Ökonomen warnen vor dem nächsten Banken-Bailout, und keiner hört zu
Öffentliche Anhörungen in den Ausschüssen des Bundestages sind dazu da, den Abgeordneten und der Öffentlichkeit das Expertenwissen zu aktuellen Gesetzgebungsfragen zugänglich zu machen. Die Öffentlichkeit nimmt von diesen Befragungsritualen nur selten Notiz – aber für die Parlamentarier müsste es von hohem Interesse sein, zu erfahren, ob ihre Pläne der Kritik der Experten standhalten oder nicht. Sollte man meinen.
Die Wirklichkeit in Zeiten der Großen Koalition ließ sich letzte Woche bei den Anhörungen des Finanz- und Haushaltsausschusses zum Thema Bankenunion und ESM studieren. Viele Detailfragen wurden lebhaft diskutiert. So wollte die SPD die hinreichende Beteiligung des Bundestages bestätigt wissen und die LINKE entpuppte sich als Protektor der Sparkassen. Aber das eigentliche Ziels des Ganzen, nämlich nie wieder große Banken mit den Geldern des Steuerzahlers retten zu müssen, blieb bemerkenswert unterbelichtet – und das, obwohl es nicht an Ökonomen mangelte, die die Eignung der Regierungspläne dazu grundlegend in Frage stellten.
Ab November tritt die Bankenunion in Kraft. Diese besteht aus drei Säulen. Die Grundlage bildet die einheitliche Regulierung der Banken nach dem „single rulebook“ und enthält Regelungen über das von den Banken zu haltende Eigenkapital (Basel III, CRD IV) und ein einheitliches Verfahren, in dem Banken, deren unkontrollierter Zusammenbruch das gesamte Wirtschaftssystem mit sich reißen würde, kontrolliert zu sanieren und abzuwickeln. Die Aufsicht über die 120 „bedeutendsten“, dh. größten, finanzstärksten und am meisten am globalen Kapitalmarkt verflochtenen Banken übernimmt am 4. November der Single Supervisory Mechanism der Europäischen Zentralbank (EZB), unter der Leitung der französischen Zentralbankerin Danièle Nouy. Diese Banken sollen in zukünftigen Krisen einheitlich und durch Single Resolution Mechanisms der EZB abgewickelt werden.
Das neue System zur Abwicklung und Sanierung von Banken wirkt zunächst geschickt. Zukünftig soll die Abwicklung der Bank nach detailreichen Bankentestamenten erfolgen, in welchen die Banken den Krisenfall schon im Vorfeld planen. Für diesen ist dann eine sog. Haftungskaskade vorgesehen. Hierbei haften zunächst die Gläubiger und Investoren, dann der neue Abwicklungsfonds (der nun auf europäische Ebene erhoben wird) und nur zu allerletzt die öffentliche Hand bzw. der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM). Aber auch die besten Ideen können an der Realität, d.h. an der Funktionsfähigkeit der Konstruktion und an den Zahlen, scheitern.
So irritiert den Finanzwissenschafler Rudolf Hickel (Universität Bremen) die „Selbstgewissheit, mit der hier über ein funktionsfähiges System gesprochen wird“ und das Gutachten von Martin Hellwig (Max Planck, Collective Goods) empfindet es als „weltfremd“ zu glauben, dass Vertrauen und freiwillige Koordination auch dort wirken, wo es ans Eingemachte geht: „Das gesamte Gesetzgebungsverfahren geht davon aus, dass man ohne einen Rückhalt durch den Steuerzahler auskommt. Das halte ich für eine gefährliche Illusion.“
Die zuerst genannten Bankentestamente werden nach dem Gutachten von Martin Götz (Goethe Universität, Frankfurt am Main) nicht nur dazu dienen Fragen der Privathaftung zu klären, sondern auch „gute Anreize zur Selbstregulierung setzen“. In diesem Gutachten werden die Regelungen als „konsequent und marktnah“ bezeichnet. Aber wie viel Marktnähe, wie viel Vertrauen in Finanzinstitute und in den Finanzmarkt ist nach einer Krise wie der letzten noch gesund? So erläutert Martin Hellwig, dass die Behörden weiterhin keinen Überblick über die zahlreichen unabhängigen Tochtergesellschaften, IT und Cash Management Systeme der großen Banken hätten. Dieses sind Verflechtungen, welche sich über verschiedene Jurisdiktionen verstreuen und eine effektive Abwicklung nahezu unmöglich machen. Bei Nachfragen in den Finanzinstituten folge dann laut Hellwig die logisch konsequente Antwort: „Das steht in unserem Bankentestament“ (welches nicht öffentlich zugänglich ist). Marktnähe nennt man das also – das Vertrauen, dass diejenigen, deren Fehlverhalten man unter Kontrolle bringen will, schon das Richtige tun werden.
Aber auch die sog. Haftungskaskade hat ihre Tücken. Es sind nämlich zahlreiche Ausnahmen der Gläubigerhaftung vorgesehen. Diese reichen von geschützten Einlagen über gesicherte Verbindlichkeiten und Derivate bis hin zu Interbankenkrediten und ad – hoc – Ausnahmen, um Systemrisiken zu vermeiden. Aber auch vom Volumen her lässt diese Konstruktion viel zu wünschen übrig: „Ein Restrukturierungsfonds mit 55 Milliarden Euro an Mitteln ist nicht in der Lage, glaubwürdige Garantien für eine Bank wie die Commerzbank mit kurzfristigen Schulden im mittleren dreistelligen Milliardenbereich abzugeben, ganz zu schweigen von BNP Paribas oder der Deutschen Bank mit Verbindlichkeiten im vierstelligen Milliardenbereich.“ (Gutachten Hellwig)
Falls das alles nicht funktionieren sollte, die ganz großen Banken doch gerettet werden müssen und die Mitgliedsstaaten wieder nicht finanzstark genug sein sollten, um dies zu gewährleisten – wird nun auch der Europäische Stabilitätsmechanismus (ESM) erweitert. Der ESM ist in Zukunft nicht mehr auf die Rettung illiquider oder insolventer Staaten beschränkt, sondern soll auch der direkten Rekapitalisierung maroder Banken dienen.
Die direkte Rekapitalisierung von Banken war im ursprünglichen Mechanismus nicht enthalten und lässt sich, wie ich finde, auch nicht direkt aus Art. 19 ESMV (Fortentwicklung der Instrumente des ESM) herauslesen. Obwohl dies bei der Rettung der spanischen Banken noch nicht zum Ausdruck kam, wird die direkte Rekapitalisierung der Banken allerdings nunmehr als die Verwirklichung des eigentlichen Ziels des ESM behandelt – nämlich die tödliche Verquickung zwischen Staaten und Banken aufzuheben.
Aus den BVerfG-Urteilen zum ESM-Vertrag und zum OMT lässt sich allerdings neben der Bedingung der Parlamentsbeteiligung auch die Bedingung der sog. „Konditionalität“ ableiten. Bevor der ESM Mittel vergibt, müssen die betroffenen Mitgliedstaaten sich auf bestimmte Sparmaßnahmen verpflichten (Memorandi of Understanding, MoU) und so unter Aufsicht der Kommission, der EZB und des IMF wieder auf den richtigen Pfad gelenkt werden. Auch wenn diese Mittel nun direkt an die Banken fließen, wird von diesen MoU nicht abgesehen werden können. Insoweit bleibt es also bei der Verknüpfung von Staaten und Banken. Ob ferner dieser Rettungsschirm im Bankensektor Fehlanreize auslösen wird, und ob es diesen moral hazard, von dem alle seit 2008 sprechen, wirklich gibt, scheint nunmehr eine ökonomische Glaubensfrage zu sein.
Rechtliche und ordnungspolitische Zweifel hin oder her: Würden die ESM-Mittel im Zweifel genügen, um die großen Banken zu stützen? Das Gutachten Hellwigs verneint dies: „Zahlen im drei- oder vierstelligen Milliardenbereich würden die Diskussion über die Finanzierung des ESM, einschließlich des Zugangs zur Zentralbank, neu eröffnen; dann müsste wohl auch neu über die adäquaten Steuerungsmechanismen für diese Institution nachgedacht werden müssen. Dass man die Probleme übergeht, heißt aber nicht, dass es sie nicht gibt. Diese Auslassung wird sich irgendwann bemerkbar machen, und man wird erneut in einer Nacht-und-Nebel-Aktion die Regeln ändern müssen.“
doch, es hört schon jemand zu! nur, einem Normalo glaubt man nichts. seit Juli 2007 bis heute brachten tausdende Berichte von mir nichts, obwohl alles der Reihe nach eintraf. man muß kein Ökonom sein um erkennen zu können dass dieses Finanzsystem unrettbar verloren ist. wovon keiner redet (ist wohl verboten), dass die Retterei den gesamt BIP am Retten ist. also Banken, Länder, Firmen Städte usw. weil der BIP in der EU bereits bei 450% liegt mit 55 Billionen! darüberhinaus wird schon herumgerettet beim Derivatemarkt, der bei über 1 BILLIARDE liegt. da nichts mehr zu Retten geht, eilt es wieder mit der Kriegerei. sie werden uns alles nehmen und in den Krieg schicken.