Notizen aus der Provinz: Brandenburg gibt sich ein Paritätsgesetz
Man hört ja sonst wenig von den deutschen Landtagen, und hin und wieder ertappt man sich bei der Frage, was die eigentlich das ganze Jahr über so machen. Der Landtag von Brandenburg hat uns davon immerhin nun einen Eindruck vermittelt, als er erster von allen ein Paritätsgesetz verabschiedete und damit die Aufmerksamkeit erzielte, um die ihn die anderen jetzt vielleicht heimlich beneiden. Parteien dürfen danach zu den Wahlen künftig nur noch geschlechterparitätisch besetzte Wahllisten einreichen, damit im Ergebnis genauso viel Frauen wie Männer (und vielleicht hier und da noch jemand vom dritten Geschlecht) im Parlament vertreten sind. Im Anschluss war es dann aber gleich wie immer, wenn hierzulande über solche Fragen diskutiert wird: Statt dass man überlegt, ob das prinzipiell eine gute Idee ist oder eher nicht, sind die Juristen schon da und belehren die anderen erst einmal darüber, ob sie das überhaupt dürfen. Wer dagegen ist, kommt deshalb sofort mit der Verfassung und fährt, wie es in einem der Beiträge hier ganz treffend formuliert wurde, gleich alle schweren Geschütze auf, die sich hier aufbieten lassen. Und die, die das Gesetz für längst überfällig halten, suchen und finden die Argumente, die es auch verfassungsrechtlich rechtfertigen können, vielleicht sogar geboten erscheinen lassen; mittlerweile liegen auch dafür ja genügend herum. Am Ende ergibt sich so das bekannte Spiel der Deutungen, bei dem man erst dann sicher weiß, welches die richtige war, wenn ein Verfassungsgericht dazwischenkommt und die seinige durchsetzt. Die mag man dann immer noch persönlich für grundfalsch halten, aber ist dann erst einmal die, die bis auf weiteres gültig ist. Davor fungiert Verfassung weniger als ein Gegenstand objektiver Befragung als vielmehr als – auch von Juristen gezielt eingesetztes – Argument in einer politischen Auseinandersetzung: ein Kampfinstrument, mit dem sich eigene Positionen durchsetzen und gegnerische noch am leichtesten verhindern lassen.
Vielleicht könnten wir es aber gerade in einem Fall wie diesem einmal anders probieren, indem wir uns zunächst noch einmal ein paar triviale Erkenntnisse über Verfassungen vor Augen führen: etwa dass diese als Texte ziemlich unbestimmt sind und erst einmal nur ganz allgemeine Richtpunkte setzen, an denen sich Politik in einem wiederum ganz allgemeinen Sinne zu orientieren hat. Oder dass sie bestimmte Leitideen über Sinn und Form staatlich-politischer Ordnung transportieren, deren sachgerechtes Verhältnis zueinander in Vorgängen gesellschaftlicher Selbstverständigung erst einmal zu bestimmen wäre. Das Bekenntnis zur Gleichberechtigung der Geschlechter, die der Staat aktiv fördern soll, könnte durchaus eine solche Leitidee sein, deren Relevanz man für Fragen des Wahlrechts oder der demokratischen Repräsentation man deshalb nicht vorschnell mit dem rein formalen Argument beiseiteschieben sollte, sie stünde ja nur im Grundrechtsteil, die Wahlgleichheit sei demgegenüber spezieller etc. Statt dessen ginge es eher um die grundsätzlichere Frage, ob das Herumschrauben am Wahlrecht wirklich ein sinnvolles Mittel ist, um sie durchzusetzen, und was es umgekehrt für unsere Vorstellung von demokratischer Repräsentation bedeutet, wenn sie so durchgesetzt wird, wie sie hier durchgesetzt wird. Hier bewirkt die Paritätsregelung doch einige bemerkenswerte Verschiebungen, über die man sich zunächst klar werden muss und von denen man sich anschließend zu fragen hätte, ob man sie wirklich will. Sehen wir uns deshalb die wichtigsten von ihnen der Reihe nach an.
Die erste ist recht leicht erkennbar und auch schon vielfach angesprochen; sie liegt darin, dass wir es, egal wie man es dreht und wendet, mit einer politischen Vorsteuerung der personellen Zusammensetzung des Parlaments zu tun haben, und zwar durch den (einfachen) Gesetzgeber. Nun ist der zwar selber demokratisch legitimiert und nicht einfach bloß wie früher eine Erscheinungsform von Obrigkeit. Aber dass ein Parlament eine bindende Vorgabe für die Zusammensetzung des ihm nachfolgenden Parlaments macht, ist doch etwas ziemlich Neues. Natürlich waren auch im überkommenen Recht schon immer gewisse Vorsortierungen in diese Richtung wirksam. Es waren aber, wenn ich es recht sehe, im Wesentlichen nur zwei. Die eine betrifft das Zugangsalter und ist fast überall in den Verfassungen selbst enthalten (was man, nebenbei, möglicherweise als einen Hinweis darauf lesen könnte, auch diese ja nicht ganz unwichtige Frage wenn überhaupt dann auf Verfassungsebene zu regeln). Eine zweite findet, gewollt oder ungewollt, über das jeweilige Wahlrecht und hier vor allem über das Wahlsystem statt. Beide sind nie neutral, jedes Wahlsystem und jedes Wahlrecht präferieren automatisch bestimmte Formen politischer Organisation und benachteiligen andere. Gerade deshalb sind Änderungen so schwer ins Werk zu setzen, weil jede Gruppierung, die an ihnen beteiligt werden muss, sich immer als erstes ausrechnet, ob sie dabei am Ende zu den Gewinnern oder Verlierern gehört. Zuletzt wirken sich Wahlrecht und Wahlsystem sogar auf die Frage aus, welche politischen Standpunkte und welcher Typus von Leuten darin Erfolg haben können. In einem Wahl- oder auch Parteiensystem wie dem der Bundesrepublik dürfte jemand wie Trump deshalb wahrscheinlich nicht weit kommen, hoffen wir das zumindest. Aber um ein Wahlrecht kommt man naturgemäß nicht herum, es muss einfach sein, damit die Wahlen stattfinden können. Kann aber wirklich ein gewähltes Parlament bestimmen, wie ihm nachfolgende Parlamente schichten- oder gruppenmäßig zusammengesetzt sein sollen? Natürlich lässt sich auch diese Frage wieder an einzelnen verfassungsrechtlichen Aufhängern festmachen, etwa dass die Parlamente immer nur einen zeitlich begrenzten Auftrag haben; zugleich wäre dies der Punkt, an dem die Parteienfreiheit ins Spiel käme. Aber es ginge vielleicht doch um die ganz grundsätzliche Frage, ob wir uns den gesamten Prozess in allen seinen verschiedenen Phasen und Stufen – den Deliberationen einer politischen Öffentlichkeit, der Willensbildung in den politischen Parteien, schließlich der Entscheidung der Wähler – weiterhin als einen von staatlicher Regulierung prinzipiell freien vorstellen wollen oder ob man ihm vorab bestimmte Ideen davon aufzwingt, was er, wenn auch vorerst nur unter einem bestimmten Gesichtspunkt, sinnvoller- und richtigerweise zu seinem Ergebnis haben sollte.
Eine zweite, möglicherweise etwas tiefer reichende Verschiebung betrifft sodann die Frage, was die Neuregelung für das Verständnis parlamentarischer Repräsentation bedeutet. Sie lässt sich zunächst an der Person des einzelnen Abgeordneten festmachen, den das Grundgesetz wie auch alle Landesverfassungen als „Vertreter des ganzen Volkes“ begreifen. Spätestens seit den Angriffen von Gerhard Leibholz weiß man, dass das bestenfalls eine Fiktion ist: Natürlich ist der Abgeordnete im Parteienstaat typischerweise der Vertreter einer Partei, und als solcher ist er in das Parlament auch gewählt. Darüber hinaus kann er immer noch ganz anderen Gruppen und Interessen verpflichtet sein: irgendwelchen Verbänden, den Kirchen, den Interessen seines Berufstandes, zuletzt auch den spezifischen Interessen seines Geschlechts oder seiner sexuellen Orientierung, die niemand bei bestimmten Entscheidungen einfach ausblenden kann. Und natürlich haben zu den Wahlen auch schon immer Parteien kandidiert, die nur ein bestimmtes Einzel- oder Gruppeninteresse vertreten, von den Grauen Panthern bis zu den Tierschutzparteien oder der Partei der deutschen Biertrinker. Aber was wäre dann der Sinn dieser Fiktion und welche Veränderung bedeutet es dafür, wenn der Abgeordnete nun durch eine gesetzliche Regelung ausdrücklich als Repräsentant einer bestimmten Gruppe behandelt wird?
Bei Hegel kann man dazu lesen, dass sich die Stellung des Repräsentanten ganz wesentlich auf „Zutrauen“ gründet: Repräsentation hat dann nicht die Bedeutung, dass „einer an der Stelle des anderen sei“ und ich „als dieser meine Stimme gebe“, sondern das gemeinsame Interesse, die „Sache“, ist im Repräsentanten gegenwärtig und soll es sein. Das war bezogen auf Vertretungskörperschaften im Geist des Ständestaats und gilt deshalb heute natürlich als alter Zopf. Aber auch in neueren Repräsentationstheorien von Hannah Pitkin bis Pierre Rosanvallon liest es sich nicht wesentlich anders, so wie auch die Forderung einer prinzipiellen „responsiveness“ die Gegenwärtigkeit der Sache im Repräsentanten über dessen Person stellt und von dieser abstrahiert. Nun ist es das Gesetz selbst, also ein öffentlicher und auf öffentliche, nicht zuletzt symbolische Wirkung gerichteter Akt, der ihn nicht als Verkörperung eines gedachten Allgemeinen, sondern als Vertreter einer bestimmten Gruppe begreift, für die er jedenfalls auf der Ebene der äußeren Zusammensetzung des Parlaments erst einmal steht. Man mag auch das nicht für besonders gravierend halten und darauf verweisen, dass am Ende alle, natürlich auch die Frauen, in allen politischen Fragen ja noch immer stimmen können wie sie wollen, und natürlich tun sie das auch. Aber es bedeutet doch eine Halbierung der grundlegenden Fiktion und damit vielleicht auch eine Erschütterung des grundlegenden Zutrauens, auf das sich ein parlamentarisches System notwendig stützt.
Ein dritter Punkt hängt unmittelbar damit zusammen, geht aber noch einmal eine Ebene tiefer und fügt sich in eine Debatte, die in den Vereinigten Staaten gerade unter dem Stichwort der Identitätspolitik ausgetragen wird. In der Sache geht es dabei um die alte Frage, welcher unserer verschiedenen Identitäten wir im politischen Handeln den Vorrang geben wollen: unserer allgemeinen Identität als Bürger oder den verschiedenen partikularen Identitäten, die wir daneben auch noch haben (als Mann oder Frau, als Anhänger einer bestimmten Religionsgemeinschaft, als Angehöriger einer Berufsgruppe oder einer sozialen Schicht, als Fahrer eines Dieselautos etc.). Die eine Seite, derzeit prominent, aber leider eher schlecht als recht vertreten von dem Politikwissenschaftler Francis Fukuyama, klagt dabei die Werte eines liberalen Universalismus ein: Die Gesellschaft spalte sich immer mehr in verschiedene partikulare Identitäten auf, während das Gemeinwohl oder auch die Erfordernisse gesamtgesellschaftlicher Integration darüber aus dem Blick gerieten. Die Folge dieses Gruppendenkens sei dann gerade die gesellschaftliche Polarisierung, von der die politische Landschaft in den USA heute durchzogen sei. Demgegenüber macht die Gegenseite, für die unter anderem die neue afroamerikanische Hoffnungsträgerin der Demokratischen Partei steht, geltend, dass hinter diesem vermeintlichen Universalismus doch nichts anderes stecke als der schlecht getarnte Versuch, die Herrschaft der alten weißen Männer zu zementieren. Demgegenüber komme es gerade darauf an, die verschiedenen noch unterdrückten Gruppen als solche zu adressieren und ihnen als Gruppe gegen andere Gruppen eine Stimme zu geben.
In der Sache haben beide Seiten ihre Argumente, eine Entscheidung lässt sich nicht mit einem Federstrich hinwerfen, und vielleicht wäre sie in den Vereinigten Staaten mit ihrer langen Tradition von white supremacy und der Marginalisierung der übrigen Bevölkerungsgruppen noch einmal anders zu treffen als sie hierzulande zu treffen wäre. Es ist aber leicht zu sehen, dass das Paritätsgesetz in jedem Fall in die Welt des Gruppen-Denkens gehört, von dem man ohnehin den Eindruck hat, dass es sich in der gesellschaftlichen Wirklichkeit auch bei uns mehr und mehr durchsetzt. Die Folge ist ein grundlegend veränderter Blick auf Politik, die zunehmend ebenfalls von einem Gruppen-Standpunkt, wir können auch sagen: von einem prinzipiellen Klientelismus aus, beurteilt wird; man fragt sich deshalb immer weniger, ob man sie als ein gedachter Teil der Allgemeinheit billigen könnte, sondern was dabei für die Gruppe, der man selber angehört, unter dem Strich herauskommt. Das ist bei den Geschlechtern prinzipiell nicht anders als bei den Dieselfahrern. Dass das Paritätsgesetz zusätzlich für einen solchen Blödsinn wie die Kandidatur einer reinen Männerpartei eine Ausnahme macht, passt so gesehen nur ins Bild. Und natürlich liegt es in der Logik dieses Denkens, dass sich im nächsten Schritt die Frage aufdrängt, warum unter allen Gruppen, die in den Parlamenten traditionell und im Grunde überall da, wo es Parlamente gibt, unterrepräsentiert sind (die Arbeiter, die Jungen, die Behinderten, die Unterschicht etc.), nun gerade die Frauen exakt so vertreten sein sollen, wie es ihrem Anteil an der Gesamtbevölkerung entspricht; auch dafür habe ich noch nirgends eine überzeugende Begründung gelesen.
Bedeutet das alles nun, dass das Paritätsgesetz verfassungswidrig ist? Mitnichten – wer es gegen diesen Vorwurf verteidigen will, mag das weiter tun, und ich würde auch keine Wetten darauf eingehen wollen, wie das brandenburgische Verfassungsgericht den Fall entscheiden wird; gut möglich, dass es das Gesetz am Ende durchwinkt. Es bedeutet nur, dass man dieses Gesetz im Lichte von verfassungsrechtlichen Leitvorstellungen, die in unserem Denken über demokratische Repräsentation bisher wirksam waren und vielleicht auch ihren guten Sinn ergaben, berechtigterweise kritisieren kann. Auch diese lassen sich natürlich verschieben, und natürlich man kann das alles auch genau so wollen. Man muss sich nur überlegen, was man damit aufgibt und was man sich auf der anderen Seite einhandelt, wenn man es aufgibt. Und es sind gerade diese prinzipiellen Überlegungen, die dem Fall die Dimension geben, die ihn weit über das Lokale erheben. Möglicherweise werden deshalb nun andere deutsche Landtage dem Beispiel des brandenburgischen folgen, die Versuchung ist einfach zu verlockend. Möglicherweise tun sie es nicht, und man hört man dann wieder für lange Zeit nichts von ihnen.
In diesem Fall wäre das vielleicht nicht das schlechteste.
Fazit: es besteht verfassungsrechtlicher Diskussionsbedarf.
Und diese Diskussion sollte auch im Lichte der Meinumgsfreiheit Art. 5 GG sachlich stattfinden.
Zum Demokratieprinzip sei nur angemerkt: es geht um ein Gesetz in Brandenburg.
Bisher galt doch, dass der Abgeordnete als Mensch – unabhängig vom Geschlecht – Vertreter des Volkes (des Menschen) war und ihn seine Eigenschaft als Mensch dazu befähigte, demokratiekonforme und menschenrechtskonforme Entscheidungen für den Menschen zu treffen. Wenn nur die Kombination von Mann und Frau zu demokratie- und menschenrechtskonformen Entscheidungen befähigt, muss dem konkreten Menschen wegen seines Geschlechtes die Fähigkeit für diese Entscheidungen fehlen. Hebt nur die Kombination den Mangel (Eigenschaft) ihrer Teile auf, müssen die Eigenschaften der Teile zudem unterschiedlich sein. Das Paritätsgesetz hat also zur Grundlage, dass sowohl Mann und Frau von Natur aus wegen ihres Geschlechts Feinde der Demokratie sind, und dass sie dies von Natur aus auf Grund ihres Geschlechts auf unterschiedliche Weise sind. Das Paritätsgesetz fußt also auf einer prinzipiellen Ungleichheit von Mann und Frau vor dem Gesetz.
Der Grund dafür, warum ausgerechnet Frauen gleichberechtigt im Parlament vertreten sein sollten, ist dann vielleicht doch in der Verfassung zu suchen – nicht in dem Sinne, dass ein Parité-Gesetz zwingend wäre, sondern derart, dass die Verfassung eine Grundentscheidung enthält für die Gleichberechtigung von Frauen und Männern, was sie unterscheidet von der Verfolgung aller möglichen anderen Partikularinteressen und Identitäten – sicherlich jedenfalls von der als Dieselfahrer*innen.
Verfassungsrechtlich ist die Lage klar. Verfassungpolitisch kann man – auch unter Art 5 GG ;) – immer diskutieren. So wie in diesem Text.
Und ansonsten: soweit ich die Rechtsprechung im Kopf habe gilt in Deutschland ein einheitliches Demokratieprinzip und die Wahlrechtsgrundsätze aus Art.38 GG gelten auch in Brandenburg.
@ Monika Ende, rls: Man könnte auch noch auf Art. 28 I 2 GG verweisen … Aber in der Sache ging es mir in erster Linie um die Hintergrundvorstellungen, die wir mit verfassungsrechtlichen Prinzipien verbinden und mindestens implizit auch ihre Anwendung anleiten, und das sind in Brandenburg dann doch dieselben wie im Rest der Republik.
@ Anna v. Notz: Wenn wir in den Kategorien verfassungsmäßig/verfassungswidrig argumentieren, haben Sie recht, da ist das sicher der Punkt, an dem es letztlich hängen wird; und hier finde ich auch, dass man es sich zu leicht macht, wenn man den Gleichberechtigungsauftrag einfach mit dem systematischen Argument beiseiteschiebt. Aber in dem betreffenden Abschnitt ging es mir um die Suche nach dem Grund dahinter, also um das, was die Auszeichnung der Frauen gegenüber allen ebenfalls historisch wie tatsächlich im Parlament unterrepräsentierten Gruppen auch sachlich-inhaltlich rechtfertigen könnte. Und da erscheint mir in der Tat alles, was ich dazu bisher gelesen haben, konstruiert und herbeigezwungen.
Wieso wird denn das Geschlecht als partikulare Identität mit Diesel-Fahrern verglichen? Ist nicht gerade der wichtige Unterschied jener, dass man sich sein Geschlecht eben nicht aussuchen kann?
Ein super Text, vielen Dank, Herr Volkmann. Den Streit ums Paritätsgesetz mit den Diskussionen über Identitätspolitik zusammenzubringen, trifft den Kern des Problems. Aber ich würde die Frage, die sich daraus ergibt, anders formulieren: Wie lässt sich das Ideal von Politik, die um das gemeinsame Gute und Richtige ringt, aufrechterhalten – und dabei die Orientierung dieses Guten und Richtigen verschieben, um repräsentativer zu werden? Insofern geht also nicht um Universalismus versus Gruppenidentitäten bzw. -interessen, sondern darum, den Diskurs ums Universelle tatsächlich universeller zu machen. Dabei dürfte die Wahrnehmung von Frauen und Minderheiten eine Rolle spielen, dass nicht nur überproportional viele ältere Männer ohne Migrationserfahrung in den Parlamenten sitzen, sondern dass was als Interesse des Bürgers wahrgenommen wird, an einer dominanten Bevölkerungsgruppe orientiert ist. Natürlich sind Frauen nur eine Gruppe, deren Wahrnehmung im Blick auf das Allgemeine gestärkt werden muss. Den Streit ums Allgemeine universeller zu machen ist schwierig und ich halte Maßnahmen wie das Paritätsgesetz für Medikation, die unzureichend ist, die man sehr vorsichtig dosieren muss, aber die, vorsichtig dosiert, besser ist als darauf zu hoffen, dass irgendwann schon alles von selbst besser werden wird.
Sorry, ich habe mich unklar ausgedrückt.
Ich meinte nicht, dies sei eine landesrechtliche Besonderheit Brandenburgs.
Ich wollte sagen, es geht um ein Gesetz und dieses hat in der Demokratie einen hohen Stellenwert.
Es kann sich nicht einfach über die Entscheidung des Gesetzgebers hinweggesetzt werden. Daher auch die Möglichkeit der verfassungskomformen Auslegung, bevor ein Hesetz für nichtig erklärt wird.
Und mir ist die Verfassungsfrage nicht klar, wenn man Parität von der Gleichstellung der Geschlechter her weiter in andere Gruppen denkt.
Vielleicht berührt das wirklich die Verfassungsidentität unseres parlamentarischen Repräsentationsverdtändnisses wie wir es bisher kennen.
Ich denke, die Antwort ist klar, soweit es um den Bereich des Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG geht.
Sie ist völlig offen, weil neu, soweit es eine Umgestaltung des Parlamentes in Gruppen Repräsentation betrifft.
Mit Blick auf das streitige Thema Parität die Funktion und Funktionsweise der demokratischen Repräsentation zu befragen, ist wichtig. Dass die repräsentative Demokratie auf einer Abstraktion von sozialen Identitäten und gesellschaftlichen Verhältnissen basiert, zeigt sich dabei als ihre Stärke UND als ihre Schwäche. Es soll und kann die Verallgemeinerungsleistung der legislativen Willensbildung befördern. Aber die repräsentative Form verlängert eben auch gesellschaftliche Machtstrukturen in das Parlament hinein. Das Wahlrecht ist vor diesem Hintergrund ein wichtiges Instrumentarium, um politische und soziale Gerechtigkeit zu befördern. Zum Spielraum, den das Verfassungsrecht dem Wahlgesetzgeber lässt: Das Grundgesetz kennt nahezu keine absoluten Rechte. Es kennt jedenfalls keine absolute Gleichheit und keine absolute Freiheit. Sondern es eröffnet Abwägungen und also Relativierungen. Das gilt nicht nur für die Grundrechte als Abwehrrechte, sondern auch für die politischen Rechte. Also lässt sich auch die Chancengleichheit und innere Willensbildungsfreiheit der Parteien zugunsten anderer Verfassungsgüter regulieren. Die Parteien sind nach dem Grundgesetz keine Form der privaten Selbstorganisation, sondern mit öffentlichen Funktionen ausgestattet und ausweislich Art. 21 GG einem öffentlichen Regulierungsanspruch unterworfen. Daraus folgt: Die Wahl der Bürger ist immer bereits vorgeformt und beschränkt auf die regulierungskonform aufgestellten Kandidaten – oder auch auf die Kandidaten nicht verbotener Parteien. Das demokratische Wählen ist eine rechtlich vermittelte, rechtlich ermöglichte und damit rechtlich vorgefasste und vorgeformte Freiheit. Ein Aspekt dieser rechtlichen Fassung der demokratischen Wahl ist, dass – gerade im Hinblick auf den Gleichberechtigungs- und Gleichstellungsauftrag des Grundgesetzes der Gesetzgeber Spielräume dafür hat, daran zu arbeiten, dass die parlamentarische Willensbildung Verallgemeinerung leistet und den demokratischen Verallgemeinerungsanspruch verwirklicht – also das, was Dana Schmalz treffend die Unversalisierung des Streits um das Universelle genannt hat.
@ Dana Schmalz/Jelena von Achenbach: Vielen Dank, das sind beides hörenswerte und sehr kluge Argumente! Vielleicht nur vorab, zu Jelena von Achenbach: Den verfassungsrechtlichen Spielraum für den Gesetzgeber sehe ich, und letztlich wollte ich meinen Beitrag als Plädoyer dafür verstanden wissen, die Diskussion nicht vorschnell mit dem Verdikt zu beenden, dies oder das sei sowieso verfassungswidrig, deshalb müsse man über die Sache selbst gar nicht mehr reden. Andererseits: Sicher ist die Wahlfreiheit notwendig eine rechtlich vermittelte und deshalb immer auch über Recht vorgesteuerte Freiheit, das steht ja oben in dem Text auch genauso drin. Die Frage ist aber doch, wie weit diese Vorsteuerung gehen darf, ohne dass es irgendwann mal unter demokratischen Gesichtspunkten dubios wird. Und eine Vorabfestlegung der zu wählenden Personen nach ihrer Zugehörigkeit zu einer bestimmten Gruppe sowie des gesamten Parlaments auf seine gruppenmäßige Zusammensetzung ist dann vielleicht doch noch einmal etwas anderes als der ausnahmsweise Ausschluss einzelner Kandidaten von verbotenen Parteien (zu dem es, soviel wird man ja sagen können, in der Bundesrepublik mit einiger Sicherheit sowieso nie mehr kommen wird).
Im Ergebnis hängt dann m.E. alles davon ab, wie frei und selbstbestimmt wir uns den demokratischen Prozess – bei allen kontrafaktischen Unterstellungen, die hier wirksam sind – insgesamt vorstellen wollen. Meine Antwort wäre: eher ziemlich frei. Eure/Ihre Antwort ist: eher weniger frei und jedenfalls offen für die Regulierung zur Erreichung vorab bestimmter Ziele. Darin schlösse sich allerdings die weitere Frage an, ob die Sicherstellung der tatsächlichen Repräsentativität einer Bevölkerung (bzw. in Ihren Worten, Frau Schmalz: Universalität) ein sinnvolles Ziel in diesem Sinne ist. Im Ausgangspunkt wird das sicher niemand bestreiten wollen; deshalb sind etwa Praktiken wie das gerrymandering dubios und ist das Wahlrecht grundsätzlich so auszugestalten, dass prinzipiell alle gleichen Zugang haben. Aber in der Leitvorstellung des Paritätsgesetzes geht es darum, Repräsentativität nicht nur auf der Ebene der Teilnahmebedingungen am demokratischen Prozess sicherzustellen, sondern darüber hinaus auch auf der seines möglichen Ergebnisses. Repräsentativität ist dann nicht mehr das jeweilige Resultat autonomer bürgerschaftlicher Entscheidungen, sondern sie erscheint als etwas vorab zu Bewirkendes und durch vorbeugende gesetzliche Regelung Sicherzustellendes. Und das finde ich irgendwie beunruhigend.
Im Übrigen scheint mir auch die Verwendung des Universalitätsbegriffs problematisch, so klug er auch gewählt ist: Gegen Universalität kann ja an sich wirklich niemand etwas haben. Er passt aber nicht, wenn es lediglich um die Beteiligung einer bestimmten Gruppe vor allen anderen geht; das ist für mein Empfinden eben gerade nicht „universal“, sondern zeichnet unter allen Gruppen, die man unter den derzeitigen gesellschaftlichen Bedingungen für strukturell benachteiligt hält, eine bestimmte Gruppe als in diesem Sinne besonderer Förderung bedürftig aus. Ist das nicht doch eine zuletzt auch machtpolitische Entscheidung? Den anderen, etwa denen mit Migrationserfahrung, die Sie, Frau Schmalz, ausdrücklich ansprechen, signalisiert es ja, dass ihre Bedürfnisse nach Repräsentation und ihre Anliegen im Zweifel weniger wichtig sind. Und es hebt unter allen Identitäten, die wir als Menschen haben, die geschlechtliche auf eine Weise in den Vordergrund, die mich auch von der anderen Seite, nämlich der als Wähler, stört: Wenn ich zurückblicke, wie ich meine Wahlentscheidungen bisher getroffen habe, war meine Identität als Mann eigentlich immer die unwichtigste. Stattdessen ging es eigentlich immer nur darum, meine verschiedenen „Präferenzpakete“ (G. Lübbe-Wolff) so zu aggregieren, dass am Ende eine notwendig kompromisshafte Wahlentscheidung möglich war. Statt die Differenz der Geschlechter auf diese Weise besonders hervorzuheben, schiene es mir deshalb sinnvoller, dafür zu sorgen, dass sie künftig in der Politik wie auch in anderen gesellschaftlichen Lebensbereichen immer weniger eine Rolle spielt. Wäre das nicht Universalität?
Lieber Uwe, danke für die Antwort! Eine demokratietheoretisch wie -praktisch höchst spannende Debatte – in der wir in der Tat viele Ansichten teilen. Es bleibt mir aber die Frage, wie es zu erreichen ist, dass das Geschlecht in Politik und Recht immer weniger eine Rolle spiele – was wohl umfassen muss, dass strukturelle Nachteile und Benachteiligungen beseitigt werden. Die Parität im Parlament kann doch eben ein wichtiger Beitrag dazu sein. Sie kann dazu beitragen, dass es im Parlament tatsächlich “nur noch” um Politik geht: weil beide Geschlechter dieselbe Repräsentanz im politischen Prozess haben. Formal betrachtet, kann man doch sagen, dass die Parität die Unterscheidung Mann/Frau im Prozess arithmetisch “cancelt” und als (impliziten) Machtfaktor irrelevant macht. Diese Form von Gleichheit, die einen strukturelle Disbalance beseitigt, schafft ein “level playing field” für die Politik als Auseinandersetzung um das allgemeine Wohl. Ich befürworte die Idee der Parität also nicht aufgrund eines substantiellen Repräsentationsbegriffs. Das Ziel, dass Recht und Gesellschaft “gender blind” werden und das Geschlecht keine Rolle mehr spielt, kann nach meinem Dafürhalten kaum rechtfertigen, dass der status quo erhalten bleibt, in dem Frauen, die nach dem Grundgesetz ausdrücklich gleichgestellt werden sollen, politisch erheblich unterrepräsentiert sind. Warum ein Repräsentationsprivileg für die Frauen, aber nicht für andere soziale Gruppen? Ich glaube, das lässt sich zunächst damit rechtfertigen, dass die Unterscheidung Mann/Frau ein soziales Merkmal ist, das quer durch Klassen, Herkunft, Bildung und sonstige Gruppenmerkmale verläuft und darin eine die Gesellschaft durchdringende Diskriminierungshistorie hat. Es ist zudem “intersektional” mit vielen anderen Diskriminierungsgründen. Auf die durchdringende Bedeutung der Unterscheidung Mann/Frau und die damit verknüpfte Ungleichheitshistorie reagiert eben auch Art. 3 Abs. 2 S. 2 mit einem Gleichstellungsauftrag, der an das Geschlecht anknüpft.
@Uwe Volkmann: Danke sehr, ganz einverstanden mit den Unterscheidungen, die Sie machen, und wir liegen im Ergebnis, glaube ich, nicht so weit auseinander. Ich teile die Skepsis gegenüber zu rigiden Vorgaben, aber es geht um das Maß (nicht das ob) der Gestaltung – und es ist wichtig, wie wir diese Gestaltungsaufgabe beschreiben. Ich würde trennen zwischen Universalität als Ziel und Repräsentativität hinsichtlich gesellschaftlicher Gruppen als Indikator und (Steuerung diesbezüglich) als Mittel.
Mehr Repräsentativität kann zu Universalität beitragen, weil ein vielfältiger Erfahrungsschatz im Parlament hilft, im Streit um das Gemeinsame blinde Flecken zu vermeiden. Es gibt natürlich Themen, bei denen fehlende Perspektiven im Parlament besonders schwer wiegen, beispielsweise wenn es um Regulierung weiblicher Körper oder Kopfbedeckungen geht. Aber davon ganz abgesehen geht es um Vielfalt, die in allen Bereichen hilft, Entscheidungen klüger und gerechter zu machen. Jelena von Achenbach bringt gut auf den Punkt, weshalb Geschlecht dabei ein schlüssiger Ansatzpunkt ist, vor allem aber nicht in Konkurrenz mit anderen Faktoren von Vielfalt steht, sondern sich mit ihnen überschneidet.
Universalität als Ziel ist meiner Meinung nach nicht „vorab bestimmt“ im Sinne von dem demokratischen Prozess entzogen, sondern ist dem Prinzip von Demokratie eingeschrieben. Es geht um gleiche Anerkennung als Verschiedene und die Ausrichtung von Politik an dieser Gleichheit der Verschiedenen. Darüber kann man natürlich streiten, aber ich finde Ihren Beitrag gerade deshalb wertvoll, weil er die Idee des Gemeinwohls und des Allgemeinen als Gegenstand von Politik hervorhebt.
Wenn ich Vorschläge fürs Allgemeine formuliere, tue ich das dennoch als Frau – darin liegt kein Gegensatz. Geschlecht ist nicht Gegenstand meines Präferenzpakets, sondern ich schnüre dieses Paket als Mensch mit spezifischen Erfahrungen. In einer Gesellschaft mit weniger Diskriminierung wären Vorgaben zur Repräsentativität nicht notwendig; aber nicht, weil Vielfalt dann ohne Bedeutung für demokratische Entscheidungen wäre, sondern weil Parlamente auch ohne Regulierung bunter wären.
So weit ist die Frage nach dem Sinn und Ziel gar nicht von der verfassungsrechtlichen Einschätzung entfernt – die Auslegung und Gewichtung von Staatszielen, Grundrechten und anderen Prinzipien hängt schließlich in erheblichem Maß vom Wertesystem ab, das man dabei zugrundelegt. Eine gute Ergänzung liefert dieser Artikel gerade deswegen, weil er über die einzelnen Wahlrechts- und Verfassungsregelungen hinaus so etwas wie das große Ganze ins Auge fasst.
Was zum Beispiel hebt das Geschlecht aus all den anderen Kriterien hervor, die eine ideale Spiegelbildlichkeit ausmachen würden?
Als das Grundgesetz geschrieben wurde, hatte Art. 3 Abs. 2 sicherlich eine entscheidende Bedeutung als unmissverständliches Verbot für den Staat, Frauen und Männer etwa bloßer Tradition wegen, jedenfalls ohne einen sachlich zwingenden Grund, unterschiedlich zu behandeln. Konsequenterweise wurden in den folgenden Jahrzenten zahlreiche gesetzliche Ungleichbehandlungen aufgehoben. (Ich bin nicht sicher, ob diese Vorschrift zur Gleichberechtigung heute noch eine über das allgemeine Gleichbehandlungsgebot und Benachteiligungsverbot der übrigen Absätze hinausgehende Bedeutung hat.)
Weniger eindeutig ist die Lage beim 1994 angefügten Satz, denn zu diesem Zeitpunkt war längst anerkannt, dass sich Chancengleichheit nicht auf eine formell gleiche Formulierung der Gesetze und nicht auf den staatlichen Raum beschränken kann. Satz 2 kann insofern am besten in Zusammenhang mit Art. 20a betrachtet werden: Beide legen wünschenswerte Aufgaben bloß als Staatsziele fest, die nicht in Form individueller Rechte einklagbar sind und für die parlamentarische Arbeit hauptsächlich programmatische Bedeutung haben. Durch sie können sich vielleicht marginale Veränderungen in der Interpretation und Abwägung, aber keine wesentlichen Modifikationen oder Einschränkungen der bestehenden Grundrechte ergeben – zumal die Gleichberechtigung selbst ja schon vorgeschrieben war. (Bemerkenswert ist an dieser Stelle, dass die Wehrpflicht in Art. 20a bis heute nicht gleichberechtigt geregelt ist; aus aktuellem Anlass ist auch noch hinzuzufügen, dass die Bundeswehr sogar bei den Frisuren zwischen Männern und Frauen unterscheidet, ohne Rechtsgrundlage und insbesondere ohne dass irgendeine sachliche Rechtfertigung dafür ersichtlich oder überhaupt nur denkbar wäre.)
Ein anderer Kritikpunkt im Artikel lässt sich wohl etwas schneller und einfacher erfassen: In einer Demokratie sollte ein gewähltes Parlament keinen wesentlichen Einfluss auf das Ergebnis der nächsten Wahlen, also insbesondere auf die Zusammensetzung des folgenden Parlamentes ausüben. Gerade deswegen wird ein “Herumschrauben am Wahlrecht” hierzulande normalerweise zu Recht vermieden. In den Vereinigten Staaten hat der Supreme Court bekanntermaßen das Gerrymandering gebilligt, bei dem sich eine Parlamentsmehrheit durch geeigneten Zuschnitt der Wahlkreise für lange Zeit verfestigen kann. Ähnlich könnte man auch das brandenburgische Paritätsgesetz sehen: Politikerinnen und ihre männlichen Unterstützer unternehmen es, den politisch aktiven Frauen (einer Minderheit in den Parteien) einen möglicherweise dauerhaften gesetzlichen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Mit der aktuellen Neigung zur Identitätspolitik begeben sich linke Parteien aus meiner Sicht auf einen Irrweg: Die Betrachtung von immer mehr Klassen an tatsächlich oder vermeintlich gesellschaftlich bevorzugten und benachteiligten Gruppen (Intersektionalität) kann und darf die individuelle Beurteilung des einzelnen Menschen nicht ersetzen. Ein geringerer Anteil einer bestimmten Gruppe in Machtpositionen ist kein Beweis für Diskriminierung, und schon gar nicht belegt ein höherer Anteil, dass Angehörige der Gruppe deswegen per se privilegiert wären.
Sehr oft existieren die betrachteten Gruppen sogar nur in der Vorstellung ihrer Betrachter: Eine Gruppe aller Männer etwa gibt es sicherlich nicht. Sofern es irgendwelche “dominanten Bevölkerungsgruppe[n]” gibt und gegeben hat, wie Frau Schmalz in ihrem Kommentar meint, handelt es sich um Minderheiten wie den Adel, die wohlhabenderen Schichten der Gesellschaft oder das Bildungsbürgertum, aber sicher nicht um *die Männer*.
Zurück zur Frage, was das Geschlecht unter allen Kategorien auszeichnet: Ich denke, dass diese Kategorie so bedeutend ist, weil Männer und Frauen sich aus gesellschaftlicher Sicht wesentlich unterscheiden. Dieser Unterschied (mit körperlichen Grundlagen) ist von so fundamentaler Bedeutung, dass die Gesellschaft nie “gender blind” war und es auch nicht vollständig werden kann. Eine Gesellschaftsstruktur, die Armut und Reichtum abschafft und die Bedeutung der familiären Herkunft nivelliert, kann ich mir zumindest vorstellen, eine geschlechterblinde Gesellschaft dagegen nicht.
Ich denke, in der weiteren Diskussion ist die Differenzierung von Gleichstellungsauftrag Art. 3 Abs. 2 Satz 2 GG auch für den Beruf Parlamentarier*in und die Frage, ob Frauen hier als Gruppe gefördert werden, deutlich zum Ausdruck gekommen.
Ebenso wie es der Gruppenaspekt ist, der weiterer Diskussion bedarf und ein neues Verständnis von Gruppenrepräsentation in der Demokratie widerspiegelt.
@ Uwe Volkmann Mit Art. 28 GG wird zudem die europarechtliche Dimension eröffnet.
Mit der Wahl Ursula von der Leyen zur Kommissionspräsidentin hat nun die politische Parität die europarechtliche Ebene erreicht.
Die nationale,deutsche Diskussion wird in diesem Licht zu sehen sein.