Private Impfstoffentwicklung und öffentliches Interesse
Der amerikanische Präsident hat kürzlich versucht, seinem Land exklusive Rechte an den Impfstoffentwicklungen eines deutschen Unternehmen zu sichern. Sein Vorgehen war plump und erfolglos. Aber völlig unverständlich war es nicht, wenn man verfolgt, wie Bund und Länder um Nachschub für den medizinischen Bedarf in der Corona-Krise kämpfen. Kennt Not hier kein Gebot? Das wäre eine schlechte Nachricht für unsere Gesundheit. Produktion und Verteilung von Geräten und Material und auch die Entwicklung von Impfstoffen brauchen unternehmerische Entscheidungen und Initiative. Sie müssen aber die verfassungsgebotenen Prioritäten öffentlicher Interessen und besonders der Gesundheitsinteressen respektieren. Dazu gehört besonders auch der gleiche Zugang zu wirksamen Arzneimitteln und Impfstoffen zu bezahlbaren Preisen.
Private Akteure und öffentliche Gesundheit
Entwicklung, Herstellung und Verteilung von Material und Arzneimitteln – all das muss zwischen verschiedenen Akteuren koordiniert werden, die jeweils eigenen Handlungsrationalitäten unterliegen.
Eine große Rolle spielen dabei private Unternehmen, nicht nur bei Gerätschaften und Material, sondern auch bei der Entwicklung von Impfstoffen. Versicherungen und öffentliche Haushalte finanzieren dies. Darüber hinaus sind der erwerbswirtschaftlichen Ratio privater Unternehmen Grenzen gesetzt. Sie unterliegen mit ihren Eigentumsrechten der Sozialbindung nach Art. 14 Abs. 1 GG und können insoweit weitgehenden Einschränkungen unterworfen werden. Als ultima ratio käme mit Blick auf unabweisbare Bedürfnisse der öffentlichen Gesundheit sogar eine Enteignung nach Art. 14 Abs. 3 GG in Betracht.
Insbesondere: Patente und Zwangslizenzen
Das gilt in ähnlicher Form auch für Rechte des geistigen Eigentums, die mit der Aussicht auf Ausschließlichkeitsrechte Anreize zur Innovation bieten sollen. Insofern wäre hier zunächst an das Patentrecht zu denken, das Erfindern ein ausschließliches Nutzungsrecht an ihrer Erfindung einräumt. Es ist anzunehmen, dass beispielsweise bei der Entwicklung von Impfstoffen eine Reihe von Erfindungen gemacht und in Deutschland und international angemeldet werden. Auch ein solches Ausschließlichkeitsrecht ist dem öffentlichen Interesse unterworfen. Nach § 24 des Patentgesetzes kann das Patentgericht einem Dritten im „öffentlichen Interesse“ eine Zwangslizenz erteilen, wenn dieser Dritte – der sogenannte „Lizenzsucher“ – „sich innerhalb eines angemessenen Zeitraumes erfolglos bemüht hat, vom Patentinhaber die Zustimmung zu erhalten, die Erfindung zu angemessenen geschäftsüblichen Bedingungen zu benutzen“. Verweigert also der Patentinhaber einem Dritten die Erlaubnis, seine Erfindung zu den genannten Bedingungen zu nutzen, so kann das Patentgericht auf Antrag eine solche Zwangslizenz erteilen und damit die Nutzung der Erfindung unter den genannten Bedingungen erlauben, wenn daran ein „öffentliches Interesse“ besteht. Unzweifelhaft wäre das im Hinblick auf Gebote der öffentlichen Gesundheit der Fall – dafür spricht schon die Sozialbindung des Eigentums nach Art. 14 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Grundrecht auf Leben und Gesundheit, Art. 2 Abs. 2 GG. Das Abkommen der Welthandelsorganisation über handelsbezogenen Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums, an das u.a. die EU und Deutschland gebunden sind, unterstreicht diese ausdrücklich, indem es in Art. 8 Abs. 1 ausdrücklich auf „Maßnahmen … zum Schutz der öffentlichen Gesundheit …“ verweist. Es ist unstreitig, dass nach dem Recht der WTO aus diesen Gründen Zwangslizenzen erteilt werden können und dass die internationalen Menschenrechte und namentlich das Recht auf Gesundheit nach Art. 12 des internationalen Pakts über wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechts dies sogar erfordern können. Im Zusammenhang mit der Bekämpfung von AIDS ist dies in den Vereinten Nationen und der WTO intensiv diskutiert worden und hat sogar im Hinblick auf eine Detailfrage zu einer Änderung des TRIPs-Übereinkommens geführt.
Regeln über Zwangslizenzen sind international weit verbreitet. Die amerikanische Regierung drohte 2001 dem deutschen Hersteller Bayer mit ihrer Anwendung, um sich günstige Lieferungen des Mittels Ciprobay zu sichern. Das Mittel ist gegen Milzbranderreger wirksam, die zu jener Zeit in terroristischer Absicht in den USA über präparierte Postsendungen in Umlauf gebracht wurden. Ebenso könnte im Wege der Zwangslizenz die Nutzung einer amerikanischen Erfindung durch ein deutsches Patentgericht ermöglicht werden, wenn die Voraussetzungen vorliegen.
Wie der Milzbrand-Fall zeigt, ist aber die Möglichkeit der Erteilung einer Zwangslizenz offenbar in den meisten Fällen schon ausreichend, um einen Patentinhaber zu bewegen, Produkte zu günstigen Konditionen zur Verfügung zu stellen oder freiwillig Lizenzen zu erteilen. Das könnte erklären, warum von dem Instrument der Zwangslizenz jedenfalls in Deutschland kaum Gebrauch gemacht wird.
Die Realität öffentlich-privater Kooperation
Das Instrument der Zwangslizenz ist allerdings kaum mehr als ein letztes Mittel, um öffentliche Gesundheitsinteressen durchzusetzen. In der Wirklichkeit spielt der Staat hier eine sehr viel größere und vorgelagerte Rolle und hat deswegen auch eine Reihe von Möglichkeiten, seine Prioritäten durchzusetzen. Gerade zur Gesundheits- und Arzneimittelforschung trägt die öffentliche Hand mit Grundlagenforschung in Universitäten und Forschungseinrichtungen bei. Darüber hinaus arbeitet das Paul Ehrlich Institut als Bundesinstitut eng mit entsprechenden Firmen zusammen. Schließlich fördert der Bund die Forschung und Entwicklung mit erheblichen Beträgen. In diesen vielfältigen Kooperationsbeziehungen kann sich die öffentliche Hand über Verträge und Kooperationsgremien einen Einfluss auf Forschungsrichtungen und die Verwendung von Ergebnissen sichern. Soweit ersichtlich, ist etwa bei Förderungen unter bestimmten Umständen ein Recht auf eine nicht-ausschließliche Lizenz vorgesehen.
So liegt der Fall auch hier: Das Tübinger Unternehmen CureVac AG ist Vertragspartner eines internationalen Konsortiums, der Coalition for Epidemic Preparedness Innovations (CEPI), einer Vereinigung nach norwegischem Recht. An ihm sind Staaten und private Geldgeber beteiligt. Im Entscheidungsgremien des Konsortiums – dem „board“ – nimmt die Bundesregierung einen Sitz ein.
Schon das Konsortium selbst hat sich Grundsätze zur Verwendung der Forschungsergebnisse und -entwicklungen gegeben, die einen gleichen Zugang und die Bezahlbarkeit vorsehen. Allerdings hat das CEPI seine Grundsätze jüngst geändert, kritische Fragen im Deutschen Bundestag zur Folge hatte (BT-Drs. 19/1563 vom 9. und 25.4.2018).
Es stehen schwierige Fragen und Entscheidungen an
Mit der Corona-Krise und der zunehmenden Belastung des Gesundheitssystems werden absehbar schwierige Fragen und Entscheidungen anstehen, die dringend einer verfassungsrechtlichen Klärung bedürfen. Dabei stehen Fragen der staatlichen Schutzpflicht und des Gleichheitsgebots im Raum. Ein Detailproblem ist dabei die rasche Entwicklung, Produktion und Verfügbarmachung einer schützenden Impfung. Hier spielen private Unternehmen eine große Rolle. Auf ihre Entwicklungen und Erfindungen hat der Staat im Wege einer patentrechtlichen Zwangslizenz unter den gegebenen Umständen theoretisch weithin Zugriff. Weitaus wichtiger ist jedoch, dass der Staat in seiner umfangreichen fördernden und begleitenden Zusammenarbeit mit den Unternehmen öffentliche Gesundheitsinteressen mit den Grundsätzen des gleichen Zugangs und der Bezahlbarkeit wirksam vertritt. In der Situation einer Pandemie sind die Bedrohung und die zu ihrer Eindämmung erforderlichen Maßnahmen und die erforderliche Forschung und Entwicklung in einem globalen Maßstab zu denken. Das muss das Verfassungsrecht berücksichtigen.
Sehr geehrter Herr Professor Stroll,
um die Firma selbst zu zitieren:
„Um es noch einmal klar zu sagen: CureVac hat von der US-Regierung oder angegliederten Institutionen vor, während oder nach dem Task Force-Meeting im Weißen Haus am 2.März kein Angebot erhalten. CureVac weist alle Anschuldigungen der Presse zurück.”
Es haben lediglich Firmenvertreter an einem Meeting in den USA teilgenommen, dass ist alles. Die Behauptungen der Welt in diesem Fall sind nachweislich Fake News.
Noch darüber hinaus gehörten bedeutende Anteile der Aktien schon vor der Coronna Krise amerikanischen Investoren und handelt es sich hier nicht um eine rein deutsche Firma, sondern um ein Unternehmen welches ebenso auch einen Unternehmensitz in den USA in Boston hat.
Wenn Sie diesen Eintrag schon so anfangen und sich als Professor auf Artikeln der Zeitung die Welt aufbauen welche gelinde gesagt fragwürdig sind, dann stellt sich die Frage nach der Qualität Ihrer sonstigen Ausführungen. Ist es nicht Schade, wenn man viele richtige Annahmen dadurch diskreditiert, dass man eingangs völlig unnötigerweise solche reißerischen Aufhänger verwendet die darüber hinaus auch noch schlicht und einfach falsch sind ?
Hochachtungsvoll