzung. 

Das Problem der demokratischen Legitimation

Doch lässt sich eine geschäftsführende Landesregierung, wenn sie zur Dauereinrichtung wird, mit dem Demokratieprinzip vereinbaren? Immerhin hat das Wahlvolk gesprochen, und für die künftige Legislaturperiode gibt es neue politische Mehrheiten. Kaum nachvollziehbar erscheint es daher im ersten Moment, dass alles beim Alten bleiben soll. Schwer vermittelbar ist diese Lösung insbesondere all denen, die mit ihrer Stimme einen politischen Wechsel herbeiführen wollten. Auch unter dem Blickwinkel des Verfassungsrechts ist festzuhalten: Nach einer Wahl greift das gewohnheitsrechtlich anerkannte Diskontinuitätsprinzip. Danach gelten sämtliche Beschlussvorlagen, die am Ende der Wahlperiode nicht abgeschlossen sind, als erledigt. Auch die bisherigen Ausschüsse und Fraktionen des alten Landtags verlieren mit diesem ihre Existenz.

Verfassungspolitisch mag ein geschäftsführender Ministerpräsident eine problematische Konstruktion sein. Denn es fehlt ihm die parlamentarische Legitimation durch den neu gewählten Landtag. Gut beraten betont Bodo Ramelow denn auch, dass er möglichst schnell zum Ministerpräsidenten gewählt werden wolle. Doch wie sieht die Rechtslage dazu aus? Muss nach der Thüringer Verfassung die Entscheidungshoheit „irgendwann“ wieder zurückgegeben werden an die Volksvertretung, damit der Landtag von seinem Recht Gebrauch machen kann, einen neuen Ministerpräsidenten zu wählen? Nach welcher Zeit soll dies der Fall sein?

Der Vergleich mit Geschäftsführungsregelungen im Grundgesetz und anderen Landesverfassungen

Auf der Bundesebene und in den meisten Landesverfassungen gibt es Fristen, binnen derer die Wahl eines neuen Regierungschefs spätestens stattgefunden haben muss. So zählt Art. 63 GG zur Wahl und Ernennung des Bundeskanzlers mehrere Zeiträume auf, nach deren Verstreichen der Bundespräsident entweder den Gewählten auch dann ernennen muss, wenn er nicht die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Bundestags auf sich vereinigt, oder den Bundestag aufzulösen hat (vgl. Art. 63 Abs. 4 S. 3 GG). Nach der Bayerischen Verfassung muss sich der neu gewählte Landtag drei Wochen nach der Wahl konstituieren und binnen einer weiteren Woche einen Ministerpräsidenten wählen. Gelingt die Neuwahl binnen vier Wochen nicht, muss der Landtag aufgelöst werden (Art. 16 Abs. 2, Art. 44 Abs. 1 und 4 BayVerf). In Sachsen ist der Zeitdruck geringer. Hier kommt es aber immerhin dann zwingend zu Neuwahlen, wenn sich der Landtag vier Monate nach der Wahl noch nicht auf einen Ministerpräsidenten geeinigt hat (Art. 60 Abs. 3 SächsVerf). Jedenfalls bringen solche Zeitbestimmungen eben das zum Ausdruck, was die Geschäftsführungsregelung nach ihrem verfassungsrechtlichen Regelungszweck auch sein soll: eine Interimslösung, ein Provisorium – zeitlich limitiert durch die Wahl eines neuen Ministerpräsidenten.

Das Fehlen einer zeitlichen Begrenzung für die geschäftsführende Tätigkeit der Landesregierung ist ein Thüringer Spezifikum. Es ist jedoch kein Alleinstellungsmerkmal dieses Landes. Eine ähnliche Rechtslage gibt es noch in Hessen: Nach Art. 113 HessVerf bleibt die alte Regierung bis zur Neuwahl des Ministerpräsidenten geschäftsführend im Amt, und zwar – wie in Thüringen – ohne jegliche zeitliche Begrenzung. 

Die bisherige Staatspraxis zur geschäftsführenden Regierungstätigkeit

Die Staatspraxis konnte immerhin schon einige praktische Erfahrungen mit einer geschäftsführenden Regierungstätigkeit sammeln: So blieb Roland Koch in Hessen ein Jahr lang (zwischen Januar 2008 und Januar 2009) geschäftsführend als Ministerpräsident im Amt, bevor es ihm letztlich gelang, in einer Neuwahl eine Mehrheit für CDU und FDP zu erlangen. In Thüringen währte die geschäftsführende Tätigkeit der Ministerpräsidenten bislang deutlich kürzer: bei Dieter Althaus zwei Monate, bei Christine Lieberknecht knappe drei Monate. Mit Blick auf die neue Sitzverteilung im Thüringer Landtag, vor allem aber auch auf die bereits schleppend in Gang gekommenen Koalitionsverhandlungen, steht jedoch wohl zu erwarten, dass es diesmal mit der Regierungsbildung dauert – vielleicht so lange wie in Hessen, womöglich aber auch noch länger.

Das Wesen der geschäftsführenden Regierungstätigkeit

Für den Übergang einer alten zur neuen Regierung sehen die Landesverfassungen unterschiedliche Modelle vor. So zwingt die erwähnte Bayerische Verfassung die politischen Akteure in ein enges Zeitkorsett demokratischen Aktionismus: Vor der Drohkulisse verfassungsrechtlich erzwungener Neuwahlen werden die neuen Volksvertreter zum raschen Handeln angehalten, was angesichts der dort relativ stabilen politischen Verhältnisse bislang reibungslos funktionierte. Andere Verfassungen, etwa die des Freistaats Sachsen, sehen größere zeitliche Spielräume vor. Wiederum andere überlassen es – wie in Thüringen oder Hessen – den politischen Verantwortungsträgern, die Möglichkeiten der Verteilung von Regierungsverantwortung ohne Zeitdruck auszuloten. Unter verfassungsrechtlichem Blickwinkel ist diese organisationsrechtliche Vielfalt lebendiger Ausdruck des grundgesetzlich garantierten Verfassungsföderalismus. Jedenfalls halten sich die unterschiedlichen Ausgestaltungen einer geschäftsführenden Regierung innerhalb des weiten Rahmens des Homogenitätsprinzip (Art. 28 Abs. 1 S. 1 GG). Damit ist aber auch die Übertragung einzelner Teilelemente von dem einen auf das andere Landesmodell ausgeschlossen, etwa von Regelungen zu Fristen, binnen derer Neuwahlen stattzufinden hätten. Erst recht verbietet sich eine Aushebelung einzelner staatsorganisatorischer Bestimmungen unter Rückgriff auf das stets konkretisierungsbedürftige Verfassungsprinzip der Demokratie.

Die nachwirkende Legitimation der geschäftsführenden Landesregierung

Ohne jegliche parlamentarische Rückanbindung agiert auch eine nach Art. 75 Abs. 3 ThürVerf geschäftsführende Regierung nicht. Sie bezieht ihre Rechtfertigung vielmehr aus der nachwirkenden Legitimation der früheren Legislaturperiode. Neben dieser zeitlichen Legitimationsbrücke gibt es in Thüringen auch eine solche in sachlicher Hinsicht: Die konkrete Ausgestaltung der Geschäftsführungsregelung des Art. 75 Abs. 3 ThürV entspricht der Konzentration auf die Person des Ministerpräsidenten, wie sie die Verfassung auch im Übrigen prägt: Wenn nur der Regierungschef vom Landtag gewählt wird (Art. 70 Abs. 3 S. 1 ThürV), dieser das Monopol bei der Ernennung und Entlassung der Minister hat (Art. 70 Abs. 4 S. 1 ThürV), das Parlament ausschließlich den Ministerpräsidenten selbst durch ein konstruktives Misstrauensvotum stürzen kann (Art. 73 ThürV), und schließlich der Ministerpräsident das einzige Regierungsmitglied ist, das die Vertrauensfrage stellen kann (Art. 74 S. 1 ThürV), ist es folgerichtig, dass die geschäftsführende Amtstätigkeit der Minister nur auf Ersuchen des Ministerpräsidenten erfolgt (vgl. dazu Fiebich, Das Verhältnis zwischen Landtag und Landesregierung nach der Verfassung des Freistaats Thüringen vom 25. Oktober 1993, 2001, S. 224 ff.).

In ihrer Reichweite unterscheiden sich die Kompetenzen einer geschäftsführenden Regierung grundsätzlich nicht von denen einer aktuell parlamentarisch legitimierten. Insbesondere wird die geschäftsführende Thüringer Landesregierung nicht auf die Abwicklung oder Fortführung laufender Geschäfte beschränkt sein. Eine gewisse Zurückhaltung bei weitreichenden politischen Entscheidungen mag die bisherige Staatspraxis zur geschäftsführenden Regierungstätigkeit zwar geprägt haben. Eine wie immer geartete Verfassungspflicht zum self restraint gibt es jedoch nicht. Auch die Organisationsgewalt eines geschäftsführenden Ministerpräsidenten ist der eines gewählten vergleichbar. So gehört dazu insbesondere auch das Recht, über die Abgrenzung der Geschäftsbereiche zu entscheiden (Art. 76 Abs. 2 S. 1 ThürV). 

In zwei Punkten zeigt sich jedoch die Eigenart einer lediglich geschäftsführenden Regierung: Zum einen beinhaltet Art. 75 Abs. 3 ThürV das sog. Versteinerungsprinzip. Danach darf sich das Ersuchen des Ministerpräsidenten nur auf die bisherigen Minister beziehen. Denn nur in deren Person wirkt die bisherige parlamentarische Legitimation fort. Der zweite Punkt betrifft das Verhältnis des geschäftsführenden Ministerpräsidenten zum Parlament: Weder kann der Landtag gegen einen geschäftsführenden Ministerpräsidenten ein konstruktives Misstrauensvotum nach Art. 73 ThürV einsetzen, noch ist ein geschäftsführender Ministerpräsident befugt, nach Art. 74 ThürV die Vertrauensfrage zu stellen. Denn beide Instrumentarien knüpfen an eine aktuelle parlamentarische Legitimation des Ministerpräsidenten an. Im Fall einer geschäftsführenden Landesregierung ist der verfassungsrechtlich vorgesehene Weg die Neuwahl eines Ministerpräsidenten nach Art. 70 Abs. 3 ThürV.

Die Thüringer Voraussetzungen zur Wahl eines neuen Ministerpräsidenten runden das dort vorgesehene Modell der Regierungsbildung ab. Dieses birgt zwar strukturell die Gefahr einer langwierigen geschäftsführenden Interimslösung. Jedenfalls im Regelfall gemindert wird dieses Risiko jedoch dadurch, dass insbesondere Art. 70 Abs. 3 S. 3 ThürV die Wahl eines neuen Regierungschefs erleichtert. Nach dieser Vorschrift ist in einem dritten Wahlgang gewählt, wer die meisten Stimmen enthält. Wenn hier nur ein Bewerber antritt, so ist dieser mit jeder Zahl der für ihn abgegebenen Stimmen gewählt – unabhängig von der Zahl der nicht für ihn abgegebenen Stimmen. Dass in der neuerlichen Thüringer Sondersituation eines Erstarkens der politischen Ränder die Wahl eines Ministerpräsidenten auch auf der Grundlage dieser Bestimmung politisch schwierig werden wird, ändert nichts daran, dass die Verfassung dieses Landes eine in ihrer Gesamtschau ausgewogene Regelung zum Regierungsübergang vorsieht.

Der Primat der Politik

Nach ihrer verfassungsrechtlichen Konzeption ist die geschäftsführende Landesregierung ein bloßes Provisorium – in Thüringen wie anderswo. Unter dem Blickwinkel des Demokratieprinzips mag es unbefriedigend erscheinen, dass eine solche Interimslösung länger andauert oder gar als Dauerlösung fungiert. Unter Berücksichtigung der gegenwärtigen politischen Landschaft in Thüringen lässt sich jedoch auch eine andere Sicht einnehmen: Solange sich das dortige Parteiensystem in einer Phase des Umbruchs und der Neuorientierung befindet, ist es verfassungspolitisch ein Vorteil, dass die politischen Akteure die Spielräume ihrer Zusammenarbeit ohne Zeitdruck ausloten können. Eine geschäftsführende Regierung soll ihnen nach der Thüringer Verfassung insofern den Rücken freihalten, als sie den Ministerpräsidenten und auf sein Ersuchen die Minister dazu verpflichtet, kontinuierlich ihre Amtsgeschäfte zu verrichten. Zum Thüringer Modell einer geschäftsführenden Regierung, deren Kernfunktion der Erhalt einer effektiven, leistungsfähigen Exekutivspitze ist, würde es daher jedenfalls nicht passen, einem immerhin amtierenden Ministerpräsidenten die pauschale Verpflichtung aufzuerlegen, auf eine Selbstauflösung des Landtags hinzuwirken. 

Als juristisches Fazit bleibt festzuhalten: Nach dem Thüringer Wahlausgang obliegt die Suche nach kreativen Lösungen einzig und allein der Politik. Diese schwierige Aufgabe kann und soll ihr das Verfassungsrecht nicht abnehmen. 


4 Comments

  1. Martin Holterman Fri 1 Nov 2019 at 15:51 - Reply

    I’m not sure what the objection is to a prime minister staying in office after the election, from the point of view of democratic legitimacy. After all, the post-election Landtag is in the same position vis-à-vis the prime minister as the pre-election Landtag: Both can vote the PM out of office by electing another in his place. If the “caretaker” PM does something the post-election Landtag does not like, I see nothing in art. 70, 73, or 76 of the Thüringer Verfassung that would prevent the Landtag from electing another caretaker PM while they continue their negotiations. (As was indeed suggested for Bavaria earlier this year.)

  2. Jürgen Bast Mon 4 Nov 2019 at 11:39 - Reply

    Nach meinem Eindruck ist die politische Sprengkraft von Art. 70 Abs. 3 S. 3 ThürV im öffentlichen Diskurs noch nicht ausreichend erkannt. Danach ist im dritten Wahlgang zum Ministerpräsidenten gewählt, “wer … die meisten Stimmen erhält”. Nach Lage der politischen Dinge im neu gewählten Landtag bedeutet dies: Wenn Bodo Ramelow und Mike Mohring gegeneinander antreten, entscheidet (spätestens) im dritten Wahlgang die AfD-Fraktion bzw. eine Handvoll AfD-Abgeordneter darüber, wer Ministerpräsident Thüringens wird.

    Vor diesem Hintergrund verstehe ich die öffentlich erklärte Bereitschaft von Mike Mohring, “Verantwortung zu übernehmen”, und seinen Hinweis auf die Existenz einer “Minderheit der bürgerlichen Mitte” im Thüringer Landtag als ein Liebäugeln mit der Idee, sich mit Stimmen (aus) der AFD zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen. Hierfür braucht es keine kompromittierenden Gespräche, keine verabredete “Zusammenarbeit” oder gar eine Koalitionsvereinbarung zwischen CDU und AfD, sondern lediglich das (durchaus realistische) Vertrauen darauf, dass ausreichend viele (alle?) AfD-Abgeordneten lieber einen Ministerpräsidenten der CDU als einen der Linkspartei im Amt sehen. Da die Wahl in geheimer Abstimmung erfolgt (Art. 70 Abs. 3 S. 1 ThürV), müsste sich der Gewählte für diese strategisch kalkulierte de-facto-Zusammenarbeit nicht einmal öffentlich rechtfertigen.

    Die öffentlich geführte Diskussion darüber, ob die CDU eine „Zusammenarbeit“ mit Linkspartei *und* der AfD weiterhin ausschließt, verfehlt also ein Stück weit das Thema. Die Frage ist vielmehr, ob die CDU bereit ist, ihren Kandidaten mit Stimmen (aus) der AfD zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen, um einen geschäftsführenden Ministerpräsidenten der Linken abzuwählen. Verzichtet Mike Mohring dagegen spätestens im dritten Wahlgang auf eine Kandidatur, verhilft die CDU dem Kandidaten der Linken zu einer Bestätigung im Amt. Diese Frage (“Werden Sie kandidieren und sich von der AfD wählen lassen?”) sollten juristisch informierte und politisch verständige Journalistinnen und Journalisten Herrn Mohring, Frau Kramp-Karrenbauer und Herrn Ziemiak stellen, sonst schlafwandelt die Republik in einen Tabubruch, an dessen Ende die AfD genauso koalitionsfähig ist wie die FPÖ in Österreich.

  3. Robert Meyer Wed 6 Nov 2019 at 16:11 - Reply

    “…entscheidet (spätestens) im dritten Wahlgang die AfD-Fraktion bzw. eine Handvoll AfD-Abgeordneter darüber, wer Ministerpräsident Thüringens wird.” Wo ist jetzt der Skandal? Ich habe in der Thüringer Verfassung keine Vorschrift gefunden, die es verbietet, dass Abgeordnete der AfD den Ministerpräsidenten wählen dürfen. Im Übrigen kann man das auch umdrehen: “…entscheiden (spätestens) im dritten Wahlgang die SPD/CDU/FDP-Fraktion bzw. eine Handvoll SPD/CDU/FDP-Abgeordneter darüber, wer Ministerpräsident Thüringens wird.” Was für ein Skandal!

  4. Mulle Wed 13 Nov 2019 at 14:34 - Reply

    Ob wirklich im dritten Wahlgang “die AfD-Fraktion bzw. eine Handvoll AfD-Abgeordneter” oder “die SPD/CDU/FDP-Fraktion bzw. eine Handvoll SPD/CDU/FDP-Abgeordneter”darüber entscheiden, wer Ministerpräsident Thüringens wird, ist so eindeutig nicht: Sofern es im dritten Wahlgang keinen Gegenkandidaten gibt, wäre Ramelow auch dann gewählt wenn nur die bisherigen Koalitionsfraktionen für ihn stimmen würden (mit insgesamt 42 Stimmen) , und die AfD- CDU- und FDP- Fraktionen (mit insgesamt 48 Stimmen) geschlossen gegen ihn stimmen würden. Diese – umstrittene -Auffassung vertritt jedenfalls Prof. Morlok zur Frage der “meisten Stimmen” im 3. Wahlgang.

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