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13 January 2022

Open Call: Der Auftrag der Bundesbeauftragten

39 Bundes-, Sonder- und persönliche Beauftragte und Koordinator_innen der Bundesregierung bzw. Bundeskanzlerin gab es laut Auskunft des Bundesinnenministeriums im August 2021, und von den allermeisten davon hört man in der Öffentlichkeit nur selten. Die Liste reicht von der Drogenbeauftragten und der Beauftragte für Migration, Flüchtlinge und Integration über den Koordinator für die maritime Wirtschaft bis zum persönlichen Afrikabeauftragten der Bundeskanzlerin. Ihre Rechtsgrundlagen sind ebenso divers wie ihr Aufgabenzuschnitt. Wo es welche Beauftragungen gibt, wofür, mit welcher Ausstattung und mit welchem Einfluss, lässt sich nur schwer auf einen konzisen Begriff bringen. Das, so scheint es, ist auch nicht weiter notwendig: Sie agieren zwar im Auftrag der Regierung, aber sie regieren nicht. Sie koordinieren, sind Ansprechpartner, schreiben Berichte und organisieren Begegnungen, aber sie fällen keine kollektiv verbindlichen Entscheidungen, verwalten keine großen Budgets, exekutieren keine Gesetze und greifen in keine Grundrechte ein.

Kann man diese Beauftragten somit als verfassungsrechtliches Nullum behandeln? Das erscheint zunehmend zweifelhaft. Die Notwendigkeit, Stellung und Handlungsspielräume von Regierungsbeauftragten verfassungsrechtlich auszuloten zeigte sich am Beispiel der jüngsten Diskussionen um den „Beauftragten der Bundesregierung für jüdisches Leben und den Kampf gegen den Antisemitismus“. Das Amt geht auf den fraktionsübergreifenden Beschluss des Deutschen Bundestags unter dem Titel „Antisemitismus entschlossen bekämpfen“ vom 17. Januar 2018 zurück. Diese Resolution, die das Amtsverständnis seines letzten Inhabers Felix Klein prägt, hat zwar ihrerseits keine Recht setzende, aber doch jedenfalls eine eminent politische Wirkung. Klein selbst bezeichnete den Vorwurf des Antisemitismus als „scharfes Schwert“ im öffentlichen Diskurs und wurde zugleich selbst Gegenstand von heftiger Kritik und Diskussionen, etwa in den Debatten um den Postkolonialismus-Theoretiker Achille Mbembe und die „Initiative GG 5.3 Weltoffenheit“.

Wie verhalten sich Verdikte eines Regierungsbeauftragten zu der Meinungs-, Presse-, Rundfunk-, Wissenschafts- und Kunstfreiheit derjenigen, die – im Auftrag der Bundesregierung? – als Verbreiter, Unterstützer oder Sympathisanten von Antisemitismus markiert und bekämpft werden? Wo verlaufen die verfassungsrechtlichen Grenzen eines Amts, das sich nominell auf Sensibilisierung der Gesellschaft, Öffentlichkeitsarbeit, politische und kulturelle Bildung und Diskursteilnahme beschränkt, aber gerade dadurch womöglich die Unterscheidung zwischen Grundrechtsberechtigten und -verpflichteten zu verwischen droht?

Dazu kommen weitere Fragen, die nach der Bildung der neuen Bundesregierung an Aktualität gewinnen: Wie viel Ressortverantwortung trägt der Bundesminister des Inneren, in dessen Haus der Antisemitismusbeauftragte bisher angesiedelt war, für dessen Wirken – und mit welchen Konsequenzen? Die Ampel-Koalition hat vereinbart, das Amt der Antisemitismusbeauftragten „strukturell (zu) stärken“ (Koalitionsvertrag „Mehr Fortschritt wagen“, Randziffer 3995) sowie jeweils auch eine_n Antirassismus- und eine_n Antiziganismusbeauftragte_n benennen zu wollen. Was, wenn da Zielkonflikte entstehen? Was, wenn – man denke etwa an eine Neuauflage der Mbembe-Debatte – zwei Beauftragte der gleichen Bundesregierung an diametralen Enden des Meinungsspektrums Position beziehen? Wer entscheidet dann – nota bene regierungsamtlich –, und in welchem Verfahren und mit welchen Auswirkungen auf die öffentliche Debatte? Der Bundeskanzler?

Diese Fragen erscheinen uns angesichts ihrer Brisanz und Tragweite in der politischen Öffentlichkeit wie in der Rechtswissenschaft nicht hinreichend durchdacht und diskutiert. Dieses Blog-Symposium soll einen Beitrag leisten, diese Diskussion anzustoßen und zur Klärung der Positionen und Gestaltungsoptionen beizutragen.

Forschende aus Rechts- und Politikwissenschaft, die sich an dieser Diskussion beteiligen möchten, sind herzlich eingeladen, ihren Beitrag in Form eines Blogposts (maximal 2500 Wörter) bis 1. März 2022 an den Verfassungsblog (symposium@verfassungsblog.de) zu schicken.


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